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Kongenitale Deformitäten der Wirbelsäule

<p class="article-intro">Kongenitale Skoliosen, Kyphoskoliosen und Kyphosen bilden ein großes Spektrum an Wirbelsäulendeformitäten, die durch eine Entwicklungsstörung des Wirbelkörpers zu einer Imbalance des Längenwachstums führen. Dieses Krankheitsbild ist die Ursache für 3–5 % aller Skoliosen, weist eine Prävalenz von 0,5–1‰ auf und ist häufig mit weiteren Deformitäten und neurologischen Komplikationen vergesellschaftet. Die Therapie richtet sich nach dem Alter des Patienten und der zugrunde liegenden Deformität. Kongenitale Skoliosen können eine starke Progression zeigen und müssen gegebenenfalls schon im Kleinkindalter operativ korrigiert werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine kongenitale Skoliose kann durch St&ouml;rungen der Formation und Segmentation hervorgerufen werden. Kinder mit einer kongenitalen Anomalie eines oder mehrerer Wirbelk&ouml;rper entwickeln zu 80 % eine Skoliose, zu 14 % eine Kyphoskoliose und zu 6 % eine reine Kyphose.<br /><br /> Kongenitale Kyphoskoliosen und Kyphosen zeigen einen abnormen konvexen Winkel eines Segmentes der Wirbels&auml;ule, welcher durch einen angeborenen Entwicklungsfehler der Wirbelk&ouml;rper hervorgerufen wird, der das vordere oder anterolaterale L&auml;ngenwachstum beeintr&auml;chtigt. Kongenitale Kyphoskoliosen (14 % ) und Kyphosen (6 % ) treten viel seltener auf als kongenitale Skoliosen (80 % ). Der Schweregrad dieser beiden Krankheitsbilder ist im Vergleich zu einer kongenitalen Skoliose jedoch viel gr&ouml;&szlig;er. Eine progressive spastische Paraparese tritt bei 10 % der Patienten auf. Die tats&auml;chliche H&auml;ufigkeit w&uuml;rde ohne operative Therapie deutlich h&ouml;her liegen. Neurologische Auff&auml;lligkeiten entwickeln sich meist zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr und ab einem Cobb-Winkel von 111&deg;. Allerdings gibt es Fallberichte von Patienten mit einer spastischen Paraparese bereits ab einem Cobb-Winkel von 60&deg;.<br /> Diese Deformit&auml;ten kommen mit einem Verh&auml;ltnis von 1,3:1 bei M&auml;dchen etwas h&auml;ufiger vor. Der Apex der Kyphose kann zwischen Th2 und L5 auftreten, ist jedoch am h&auml;ufigsten am thorakolumbalen &Uuml;bergang lokalisiert (66 % ). Zwischen der Lokalisation und dem Schweregrad der Deformit&auml;t konnte kein Zusammenhang festgestellt werden.<br /> Kongenitale Skoliosen, Kyphoskoliosen und Kyphosen werden nach der Ursache der Deformierung des Wirbelk&ouml;rpers eingeteilt. Diese Einteilung fand 1973 durch Winter et al statt und wurde von McMaster und Singh 1999 weiterentwickelt und verfeinert.</p> <h2>Typ I: Formationsfehler</h2> <p>Fehler der anterioren Wirbelk&ouml;rperformation sind mit 61 % die h&auml;ufigste Ursache einer Kyphoskoliose oder kongenitalen Kyphose. Sie werden in 5 Untergruppen unterteilt:<br /><br /> <strong>Posterolateraler Quadrantwirbel</strong><br /> Aufgrund einer kompletten Fehlbildung des anterolateralen Anteils des Wirbelk&ouml;rpers wird hier nur ein posterolateraler Quadrant mit variabler Gr&ouml;&szlig;e gebildet, der &uuml;ber einen Pedikel mit dem Wirbelbogen verbunden ist. Er kann auf allen H&ouml;hen der Wirbels&auml;ule vorkommen, tritt jedoch am h&auml;ufigsten am thorakolumbalen &Uuml;bergang auf. Die hervorgerufene Kyphoskoliose hat meist einen scharfen Winkel und betrifft durchschnittlich 5 Wirbel. Meist entdeckt man die Deformit&auml;t im Alter von 3 Jahren. Die Progression vor dem 10. Lebensjahr ist durchschnittlich 2,5&deg;/Jahr und steigt danach auf 5&deg;/Jahr an.