
Schnellende Finger – nur bei Erwachsenen von Relevanz?
Autor:
Dr. Philipp Scheider
Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie
Orthopädisches Spital Speising, Wien
E-Mail: philipp.scheider@oss.at
Der schnellende Finger bei Erwachsenen und dessen operative Therapie sind weitreichend bekannt. Doch auch Kinder weisen dieses Krankheitsbild auf, sogar häufiger, als man vermuten würde. Es handelt sich um die häufigste pädiatrische Erkrankung im Bereich der Hand. Dieser Bericht stellt die Pathologie und die aktuellen Konzepte zur Behandlung des kindlichen Triggerfingers vor.
Keypoints
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Eine Unterscheidung zwischen der betroffenen Region – Daumen oder Langfinger – ist essenziell.
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Die angesprochenen Pathologien werden oft nach Bagatelltrauma erstmals durch Eltern oder Großeltern entdeckt.
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Eine konsequente Schienentherapie erzielt bei leichten, flexiblen Formen des schnellenden Daumens gute funktionelle Ergebnisse. Sollte es durch konservative Therapiemaßnahmen zu keinem zufriedenstellenden Therapieerfolg kommen, ist eine weitere operative Sanierung empfohlen.
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Eine operative Versorgung, die über die Ringbandspaltung A1 hinausgeht, kann aufgrund der vorhandenen anatomischen Anomalien bei schnellenden Fingern manchmal erforderlich sein.
Beim schnellenden Finger, auch Digitus saltans, Schnapp- oder Triggerfinger genannt, handelt es sich um eine Sehnengleitstörung der Hand. Durch degenerativ-entzündliche Prozesse oder rezidivierende Über- bzw. Fehlbelastung kommt es zu einer Hypertrophie der Beugesehnenscheide. Diese Verdickung führt in den meisten Fällen zu einer relativen Enge im Bereich des Ringbandes A1 mit daraus resultierender Einschränkung der Sehnengleitfähigkeit. Im Frühstadium treten lediglich Schmerzen und Schwellungen im Bereich der Fingergrundgelenke auf. Im späteren Verlauf bleibt dann der gebeugte Finger beim Versuch der Extension hängen. Durch erhöhten Kraftaufwand kann dieser Widerstand überwunden und dadurch ein Schnappen ausgelöst werden.1
Die operative Therapie, welche aus der Spaltung des Ringbandes A1 besteht, ist beim Erwachsenen – nach Ausschöpfen konservativer Maßnahmen, wie z.B. Kortisoninfiltrationen – die Therapie der Wahl. Durch eine operative Sanierung können ausgezeichnete funktionelle Ergebnisse, bei einer gleichzeitig sehr geringen Rezidivrate, erzielt werden. Die Ringbandspaltung zählt zu den häufigsten Operationen an der Hand und ist chirurgisch unaufwendig.2
Das Risiko, dieses Krankheitsbild im Laufe seines Lebens zu entwickeln, liegt bei etwa 2–3% und kann durch Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus sogar auf bis zu 10% ansteigen. Meistens treten die Beschwerden ab dem 50. Lebensjahr auf. Frauen erkranken bis zu sechsmal so oft wie Männer. Am häufigsten betroffen ist der Ringfinger, gefolgt von Daumen, Mittel-, Zeige- und Kleinfinger. In Anbetracht dieser Zahlen lässt sich zweifellos feststellen, dass es sich hierbei um ein häufig auftretendes Krankheitsbild handelt.1,2
Doch nicht nur Erwachsene sind betroffen. Der schnellende Finger im Kindesalter zählt zu den häufigsten pädiatrischen Erkrankungen der Hand. Eine Unterscheidung zwischen der betroffenen Region – Daumen oder Langfinger – ist essenziell.
Schnellender Daumen
Der Triggerdaumen tritt meistens zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr mit einer Inzidenz von 1–3 pro 1000 auf.3,4 Aufgrund von mehreren Berichten in der Literatur geht man heute davon aus, dass es sich hierbei um eine erworbene und nicht angeborene Pathologie handelt. In mehreren Studien fanden sich jedoch Hinweise auf eine genetische Komponente im Sinne einer möglichen Prädisposition.5 Die genaue Pathophysiologie der Erkrankung ist unklar. Im Gegensatz zur Pathologie beim Erwachsenen wird vermutetet, dass sich der Durchmesser der Beugesehnenscheide nicht entsprechend dem Durchmesser der Sehne des M. flexor pollicis longus entwickelt und es so zu einer Einengung kommt.6 Somit ist hierbei die verdickte Sehne das Problem – und nicht die Sehnenscheide bzw. das Ringband.
