Extrakorporale Stoßwellentherapie: effiziente Behandlungsmodalität für chronische diabetische Ulzera
Autoren:
Doz. Dr. Rainer Mittermayr
Dr. Wolfgang Schaden
AUVA Traumazentrum Wien, Meidling
LBI für Traumatologie
E-Mail: rainer.mittermayr@auva.at
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Die Stoßwellentherapie leistet einen bedeutenden Beitrag in der Behandlung von diabetischen Fußgeschwüren. Ihre Wirksamkeit wird durch solide klinische Evidenz gestützt. Dieser Therapieansatz hat das Potenzial, die Lebensqualität von Menschen mitDiabetes zu verbessern und die Belastung der Gesundheitssysteme, die durch chronische Geschwüre verursacht werden, zu verringern.
Wirkmechanismus der Stoßwelle
Stoßwellen spielen zur Geweberegeneration wie bei der Behandlung von komplizierten Wunden eine zunehmend wichtige Rolle. Als mechanischer Stimulus triggert die Stoßwelle über Mechanotransduktion biologische Heilungsreaktionen (Cheng & Wang, 2015). Die Anwendung induziert dabei molekulare und zelluläre Prozesse durch Mechanotransduktion und unterstützt dadurch die Regeneration, ohne dabei Läsionen zu verursachen (Zhang et al., 2022; Cheng & Wang, 2015).
Studien haben gezeigt, dass die Stoßwellentherapie unter anderem die Kollagenproduktion, Vaskularisierung und Angiogenese, Lymphogenese sowie das Homing und die Differenzierung von Stammzellen im behandelten Gewebe anregen kann (Wang et al., 2015; Hitchman et al., 2022). Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist die Modulation der inflammatorischen Reaktion – insbesondere bei chronischen Veränderungen. Der Wirkungsmechanismus umfasst unter anderem die Modulation der Makrophagenfunktionen (Holsapple et al., 2021). Makrophagen spielen eine entscheidende Rolle bei der Wundheilung, und die Stoßwellentherapie kann den wundheilungsfördernden Phänotyp fördern (Krzyszczyk et al., 2018). Darüber hinaus reguliert die Stoßwellentherapie eine Reihe von Wachstumsfaktoren und Zytokinen, die eine entscheidende Rolle im Wundheilungsprozess spielen. Darunter, aber nicht exklusiv, moduliert die Stoßwellentherapie den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor und die mitogenaktivierten proteinkinasebezogenen Signalwege (Chen et al., 2018). Resultierend wird dadurch die Mikrozirkulation des Gewebes verbessert, die für die Wundheilung wesentlich ist (Jeong et al., 2023).
Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Stoßwellentherapie die Heilung durch P2X7-Rezeptor-Signalübertragung fördert und zur Differenzierung mesenchymaler Stammzellen beiträgt (Sun et al., 2013). Auch ein Rezeptor des angeborenen Immunsystems, der „toll like receptor“ 3, ist bei der Vermittlung der regenerativen Gewebeeffekte unter anderem durch Stimulierung der Angiogenese und Modulation der Inflammation wesentlich am Wirkungsmechanismus beteiligt (Holfeld etal., 2016).
Diese experimentellen Ergebnisse zum Wirkungsmechanismus unterstreichen das Potenzial der Stoßwellentherapie als einen vielversprechenden Ansatz für die Behandlung chronischer Wunden.
Diabetisches Fußulkus
Diabetische Fußgeschwüre sind eine häufige Komplikation des Diabetes mellitus, von der etwa 15% aller Diabetiker betroffen sind und die eine häufige Ursache für einen Krankenhausaufenthalt bei Diabetikern darstellt (Rampure et al., 2017; Muzaffar et al., 2017). Die Entwicklung dieser Geschwüre ist eng mit Faktoren wie peripherer Neuropathie, peripherer Gefäßerkrankung und Trauma verbunden (Buke, 2017; George et al., 2019). Personen mit neuroischämischen oder kritisch ischämischen diabetischen Fußgeschwüren haben ein höheres Risiko für wiederkehrende oder neue Ulzera (Engberg et al., 2019). Eine wirksame Behandlung von diabetischen Fußgeschwüren ist entscheidend, um schwerwiegende Folgen wie Amputationen zu verhindern, die in fortgeschrittenen Fällen oft notwendig sind (Fan et al., 2019). Frühzeitiges Screening für Hochrisikogruppen, personalisierte Interventionen und präventive Maßnahmen sind entscheidend für die Verbesserung der Prognose von Diabetikern (Lv et al., 2023). Aus sozioökonomischer Sicht stellen diabetische Fußulzera eine erhebliche Belastung für die Gesundheitssysteme dar und tragen in einem beträchtlichem Ausmaß zu den Gesundheitskosten bei (Lim et al., 2017).