<br /><br /><strong> Lateraler Halbwirbel</strong><br /> Diese Deformit&auml;t wird durch eine komplette unilaterale Formationsst&ouml;rung eines Wirbels hervorgerufen. Aufgrund der unterschiedlichen Prognose wird sie in 3 weitere Subtypen unterteilt:<br /><br /> Vollst&auml;ndig segmentierter Halbwirbel (65 % )<br /> Diese Deformit&auml;t kann in der gesamten Wirbels&auml;ule auftreten. Die Disci intervertebrales kranial und kaudal zeigen &ndash; ebenso wie der laterale Anteil des Dreiecks &ndash; eine normale Gr&ouml;&szlig;e. Somit fungiert der Halbwirbel im Wachstum als zunehmender Keil. Die Prognose h&auml;ngt von der Lokalisation des Halbwirbels ab. In der oberen BWS entwickelt sich bis zum Wachstumsabschluss &ndash; meist mit einem langsamen Progress &ndash; ein Cobb-Winkel von bis zu 40&deg;. Jedoch kommt es hierbei meist zu st&ouml;renden kosmetischen Beeintr&auml;chtigungen.<br /> In der unteren BWS sowie der gesamten LWS betr&auml;gt der Cobb-Winkel bis 45&deg;, es kommt jedoch kaum zu einem st&ouml;renden Gesamtbild. Im lumbosakralen &Uuml;bergang ruft der Halbwirbel ein Tilting der Wirbels&auml;ule zu einer Seite hervor. Daraus entwickelt sich eine kompensatorische Kr&uuml;mmung mit starker Rotationskomponente. Hier ist eine fr&uuml;he operative Korrektur indiziert, bevor die sekund&auml;re Kr&uuml;mmung strukturell wird. Ein Halbwirbel in der oberen BWS resultiert in einer gro&szlig;en deformierenden lumbalen Kurve mit einem schnellen Progress. Im Bereich der unteren BWS und der gesamten LWS entwickelt sich keine kompensatorische Kurve und dies f&uuml;hrt zu einer ausgepr&auml;gten Imbalance.<br /> Bei Vorliegen von zwei oder mehr Halbwirbeln entscheidet die Lage &uuml;ber die weitere Progression. Bei gegen&uuml;berliegenden Deformit&auml;ten ist die Wirbels&auml;ule in ihrer Gesamtheit meist ausgeglichen und optisch keine Beeintr&auml;chtigung zu erkennen. Befindet sich der Halbwirbel ipsilateral, kann &ndash; insbesondere im lumbosakralen &Uuml;bergang &ndash; ein rascher Progress mit einem Cobb-Winkel von bis zu 70&deg; stattfinden. Daher sollte hier eine fr&uuml;hzeitige operative Korrektur durchgef&uuml;hrt werden.<br /><br /> Semisegmentierter Halbwirbel (22 % )<br /> Am h&auml;ufigsten ist diese Anomalie in der LWS lokalisiert. Die Form des deformierten Wirbels ist dem vollst&auml;ndig segmentierten sehr &auml;hnlich, jedoch ist er mit einem benachbarten Wirbel synostosiert. Der verbliebene Discus intervertebralis weist eine normale Gr&ouml;&szlig;e auf. Da zwei Wachstumsfugen auf der konvexen Seite verkn&ouml;chert sind, bleibt die Wirbels&auml;ule balanciert. Eine Behandlung ist meist nicht n&ouml;tig, da der Cobb-Winkel bis Wachstumsende &lt;40&deg; liegt.<br /> Eine Ausnahme ist das Vorliegen der Deformit&auml;t im lumbosakralen &Uuml;bergang. Hier kommt es zu einer zunehmenden Achsabweichung mit Verlust der Balance. Der Patient ben&ouml;tigt eine fr&uuml;hzeitige operative Korrektur.