Metastasiertes Kolorektalkarzinom
Autor:
Assoc. Prof. Dr. Lukas Weiss, PhD
Uniklinikum Salzburg
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Onkologische Ambulanz
Salzburg Cancer Research Institute (SCRI)
Laboratory for Immunological and Molecular Cancer Research (LIMCR)
Center for Clinical Cancer and Immunology Trials (CCCIT)
Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG)
Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie (AGMT)
Paracelsus Medizinische Universität, Salzburg
E-Mail: lu.weiss@salk.at
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Nachdem in den vergangenen Jahren durchaus beeindruckende Erfolge in der Therapie seltener Subgruppen verbucht werden konnten, mehren sich nun auch Hinweise auf neue effektive Therapeutika in der All-Comer-Gruppe – den Patient:innen mit mikrosatellitenstabilem metastasierten Kolorektalkarzinom (CRC). Diese Substanzen werden wohl rasch in größeren Studien geprüft werden. Die große Überraschung am ASCO-Jahrestreffen 2024 stellten jedoch die Ergebnisse der TransMet-Studie dar, die den potenziellen Stellenwert der Lebertransplantation bei hochselektionierten Patient:innen demonstrieren konnte. Darüber hinaus lieferte die COLLISION-Studie belastbare Daten, um zukünftig die Thermoablation als zumindest gleichwertige Alternative zur Resektion von kleineren Lebermetastasen anbieten zu können.
Keypoints
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CEACAM5 und c-Met stellen neue therapeutische Zielstrukturen dar, die nun auch beim Kolorektalkarzinom auf neue Systemtherapie-Optionen hoffen lassen.
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Die Lebertransplantation sollte zukünftig hochselektionierten Patient:innen als Therapieoption angeboten werden.
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Die Thermoablation stellt eine zumindest gleichwertige Alternative zur Resektion von kleineren Lebermetastasen dar.
Neues Antikörper-Wirkstoff-Konjugat gegen CEACAM5
Das Oberflächenprotein und Zelladhäsionsmolekül aus der Immunglobulin-Superfamilie CEACAM5 wird in über 90% aller Kolorektalkarzinome ausgeprägt und stellt somit eine interessante Zielstruktur dar. M9140 ist ein gegen CEACAM5 gerichtetes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) mit einem Topoisomerase-1-Inhibitor. In der Phase-I-Dosiseskalationsstudie PROCEADE-CRC-01 wurde M9140 bei 40 Patient:innen mit zumindest zwei Vortherapien untersucht.1
Dabei konnten bei einer Dosierung ≥2,4mg/kg (n=34) eine Krankheitskontrollrate (DCR) von 70,5% sowie ein progressionsfreies Überleben (PFS) von 6,7 Monaten beobachtet werden. Hämatologische Nebenwirkungen waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse, im Gegensatz zu anderen ADC wurden jedoch bislang keine Fälle von interstitieller Lungenerkrankung oder Augentoxizität beobachtet.
Diese Substanz wird in der Expansionsphase der Studie als Monotherapie, aber auch in Kombination mit anderen Therapien weiter geprüft.
c-Met als therapeutische Zielstruktur
Auch c-Met ist häufig in Kolorektalkarzinomen überexprimiert und mit einer schlechten Prognose assoziiert. Wie bei den meisten neuen ADC wurde auch im Falle von ABV-400 ein Topoisomerase-1-Inhibitor als Wirkstoff verwendet, gebunden an Telisotuzumab, einen gegen c-Met gerichteten Antikörper. In einer Phase-I- Dosiseskalationsstudie wurden die Sicherheit, Tolerabilität und präliminäre klinische Effektivität einer ABV-400-Monotherapie untersucht.2
Insgesamt wurden 122 Patient:innen mit unterschiedlichen Dosierungen von ABBV-400 in einem dreiwöchigen Intervall therapiert. Hauptsächlich kam es unter der Therapie zu hämatologischen Toxizitäten (CTCAE ≥3) mit Anämie (35%), Neutropenie (25%) und Thrombozytopenie (13%). Nichthämatologische Toxizitäten (CTCAE ≥3) wurden deutlich seltener beobachtet: Übelkeit mit 3%, Fatigue mit 2% und Erbrechen mit 4%.
Die frühen Ergebnisse hinsichtlich der klinischen Aktivität weisen darauf hin, dass ABBV-400 sowohl in höherer Dosierung als auch bei höherer c-Met-Expression auf den Tumorzellen (≥10% mit IHC 3+) besser wirkt: So konnten in dieser Subgruppe eine Gesamtansprechrate von 37,5% und ein PFS von 5,4 Monaten berichtet werden. Auch ABBV-400 befindet sich bereits in weiterführender Entwicklung, insbesondere in Kombination mit anderen gut etablierten CRC-Therapeutika.
Die potenzielle Bedeutung von c-Met als therapeutisch relevante Zielstruktur wird auch durch die Ergebnisse der Studie OrigAMI-1 verdeutlicht, die am ASCO-GI Anfang 2024 präsentiert wurden.3 Hier kam der bispezifische EGFR-MET-Antikörper Amivantamab zum Einsatz, der bereits zur Therapie des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms mit aktivierender EGFR-Exon-20-Insertions-Mutation zugelassen ist.
