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Pflegekompetenz im Brustkrebszentrum

Warum es Breast Care Nurses braucht

Eine Brustkrebsdiagnose ist ein einschneidender Moment im Leben einer Frau. Seit mehr als 10 Jahren begleiten in Österreich speziell ausgebildete Pfleger*innen Betroffene und stehen diesen mit großer fachlicher Kompetenz zur Seite. Der folgende Artikel erlaubt einen Einblick in die wertvolle Arbeit der Breast Care Nurses.

Mit einer Inzidenz von 5682 Fällen im Jahr 2019 zählt Brustkrebs zur häufigsten Krebserkrankung der Frau. 66 Männer wurden 2019 mit dieser Diagnose konfrontiert. Gerade in den letzten Jahren wurde nicht nur die medikamentöse Therapie des Mammakarzinoms im neoadjuvanten, adjuvanten oder palliativen Setting immer zielgerichteter. Auch im Bereich der Mammachirurgie werden, wenn notwendig und möglich, vermehrt onkoplastische oder rekonstruktive Operationsmethoden angeboten. Durch diese zunehmende Spezialisierung in der Tumortherapie werden auch die Aufgabenbereiche der professionellen Pflege komplexer und herausfordernder. Daher ist es wichtig, sich neue und tiefgehende Kompetenzen mittels Aus-, Fort- und Weiterbildungen anzueignen.

In Österreich gibt es im Bereich des Mammakarzinoms seit nunmehr zwölf Jahren eine Spezialisierung der Pflege. Mittlerweile hat sich die Betreuung durch Breast Care Nurses (BCN) in zertifizierten Brustzentren etabliert und ist aus der Behandlung von Brustkrebspatient*innen nicht mehr wegzudenken (Abb. 1). Doch auch wenn der Fokus von Breast Care Nurses auf Patient*innen mit einer Brustkrebsdiagnose liegt, werden mittlerweile viele Frauen betreut, die aufgrund unterschiedlichster Beschwerdebilder im Brustgesundheitszentrum vorstellig werden und eine erweiterte Pflegeberatung durch die Breast Care Nurse benötigen.

Abb. 1: Anwesenheit der Breast Care Nurse im Behandlungsprozess

Es wird empfohlen, dass je Brustzentrum mindestens zwei Breast Care Nurses tätig sind. Für ihren Einsatzbereich gibt es jedoch keine explizite Vorgabe, dieser variiert je nach Bedarf des jeweiligen Brustzentrums. Z.B. können Breast Care Nurses auch in der Strahlentherapie/Radioonkologie zum Einsatz kommen. So ergibt sich für die Patientin eine kontinuierliche Begleitung durch eine(n) Pflegeexpert*in. Idealerweise verfügt die Breast Care Nurse über eine teilweise oder vollständige Freistellung in ihrer Expert*innenfunktion. Dies ermöglicht ihr, Pflegeberatung im Rahmen der regulären ambulanten Kontrollen, selbstständig in Form von Sprechstunden, abteilungsübergreifend mittels Konsiliarbesuchen und telefonisch anzubieten – als kontinuierliche Ansprechperson. Jede(r) Patient*in entscheidet dabei selbst, wieviel Betreuung sie/er durch die Breast Care Nurse benötigt bzw. in Anspruch nimmt.

In den vergangenen zwei Jahren, welche von der Covid-19-Pandemie geprägt waren, bewährte sich die Breast Care Nurse als zuverlässige Ansprechperson und als Bindeglied zum betreuenden Ärzt*innenteam bzw. zu anderen Berufsgruppen im interdisziplinären Team. Patient*innen zeigten insbesondere während des Covid-19-bedingten Lockdowns Unsicherheiten und zusätzliche Ängste, neue Fragen wurden aufgeworfen. Ergänzend zum Behandlungsprozess erfolgten in dieser Zeit viele Pflegeberatungen telefonisch.

Pflegerische Beratung mit Herz & Hirn

Für eine gezielte Pflegeberatung ist es wichtig, über den Behandlungsplan Bescheid zu wissen, damit die ärztliche und pflegerische Betreuung Hand in Hand gehen kann. Bereits bei der Erstdiagnose ist die Breast Care Nurse vor Ort und bespricht im Anschluss an die ärztliche Aufklärung die weiteren Schritte, erklärt nochmals Behandlungsabläufe und zeigt Unterstützungsmöglichkeiten auf.

Die Breast Care Nurse verfügt über die nötige Expertise in Bezug auf die verschiedenen Tumorarten, Operations- und Behandlungskonzepte sowie spezielle Pflege nach Brustoperationen. Stehen Entscheidungen an, sei es in Bezug auf Operationstechniken oder Therapien, versucht die Breast Care Nurse, bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen – stets in enger interdisziplinärer Vernetzung. Sie informiert, berät und schult betroffene Frauen und deren Angehörige. Therapien beim Mammakarzinom erstrecken sich teilweise über mehrere Jahre. Nebenwirkungen können dazu führen, dass Patient*innen behandlungsmüde werden. Gezielte Beratung durch die Breast Care Nurse kann auch hier die ärztliche Betreuung in der Nachsorge sinnvoll ergänzen.