<br /><br /> Inkarzerierter Halbwirbel (12 % )<br /> Diese Deformit&auml;t ist die seltenste der 3 Subtypen und am h&auml;ufigsten in der BWS zu finden. Der inkarzerierte Wirbel weist eine ovalere Form auf, die Gr&ouml;&szlig;e des lateralen Anteils betr&auml;gt meist weniger als zwei Drittel eines normalen Wirbels und er &uuml;berragt die Mittellinie nicht. Die Disci intervertebrales sind kaum vorhanden. Die benachbarten Wirbel ver&auml;ndern ihre Form und kompensieren damit das Alignement, sodass h&auml;ufig nur eine geringe Skoliose entsteht. Die Progression liegt unter 1&deg;/Jahr und bei Skelettreife liegt nie ein Cobb- Winkel &gt;30&deg; vor. Somit ist eine Behandlung meist nicht n&ouml;tig.<br /><br /><strong> Posteriorer Halbwirbel</strong><br /> Hier wird der anteriore Anteil des Wirbelk&ouml;rpers nicht gebildet, wodurch ein posteriorer Keil entsteht, der &uuml;ber beide Pedikel mit dem Wirbelbogen verbunden ist. Diese Fehlbildung tritt fast immer in der kaudalen Brustwirbels&auml;ule auf und betrifft im Durchschnitt 5 Wirbelk&ouml;rper. Im Gegensatz zu der scharfen Kurve der Kyphose ist der Cobb-Winkel einer m&ouml;glichen beteiligten Skoliose meist unter 20&deg;.<br /><br /><strong> Schmetterlingswirbel (&bdquo;sagittal cleft&ldquo;)</strong><br /> Bei diesem Typ werden der anteriore und zentrale Anteil des Wirbelk&ouml;rpers nicht ausgebildet. Daraus resultieren 2 posterolaterale Fragmente, die &uuml;ber 2 Pedikel mit dem Wirbelbogen verbunden sind. Aus der nach medial und anterior zugespitzten Keilform der Fragmente ergibt sich in der ap- R&ouml;ntgenaufnahme die typische Schmetterlingsform.<br /> Aus symmetrischen Fragmenten resultiert eine reine Kyphose, bei asymmetrischen Fragmenten entsteht eine Kyphoskoliose. Die Deformit&auml;t tritt meist am thorakolumbalen &Uuml;bergang auf und betrifft durchschnittlich 5 Wirbel.<br /><br /><strong> Anteriorer oder anterolateraler Keilwirbel</strong><br /> Hierbei wird der betroffene Wirbel durch eine Formationsst&ouml;rung im anterioren oder anterolateralen Anteil nicht komplett entwickelt. Der Wirbelk&ouml;rper reicht bis zum Ligamentum longitudinale anterius, erreicht im deformierten Anteil jedoch nur 30&ndash;50 % der Gesamth&ouml;he des Wirbels. Die h&auml;ufigsten Lokalisationen sind in der unteren BWS und oberen LWS. Das Ausma&szlig; der Kurve betrifft durchschnittlich 6 Wirbel.</p> <h2>Typ II : Segmentationsfehler</h2> <p>Bei 21 % der Patienten mit Kyphoskoliosen oder reinen Kyphosen wird die Deformit&auml;t durch einen Fehler der anterioren Wirbelk&ouml;rpersegmentation hervorgerufen. Durch die fehlerhafte Segmentation tritt ein Knochenblock auf, der durch die angrenzenden Disci bis in den benachbarten Wirbel eintritt. Diese Fehlbildung kann man in 3 Untergruppen unterteilen:<br /><br /><strong> Anteriorer Blockwirbel (&bdquo;unsegmented bar&ldquo;)</strong><br /> Bei diesem Typ liegt die Fehlbildung symmetrisch in der sagittalen Ebene und produziert somit eine reine Kyphose, deren Kurve im Durchschnitt 5 Wirbel betrifft und in der gesamten Wirbels&auml;ule auftreten kann. Die Gr&ouml;&szlig;e des Blockwirbels zieht sich am h&auml;ufigsten &uuml;ber 3,5 Wirbel. Die Progression des Cobb-Winkels liegt bei circa 1&deg;/Jahr.<br /><br /><strong> Anterolateraler Blockwirbel (&bdquo;unsegmented bar&ldquo;)</strong><br /> Hierbei tritt ein Blockwirbel (durchschnittlich 3 Wirbel) auf, der asymmetrisch in der Sagittalebene liegt und damit eine Kyphoskoliose hervorruft. Die Kurve betrifft meist 7 Wirbel und kann in der gesamten Wirbels&auml;ule auftreten. Die Konvexit&auml;t kann zu gleichen Teilen zur linken wie zur rechten Seite ausgepr&auml;gt sein. Das Wachstum im Bereich des &bdquo;unsegmented bar&ldquo; ist aufgrund der fehlerhaften Segmentation der Disci intervertebrales und der Wachstumsplatten aufgehoben. Auf der kontralateralen Seite setzt sich das longitudinale Wachstum jedoch fort. Die Progression vor dem 10. Lebensjahr liegt bei 2&ndash;3&deg;/Jahr. Im pubert&auml;ren Wachstumsschub zeigt der thorakolumbale &Uuml;bergang eine Progression von 7&deg;/Jahr und die BWS von 5&deg;/Jahr. Bei bis zu 16 % der Patienten ist diese Erkrankung mit einer okkulten intraspinalen Anomalie vergesellschaftet.