Hochauflösende Mikro-CT-Bildgebung der Knochenstruktur im Charcot-Fuß
Autor:
Dr. Sascha Senck
Forschungsgruppe Computertomographie
FH Oberösterreich, Campus Wels
E-Mail: sascha.senck@fh-wels.at
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Der Charcot-Fuß, auch als diabetische neuropathische Osteoarthropathie (DNOAP) bekannt, ist eine schwerwiegende Komplikation bei Diabetikern mit Neuropathie. Die Pathogenese von DNOAP ist komplex und umfasst sowohl neurotraumatische als auch neurovaskuläre Theorien, wobei wiederholte kleine Traumata und eine erhöhte Knochenperfusion eine Rolle spielen. Hochauflösende bildgebende Verfahren wie die Röntgen-Mikro-Computertomografie (µCT) können zum Verständnis der strukturellen Veränderungen im Knochen bei DNOAP beitragen.
Keypoints
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Die µCT ermöglicht eine dreidimensionale Visualisierung und quantitative Analyse der Mikrostruktur von Knochen in hoher räumlicher Auflösung, wodurch detaillierte Einblicke in die Knochenarchitektur und -pathologie gewonnen werden können.
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Bei DNOAP-Patienten zeigt die µCT-Analyse Veränderungen in der Kortikalisqualität, vor allem in Bezug auf eine erhöhte kortikale Porosität und eine verminderte Kortikalisdicke.
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Die µCT liefert quantitative morphometrische Parameter, die Variationen der Knochenqualität aufzeigen und pathologische Prozesse wie eine erhöhte Osteoklastenaktivität sichtbar machen. Dies liefert wertvolle Informationen für das Verständnis der strukturellen Veränderungen im Charcot-Fuß.
Die DNOAP ist eine nichtinfektiöse, entzündliche Zerstörung der Knochenstruktur und Gelenke.1 Diese Erkrankung wird als besondere Form des diabetischen Fußsyndroms im Kontext der Neuropathie betrachtet.2 Die strukturellen Veränderungen resultieren aus neurologischen Störungen und unterschiedlichen Graden von Durchblutungsstörungen. Pathologische Prozesse führen zu Frakturen des kortikalen Knochens und schließlich zur chronischen Zerstörung der Knochenstruktur und des Weichgewebes, was zu Subluxation und Dislokation führt und Fußdeformitäten zur Folge haben kann.3 Das Infektionsrisiko und die Wahrscheinlichkeit einer plantaren Ulzeration erhöhen zudem das Risiko für eine Amputation.4 Allerdings fehlen spezifische molekulare Marker und definierte diagnostische Kriterien, die DNOAP eindeutig von anderen Erkrankungen wie der Osteomyelitis abgrenzen, was in etwa 25% der Fälle zu einer Fehldiagnose führt.5
Pathogenese
Es existieren zwei Haupttheorien zur Pathogenese von DNOAP. Die neurotraumatische Theorie nimmt an, dass wiederholte kleine Traumata im neuropathischen Fuß zu Subluxationen, pathologischen Frakturen und schließlich zur chronischen Zerstörung von Weichgewebe und Knochenstruktur führen.6 Bei der neurovaskulären Theorie wird ein erhöhter Blutfluss durch den Knochen angenommen, der zu Materialveränderungen wie lokaler Hyperperfusion und Demineralisierung führt, was die Tragfähigkeit der Fußknochen reduziert und Frakturen und Deformationen zur Folge haben kann.7 Die Prävalenz der Neuropathie bei Diabetespatienten liegt bei etwa 28%, aber die Prävalenz des Charcot-Fußes bei neuropathischen Patienten liegt unter 1%.8 Verschiedene Quellen berichten unterschiedliche Werte für die Charcot-Prävalenz bei Diabetikern (0,8–13%) und neuropathischen Patienten (29%).9 Nur 9% der betroffenen Patienten zeigen eine bilaterale Beteiligung, obwohl Gouveri et al. zeigten, dass 75% der Charcot-Patienten bilaterale neuropathische Veränderungen aufweisen, wenn eine prospektive CT durchgeführt wird.10 Die grundlegende Ursache, die zu wiederholten Traumata führt, bleibt oft unerkannt.11 Trotz mehrerer Studien, die gestörte molekulare Wege im Verlauf der DNOAP aufzeigen,12 fehlen umfassende Daten zu Knochenveränderungen auf mikrostruktureller Ebene.
