Patientenspezifische Instrumentation in der Kniegelenksendoprothetik

<p class="article-intro">Unbestritten ist die Endoprothetik des Kniegelenks ein zentrales Themengebiet der modernen orthopädischen Chirurgie. Eine relativ neue Innovation ist die Fertigung patientenspezifischer Operationsinstrumente, mit dem Ziel, die Ergebnisse in Hinsicht auf Operationsdauer, intraoperativen Blutverlust und postoperative Funktionsparameter zu verbessern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>An erster Stelle gilt es, die individuelle dreidimensionale Anatomie des Patienten zu vermessen. Je nach Hersteller wird hierzu eine Computer- oder eine Magnetresonanztomografie ben&ouml;tigt. Die gewonnenen Daten werden dem Hersteller &uuml;bermittelt, welcher dann das patientenspezifische Instrumentarium, seltener eine angepasste Endoprothese liefert.</p> <h2>Vorteile</h2> <p>Von diesem Vorgehen erhofft man sich durch die Verlagerung der Planungsphase in den pr&auml;operativen Zeitraum zun&auml;chst eine wesentliche Verk&uuml;rzung der Operationszeit. Im optimalen Fall entf&auml;llt die intraoperative Vermessung der Patientenanatomie, was auch die zur Operation n&ouml;tige Zahl an Instrumenten deutlich verringert. Mit einer Reduktion der Operationsdauer sollten schlie&szlig;lich auch der Blutverlust sowie das intraoperative Infektionsrisiko minimiert werden k&ouml;nnen.<br />Gro&szlig;e Erwartungen bestanden anfangs auch in Hinblick auf eine Verbesserung der Ergebnisse des Gelenksalignments in der Frontalebene, der Platzierung der Prothesenkomponenten und der Weichteilbalance. <br />Ein weiterer Vorteil sollte eine Verflachung der Lernkurve der Operationstechnik sein, da weniger operative Zwischenschritte n&ouml;tig sind und intraoperative Entscheidungen in die Planungsphase verlagert werden.</p> <h2>Werden die Erwartungen erf&uuml;llt?</h2> <p>Die Erfahrung zeigt, dass die erhoffte intraoperative Zeitersparnis oft nicht erreicht werden kann. Besonders dann, wenn die intraoperativen Verh&auml;ltnisse einen Umstieg auf ein konventionelles Instrumentarium n&ouml;tig machen, ist ein hohes Ma&szlig; an chirurgischer Erfahrung gefordert &ndash; dann entf&auml;llt auch der beschriebene Vorteil der flachen Lernkurve. Dies ist insofern problematisch, als ein Umstieg auf ein konventionelles Instrumentarium &ouml;fter beobachtet wurde als vermutet.<sup>1</sup><br />Die Literaturrecherche liefert weiters ein uneinheitliches Bild hinsichtlich der Verringerung des intraoperativen Blutverlustes. Hier l&auml;sst sich bei den vorgestellten Methoden kein eindeutiger Vorteil erkennen, ebenso wenig eine Ersparnis der intra- und postoperativ ben&ouml;tigten Blutkonserven.<sup>2</sup><br />Ein gro&szlig;er Kritikpunkt ist, wie zuvor bereits erw&auml;hnt, die aufwendige Vorbereitungsphase mit der Gewinnung der Patientendaten. Hier m&uuml;ssen die eingangs beschriebenen Vorteile gegen gewichtige Nachteile aufgewogen werden. Eine Schnittbildgebung ist in der Regel teuer und nicht &uuml;berall einfach verf&uuml;gbar. Handelt es sich um eine Computertomografie, nimmt man zudem im Vergleich zum konventionellen R&ouml;ntgen bei der Standardendoprothetik eine deutlich h&ouml;here Strahlenbelastung in Kauf. Diese entf&auml;llt zwar bei der Magnetresonanztomografie, hier zeigen sich aber hinsichtlich der Datenqualit&auml;t zur dreidimensionalen Knochenrekonstruktion gro&szlig;e Nachteile. Dar&uuml;ber hinaus steigt hier der Kostenfaktor noch einmal um ein Vielfaches.