© rocketclips - stock.adobe.com

Rolle und Aufgabe einer Cancer Nurse

Am Universitätsklinikum AKH Wien sind Pflegeexpert*innen als Cancer Nurses für Patient*innen und ihre Angehörigen im Einsatz, um eine patient*innenorientierte Versorgung während der gesamten Krebsbehandlung zu ermöglichen.

Keypoints

  • Cancer Nurses verfügen über vertieftes Fachwissen in Bezug auf ihre Patient*innengruppe, haben Erfahrung im Umgang mit krankheitsspezifischen Symptomen und möglichen therapiebedingten Nebenwirkungen und kennen angemessene Unterstützungsangebote.

  • Durch den Einsatz von Cancer Nurses werden zahlreiche positive Outcomes beschrieben (z.B. verbessertes Symptom- und Selbstmanagement).

  • Zentrale Aufgaben sind: krankheits- und therapiespezifische Edukation, Schnittstellenmanagement, Navigation im oft hochfragmentierten Versorgungsprozess.

Warum gibt es Cancer Nurses?

Es zeigt sich in Österreich (sowie international) ein Anstieg der Inzidenz von Menschen, die an Krebs erkranken, und ebenso eine Erhöhung der Überlebensrate.1 Weiters ist zu beobachten, dass onkologische Behandlungen zunehmend ambulant oder tagesklinisch statt finden.2

Diese Aspekte und der oft diskutierte (Pflege-)Personalmangel stellen das Behandlungsteam in der Onkologie vor die Herausforderung, eine Betreuung zu gewährleisten, welche die individuellen Aspekte (in Bezug auf Behandlung, Pflege und psychosoziale Unterstützung) berücksichtigt. Die Patient*innen stehen parallel vor der Aufgabe, ihre Erkrankung zu bewältigen, auf kritische Symptome und Nebenwirkungen zu achten, sich in dem oft hochfragmentierten Gesundheitssystem zurechtzufinden und bei den meist kurzen Kontakten mit dem Behandlungsteam (Tagesklinik/Ambulanz) relevante Informationen einzuholen.

Advanced Practice Nurses (APN), hier in Form der Cancer Nurse, stellen eine Möglichkeit dar, den oben beschriebenen Entwicklungen zu begegnen und dem Anspruch einer patient*innenorientierten Versorgung gerecht zu werden. „Eine Pflegeexpertin APN […] ist eine Pflegefachperson, welche sich Expert*innenwissen, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten und klinische Kompetenzen für eine erweiterte pflegerische Praxis angeeignet hat. Die Charakteristika der Kompetenzen werden vom Kontext und/oder den Bedingungen des jeweiligen Landes geprägt, in dem sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit zugelassen ist. Ein Masterabschluss in Pflege (Nursing Science) gilt als Voraussetzung. […]“3

Implementierung und Tätigkeitsbereich der Cancer Nurse

2014 fand eine Prävalenzerhebung zum Symptomdistress bei Patient*innen während einer chemo- oder strahlentherapeutischen Behandlung im AKH Wien statt. Ein Ergebnis dieser Befragung der Patient*innen war unter anderem ein unerfülltes Informations-/Beratungsbedürfnis.4 Als erste Maßnahme wurde die hämato-/onkologische Pflegeambulanz implementiert, um den beschriebenen Bedürfnissen entgegenzukommen (Tab. 1).

Tab. 1: Übersicht über Pflegeambulanz

Als Erweiterung der Pflegeambulanz war die Etablierung einer Cancer Nurse der nächste Schritt. Die Vorgehensweise im Projekt lehnt sich an die Grundprinzipien des PEPPA Framework an, welches speziell für die Implementierung von APN entwickelt wurde.5 Die Rollenbeschreibung der Cancer Nurse (CN) basiert auf dem EONS Cancer Nursing Education Framework von 2018.6