Klassifikation und Diagnostik
Die Eichenholtz-Klassifikation beschreibt den Verlauf von DNOAP in drei Stadien, beginnend mit Ödemen und Hyperämie über Knochenresorption bis hin zur Knochenheilung und Sklerose.13 Eine frühzeitige und genaue Diagnose kann die Häufigkeit von Infektionen und schweren Amputationen reduzieren. Trotz verbesserter Bildgebungsmöglichkeiten bleibt die Diagnose des Charcot-Fußes schwierig. Eine multimodale Diagnostik wird daher bevorzugt.14 Die Struktur des kortikalen Knochens spielt eine entscheidende Rolle in der Pathogenese der subchondralen Knochenveränderungen bei DNOAP-Patienten. Neue Studien nutzen hochauflösende periphere quantitative CT (HR-pQCT) zur Untersuchung der Knochenstruktur bei Typ-2-Diabetes und zeigen erhebliche Defizite in der Kortikalisqualität, die für Frakturen verantwortlich sind.15 Die dreidimensionale Visualisierung der Knochenmikrostruktur in hoher räumlicher Auflösung ist ex situ nur mit Röntgen-Mikro-CT (µCT) möglich. Senck et al. zeigten das Potenzial von µCT zur Quantifizierung der subchondralen Knochendicke und kortikalen Porosität bei DNOAP-Patienten.16
Abb. 1: µCT-Schnittbilder einer Charcot-Knochenprobe: superior-inferiore (oben) und anterior-posteriore Ansicht (unten) des subchondralen Knochens; offensichtlich sind Bereiche, in denen der subchondrale Knochen großflächig resobiert wurde
Abb. 2: Verteilung der Trabekeldicke in P12; der pseudofarbige Balken zeigt die Wanddicke der Trabekel an
Knochenmikrostruktur – Analyse
In unserer Studie wurden 32 subchondrale Knochenproben und 20 trabekuläre Proben von 13 DNOAP-Patienten mittels µCT untersucht. Die Proben wurden während Navikulokuneiform- und Talonavikular-Arthrodesen am Klinikum Wels-Grieskirchen entnommen und anschließend analysiert. Die µCT-Scans wurden mit einem Nanotom-180-System mit einer Auflösung von 5–10µm Voxelgröße gescannt. Die µCT-Analyse zeigte eine hohe Variation der kortikalen Porosität, der Kortikalis- und Trabekeldicke innerhalb und zwischen den DNOAP-Proben. Dies deutet auf eine erhöhte Knochenremodellierung und lokale Knochenresorption in Bereichen mit hoher kortikaler Porosität und geringer subchondraler Knochendicke hin. Die Daten deuten darauf hin, dass eine verminderte Kortikalisdicke und erhöhte kortikale Porosität mögliche Voraussetzungen für pathologische Mikrofrakturen sind, die zur ausgeprägten Zerstörung der Fußarchitektur bei DNOAP beitragen. Trotz der hohen Variation in den morphometrischen Parametern zeigen die Ergebnisse, dass pathologische Prozesse wie eine erhöhte Osteoklastenaktivität eine Rolle spielen könnten.17
Die µCT-Analyse bietet eine wertvolle zusätzliche Möglichkeit, extrahierten Knochen in hoher Auflösung zu untersuchen, um die Auswirkungen von progressiver Knochenresorption auf die Mikrostruktur des subchondralen Knochens bei DNOAP zu analysieren. Unsere Ergebnisse deuten auf signifikante pathologische Veränderungen in der Kortikalis und dem trabekulären Knochen hin, die zur biomechanischen Instabilität des Charcot-Fußes beitragen. Eine multimediale Herangehensweise, die µCT-Analysen einschließt, ist relevant, um die Ätiopathogenese von DNOAP besser zu verstehen und neue Ansätze für Früherkennung und Behandlung zu entwickeln. In dieser Studie liefern wir quantitative Werte für morphometrische Parameter auf mikrostruktureller Ebene, die intra- und interspezifische Variationen der kortikalen Porosität und Dicke bei DNOAP aufzeigen. Alle Proben weisen Poren auf, die die subchondrale Kortikalis stark perforieren, was auf pathologische Prozesse hinweist, die zu einem unausgeglichenen Knochenumbau bei DNOAP-Patienten führen.