<br />Eines der wichtigsten Kriterien, um den Erfolg einer endoprothetischen Versorgung beurteilen zu k&ouml;nnen, ist das Gelenksalignment in der Frontalebene. Dementsprechend hoch ist die Anzahl der Arbeiten, die sich in der Auswertung auf diesen Parameter konzentrieren. Bis dato konnte hier bei keinem System ein Vorteil gegen&uuml;ber konventionellen Endoprothesen beobachtet werden.<br />Generell zeigen sich bei der Auswertung der vorliegenden Literatur im Detail Probleme bei der Vergleichbarkeit der Studien aufgrund kleiner Fallzahlen, verschiedener Hersteller sowie unterschiedlicher Messmethoden. Ungekl&auml;rt bleibt etwa, ob Vorteile hinsichtlich der Rotation der Komponenten bestehen. Zudem liegen besonders wenige Untersuchungen zu funktionellen Ergebnissen und zur Patientenzufriedenheit vor.<br />Auch wir k&ouml;nnen mit unserer Erfahrung alle diese Beobachtungen best&auml;tigen. Wir haben an unserer Klinik im Rahmen einer Studie an 29 Patienten zwei Systeme verschiedener Hersteller getestet und prospektiv im Vergleich mit einer Kontrollgruppe in Hinsicht auf Operationsdauer, intraoperativen Blutverlust und Alignment in der Frontalebene ausgewertet. Zus&auml;tzlich haben wir etablierte Scores zur Bestimmung der Funktion und des Schmerzlevels erhoben. &Uuml;ber einen Nachbehandlungszeitraum von mittlerweile 7 Jahren konnten wir bei keinem der erw&auml;hnten Parameter einen Vorteil in der Gruppe der Patienten feststellen, die mit patientenspezifischen Systemen versorgt wurden.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Knieendoprothetik der aktuellen Generation zeichnet sich durch ein geringes Ma&szlig; an perioperativen Komplikationen aus. Da patientenspezifische Techniken am zugrunde liegenden Prinzip der Operationstechniken wenig &auml;ndern, ist eine Reduktion der Komplikationsrate nicht zu erwarten, was in vielen Einzelarbeiten und Metaanalysen<sup>3</sup> auch gezeigt werden konnte. Zur Beurteilung der N&uuml;tzlichkeit dieser Innovation muss der Fokus also auch auf die wirtschaftlichen Aspekte gelegt werden. Hier zeigt sich, dass das erhoffte Einsparungspotenzial nicht erreicht wird,<sup>4</sup> oftmals sogar eine Verteuerung des Behandlungsprozesses festgestellt werden kann.<br />Angesichts dieser Erkenntnisse ergibt sich f&uuml;r uns keine Empfehlung, patientenspezifische Techniken im Routinebetrieb einzusetzen. Nat&uuml;rlich verbleiben denkbare Anwendungsszenarien, beispielsweise wenn eine intramedull&auml;re Ausrichtung bei posttraumatischen Femurdeformit&auml;ten nicht m&ouml;glich ist.<sup>5</sup> Spannend und offen bleibt nat&uuml;rlich, ob diese Einsch&auml;tzung im Zuge von Langzeitbeobachtungen noch revidiert werden muss.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Stronach BM et al.: Patient-specific total knee arthroplasty required frequent surgeon-directed changes. Clin Orthop Relat Res 2013; 471(1): 169-74 <strong>2</strong> Chareancholvanic K et al.: A prospective randomised controlled study of patient-specific cutting guides compared with conventional instrumentation in total knee replacement. Bone Joint J 2013; 95-B(3): 354-9 <strong>3</strong> Sassoon AA et al.: Systematic review of patient-specific instrumentation in total knee arthroplasty: new but not improved. Clin Orthop Relat Res 2015; 473(1): 151-8 <strong>4</strong> Nunley RM et al.: Are patient-specific cutting blocks cost-effective for total knee arthroplasty? Clin Orthop Relat Res 2012; 470(3): 889-94 <strong>5</strong> Mattei L et al.: Patient specific instrumentation in total knee arthroplasty: a state of the art. Ann Transl Med 2016; 4(7): 126</p> </div> </p>
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