Perioperatives Management – die Sicht des Viszeralchirurgen
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Reinhold Kafka-Ritsch
Geschäftsführender Oberarzt
Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Innsbruck
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Angeführt von einem Anästhesisten, Prof. Kehlet aus Kopenhagen, wurde vor mehr als 20 Jahren begonnen, viele Dogmen des perioperativen Managements in der Viszeralchirurgie zu hinterfragen und zu ändern. Seither hat, unterlegt von vielen wissenschaftlichen Studien, ein kompletter Paradigmenwechsel bei abdominellen Operationen stattgefunden. Es wurden viele vorher als unabdingbare perioperative Maßnahmen wie z.B. die perioperative Nüchternheit abgeschafft.
Keypoints
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Durch reduzierten Stress und optimale Schmerztherapie soll die Darmtätigkeit möglichst wenig unterbrochen und die Immobilisierung des Patienten auf ein Minimum beschränkt werden.
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ERAS ist ein noch nicht abgeschlossener Prozess, der auch Prehabilitationsmaßnahmen beinhaltet.
Zu Beginn meiner Ausbildung wurde der Kostaufbau mit Tee begonnen, und dies erst nach dem ersten Flatus, manchmal erst nach fünf Tagen! Heute sind Patienten mit elektiver laparoskopischer Kolonresektion machmal am Tag fünf schon zu Hause. Diese ursprünglich „fast track“ genannten Behandlungspfade zielten darauf ab, die perioperativen Komplikationen und die Morbidität zu senken und nicht, wie der Name vermuten ließe, die Patienten möglichst schnell abzufertigen.
„Fast track“ und ERAS
Angefangen hat es mit der präoperativen Nüchternheit, welche gerade ältere Patienten vor einer elektiven Operation eher schwächt. Mit dem Wissen, dass klare, fettarme Flüssigkeiten den Magen innerhalb von 2 Stunden verlassen, wurde den Patienten bewusst 2 Stunden vor der Operation ein kohlenhydratreiches Getränk verabreicht. Dies, um einerseits die Kohlenhydratspeicher in der Leber zu füllen und andererseits um eine präoperative Exsikkose zu vermeiden, welche unweigerlich bei Narkoseeinleitung zu Blutdruckabfall und der Notwendigeit von vermehrter i.v. Flüssigkeitsgabe führt.
Zu starken Diskussionen und Skepsis trotz der Evidenz aus großen randomisierten Studien hat der Paradigmenbruch in der oralen Darmvorbereitung geführt, welcher wie zur Vorbereitung für eine Darmspiegelung durchgeführt wurde. Um die dadurch bedingte präoperative Exsikkose und Elektrolytstörungen zu vermeiden, wurde im Bereich der kolorektalen Chirurgie diese Maßnahme daher, bis auf wenige Ausnahmen, nämlich wenn eine tiefe Rektumanastomose ein protektives Ileostoma notwendig macht, reduziert auf einen rektalen Einlauf präoperativ bei linksseitigen Kolonresektionen. Obwohl dies in Europa seit mehr als 20 Jahren in den ERAS-Guidelines vorgegeben wird, wird dies noch immer nicht von allen Chirurgen akzeptiert und vor allem im amerikanischen Raum nicht in dieser Form umgesetzt.
In den letzten 20 Jahren wurde das inzwischen in ERAS umbenannte Konzept auf mehr als 20 Maßnahmen erweitert. Prinzipiell soll durch reduzierten Stress und optimale Schmerztherapie die Darmtätigkeit möglichst wenig unterbrochen und die Immobilisierung des Patienten auf ein Minimum beschränkt werden. Dies führt natürlich automatisch zu verkürzter Liegedauer bzw. verkürzten Aufenthaltszeiten.
Innsbrucker Patienten-Pfad
Leider wurde auch ein wirtschaftlicher Hintergrund etabliert. Will man offiziell als ERAS-Zentrum aufscheinen, muss man nicht unwesentliche Lizenzgebühren an die ERAS-Gesellschaft zahlen. Obwohl wir in Innsbruck fast von Beginn an am „fast track“ und anschließend am ERAS mitbeteiligt waren, haben wir uns aus diesem Grund entschieden, unserem Programm einen eigenen Namen zu geben. Wir in Innsbruck an der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie haben daher für unseren Behandlungspfad, welcher inzwischen von der kolorektalen Chirugie auch in andere Bereiche (hepatobiliäre Chirugie, Ösophaguschirurgie etc.) übertragen wurde, einen eigenen Namen etabliert, nämlich Innsbrucker Patienten-Pfad (IPP).
Abb. 1: Patientin am zweiten postoperativen Tag nach Darmresektion (man beachte: Zivile Kleidung ermuntert die Patienten, möglichst wenig Zeit im Bett zu verbringen, das Essen wird bewusst nicht im Bett serviert)
Im Rahmen der sehr engen Zusammenarbeit mit der hiesigen Abteilung für Gynäkologie wurden viele ERAS-Maßnahmen im Rahmen der onkologischen Laparatomien bei Ovarialkarzinomen umgesetzt. Auch hier wird in den meisten Fällen trotz wahrscheinlich notwendiger Darmresektion auf eine präoperative orale Darmvorbereitung und Nüchternheit verzichtet und ein rascher Kostaufbau auch nach Darmanastomosen forciert sowie auf Anastomosendrains verzichtet. Die epidurale Anästhesie, ein fast unverzichtbarer Bestandteil, um eine opiatfreie Schmerztherapie zu ermöglichen, hat in der Gynäkologie bei uns eine längere Tradition und dadurch eine hohe Qualität.
Fazit
ERAS ist ein noch nicht abgeschlossener Prozess, die Evidenz für einzelne Maßnahmen nimmt ständig zu und neue Maßnahmen werden etabliert. Zuletzt wurde auch ein aus meiner Sicht sehr wichtiges Element, die Prehabilitation, etabliert. Hier wird die Zeit bis zur OP für Maßnahmen genützt, um die Fitness des Patienten zu verbessern. Neben dem Ausgleich von tumorbedingten Mangelzuständen, wie z.B. Eiweiß- oder Eisenmangel, werden an den Patienten angepasste Trainingsprogramme angeboten.
Literatur:
• Ljungqvist O et al.: Enhanced Recovery After Surgery: areview. JAMA Surg 2017; 152(3): 292-8 • Gustafsson UO et al.: Guidelines for perioperative care in elective colorectal surgery: Enhanced Recovery After Surgery (ERAS®) Society Recommendations: 2018. World J Surg 2019; 43(3): 659-95
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