Diagnostik
Klinisch präsentiert sich der Triggerdaumen in einer schmerzfreien Flexionsstellung im IP-Gelenk. Wird eine Streckung durch vermehrten Kraftaufwand versucht, kommt es zu Beschwerden, und manchmal kann der Daumen dann gar in Streckstellung verharren. Palpatorisch lässt sich eine knotige Verdickung über dem Grundgelenk beugeseitig ertasten, ein sogenannter „Notta’scher Knoten“.5 Studien haben gezeigt, dass diese noduläre Verdickung bzw. eine verbreiterte M.-flexor-pollicis-longus-Sehne in einer Ultraschalluntersuchung bereits vor dem Auftreten von Bewegungseinschränkungen identifiziert werden kann und sich dieses Verfahren somit zur Frühdiagnostik eignet.7 Weiters zeigen viele Kinder als kompensatorische Komponente eine vermehrte Hyperextension im MCP-Gelenk. Zur definitiven Diagnosestellung ist eine radiologische Diagnostik nicht zwingend erforderlich. Eine ausführliche Anamnese und sorgfältige klinische Untersuchung sind ausreichend. Differenzialdiagnostisch muss ein „congenital clasped thumb“ (eingeschlagener Daumen) ausgeschlossen werden. Hierbei ist der Daumen im Grundgelenk gebeugt und in die Hohlhand eingeschlagen. Auch eine Differenzierung zur „thumb-in-palm deformity“, welche bei infantiler Zerebralparese oder Arthrogrypose auftreten kann, ist erforderlich. Weiters kommt es vor, dass ein Triggerdaumen als Fraktur oder Luxation und der Notta’sche Knoten als Verknöcherung fehldiagnostiziert werden.5
Therapie und Outcome
Bei kindlichen schnellenden Daumen hat sich eine chirurgische Spaltung des Ringbandes A1, ähnlich der Technik, die auch bei Erwachsenen zum Einsatz kommt, als Therapie mit exzellenten Ergebnissen etabliert. Eine Literaturanalyse hat ergeben, dass nach chirurgischer Intervention bei 95% der Fälle die vollständige Beweglichkeit im IP-Gelenk wiederhergestellt werden konnte. Bei einem konservativen Vorgehen mittels Schienentherapie erreichten nur 67% der Fälle dieses Ergebnis. Wurden lediglich Bewegungsübungen und Observanz durchgeführt, waren es 55%.8 Dennoch besteht noch immer keine einheitliche Meinung, ob ein konservatives Therapieregime oder zunächst gar keine Therapie und lediglich Observanz eine Alternative zur sofortigen operativen Versorgung darstellen, gerade bei leichter ausgeprägten Formen.9
Ein perkutaner Release von schnellenden Fingern, wie er bei Erwachsenen durchgeführt wird, hat sich für Kinder als nicht adäquate Behandlungsstrategie herausgestellt. Eine Studie beschreibt sogar eine inkomplette Spaltung des Ringbandes A1 in 30% und eine Verletzung der Beugesehnen in 80% der Fälle.10 Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 empfiehlt eine konservative Schienentherapie als primäre Methode der Wahl. Sollte diese Therapie nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, wird eine operative Sanierung empfohlen.11
Die Rezidivrate nach einer offenen chirurgischen Intervention ist äußerst gering, wenn eine sorgfältige vollständige Spaltung durchgeführt worden ist.5 Neben dem vollständigen Release sollte während des chirurgischen Eingriffes ein besonderes Augenmerk auf den radialen Fingernerv gelegt werden. Durch die natürliche Rotation des Daumens wird der Hautschnitt oft zu radialseitig gesetzt und dadurch der Nerv gefährdet.12
Schnellender Finger
Triggerfinger treten ungefähr im gleichen Alter wie Triggerdaumen auf, die Inzidenz beträgt jedoch nur ein Zehntel derjenigen von Triggerdaumen.13 Auch hier handelt es sich um eine erworbene Pathologie. Im Gegensatz zu schnellenden Daumen, bei denen es meistens zu einer fixierten Flexionsstellung im IP-Gelenk kommt, tritt bei den Fingern die klassische Schnappsymptomatik auf. Betroffene Kinder leiden in vielen Fällen an einer auslösenden Grunderkrankung, wie Mukopolysaccharidose, Ehlers-Danlos-Syndrom oder Trisomie 21.14–16 Am häufigsten betroffen ist der Mittelfinger, oft können auch mehrere Finger einer Hand betroffen sein.13