<br /><strong> Bilateraler Blockwirbel (&bdquo;unsegmented bar&ldquo;)</strong><br /> Die Segmentationsst&ouml;rung betrifft hierbei den gesamten Discus intervertebralis. Es kommt damit zu einer kompletten Fusion von 2 oder 3 Wirbeln und damit selten zu einer Skoliose.</p> <h2>Typ III: gemischte Wirbelk&ouml;rperanomalien</h2> <p>Hierbei besteht eine Kombination aus einem anterolateralen Blockwirbel und einem oder mehreren Halbwirbeln. Die resultierende Kyphoskoliose tritt in der unteren BWS und oberen LWS auf, produziert eine scharfe Kr&uuml;mmung und betrifft durchschnittlich 5,5 Wirbel. Gemischte Wirbelk&ouml;rperanomalien sind bei 11 % der Patienten mit Kyphosen und Kyphoskoliosen urs&auml;chlich f&uuml;r die Deformit&auml;t. Bei Patienten unter 10 Jahren ist mit einem Progress von 5&deg;/Jahr zu rechnen. Ab dem 10. Lebensjahr nimmt der Cobb-Winkel durchschnittlich um 8&deg; pro Jahr zu. Bei bis zu 41 % der Patienten mit dieser Deformit&auml;t sind intraspinale Anomalien nachweisbar. Typ IV: unklassifizierbare Anomalien Diese Fehlbildungen kommen bei 7 % der Patienten vor, liegen am Apex einer Kyphoskoliosenkurve und k&ouml;nnen aufgrund der Schwere der Deformit&auml;t nicht differenziert werden (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="684" height="1189" /></p> <h2>Kongenitale Anomalien der Rippen und der Thoraxwand</h2> <p>Kongenitale Anomalien der Thoraxwand werden durch einen Formationsoder Segmentationsfehler der Rippen hervorgerufen und sind daher h&auml;ufig mit kongenitalen Skoliosen und Kyphosen vergesellschaftet. Die Entwicklung der Rippen geht von mesenchymalen Kondensationen der thorakalen Somiten aus. Zun&auml;chst bilden sich die Processus costales, die sich zunehmend nach ventral bis zur Sternalleiste verl&auml;ngern.<br /> Bei einer Fusion von 2 oder 3 Rippen oder einem leichten Wanddefekt, der durch das Fehlen oder die Deviation einer Rippe hervorgerufen wird, spricht man von einer simplen Deformit&auml;t.<br /> Eine komplexe Deformit&auml;t weist multiple Rippenfusionen mit einem gro&szlig;en Wanddefekt auf, der durch starke Deformit&auml;t oder das Fehlen von mehreren Rippen hervorgerufen wird.<br /> Bei circa 20 % der Patienten mit einer kongenitalen Skoliose oder Kyphose kommt eine Anomalie der Rippen vor. M&auml;dchen sind etwa 2,5 Mal h&auml;ufiger als Jungen betroffen. Das Verh&auml;ltnis von simplen zu komplexen Deformit&auml;ten liegt bei 80 % zu 20 % .<br /> Eine simple Thoraxdeformit&auml;t tritt zu 80 % auf der konkaven Seite einer Skoliose auf, w&auml;hrend sich komplexe Anomalien zu gleichen Teilen auf der Konkavit&auml;t und Konvexit&auml;t entwickeln k&ouml;nnen. Eine abnorme Anzahl an Rippen kann bei 10 % der Patienten mit kongenitalen Skoliosen, insbesondere bei einem unilateralen Segmentationsfehler, festgestellt werden.<br /> Eine Fusion der Rippen auf der konkaven Seite der Skoliose k&ouml;nnte einen gewissen adh&auml;siven Effekt aufweisen, der jedoch im Vergleich zur treibenden Kraft, dem unilateralen Wachstum der Wirbels&auml;ule, vernachl&auml;ssigbar ist.