Förderung:
Die Studie wurde vom Projekt TIMed 2022++ unterstützt, welches aus Forschungsmitteln des Landes Oberösterreich (FTI-Strukturförderung) finanziert wird.
Literatur:
1 Trieb K: The Charcot foot: pathophysiology, diagnosis and classification. Bone Joint J 2016; 98-B(9): 1155-9 2 Volkering C et al.: Der diabetische Fuß – Ätiologie und Grundsätze der Beurteilung und Behandlung in der Fußchirurgie. Fuß & Sprunggelenk 2010; 8(3): 171-8 3 Hofstätter SG, Trieb K: [Diabetic foot syndrome and diabetic neuropathic osteoarthropathy (DNOAP): an update of conservative and surgical therapy methods]. Z Orthop Unfall 2014; 152(5): 517-33 4 Rogers LC et al.: The Charcot foot in diabetes. Diabetes Care 2011; 34(9): 2123-9 5 Korzon-Burakowska A et al.: Osteoprotegerin gene polymorphism in diabetic Charcot neuroarthropathy. Diabet Med 2012; 29(6): 771-5 6 Sanders LJ: The Charcot foot: historical perspective 1827-2003. Diabetes Metab Res Rev 2004; 20(Suppl 1): S4-8 7 Edmonds ME et al.: Blood flow in the diabetic neuropathic foot. Diabetologia 1982; 22(1): 9-15 8 Svendsen OL et al.: How common is the rare Charcot foot in patients with diabetes? Diabetes Care 2021; 44(4): e62-3 9 Larson SAM, Burns PR: The pathogenesis of Charcot neuroarthropathy: current concepts. Diabet Foot Ankle 2012; 3: 10.3402/dfa.v3i0.12236 10 Gouveri E, Papanas N: Charcot osteoarthropathy in diabetes: a brief review with an emphasis on clinical practice. World J Diabetes 2011; 2(5): 59-65 11 Kaynak G et al.: An overview of the Charcot foot pathophysiology. Diabet Foot Ankle 2013; 4: 10.3402/dfa.v4i0.21117 12 Trieb K, Hofstätter SG: [Pathophysiology and etiology of the Charcot foot]. Orthopade 2015; 44(1): 2-7 13 Eichenholtz SN: Charcot Joints. Charles C. Thomas, Springfield, IL, 1963 14 Sanverdi SE et al.: Current challenges in imaging of the diabetic foot. Diabet Foot Ankle 2012; 3: 10.3402/dfa.v3i0.18754 15 Patsch JM et al.: Increased cortical porosity in type 2 diabetic postmenopausal women with fragility fracture. J Bone Miner Res 2013; 28(2): 313-24 16 Senck S et al.: [Visualization of local cortical defects in Charcot foot using microcomputed tomography]. Orthopade 2015; 44(1): 8-13 17 Gough A et al.: Measurement of markers of osteoclast and osteoblast activity in patients with acute and chronic diabetic Charcot neuroarthropathy. Diabet Med 1997: 14(7): 527-31
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