Der Tätigkeitsbereich der Cancer Nurse im AKH Wien entspricht dem einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson (lt. Gesundheits- und Krankenpflegegesetz Österreich [GuKG]) mit mehrjähriger Praxiserfahrung und entsprechender Weiterbildung/passendem Studium. Sie ist keinem bestimmten Pflegeteam zugeteilt, sondern agiert je nach Bedarf in der Ambulanz, Tagesklinik oder Station – multiprofessionelle Zusammenarbeit ist hier wesentlich (z. B. Medizin, Diätologie, Psychologie, Sozialarbeit). Sie richtet in ihrer Arbeit den Fokus auf Edukation, Selbstmanagement, Symptommanagement und Schnittstellenmanagement – je nach Bedarf und Bedürfnis der Patient*innen und Angehörigen. In Tabelle 2 ist ein Überblick über die Aufgaben angeführt.

Tab. 2: Übersicht über die Tätigkeiten einer Cancer Nurse

Behandlungsweg und Einbindung der Cancer Nurse

In Abbildung 1 ist ein Beispiel des möglichen Behandlungsweges während einer medikamentösen Therapie dargestellt. Cancer Nurses können in alle Phasen dieses Behandlungsweges involviert sein oder punktuell hinzugezogen werden.

Abb. 1: Behandlungsweg in der Onkologie (eigene Darstellung)

Unabhängig vom Zeitpunkt wird im Rahmen des ersten Kontaktes mit den Patient*innen und ggf. Angehörigen eine Pflegeanamnese erhoben (z.B. Sozialanamnese, Screening der Krankheitssymptome, des Unterstützungsbedarfs zu Hause, Fragen zu Symptomen der Erkrankungen wie Schmerzen, Problemen mit der Verdauung, Schlafproblemen etc.). Diese Anamnese ermöglicht eine fokussierte Betreuung der Patient*innen.

Je nach Diagnose und Behandlungsplan werden Assessments/Screenings eingesetzt, um potenzielle Risiken zu erkennen, gezielt präventive Maßnahmen mit den Patient*innen besprochen und in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Ärzt*innen supportive Maßnahmen vereinbart. Ziel der Edukation (Sammelbegriff für Information, Anleitung/Schulung, Beratung) ist, das Selbstmanagement zu fördern.7 Insbesondere Cancer Nurses sehen Patient*innenedukation als Teil des Therapieplans, damit Zusammenhänge von Symptomen und Nebenwirkungen während der Therapie verstanden und besser behandelt werden können.8,9 Das kann dazu beitragen, Angst zu lindern, Komplikationen zu verringern, die Therapietreue zu fördern und Motivation zu verleihen.10,11

Bei den geplanten Wiedervorstellungen (für die nächste Therapieeinheit) wird auf den letzten Aufenthalt Bezug genommen (z.B. ob und in welcher Form Nebenwirkungen aufgetreten sind) und die Situation gemeinsam mit den Betroffenen und ggf. den Angehörigen evaluiert. Hier können Cancer Nurses für Kontinuität im Verlauf sorgen und die Kommunikation im Behandlungsteam positiv beeinflussen, da sie regelmäßig mit denselben Patient*innen Kontakt haben und vertieftes Fachwissen in Bezug auf die Erkrankung und spezifische Pflegemaßnahmen besitzen.

Am Beispiel einer Cancer Nurse für Patient*innen mit kolorektalen Karzinomen zeigt sich ein breites Spektrum der zu betreuenden Patient*innen. Diese befinden sich in unterschiedlichen Krankheitsstadien und Lebenssituationen (z.B. 39-Jährige mit N. sigma, 82-Jähriger mit N. recti). Neben den körperlichen Beschwerden aufgrund der Erkrankung ergeben sich psychosoziale Belastungen wie Ungewissheit über den weiteren Krankheitsverlauf und Zukunftsängste, insbesondere bei den jungen Erwachsenen.12,13

Die Patient*innen benötigen hier eine gute Vorbereitung für die Zeit zwischen den ambulanten Therapieterminen (z.B. nochmalige Erklärung der verordneten antiemetischen Therapie, Information zu Hautreaktion bei Therapien mit EGFR-Inhibitoren, Strategien bei Fatigue). Bei Bedarf werden mit den Patient*innen individuell telefonische Follow-up-Gespräche zwischen den Behandlungsterminen vereinbart.