<br /> Durch das Vorliegen einer simplen oder komplexen Anomalie der Rippen kommt es zu keiner vermehrten Progression des Cobb-Winkels pro Jahr, jedoch kann die Restriktion des Atemvolumens zu einem zunehmenden respiratorischen Versagen und damit zu einem fr&uuml;hen Tod in der Kindheit f&uuml;hren.</p> <h2>Intraspinale Anomalien</h2> <p>Die H&auml;ufigkeit von intraspinalen Anomalien bei kongenitalen Skoliosen und Kyphosen variiert je nach Studie zwischen 6 und 58 % . Die Diskrepanz k&ouml;nnte mit der embryologischen Entwicklung des R&uuml;ckenmarks erkl&auml;rt werden. Die Grundlage des R&uuml;ckenmarks wird &ndash; wie der Entwicklungsplan der Wirbels&auml;ule &ndash; in der fr&uuml;hen Mesenchymalphase gebildet. Daher k&ouml;nnte eine intraspinale Anomalie bei kongenitalen Skoliosen deutlich h&auml;ufiger als bei Kyphoskoliosen und Kyphosen auftreten. Eine Kyphose entwickelt sich erst, nachdem das R&uuml;ckenmark bereits vollst&auml;ndig entwickelt ist.<br /> In allen Studien trat die Diastematomyelie mit 14 % am h&auml;ufigsten auf, gefolgt von Syringomyelien und &bdquo;tethered cord&ldquo;. Intraspinale Anomalien sind bei 67 % der Kinder mit neurologischen Defiziten vergesellschaftet. Bei 56 % der Patienten treten im Rahmen der Myelonfehlentwicklung auch Anomalien der Haut auf, besonders h&auml;ufig sind okkulte Behaarung, N&auml;vi und Teleangiektasien zu finden. Aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig, dass bei jedem Patienten mit einer kongenitalen Skoliose eine MRT-Untersuchung der gesamten Wirbels&auml;ule durchgef&uuml;hrt wird, bevor eine Operation stattfindet, um intraspinale Fehlbildungen auszuschlie&szlig;en, da diese im Rahmen der Korrektur neurologische Komplikationen ausl&ouml;sen k&ouml;nnen.</p> <h2>Assoziierte Anomalien</h2> <p>Bei bis zu 30 % der Patienten k&ouml;nnen weitere Fehlbildungen festgestellt werden. Am h&auml;ufigsten zeigen sich hierbei Deformit&auml;ten in der unteren Extremit&auml;t (Klumpf&uuml;&szlig;e, Hypoplasien, Coxa vara, Beinverk&uuml;rzung, Syndaktylie). Es k&ouml;nnen jedoch auch kardiale, renale und intestinale Fehlbildungen sowie Assoziationen mit dem Goldenhar- und dem Prader-Willi-Syndrom festgestellt werden.<br /><br /> <strong>Sprengel-Deformit&auml;t</strong><br /> Das Schulterblatt entwickelt sich mit dem Arm aus derselben Knospe in der 3. Embryonalwoche auf der H&ouml;he zwischen dem 5. Halswirbel und dem 1. Brustwirbel. Nach der 5. Woche ist die Scapula vorhanden und wandert bis zum Ende des 3. Monats konsekutiv zu ihrer endg&uuml;ltigen Position zwischen dem 2. und 7. Brustwirbel. Ein unvollst&auml;ndiger Descensus resultiert in einem Schulterhochstand, der als Sprengel-Deformit&auml;t bezeichnet wird. Diese Pathologie tritt bei 6 % der Patienten mit kongenitaler Skoliose auf und ist in 96 % mit einem zervikothorakalen oder thorakalen Apex vergesellschaftet.<br /> Wenn die Deformit&auml;t auf der konkaven Seite der Skoliose auftritt (60 % ), f&auml;llt der durch die Skoliose hervorgerufene Schulterhochstand nicht auf und der Patient pr&auml;sentiert sich symmetrisch. Bei einer Sprengel- Deformit&auml;t auf der Konvexseite einer Skoliose (40 % ) kommt es zu einer Verschlechterung des kosmetischen Ergebnisses. Daher sollte bei einer operativen Korrektur hier ebenfalls die Scapula kaudalisiert werden. Mit 53 % kommen Rippendeformit&auml;ten etwas h&auml;ufiger auf der ipsilateralen Seite der Sprengel-Deformit&auml;t vor.