Klinische Evidenz der ESWT beidiabetischen Fußulzera
Mehrere klinische Studien haben die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie bei der Förderung der Heilung chronischer diabetischer Fußulzera (DFU) untersucht.
Bereits 2009 veröffentlichten Wang et al. eine Studie zum Einsatz der extrakorporalen Stoßwellentherapie bei chronischen DFU. Die Studie zeigte, dass die Stoßwellentherapie die Wundheilung signifikant verbesserte und die Ulkusgröße im Vergleich zu konventionellen Behandlungen verringerte. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) eine wertvolle Ergänzung des therapeutischen Arsenals zur Behandlung chronischer DFU sein könnte, insbesondere für Patienten, die auf herkömmliche Behandlungen nicht gut ansprechen. Seit diesem Zeitpunkt ist eine Reihe weiterer klinischer Studien zu diesem Thema erschienen.
Omar et al. führten eine einfach verblindete, randomisierte, kontrollierte klinische Studie durch, um die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie bei chronischen DFU zu bewerten. Die Studie ergab, dass die Stoßwellentherapie den Heilungsprozess signifikant beschleunigte und die Ulkusgröße im Vergleich zur Kontrollgruppe verringerte. Die Therapie war gut verträglich und hatte nur minimale unerwünschte Wirkungen, was auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit bei chronischen DFU hinweist. Ähnliche Ergebnisse konnten Jeppesen et al. (2016) im Rahmen einer prospektiven, randomisierten Studie zeigen. Eine Verringerung der Ulkusgröße und eine bessere Heilungsrate konnten bei den Patienten, deren Ulzera mit Stoßwelle behandelt wurden, im Vergleich zu der Standardbehandlung erzielt werden. Auch Rosinczuk et al. (2016) bewerteten die ESWT als nichtinvasive und wirksame Behandlungsmethode für chronische DFU und betonten ihre Rolle bei der Förderung der Wundheilung und Gewebereparatur.
Snyder et al. (2018) führte zwei multizentrische, prospektive, kontrollierte, doppelt verblindete, randomisierte klinische Studien der Phase III durch, die sich auf ESWT bei DFU konzentrierten. Die Ergebnisse bestätigten, dass Stoßwellentherapie die Wundheilungsraten deutlich verbesserte und die Zeit bis zum vollständigen Ulkusverschluss verkürzte. Diese Studien untermauerten das Potenzial der ESWT als praktikable Behandlungsoption für DFU und lieferten überzeugende Beweise für ihren klinischen Nutzen. Aus der gleichen Gruppe wurden 2019 von Galiano et al. die sekundären Endpunkte dieser zwei Studien zur Bewertung der fokussierten Stoßwellentherapie (FSWT) bei der Behandlung von DFU präsentiert. Die Wundheilungsraten zeigten eine signifikante Verbesserung im Vergleich zu Kontrollbehandlungen.
Abb. 1: Weibliche Patientin, 71 Jahre: A) diabetisches Ulkus (x) seit 2 Monaten mit zusätzlicher Polyneuropathie; B) Abheilung des Ulkus (x) nach insgesamt 6 Behandlungen mit Stoßwellen; allerdings Ruptur der Achillessehne mit konsekutiver Nekrose (#); C) zweimalige chirurgische Intervention an der Achillessehne; Ulkus wieder oberflächlich präsent; D) nach weiteren 5 Behandlungen sowohl an Achillessehne als auch am Ulkus komplette Abheilung an beiden Lokalisationen
Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Studien (Huang et al., 2020) bewertete die Wirksamkeit der ESWT bei Fußgeschwüren bei Erwachsenen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Die Metaanalyse unterstützt die ESWT als wirksame therapeutische Option und legt nahe, dass sie in die Standardbehandlungsprotokolle für diabetische Fußgeschwüre integriert werden könnte.
In einer rezenten prospektiven Studie untersuchten Jeong et al. die Anwendung der ESWT zur Verbesserung der Mikrozirkulation bei DFU. Die Studie ergab, dass die ESWT die Mikrozirkulationsparameter signifikant verbesserte, was zu einer besseren Durchblutung und Sauerstoffversorgung in den ulzerierten Bereichen führte. Diese Verbesserung der Mikrozirkulation trug zu einer schnelleren Heilung und zu einem besseren Gesamtergebnis für Patienten mit DFU bei.
