Die arthroskopische Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen
Autoren:
Priv.-Doz. Dr. Christian Windhofer1
OA Dr. Josef Schauer2
Dr. Patrik Ivusic1
1AUVA UKH Salzburg
2Abteilung für Orthopädie und Traumatologie, Salzburger Landeskliniken
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christian Windhofer1
E-Mail: christian.windhofer@auva.at
Kahnbeinpseudarthrosen stellen nach wie vor eine Herausforderung in der Handchirurgie dar. Unbehandelt führen sie häufig nach einigen Jahren zur Handgelenksarthrose und sind nur mehr durch Rettungseingriffe, sogenannte „salvage procedures“, zu behandeln. Die Arthroskopie des Handgelenkes hat sich in den letzten Jahren zu einem ernst zu nehmenden und wichtigen Instrument der Handchirurgie entwickelt, mit dessen Hilfe nicht nur eine genaue Diagnose von Pathologien erhoben, sondern auch eine zunehmende Zahl an Therapien durchgeführt werden kann.
Keypoints
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Anhaltende Beschwerden am radialseitigen Handgelenk sollten unbedingt einer ausführlichen Diagnostik zugeführt werden, um Veränderungen, wie z.B. eine Kahnbeinpseudarthrose, diagnostizieren und suffizient behandeln zu können.
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Kahnbeinfrakturen oder verzögerte Bruchheilungen werden am besten durch eine stabile Osteosynthese, in den meisten Fällen perkutan, behandelt.
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Findet sich eine Kahnbeinpseudarthrose, so muss diese einer ausführlichen Diagnostik zur Behandlungsplanung zugeführt werden.
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Je nach Stadium der Pseudarthrose reichen die möglichen Therapien von Stabilisierungsverfahren über die Behandlung mit hochenergetischer Stoßwelle bis hin zu freien Knochen-Knorpel-Transplantaten.
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Neben herkömmlichen, offenen Behandlungsmethoden stellt die arthroskopische Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen in den Händen erfahrener Chirurginnen und Chirurgen eine gute Alternative dar.
Die Frakturen des Kahnbeins stellen mit 60% die häufigsten Frakturen an der Handwurzel dar.1 Am häufigsten sind Männer zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr betroffen, wobei die Frakturen meist durch Sturz auf das dorsal extendierte Handgelenk entstehen. Eine Eigenheit des Skaphoids stellt die manchmal schwierige nativradiologische Diagnostik dar. So kommt es nicht selten vor, dass in Röntgenbildern, welche direkt nach dem Trauma angefertigt werden, die Fraktur nicht oder nur sehr schwer zu erkennen ist, was zu einer relativ hohen Rate an übersehenen Frakturen führt. Die in der Literatur angeführte Pseudarthroserate von 5–10% ist jedoch nicht nur durch übersehene Frakturen verursacht, sondern auch durch falsche Fraktureinschätzung und insuffiziente Behandlungsverfahren begründet.2,3 Daneben spielt die spezielle Durchblutungssituation des Kahnbeins eine erschwerende Rolle für die Frakturheilung. Die Durchblutung erfolgt aus einem oder zwei Ästen der Arteria radialis, welche im distalen Abschnitt von dorsal in das Kahnbein eintreten.
Vor allem instabile Frakturen sowie Schrägbrüche sollten unbedingt mittels Osteosynthese behandelt werden, da hier eine stabile Frakturversorgung z.B. durch Doppelgewindeschrauben eine signifikante Verminderung der Pseudarthroserate ermöglicht. Übersehene oder nicht behandelte Pseudarthrosen können nach 2 bis 5 Jahren zu einer radiokarpalen Arthrose in Form eines SNAC(„scaphoid nonunion advanced collaps“)-Wrist führen, das mit chronischen Schmerzen, Schwellungen, Bewegungseinschränkungen und dadurch reduzierter Handgelenksfunktion einhergeht.3 Derartige Beschwerden sollten unbedingt ausführlich abgeklärt werden, um eine zeitnahe Behandlung einleiten zu können.
Die Standardabklärung erfolgt durch Handgelenksröntgen posterior-anterior und im seitlichen Strahlengang mittels Nativröntgen sowie bei Verdacht auf eine Pathologie unbedingt durch eine Feinschicht-CT des Handgelenkes, welche aufgrund der guten und raschen Verfügbarkeit die Kahnbein-spezifischen Röntgen, das sogenannte Kahnbeinquartett, zunehmend ablöst. Die Computertomografie (CT) ermöglich mit Schnittführung in der Kahnbeinlängsachse die genaue Analyse des Verlaufes der Pseudarthrose sowie die genaue Beurteilung der Knochenqualität. Die sehr bedeutenden Arbeiten von Schmidle et al. aus Innsbruck konnten eine gute Korrelation zwischen Knochenqualität am proximalen Kahnbeinpol und Heilungskapazität zeigen, womit die Kontrastmittel-MRT-Untersuchung des Kahnbeins in der Diagnose und OP-Planung von der CT zunehmend abgelöst wird.4,5 Neben den herkömmlichen Behandlungsverfahren wie der offenen Spongiosaplastik, dem Einbringen von avaskulären oder freien mikrovaskulären kortikospongiösen Spänen hat sich in den letzten Jahren die arthroskopische Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen etabliert.2,6–10 Wir führen dieses Verfahren im Unfallkrankenhaus Salzburg seit 2017 mit sehr guten Ergebnissen durch.
