Predictive validity of mortality after surgically treated proximal femur fracture based on four nutrition scores – a retrospective data analysis
Autoren:
Domenik Popp,
Arastoo Nia
Korrespondierender Autor:
Dr. Domenik Popp, MSc
Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: domenik.popp@meduniwien.ac.at
In dieser Studie wurden vier ernährungsbezogene Bewertungsskalen auf ihre prognostische Bedeutung für die postoperative Mortalität nach einer operativ versorgten PFF untersucht.
Einführung
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der damit einhergehenden Überalterung der Bevölkerung werden proximale Femurfrakturen (PFF) zu einem zunehmenden Problem in unserer modernen Gesellschaft. Es ist eine Fraktur des Alters – junge Erwachsene sind selten und in der Regel durch Hochenergietraumata wie Autounfälle betroffen –, bei älteren Patienten, meist Frauen mit einem Durchschnittsalter von 80 Jahren, ist die Ursache oft ein banaler Sturz aus geringer Höhe. Ebenso pathognomonisch für solche geriatrischen Patienten ist ein schlechter Ernährungszustand, der ohnehin schon mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, einer erschwerten Rehabilitation und einer erhöhten Mortalität assoziiert ist.
Material und Methoden
Retrospektiv wurden vier ernährungsbezogene Screening-Tools auf ihre Mortalitätsvorhersagekraft angewendet. Die Sterblichkeit 1, 3, 6 und 12 Monate postoperativ wurde mit dem österreichischen Sterberegister abgeglichen. Für die Screening-Tools wurden nur präoperativ erhobene Parameter berücksichtigt. Die chirurgische Behandlung erfolgte gemäß aktuellen Leitlinien. Eingeschlossen wurden alle Patienten ab 60 Jahren, die zwischen Jänner 2018 und November 2019 an der Abteilung für Unfallchirurgie der Medizinischen Universität Wien aufgrund einer hüftgelenksnahen Fraktur operativ versorgt wurden. Patienten mit konservativem Management, Polytrauma, periprothetischen oder pathologischen Frakturen sowie unzureichenden Daten wurden von der Analyse ausgeschlossen.
NRS (Nutritional Risk Screening)
Erfordert: Body-Mass-Index (BMI), Gewichtsverlust und Schwere der aktuellen Erkrankungen. Je nach Schweregrad werden 1–3 Punkte vergeben. Ein Ergebnis von ≥3 erfordert eine zusätzliche Ernährungstherapie.
MNA (Mini Nutritional Assessment)
Ein speziell für ältere Menschen entwickeltes Screening, das Fragen zu Ernährungs- und Gesundheitsstatus, Selbstständigkeit, Lebensqualität, Kognition und subjektivem Gesundheitsgefühl umfasst. Punktzahlen von 0–7 weisen auf Mangelernährung, 8–11 auf ein Risiko und 12–14 auf einen normalen Ernährungszustand hin.
GMS (Graz Malnutrition Screening)
Entwickelt von einem multidisziplinären Team am Universitätsklinikum Graz, basierend auf Richtlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN). Es erfasst Gewichtsverlust, BMI (0–2 Punkte), reduzierte Nahrungsaufnahme ( 1 Punkt), den Schweregrad der Erkrankung (1–2 Punkte) und das Alter (1 Punkt für >65 Jahre). Eine Summe von ≥3 zeigt ein Risiko für Mangelernährung an.
MUST (Malnutrition Universal ScreeningTool)
Identifiziert Mangelernährung in fünf Schritten anhand von BMI und Gewichtsverlust (0–2 Punkte). Akut kranke Patienten ohne orale Nahrungsaufnahme erhalten 2 zusätzliche Punkte. Ein Score von 0 zeigt ein geringes, 1 ein moderates und ≥2 ein hohes Risiko an. Bei einem moderaten Risiko wird die Nahrungsaufnahme über 3 Tage beobachtet und bewertet. Sofortiges Handeln ist bei einem Score von ≥2 erforderlich.
Resultate
Nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien wurden 1080 Patienten in diese Studie aufgenommen; darunter waren 69,5% (n=751) weiblich, mit einem durchschnittlichen Gesamtalter von 81,1 Jahren und einem durchschnittlichen BMI von 23,8kg/m2. Gemäß WHO-Kriterien gilt jemand mit einem BMI unter 18,5kg/m2 als unterernährt. Von der Patientenpopulation litten insgesamt 8,05% (n=87) an einem unzureichenden Ernährungszustand.