Die kollektive Evidenz aus diesen Studien unterstützt nachdrücklich die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie bei der Behandlung diabetischer Fußulzera. Die wichtigsten Ergebnisse der verschiedenen Studien und Metaanalysen deuten darauf hin, dass die Stoßwellentherapie die Wundheilungsraten signifikant verbessert, die Ulkusgröße verringert und die Mikrozirkulation verbessert, was zu besseren Gesamtergebnissen für die Patienten führt.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung
Um diabetische Fußgeschwüre mit der ESWT wirksam zu behandeln, müssen mehrere wichtige Aspekte berücksichtigt werden:
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Patientenauswahl: Die richtige Auswahl der Patienten ist entscheidend. Die ESWT ist bei der Behandlung von diabetischen Fußgeschwüren effektiv, aber die Wirksamkeit kann je nach individuellen Patientenmerkmalen/Komorbiditäten variieren (Hitchman et al., 2022).
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Komorbiditätsmanagement: Das Management des Diabetes und vorhandener Komorbiditäten ist entscheidend für die Optimierung der Ergebnisse (Jeong et al., 2023).
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Wundbeurteilung: Vor Beginn der ESWT ist eine gründliche Beurteilung des Ulkus erforderlich, um den Schweregrad und die Merkmale der Wunde zu bestimmen (Wang et al., 2009) und den Behandlungsverlauf objektiv zu evaluieren.
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Standardwundbehandlung: Neben der ESWT muss die Wunde entsprechend ihrem Status mit den zur Verfügung stehenden lokalen Wundmaterialien (z. B. Wundauflagen) adäquat behandelt werden.
Eigene Erfahrungen
Im Traumazentrum Wien, Standort Meidling, wird die ESWT im Rahmen einer offenen klinischen Studie bereits seit 2004 in der Indikation von subakuten und chronischen Wunden angewendet. Diese inkludiert Patienten mit subakuten posttraumatischen bzw. postoperativen Wunden und Verbrennungswunden sowie meist stationären Patienten mit chronischen Wunden (arterielle, venöse, gemischte Ulzera, diabetische Ulzera, Druckulzera). Wie bereits allgemein erwähnt, wird die Stoßwellentherapie auch in unserer Klinik nie als alleinige Therapie angewendet, sondern mit dem Wundheilungsteam sowie im Rahmen des multidisziplinären Ansatzes additiv eingesetzt. Wir konnten, seitdem die Studie initiiert wurde, konstant gute Ergebnisse mit der Stoßwellenbehandlungerzielen,mit durchschnittlichen Erfolgsraten von rund 70%. Die Therapie war für den Patienten immer gut verträglich und nimmt nur kurze Zeit in Anspruch. Bei der korrekten Anwendung sind keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen zu beobachten.
Für die Behandlung können in der Regel niederenergetische Geräte unterschiedlicher Generierungsformen (elektrohydraulisch, -magnetisch, piezoelektrisch) angewendet werden. Bei der elektrohydraulischen Stoßwelle gibt es defokussierte Applikatoren, bei den beiden anderen adaptierte Aufsätze, die sich zur Wundbehandlung eignen. Je nach verwendeter Generierungsform werden Energieflussdichten von rund 0,1mJ/mm2 verwendet. Die Frequenz kann von 1 bis 5 Hertz variieren. Bei der Anzahl der Impulse verwenden wir aufgrund empirischer Daten unserer Studie mit retrospektiver Analyse und Kalkulation als Minimum 350 Impulse. Zusätzlich werden 10 Impulse pro cm2 Wunde/Ulkus appliziert.
Bezüglich der Häufigkeit der Anwendung zeigten unsere Analysen keine Unterschiede zischen der wöchentlichen bis 3-wöchentlichen Applikation. Wir empfehlen daher wöchentliche oder 2-wöchentliche Sitzungen in Abstimmung mit den regelmäßig durchzuführenden Verbandswechseln. Eine regelmäßige Überwachung und Reevaluierung des Wundheilungsfortschritts (anhand der durchgeführten Wunddokumentation) während der Wundbehandlung sind unerlässlich, um die Wirksamkeit der angewendeten Therapie in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Sollte es nach 3–4 Wochen zu keinem Ansprechen des Ulkus auf die Therapie kommen, so muss eine Anpassung des Behandlungsplans erfolgen.
Literatur:
bei den Verfassern
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