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S3-Leitlinie Adulte Weichgewebesarkome

Bei der S3-Leitlinie zu den adulten Weichgewebesarkomen handelt es sich um die erste Leitlinie zu dieser Indikation, die im S3-Format erschienen ist. Im Jahr 2018 begonnen, erlitt sie durch die Pandemie Verzögerungen und konnte schließlich im Juni 2022 publiziert werden. Um in Zukunft rasche Updates zu ermöglichen und Verzögerungen durch widrige Umstände zu vermeiden, soll sie in eine „Living Guideline“ umgearbeitet werden. Momentan jedoch ist die Leitlinie aktuell und es sind keine Updates abzusehen. Sollte es zu Veränderungen kommen, werden sich diese im Bereich zusätzlicher Empfehlungen bewegen.

Evidenzbasierte präoperative Diagnostik

Vor einer Sarkomtherapie müssen immer eine Bildgebung und eine histologische Sicherung erfolgen. Üblicherweise wird die Bildgebung mit MRT gewählt, bei oberflächlichen Läsionen reicht gegebenenfalls auch Ultraschall aus.

Zudem enthält die Leitlinie Vorgaben dazu, wie mit einem Resektionspräparat/einer Biopsie zu verfahren ist. Stößt die herkömmliche Pathologie an ihre Grenzen, ist es nötig, Sarkompatholog*innen hinzuzuziehen. Ungefähr die Hälfte aller Sarkome ist z.B. mutations- oder translokationsgetriggert und kann mit Targettherapie behandelt werden – etwas, was in der Molekularpathologie über „next-generation sequencing“ ermittelt werden kann.

Evidenzbasierte Sarkomtherapie

Da Sarkome kein Organkrebs sind, sondern in allen Weichteilgeweben auftreten können, betrifft ihre Therapie viele verschiedene Disziplinen. Sarkome verhalten sich in Organen anders als z.B. Karzinome. Während ein Endometriumkarzinom wegen Metastasierung immer mit den zugehörigen Lymphknoten entfernt wird, ist das bei einem Sarkom in gleicher Lokalisation nicht nötig, da es in der Regel nicht in die Lymphknoten metastasiert.

41 Fachgesellschaften waren daran beteiligt, in der neuen Leitlinie zum ersten Mal eine evidenzbasierte Sarkomtherapie darzulegen und festzuhalten.

„Larger than a golf ball“

Jeder Weichteiltumor, der größer als 3cm und nicht oberflächlich lokalisiert ist, muss vor der Operation histologisch gesichert werden. „Es passieren noch Katastrophen in der Ersttherapie“, sagt Leitlinienautor Prof. Dr. Peter Hohenberger. Zu solchen Katastrophen komme es zum Beispiel, wenn Sarkome für Lipome oder Hämatome gehalten und unbedarft operiert werden.

Ist eine oberflächliche Umfangsvermehrung größer als drei Zentimeter, also „larger than a golf ball“ – ein Größenvergleich, der in England etabliert wurde –, und wächst, muss ebenfalls unbedingt an die Diagnose Sarkom gedacht und biopsiert werden.

Ist ein Tumor, auf den diese Kriterien nicht zutreffen, unerwartet doch ein Sarkom, ist ein Nachoperieren meist ohne Nachteil für Patient*innen möglich.

Therapieschemata

Die Leitlinie hält fest, bei welchen Tumoren präoperativ neoadjuvant therapiert werden sollte und welche Therapieformen neoadjuvant und adjuvant einzusetzen sind. Zur Wahl stehen Chemotherapie, Strahlentherapie, Chemotherapie in Kombination mit Strahlentherapie, Chemotherapie in Kombination mit Tiefenhyperthermie, zielgerichtete Therapie und isolierte Extremitätenperfusion. Da es über 60 verschiedene Sarkomarten gibt, fallen auch die Therapieempfehlungen sehr unterschiedlich aus. Zudem muss bedacht werden, dass Sarkomnamen deskriptiv sind: Ihr Name entspricht nicht dem Ursprungsgewebe, sondern ihrem Phänotyp.

Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) gelten zum Beispiel als Modellerkrankung für zielgerichtete Therapie mit Imatinib mit Überlebenszeiten von mittlerweile über 20 Jahren. Der Mutationsstatus ist entscheidend für die Therapiewahl. So gibt es auch Sarkome, die außerhalb der Lunge ALK-Mutationen aufweisen.

Rhabdomyosarkome und Ewing-Sarkome sind Beispiele für sehr aggressive Sarkome, die gut auf Chemotherapie ansprechen. Die Hürde hierbei ist, dass sie vor einer Therapie zunächst richtig diagnostiziert werden müssen.

Hoch- vs. niedrigmaligne Sarkome

Hochmaligne Sarkome (Grading 2 oder 3) benötigen nach R0-Resektion eine adjuvante Strahlentherapie mit 60Gy. Sie können auch präoperativ vorbestrahlt werden, um sie zu verkleinern oder um die Resektionsränder zu verbessern. Nach einer R0-Resektion soll nachbestrahlt werden. Im Gegensatz dazu wird bei niedrigmalignen Tumoren keine Bestrahlung empfohlen.

Superseltene Sarkome

Auch gibt es viele Subgruppen von Sarkomen, die nicht in den Behandlungsmainstream fallen. Ihnen widmet die Leitlinie zwölf Kapitel mit individuellen Therapieempfehlungen. Auch behandelt werden Sonderfälle wie das alveoläre Sarkom, dessen Therapie mit Cediranib nur noch über die USA zu beziehen ist.

Sarkomzentren

Sarkomzentren sind Kliniken, die für die Sarkomtherapie optimal ausgestattet sind. Sarkompatient*innen sollten an diese Zentren überwiesen werden. Die Deutsche Sarkomstiftung bietet Beratungen zur richtigen Überweisung an.

Ausgehend von der Leitlinie wurden 14 Qualitätskriterien etabliert, die Teil eines Zertifizierungssystems von OnkoZert sind. Erst- und Zweitoperateur*innen müssen unter anderem eine Lifetime-Expertise vorweisen (>50 Operationen), mindestens 15 Operationen pro Jahr durchführen und interdisziplinär Sarkome behandeln.

Interview mit dem Leitlinienautor Prof. Dr. Peter Hohenberger, Sektionsleiter SCO&TCH (Spezielle chirurgische Onkologie und Thoraxchirurgie), Universitätsmedizin Mannheim

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