Operationstechnik
Die Patientinnen und Patienten werden meist in Plexusanästhesie und Rückenlage operiert, der betroffene Arm wird ausgelagert, chirurgisch gewaschen und abgedeckt und anschließend im Arthroskopieturm fixiert. Nach Aktivierung der Oberarmblutsperre erfolgt die Aufbringung eines Längszuges von 6–7kg am Oberarm. Routinemäßig wird das Radiokarpalgelenk über die Portale 3–4 sowie 6R inspiziert und vor allem die Knorpelqualität auf etwaige Arthrosen untersucht. Mögliche Zusatzpathologien wie Läsionen des TFCC können diagnostiziert und behandelt werden.
Danach wird in das Midcarpalgelenk gewechselt und neben dem Portal midcarpal-ulnar ein radialseitiger Zugang normal auf die gefundene Pseudarthrose angelegt. Darüber kann mittels Shaver, Knochenfräse und kleiner, gekröpfter scharfen Küretten das Falschgelenk débridiert werden, bis man auf vitales spongiöses Knochengewebe stößt (Abb. 1a und b). Bei Unsicherheit bezüglich der Vitalität des Knochens kann man nach Débridement die Blutsperre öffnen und mögliche Blutungspunkte feststellen.
Abb. 1: Arthroskopisches Débridement der Pseudarthrose mit Burr und scharfem Löffel
Als nächster Schritt erfolgt die Gewinnung von spongiösem Knochengewebe, meist aus dem distalen Radius (Abb.2). Dies kann noch bei aufgehängtem Unterarm erfolgen. Sollte die Speichenspongiosa qualitativ oder quantitativ nicht ausreichen, kann auch über einen kleinen Zugang Beckenkammspongiosa mittels Harvester gewonnen werden, was jedoch die sterile Abdeckung erschwert und die Anästhesie in diesem Bereich notwendig macht.
Abb. 2: Gewinnung von Speichenspongiosa über einen dorsalen Zugang
Nun wird der Arm aus dem Arthroskopieturm genommen und perkutan unter Zuhilfenahme eines Röntgenbildwandlers die Osteosynthese durchgeführt. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass mögliche Fehlstellungen, wie z.B. eine Humpback-Deformität, korrigiert werden. Wir verwenden zur Stabilisierung eine oder zwei Doppelgewindeschrauben im mittleren und zwei oder drei K-Drähte im proximalen Kahnbeindrittel. Zu diesem Zeitpunkt werden aber nur die K-Drähte für die kanülierten Schrauben eingebracht. Sollte nur eine Doppelgewindeschraube verwendet werden, bringen wir auf jeden Fall einen zusätzlichen Antirotations-K-Draht ein. Dieser kann eventuell auch vor Beendigung des Eingriffes wieder entfernt werden (Abb. 3).
Abb. 3: (a) und (b) perkutane K-Draht-Bohrung für die geplante Osteosynthese mittels CCS; (c) und (d) vorübergehende Fixierung des Lunatum in Normalstellung nach Reposition bei Humpback-Deformität (Linsheid-Manöver)
Nun wird der Arm wieder im Turm gelagert und axial belastet. Der nächste Schritt muss in Form einer „dry arthroscopy“ erfolgen, da nach Lagekontrolle der K-Drähte über eine Buchse die Spongiosa in den Pseudarthrosespalt eingebracht und dort komprimiert wird (Abb. 4). Im Anschluss kann unter Sicht oder unter Bildwandler-Kontrolle die kanülierte Doppelgewindeschraube eingedreht werden.
Abb. 4: (a) Einbringung von Spongiosa in die Pseudarthrose mittels Kanüle; (b) Kompression der Spongiosa mittels Tasthaken oder Wechselstab
Die definitive Schraubenlage sowie die Knochenauffüllung des Defektes werden im Bildwandler dokumentiert.
Im Falle einer Pseudarthrose im proximalen Kahnbeindrittel verwenden wir routinemäßig zusätzlich die hochenergetische Stoßwellenbehandlung (ESWT), um das Heilungspotential zu verbessern.11–13
Der Carpus wird anschließend mittels Unterarmgips mit Daumeneinschluss bis zum IP-Gelenk für 8 Wochen ruhiggestellt. Danach erfolgt die Durchbaukontrolle mittels CT. Ist der Durchbau gesichert, wird, falls notwendig, die Entfernung von K-Drähten geplant, danach wird das Handgelenk freigegeben und mit Handtherapie für 4–8 Wochen begonnen.