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Korsettbehandlung ist bei kongenitalen Skoliosen nur bei der Behandlung von kompensatorischen Gegenkr&uuml;mmungen nach der operativen Korrektur des Prim&auml;rdefektes indiziert. Die kongenitale Deformit&auml;t zeichnet sich durch das Fehlen von Wachstumsplatten aus und ist rigide. Dies kann durch ein Korsett nicht ausgeglichen werden.<br /> Zur Pr&auml;vention einer weiteren Progression wird eine operative Sanierung vor dem 5. Lebensjahr bei einer Skoliose mit einem Cobb-Winkel &lt;40&deg; und einer Progression &gt;5&deg; pro Jahr empfohlen. Im Rahmen der halbj&auml;hrlichen klinischen Verlaufskontrollen sollte jeweils eine R&ouml;ntgenkontrolle durchgef&uuml;hrt werden. Nur somit kann ein Progress fr&uuml;hzeitig entdeckt und die Therapieform optimal angepasst werden.<br /> Die Entscheidung &uuml;ber das operative Verfahren muss individuell getroffen werden. Unerl&auml;sslich hierf&uuml;r ist die Durchf&uuml;hrung einer Computertomografie zur genauen Klassifizierung der Fehlbildung. Insbesondere m&uuml;ssen das Alter des Patienten, die Art und Gr&ouml;&szlig;e der Deformit&auml;t und das Vorhandensein einer R&uuml;ckenmarkskompression ber&uuml;cksichtigt werden. Die Durchf&uuml;hrung eines pr&auml;operativen MRT der gesamten Wirbels&auml;ule zum Ausschluss von intraspinalen Anomalien wird f&uuml;r alle Patienten mit kongenitalen Deformit&auml;ten der Wirbels&auml;ule empfohlen.<br /> Eine Progression der Deformit&auml;t kann durch eine Fesselung mittels kurzstreckiger dorsaler Instrumentierung und Resektion des deformierten Wirbels verhindert werden. Die h&auml;ufigste und am einfachsten zu behandelnde Fehlbildung, der unilaterale Halbwirbel, sollte fr&uuml;hzeitig mit einer einfachen Resektion des Halbwirbels und kurzstreckiger Spondylodese behandelt werden. Der Halbwirbel wird &uuml;ber den hinteren Zugang reseziert. &Uuml;ber das Schrauben-Stab-System wird konvexseitig komprimiert und die beiden Nachbarwirbel damit parallel eingestellt. Es resultiert keine Bewegungseinschr&auml;nkung und die Wirbels&auml;ule kann danach normal weiterwachsen. Die Halbwirbelresektion sollte schon im fr&uuml;hesten Kindesalter durchgef&uuml;hrt werden, um zu verhindern, dass sich gr&ouml;&szlig;ere Deformit&auml;ten, insbesondere Kyphoskoliosen, entwickeln (Abb. 2).<br /> Bei komplexen oder multisegmentalen St&ouml;rungen kann meist keine Resektion durchgef&uuml;hrt werden. Hier empfiehlt sich die Wachstumslenkung mittels &bdquo;growing rods&ldquo;. Mit den neuen Systemen k&ouml;nnen die halbbis j&auml;hrlichen Nachstellungen nun bereits perkutan durchgef&uuml;hrt werden. Die &bdquo;Growing rod&ldquo;- Technik wird schon seit vielen Jahren eingesetzt und ist Gegenstand laufender Forschungen, um die OPTechnik zu verbessern. Der Trend geht in Richtung minimal invasiver Verfahren und Schonung der Muskulatur. Grunds&auml;tzlich besteht das Problem, dass konventionelle &bdquo;growing rods&ldquo; ein- bis zweimal/ Jahr im Rahmen einer Nachstelloperation verl&auml;ngert werden m&uuml;ssen, um das K&ouml;rperl&auml;ngenwachstum auszugleichen. Diese Eingriffe stellen eine erhebliche Belastung f&uuml;r die Patienten und ihre Familien dar. Durch die sogenannten &bdquo;magnetic rods&ldquo; k&ouml;nnen diese Nachstelloperationen vermieden werden, da sich die St&auml;be perkutan nachstellen lassen. Die Prozedur erfolgt ambulant, ohne Narkose, und ist vollkommen schmerzfrei. Im Jahr 2016 f&uuml;hrten wir die &ouml;sterreichweit erste Operation mit diesem neuartigen Wachstumssystem durch und sehen dies als deutliche Behandlungserleichterung f&uuml;r diese Patientengruppe an (Abb. 3).