Im Rahmen von Informations- und Beratungsgesprächen erfolgt über den gesamten Behandlungszeitraum eine kontinuierliche Erhebung des Bedarfs der Patient*innen und ihrer Ressourcen. Das Bedürfnis nach Informationen erstreckt sich über alle Phasen der Behandlung. Stehen am Beginn vor allem existenzielle Fragen, Abläufe von Untersuchungen und Therapien im Vordergrund, ist in der Nachsorge vor allem das Wiederhineinfinden in den Alltag, ins Familien- und Berufsleben von Bedeutung.

Die Diagnose Brustkrebs bringt zahlreiche Veränderungen mit sich, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Angehörige, Familie und Freund*innen. Therapien verändern den Körper bzw. das Körperbild und haben Einfluss auf das psychische und soziale Befinden. Die aktuelle Lebenssituation wird hinterfragt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patient*in und Breast Care Nurse bietet die Möglichkeit, diese Themen zu besprechen. Je nach Bedarf wird Hilfestellung geleistet durch Kontakte zum/zur Psycholog*in, Diplomsozialarbeiter*in oder zur sexualmedizinischen Praxis. Meist reicht es auch, nur zuzuhören und sich auszutauschen. Es darf geweint und gelacht werden.

Die Breast Care Nurse ist nicht nur Bindeglied im jeweiligen Betreuer*innenteam rund um die Patient*innen, eine gute Vernetzung auch zum extramuralen Bereich ist für ihre Beratungen essenziell (Abb. 2).

Abb. 2: Vernetzung der Breast Care Nurse im interdisziplinären Behandlungsteam

Körperbild: ein Schwerpunkt

Neben Information und Beratung ist auch die Veränderung des Körperbildes durch Operation oder Chemotherapie ein Schwerpunkt im Aufgabenfeld der Breast Care Nurse. Körperbildarbeit besteht nicht nur in der Beratung über die richtige Prothetik nach Mastektomien oder BH-Versorgung. Bereits nach brusterhaltenden Operationen kann es zu Störungen des Körperempfindens und Körperbildes kommen. Durch die Krebsdiagnose kann das Vertrauen in den eigenen Körper verloren gehen. Verhärtungen und Schmerzen können verunsichern. Auch hier ist es notwendig, so gut es geht zu informieren. Information bedeutet Sicherheit. Diese wiederum kann Ängste nehmen, um langsam das Vertrauen in den eigenen Körper wieder zu stärken. Idealerweise erfolgt ein Besuch durch die Breast Care Nurse auf der Station. Postoperative Veränderungen wie Hämatome, Verhärtungen oder Taubheitsgefühle können so schon frühzeitig besprochen werden.

<< Jede Patientin, die zu mir kommt, ist eine Frau mit einer ganz persönlichen Geschichte, Lebenserfahrung, Ängsten und Sorgen. All das macht jedes Gespräch, jede Begleitung einzigartig.>>

Besonders einschneidend und körperbildverändernd ist natürlich die Mastektomie. Eine gleichzeitige Rekonstruktion ist vielleicht nicht sofort möglich oder nicht gewünscht. In diesem Fall beginnt Körperbildarbeit bereits präoperativ. Die erste Versorgung wird gezeigt, der Umgang besprochen sowie über die Folgeprothetik informiert. Auch nach einer Mastektomie ist die Teilnahme an sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten dank individueller Prothesenversorgung heutzutage sorgenfrei möglich.

Zum Tätigkeitsfeld der Breast Care Nurse zählen neben der vielfältigen Aufgabe in der Patient*innenberatung auch das Organisieren von Fortbildungen und Informationsveranstaltungen sowie das Erstellen von Informationsmaterialien für Patient*innen. Für Kolleg*innen, Auszubildende und Interessierte ist sie Ansprechperson und begleitet mit ihrem Fachwissen Breast Care Nurses in Ausbildung.

Ausbildung in Innsbruck möglich

2009/2010 startete in Österreich mit 19 Pflegepersonen die erste Weiterbildung zu Breast Care Nurses am Ausbildungszentrum West (AZW) in Innsbruck. Mittlerweile gibt es in Österreich 117 ausgebildete Breast Care Nurses. Um österreichweit einen noch besseren Austausch untereinander zu ermöglichen, wurde 2021 die Arbeitsgruppe Breast Care Nurses in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen (AHOP) neu gegründet.

<< Die ärztliche Versorgung und die Betreuung durch den/die Pflegeexpert*in gehen Hand in Hand.>>

Fazit

Jeden Tag erhält eine Vielzahl von Frauen und Männern Diagnosen, die ihr Leben verändern oder bedrohen. Am Beispiel des/der Pflegeexpert*in für Brusterkrankungen zeigt sich, dass durch eine kontinuierliche Pflegeberatung die Compliance der Patient*innen für die jeweilige Therapie gefördert werden kann. Gezielte, bedürfnisorientierte Beratungen liefern einen wertvollen Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität sowohl bei chronischen als auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen. Daraus resultieren positive Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und die Zufriedenheit von Patient*innen.

Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe der Tirol Kliniken GmbH: 2022. Online unter https://www.azw.ac.at/page.cfm?vpath=ausbildung/gesundheits-und-krankenpflege/weiterbildungen/breast-care-nurse Abgerufen am 28.4.2022 • Biganzoli L et al.: Breast 2020; 51: 65-84 Statistik Austria: 2022. Online unter https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/ gesundheit/krebserkrankungen/brust/index.html Abgerufen am 28.4.2022

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