Bisher haben wir 55 Patienten mit Kahnbeinpseudarthrosen arthroskopisch behandelt. 52 von ihnen konnten nach Abschluss der Behandlung auch klinisch untersucht werden. Es waren drei Frauen und 49 Männer betroffen, mit einem durchschnittlichen Alter von 21,3 Jahren, in 29 Fällen war die dominante Hand betroffen. Das mittlere Drittel war in 32 Fällen und das proximale in 20 Fällen betroffen. Die durchschnittliche Operationsdauer betrug 120min.
In 48 Fällen konnten wir einen radiologischen Durchbau der Pseudarthrose feststellen (Abb. 5), drei weitere Patienten wurden bei verzögerter Heilung erfolgreich sekundär mit ESWT behandelt. Aus diesem Grunde haben wir die ESWT fix in die Behandlung der Nonunions des proximalen Kahnbeindrittels eingebaut. Auffallend war, dass bis auf einen alle Patienten mit Heilungsproblemen Raucher waren.
Abb. 5: (a) und (b) CT-Bilder präoperativ bei Kahnbeinpseudarthrose; (c) und (d) CT-Bilder 8 Wochen nach Behandlung mit knöcherner Durchbauung
Bei sieben Patienten fanden wir präoperativ Zeichen einer beginnenden Arthrose (SNAC-Wrist I°), welche sich nach Stabilisierung nicht weiter verschlechterte. Das postoperative Bewegungsausmaß zeigte bei Extension und Flexion jeweils nur ca. 2° geringere Ergebnisse als auf der kontralateralen, gesunden Seite. Die Grobkraft und der Schlüsselgriff zeigten keine Unterschiede zur nicht operierten Seite und die Analyse des DASH- und MAYO-Wrist-Scores zeigte eine signifikante Verbesserung der Ergebnisse zu präoperativ.
Schlussfolgerung
Nach Aufarbeitung dieser hauseigenen Ergebnisse haben wir die arthroskopische Behandlung fix in unseren Algorithmus zur Behandlung der Kahnbeinpseudarthrose eingebaut und damit die Anzahl der offenen Operationen und der vaskularisierten Transplantate deutlich reduzieren können. Natürlich hat die Methode ihre Grenzen, wie im Falle einer fixierten hochgradigen Humpback-Deformität, höhergradiger Fehlstellungen und in Fällen fragmentierter oder komplett sklerosierter proximaler Polabschnitte. Hier wenden wir nach wie vor offene Verfahren mit kortikospongiösen Spänen oder freie Transplantate vom Femurkondyl an.
Literatur:
1 Kakar S et al.: Dry wrist arthroscopy for radial-sided wrist disorders. J Hand Surg Am 2020; 45(4): 341-53 2 Wong WC et al.: Arthroscopic management of scaphoid nonunion. Hand Clin 2019; 35(3): 295-313 3 Haugstvedt JR et al.: Arthroscopic treatment for nonunion of the scaphoid. Handchir Mikrochir Plast Chir 2020; 52(5): 413-18 4 Schmidle G et al.: Time-dependent changes in bone healing capacity of scaphoid fractures and non-unions. J Anat 2018; 232(6): 908-18 5 Schmidle G et al.: Correlation of CT imaging and histology to guide bone graft selection in scaphoid non-union surgery. Arch Orthop Trauma Surg 2018; 138(10): 1395-405 6 Karthik K et al.: Role of wrist arthroscopy in the management of established scaphoid nonunion. J Hand Microsurg 2020; 12(2): 100-6 7 Waitayawinyu T et al.: Arthroscopic treatment of scaphoid nonunion with olecranon bone graft and screw fixation leads to union and improved outcomes. Arthroscopy 2022; 38(3): 761-72 8 Shih YC et al.: Arthroscopic treatment of stable nonunion, unstable nonunion, or nonunion of the scaphoid with early degenerative radioscaphoid arthritis. J Orthop Surg Res 2023; 18(1): 123 9 Löw S et al.: [Arthroscopic reconstruction of scaphoid nonunions]. Oper Orthop Traumatol 2022; 34(4): 261-74 10 Ecker J et al.: Arthroscopic bone graft and internal fixation of non-union of the proximal pole of the scaphoid: surgical technique and outcomes. J Wrist Surg 2022; 11(6): 535-40 11 Schleusser S et al.: Blood flow in the scaphoid is improved by focused extracorporeal shock wave therapy. Clin Orthop Relat Res 2020; 478(1): 127-35 12 Fallnhauser T et al.: [Extracorporeal shockwave therapy for the treatment of scaphoid delayed union and nonunion: a retrospective analysis examining the rate of consolidation and further outcome variables]. Handchir Mikrochir Plast Chir 2019; 51(3): 164-70 13 Quadlbauer S et al.: Double screw versus angular stable plate fixation of scaphoid waist nonunions in combination with intraoperative extracorporeal shockwave therapy (ESWT). Arch Orthop Trauma Surg 2023; 143(7): 4565-74
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