<br /> Bei Kindern unter 5 Jahren mit der Deformit&auml;t in der BWS und insbesondere mit Thoraxdeformit&auml;t auf der konkaven Seite der Skoliose wird eine operative Korrektur mit dem VEPTR-System (&bdquo;vertical expandable prosthetic titanium rib&ldquo;) empfohlen. Eine langstreckige dorsale Instrumentierung hat bei diesen Patienten einen adversen Effekt auf das Thorax- und Lungenwachstum (Abb. 4).<br /> Bei Patienten nach dem 5. Lebensjahr mit Kyphosen &gt;50&deg; reicht aufgrund des geringen Wachstumspotenzials eine rein dorsale Instrumentierung nicht mehr aus. Hier wird zur optimalen Behandlung zus&auml;tzlich ein anteriores Release empfohlen. Pr&auml;- und intraoperativ muss unbedingt auf eine Traktion verzichtet werden. Hierbei w&uuml;rde das R&uuml;ckenmark gegen den Apex gepresst werden, was mit einem gro&szlig;en neurologischen Risiko vergesellschaftet ist. Wenn ein Gibbus eines Patienten bereits neurologische Auff&auml;lligkeiten hervorgerufen hat, muss der gesamte Wirbel entweder &uuml;ber einen transthorakalen Eingriff oder eine Kostotransversektomie entfernt werden. Meist ist bei rigiden Hyperkyphosen eine VCR (&bdquo;vertebral column resection&ldquo;) indiziert, wobei dazu ein oder mehrere Wirbelk&ouml;rper von dorsolateral reseziert werden (Abb. 5). Die Deformit&auml;t wird dadurch flexibel und kann meist gut korrigiert werden. Es handelt sich allerdings um ein technisch anspruchsvolles Verfahren mit neurologischem Risiko, insbesondere bei Osteotomieh&ouml;hen im BWSBereich. Laut dem SRS (Scoliosis Research Society) Morbidity and Mortality Report ist das neurologische Risiko bei der Korrektur von kongenitalen Kyphosen im Vergleich zu anderen Deformit&auml;ten am h&ouml;chsten und betr&auml;gt bis zu 10 % .<br /> Bei all diesen Verfahren ist das sogenannte &bdquo;Spinal cord&ldquo;-Monitoring von essenzieller Bedeutung, da man intraoperativ permanent die R&uuml;ckenmarksfunktion &uuml;berwachen kann und zwar sowohl die sensorischen (SEP) als auch die motorischen Bahnen (MEP). Patienten, insbesondere mit Hyperkyphosen, die das neurologische Risiko scheuen und auf eine wesentliche Korrektur verzichten k&ouml;nnen, kann auch eine rein abst&uuml;tzende Operation mit einer gef&auml;&szlig;gestielten Rippe oder Fibula angeboten werden. Dabei wird &uuml;ber einen ventralen Eingriff das Transplantat in den Kyphosescheitel eingesetzt und baut &uuml;ber die Jahre so weit um, dass es die Kyphose dauerhaft abst&uuml;tzen kann. Diese Art der Wirbels&auml;ulenoperationen sollte, insbesondere bei Kindern, ausnahmslos in Zentren durchgef&uuml;hrt werden, die profunde Erfahrung mit diesen komplexen Fragestellungen haben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s8_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="658" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s8_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="1037" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s8_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="590" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s8_abb5.jpg" alt="" width="959" height="716" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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