Neuroonkologie: Immuntherapie wirksam machen
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Anna Sophie Berghoff schildert die Highlights des Jahrestreffens 2022 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Bereich derNeuroonkologie. Forschungsansätze im Bereich der Immuntherapien und der Therapieselektion anhand von Tumor- und Mikrobiomcharakteristika versprechen spannende Perspektiven.
Tumorvakzine rufen Immunantworthervor
In eine einarmige Phase-I/II-Studie zur Kombination von Tumorvakzinierung mit einem PD-1-Inhibitor wurden 52 Patient*innen mit neu diagnostiziertem Glioblastom und minimaler Resterkrankung (MRD) inkludiert. Sie wurden in zwei Kohorten aufgeteilt. Kohorte A (n=32) wies nichtmethylierte MGMT auf, Kohorte B (n=20) methylierte MGMT. Primärer Endpunkt war die Toxizität, sekundäre Endpunkte waren Effizienz und Immunogenität.1
Verabreicht wurden zwei verschiedene Tumorvakzine: INO-9012, das IL-12 kodiert, und INO-5401, das gleich drei Antigene kodiert. Als PD-1-Inhibitor wurde Cemiplimab gewählt. Die Kombination wurde bereits vor Beginn der hypofraktionierten Radiotherapie gegeben und in Kohorte B darüber hinaus beibehalten.
Die meisten Ereignisse im Bereich der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) konnten Grad 1 und 2 zugeordnet werden. Ereignisse von Grad 4 und 5 traten gar nicht auf. Das mediane Gesamtüberleben (OS) lag in Kohorte A bei 17,9 Monaten (95% CI: 14,5–19,8) und in Kohorte B bei 32,5 Monaten (95% CI: 18,4–nicht erreicht).
Auch wenn es sich nicht um eine überragende Effizienz handelt, ist der Ansatz laut Prof. Dr. Berghoff spannend, da bei Glioblastomen nach wie vor die Frage offen ist, wie eine immunmodulierende Therapie wirksam gemacht werden kann. In dieser Studie konnte nun nicht nur gezeigt werden, dass die Kombinationstherapie eine immunologische Reaktion auslöst, sondern auch, dass einige Tumor-assoziierte Genexpressionsmuster mit einem besseren OS zusammenhängen.
Es sei zu hoffen, dass in Zukunft eine größere Anzahl an Patient*innen inkludiert wird, die im besten Falle nach immunologischen Charakteristika vorselektiert werden.
Mikrobiom als prognostischer Marker?
Eine weitere Studie lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass sie einen Beitrag dazu leistet, in Zukunft die wenigen Patient*innen mit Glioblastom, die auf eine Immuntherapie ansprechen könnten, einfacher zu identifizieren.2
In der Phase-I/II-Studie wurden 60 Patient*innen mit einem neu diagnostizierten Glioblastom und ohne Selektion nach MGMT-Status mit Atezolizumab, Temozolomid und Radiotherapie behandelt. Nach der Radiotherapie erfolgte die Gabe von Atezolizumab und Temozolomid adjuvant. Die Tumorgenetik und das Darmmikrobiom wurden in Assoziation mit den klinischen Ergebnissen OS und progressionsfreies Überleben (PFS) untersucht.
Patient*innen, deren Tumorgenetik vor der Behandlung eine EGFR-Abweichung zeigte, wiesen ein relativ kürzeres medianes OS auf als jene, bei denen eine PTEN-Alteration zu finden war. Patient*innen mit IDH1-Mutation hatten das längste mediane OS. Gene, die mit Lymphozyten-Aktivierung und Immunantwort assoziiert waren, hatten ebenfalls einen positiven Effekt auf das OS. Im Darmmikrobiom war das Vorhandensein zweier Bakterientaxa mit einer Wirkung auf das OS (Ruminococcus spp.) und die Ansprechrate (Eubacterium spp.) assoziiert. Um gesicherte Aussagen treffen zu können, sind weitere Studien zum Mikrobiom notwendig.