Resümee

Die Rolle der Cancer Nurse als Berater*in und Navigator*in wirkt sich sowohl auf die Patient*innen als auch auf das multiprofessionelle Behandlungsteam positiv aus, indem sie für Kontinuität in der Versorgung und verbesserte Kommunikation sorgen kann.14–16 Auf Basis zahlreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse werden positive Outcomes durch den Einsatz von APN (z.B. Cancer Nurse) international beschrieben.17–19

In der Praxis werden von Kolleg*innen des multiprofessionellen Teams sowie von Patient*innen und Angehörigen immer wieder positive Rückmeldungen in Bezug auf die Zufriedenheit mit der Rolle der Cancer Nurse im Universitätsklinikum AKH Wien kommuniziert und Wünsche zur Erweiterung des Cancer-Nurses-Teams geäußert.

1 Statistik Austria Krebserkrankungen in Österreich. Bundesanstalt Statistik Österreich, 2020 2 Baumann W, Schmitz S: Entwicklungen in der onkologischen Versorgung – ambulant und stationär. Onkologe 2016; 22: 158-66 3 DBfK, ÖGKV, SBK: Advanced Nursing Practice in Deutschland, Österreich und der Schweiz – eine Positionierung der DBfK, ÖGKV und SBK, 2013 4 Köck-Hódi S et al.: Symptom-Belastung von KrebspatientInnen im Rahmen einer chemo- oder strahlentherapeutischen Behandlung. Eine Prävalenzstudie. Institut für Pflegewissenschaft, Universität Wien, 2014 5 Bryant-Lukosius D, DiCenso A: A framework for the introduction and evaluation of advanced practice nursing roles. J Adv Nurs 2004; 48(5): 530-40 6 EONS Cancer Nursing Education Framework (2018). Online unter https://cancernurse.eu/education/cancer-nursing-education-framework/ . Abgerufen am 14.01.2022 7 Hacker M et al.: Edukation in der Pflege. Wien: Facultas, 2021 8 Klug Redman B: Selbstmanagement chronisch Kranker – chronisch Kranke gekonnt einschätzen, informieren, betraten und befähigen. Bern: Hans Huber, 2008 9 Barsevick A et al.: Management of cancer-related fatigue. Clin J Oncol Nurs 2008; 12(5): 21-5 10 Bastable SB: Essentials of patient education. Burlington: Jones & Bartlett Learning, 2016 11 Sherman JR: An initiative to improve patient education by clinical nurses. Medsurg Nurs 2016; 297-333 12 Shaha M: Leben mit Darmkrebs. Eine ontisch-empirische Studie. Pflege 2003; 16: 323-30 13 Kaufmann-Molnàr I et al.: Chemotherapeutische Nebenwirkungen bei Kolonkarzinom – eine qualitative Studie aus Betroffenensicht. Pflege 2019; 32(3): 129-36 14 McMullen L: Oncology nurse navigators and the continuum of cancer care. Semin Oncol Nurs 2013; 29(2): 105-17 15 Oncology Nursing Society (ONS). Role of the oncology nurse navigator throughout the cancer trajectory. Online unter https://www.ons.org/make-difference/advocacy-and-policy/position-statements/ONN . Abgerufen am 15.11.2022 16 Bachofner E et al.: Betreuung durch ein Advanced Nursing Practice-Team – Erfahrungen Lymphombetroffener und ihrer Angehörigen: eine qualitative Studie. Pflege 2021; (34(5): 231-9 17 Kerr H et al.: Evaluation of the role of the clinical Nurse Specialist in cancer care: an integrative literature review. Eur J Cancer Care 2021; 30: e13415 18 Morilla-Herrera JC et al.: A systematic review of the effectiveness and roles of advanced practice nursing in older people. Int J Nurs Stud 2016; 53: 290-307 19 Kobleder A et al.: ‚Feeling someone is there for you’ – experiences of women with vulvar neoplasia with care delivered by an Advanced Practice Nurse. J Clin Nurs 2016; 26: 456-65

Back to top