Das MNA identifizierte mit 14,54% (n=157) den höchsten Anteil an Mangelernährten, gefolgt vom MUST-Score mit 13,52% (n=146). Das Risiko für Mangelernährung wurde im Durchschnitt bei 36,39% der Patienten durch MNA, GMS und NRS festgestellt. Der MUST-Score als Ausreißer identifizierte lediglich 11,48%. Das MNA wies den größten Anteil an Risikopatienten mit 41,20% auf. Im MNA hatten Patienten eine etwa 5-fach höhere Mortalitätsrate im Vergleich zu normal ernährten Patienten. Ab dem dritten postoperativen Monat war die Odds-Ratio >7 (Tab.).
Tab: Odds Ratio für die Sterblichkeit nach Ernährungsbewertung und Gruppe; p-Werte basieren auf dem Chi-Quadrat-Test
Diskussion
Die MNA-Screeningmethode zeigte in dieser Arbeit eine starke Korrelation mit der postoperativen Mortalität von mangelernährten Patienten. In einer vergleichbaren Studie von J. van Wissen et al. wurden 226 Patienten ebenfalls mit MNA bewertet und nach einem Jahr mit dem Sterberegister abgeglichen. Die Mortalität der Risikopatienten und der Mangelernährten entsprach genau den Ergebnissen dieser Arbeit, obwohl die Sterblichkeitsrate bei normal ernährten Patienten in jener Studie höher war (17% vs. 9,81%). Eine weitere Studie mit 472 Patienten zeigte eine Mortalität von 37% bei mangelernährten Patienten vier Monate postoperativ. Patienten in der Risikogruppe (8–11 Punkte) hatten eine Sterblichkeit von 26%, während die normal ernährte Kontrollgruppe nur 10% aufwies. Eine Metaanalyse von vier Studien bestätigte eine signifikant höhere Sterblichkeit bei Patienten mit einem MNA von 0–7 und 8–11 Punkten (p<0,001).
Das MNA zeichnet sich durch eine hohe Sensitivität aus, weist jedoch eine geringere Spezifität auf, da der Anteil der identifizierten Hochrisikopatienten möglicherweise zu hoch ist. Eine Metaanalyse von Malafarina et al. mit 12 Studien und 2195 Hüftfrakturpatienten ergab, dass im Durchschnitt 45,2% normal ernährt waren (44,3% in dieser Arbeit), 35,3% zur Risikogruppe gehörten (41,2% in dieser Arbeit) und 18,7% als mangelernährt identifiziert wurden (14,5% in dieser Arbeit). Dies deutet darauf hin, dass die retrospektive Datenauswertung des MNA plausible Ergebnisse liefert.
In einer Studie von Koren-Hakim et al. wurden 215 Patienten nach einer PFF mit MNA, NRS und MUST evaluiert und ihre postoperative Sterblichkeit untersucht. Nur das MNA zeigte eine signifikante Korrelation (p<0,001), während das NRS eine schwächere Korrelation (p<0,05) mit höherer Sterblichkeit nach 36 Monaten aufwies. Ein Vorteil des NRS ist, dass es zuverlässige Ergebnisse lieferte, unabhängig vom durchführenden Personal. Das MUST-Screening zeigte keine klare Korrelation.
Das GMS hat sich als validiertes Ernährungs-Screening-Tool etabliert und wurde mit MNA und NRS verglichen, wobei es ähnliche Ergebnisse lieferte. Allerdings gibt es derzeit keine Literatur, die den Zusammenhang des GMS mit der postoperativen Mortalität nach einer PFF untersucht.
Conclusio
Die Ergebnisse legen nahe, dass das MNA-Screening unter den Ernährungsscores die beste Korrelation und Vorhersagekraft bezüglich postoperativer Mortalität aufweist. Anhand der Daten kann ein routinemäßiges Screening mit MNA empfohlen werden, um mangelernährte und gefährdete Patienten für gezielte Therapien zu identifizieren. Dies kann helfen, Patienten in Zeiten knapper Ressourcen gezielt zu unterstützen. Das GMS-Screening mit der zweitbesten Vorhersagekraft könnte als Alternative für Patienten unter 60 Jahren in Betracht gezogen werden.
Limitationen
Die wesentlichen Limitationen dieser Arbeit sind das retrospektive Studiendesign und die nachträgliche Auswertung der Ernährungsscores anhand dokumentierter Daten, was zu Ungenauigkeiten führen kann, insbesondere bei der Erfassung von Gewichtsverlust. Zudem kann das Körpergewicht bei älteren Patienten durch Wassereinlagerungen oder diuretische Entwässerung stärker variieren.
Literatur:
bei den Verfassern
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