Interessant ist auch die Erkenntnis, dass sich die Charakteristika des Glioblastoms von denen anderer Tumoren stark unterscheiden. So korreliert die „mutational burden“ nicht mit der Ansprechrate und die Alpha- und Beta-Diversität im Mikrobiom gestaltete sich anders als zum Beispiel beim Melanom.
Weitere Studien, weitere Vorreiter
Vier weitere Studien fanden Erwähnung durch Prof. Dr. Berghoff.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Anna Sophie Berghoff schildert die Highlights des ASCO Annual Meeting2022 im Bereich der Neuroonkologie. Das Video finden Sie online.
Im pädiatrischen Bereich wurde in einer Phase-II-Studie zum ersten Mal die Kombination Dabrafenib und Trametinib beim Low-Grade-Gliom mit BRAF-V600-Mutation untersucht.3 Die ORR und die Rate klinischen Nutzens (CBR) erhöhten sich signifikant im Vergleich zur Therapie mit Carboplatin und Vincristin. Auch das PFS war deutlich verlängert. Diese Ergebnisse und die gute Verträglichkeit machen die Kombination zu einer validen Option in der Erstlinientherapie für Kinder.
In einer randomisierten Phase-II/III-Studie mit dem PARP-Inhibitor Veliparib oder Placebo in Kombination mit adjuvantem Temozolomid bei Patient*innen mit neu diagnostiziertem Glioblastom mit methylierter MGMT konnten hingegen keine Vorteile festgestellt werden.4 Es wurde jedoch bei einer Subgruppe ein verlängertes OS beobachtet, wenn bei Rezidiv nach einer Therapie mit Veliparib und Temozolomid mit Temozolomid weiterbehandelt wurde.
Eine neue Klassifikation für das Ausmaß der chirurgischen Resektion beim Glioblastom zeigte hohe prognostische Aussagekraft.5 Im Report der RANO(Response Assessment in Neuro-Oncology)-Gruppe wird berichtet, dass eine supramaximale Resektion über die Grenzen des kontrastverstärkenden Tumors hinaus zu einem verlängerten Gesamtüberleben führt.
Auch zur Radiotherapie bei Patient*innen mit leptomeningealen Metastasen solider Hirntumoren gab es neue Studienergebnisse. In der ersten randomisierten Phase-II-Studie mit dieser Fragestellung wurde die kraniospinale Protonenbestrahlung mit „Involved-field“-Photonen-Radiotherapie verglichen.6 Der primäre Endpunkt ZNS-PFS erwies sich bei der kraniospinalen Protonenbestrahlung als länger. Außerdem konnte bei dieser Art der Strahlentherapie ein signifikanter Vorteil im OS festgestellt werden. Die UAW vom Grad 3 waren in beiden Gruppen vergleichbar. Prof. Dr. Berghoff schätzt die Übersetzung dieser Ergebnisse in die Praxis jedoch als schwierig ein.
Literatur:
1 Reardon DA et al.: Intramuscular (IM) INO-5401 + INO-9012 with electroporation (EP) in combination with cemiplimab (REGN2810) in newly diagnosed glioblastoma. J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 16): Abstr. #2004 2 Weathers SP et al.: Baseline tumor genomic and gut microbiota association with clinical outcomes in newly diagnosed glioblastoma (GBM) treated with atezolizumab in combination with temozolomide (TMZ) and radiation. J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 16): Abstr. #2006 3 Bouffet E et al.: Primary analysis of a phase II trial of dabrafenib plus trametinib (dab + tram) in BRAF V600–mutant pediatric low-grade glioma (pLGG). J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 17): Abstr. #LBA2002 4 Sarkaria JN et al.: Randomized phase II/III trial of veliparib or placebo in combination with adjuvant temozolomide in newly diagnosed glioblastoma (GBM) patients with MGMT promoter hypermethylation (Alliance A071102). J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 16): Abstr. #2001 5 Karschnia P et al.: Prognostic validation and refinement of a classification system for extent of resection in glioblastoma: a report of the RANO resect group. J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 16): Abstr. #2003 6 Yang JT et al.: Phase II randomized study comparing proton craniospinal irradiation with photon involved-field radiotherapy for patients with solid tumor leptomeningeal metastasis. J Clin Oncol 2022; 40(Suppl 16): Abstr. #2000
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