Eine Amivantamab-Monotherapie wurde im metastasierten CRC bei insgesamt 93 Patient:innen in drei verschiedenen klinischen Kohorten angewandt. Besonders interessant im Hinblick auf die bekannten Resistenzmechanismen bei Anti-EGFR-Antikörpern: Kohorte B umfasste Patient:innen nach vorangegangener Anti-EGFR-Therapie mit einer Krankheitskontrollrate von 72,2% und Kohorte C Patient:innen mit rechtsseitigem Primärtumor mit einer Krankheitskontrollrate von 77,8%. Vorläufige Biomarker-Daten deuten darauf hin, dass Amivantamab bei Veränderungen, die mit Anti-EGFR-Antikörper-Resistenz verbunden sind (z.B. EML4-ALK-Fusion, PTEN), aktiv sein könnte.
Langzeitüberleben nach Lebertransplantation
Die multizentrische europäische Studie TransMet untersuchte die Effektivität der Lebertransplantation+ Chemotherapie bei Patient:innen mit inoperablen Lebermetastasen.4 Die sehr strikten Einschlusskriterien umfassten ein Alter von ≤65 Jahren, guten Allgemeinzustand (ECOG 0–1), seitens eines Expert:innen-Gremiums bestätigte Inoperabilität der Lebermetastasen, keinen Hinweis auf extrahepatische Erkrankung und einen BRAF-Wildtyp. Darüber hinaus musste die Erkrankung unter Chemotherapie für mindestens drei Monate stabil sein, der Tumormarker CEA bei <80ng/mL liegen oder mindestens einen Abfall von 50% vom Ausgangswert aufweisen sowie der Primärtumor onkologisch bereits reseziert worden sein.
Von insgesamt 157 Patient:innen konnten 94 randomisiert werden, wobei letztendlich nur 36 Patient:innen im experimentellen Arm und 38 im Kontrollarm per Protokoll behandelt werden konnten. In Bezug auf den primären Endpunkt konnte ein signifikanter und klinisch hoch relevanter Unterschied erzielt werden: In der Per-Protokoll-Analyse führte die zusätzliche Lebertransplantation zur Verbesserung von 9% auf 73% in der 5-Jahres-Überlebensrate (Abb. 1). Interessanterweise kam es zu diesem Ergebnis, obwohl in 72% der Fälle trotz Lebertransplantation ein Rezidiv auftrat, allen voran mit pulmonalen Metastasen (14 von 26 Rezidiven). 46% dieser Rezidive konnten einer neuerlichen Operation oder Ablation zugeführt werden, wobei schließlich 15 der initial 36 Patient:innen mit Transplantation ohne Krankheitsnachweis verblieben (mediane Nachbeobachtungszeit 50 Monate).
Abb. 1: Primärer Endpunkt 5-Jahres-Überlebensrate in der TransMet-Studie mit Chemotherapie (C) und Chemotherapie+Lebertransplantation (LT) (modifiziert nach Adam R et al.)4
Diese Ergebnisse unterstützen die Lebertransplantation als neue Therapieoption für diese Gruppe, wobei eine sehr strenge Selektion entscheidend für den Erfolg zu sein scheint und daher nur wenige Patient:innen infrage kommen werden.
Chirurgie vs. Thermoablationbei kleinen Lebermetastasen
Die Phase-III-Studie COLLISION verglich die Thermoablation mit der chirurgischen Resektion bei kleinen Lebermetastasen.5 In dieser Studie wurden 296 Patient:innen aus 14 Zentren randomisiert, die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 28,8 Monate. Bei Einschluss durfte keine extrahepatische Metastasierung vorliegen, die Gesamtzahl von zehn Lebermetastasen und ein maximaler Durchmesser von 3cm durften nicht überschritten werden, wobei einzelne größere Metastasen auch im Ablationsarm zusätzlich reseziert werden durften (somit wurde bei höherer Metastasenlast letztendlich eine limitierte Resektion in Kombination mit einer Ablation der restlichen Metastasen durchgeführt).
In Bezug auf den primären Endpunkt Gesamtüberleben konnte kein Unterschied zwischen den Therapiearmen detektiert werden (HR: 1,051; 95% CI: 0,695–1,590; p=0,813). Ebenso wenig lag eine Unterlegenheit der Thermoablation gegenüber der Resektion in Bezug auf lokale Kontrolle vor („per-patient“ als auch „per-tumor“). Die Entlassung aus der stationären Betreuung konnte nach Thermoablation bereits nach im Median einem Tag erfolgen, gegenüber nach im Median vier Tagen nach Resektion (Abb. 2). Darüber hinaus wurden mit 20% mehr Grad-3/4-Toxizitäten nach Resektion gegenüber 6% nach Thermoablation beobachtet.
Abb. 2:Dauer des Krankenhausaufenthaltes nach Thermoablation oder Resektion in der COLLISION-Studie (modifiziert nach Meijerink MR et al.)5
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Thermoablation in erfahrenen Zentren der Resektion von kleineren Lebermetastasen gleichwertig ist. Internationale randomisierte Studien wie COLLISION untermauern die zunehmende Bedeutung der Thermoablation bei limitierter Lebermetastasierung, deren Möglichkeiten auch durch österreichische Pionier:innen auf diesem Gebiet kontinuierlich erweitert werden.
Literatur:
1 Kopetz S et al.: ASCO 2024; Abstr. #3000 2 Sharma MR et al.: ASCO 2024; Abstr. #3515 3 Oberstein PE et al.: ASCO GI 2024; Poster #H20 4 Adam R et al.: ASCO 2024; Abstr. #3500 5 Meijerink MR et al.: ASCO 2024; Abstr. #LBA3501
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