Diagnostik
Kinder, die an Triggerfingern leiden, haben oft eine zugrunde liegende syndromale Erkrankung. Neben diesen Grunderkrankungen gibt es Berichte über eine Vielzahl an zusätzlichen anatomischen Besonderheiten, die auftreten können, wie z.B. Verwachsungen der lumbrikalen Muskulatur mit der Flexor-digitorum superficialis(FDS)-Sehne oder abnormale Verbindungen zwischen den FDS- und Flexor-digitorum-profundus(FDP)-Sehnen. Besonders wichtig ist hierbei die genaue klinische Untersuchung zur Lokalisation der Schnappsymptomatik. Obwohl eine Bildgebung nicht zwingend erforderlich ist, kann ein Röntgen zur Beurteilung der Gelenksposition, gerade bei bereits lange bestehenden Fehlstellungen, indiziert sein.5
Therapie und Outcome
Konservative Behandlungsmethoden des idiopathischen Triggerfingers reichen von Observanz über Bewegungstherapie bis hin zu einer Schienentherapie. In einer Studie, welche das Ergebnis von Observanz und Bewegungstherapie mit einer Schienenversorgung (3 Stunden/Tag) verglichen hat, wurde festgestellt, dass es in der Beobachtungsgruppe bei 30% und in der Orthesengruppe bei 67% der Fälle zu einer Ausheilung gekommen ist.17 Bei der Entscheidung, ob ein konservatives Therapiemodell infrage kommt, muss man besonders die längere Therapiedauer (in der angeführten Studie kam es in der Orthesengruppe nach durchschnittlich 10 Monaten zur Beschwerdefreiheit) und die erforderliche hohe Compliance mitberücksichtigen.
Die chirurgische Therapie besteht aus der Spaltung des Ringbandes A1, jedoch ist diese Maßnahme in einigen Fällen ggf. unzureichend.18 Die FDS- und FDP-Sehne sollten inspiziert werden, um vorhandene Verwachsungen zu lösen. Zusätzlich kann es erforderlich sein, einen Zügel der FDS-Sehne zu entfernen, das Ringband A2 partiell und das Ringband A3 komplett zu spalten.19,20 Nach der chirurgischen Intervention wird eine passive Bewegungstherapie empfohlen, um verbliebene Gelenkskontrakturen zu lösen.
Im Vergleich zum Triggerdaumen ist die Rezidivrate bei den Langfingern etwas höher. In der Literatur werden Raten von etwa 10% beschrieben.13
Fazit
Bei Kindern ist es essenziell, zwischen schnellenden Fingern und schnellendem Daumen zu differenzieren.
Der kindliche schnellende Daumen besteht nicht schon bei der Geburt, sondern entwickelt sich in der frühen Kindheit und ist oft ein Zufallsbefund nach Bagatelltrauma. Klinisch ist der Daumen im IP-Gelenk gebeugt und fixiert. Ein offener chirurgischer Release des Ringbandes A1 liefert ausgezeichnete Ergebnisse mit einer geringen Rezidivrate. Mehrere rezente Studien beschreiben gerade bei milder Ausprägung sehr gute Ergebnisse mit konservativen Therapiekonzepten, wie der Schienentherapie. Sollten diese Maßnahmen, die ein hohes Maß an Compliance erfordern, nicht zu Beschwerdefreiheit führen, ist eine operative Sanierung indiziert.
Schnellende Finger bei Kindern treten oft in Kombination mit einer syndromalen Erkrankung auf, welche zu veränderten anatomischen Verhältnissen führt. Obwohl Berichte über Erfolge mit konservativen Therapiekonzepten vorliegen, ist oftmals eine operative Sanierung, die über die Spaltung des Ringbandes A1 hinausgeht, erforderlich, um die anatomischen Abnormalitäten zu korrigieren.
Literatur:
1 Makkouk AH et al.: Trigger finger: etiology, evaluation, and treatment. Curr Rev Musculoskelet Med 2008; 1(2): 92-6 2 Akhtar S et al.: Management and referral for trigger finger/thumb. BMJ 2005; 331(7507): 30-3 3 Dinham JM, Meggitt BF: Trigger thumbs in children. A review of the natural history and indications for treatment in 105 patients. J Bone Joint Surg Br 1974; 56(1): 153-5 4 Steenwerckx A et al.: Congenital trigger digit. J Hand Surg Am 1996; 21(5): 909-11 5 Bauer AS, Bae DS: Pediatric trigger digits. J Hand Surg Am 2015; 40(11): 2304-9 6 Hutchinson DT et al.: The natural history of pediatric trigger thumb in the United States. J Hand Surg Am 2021; 46(5): 424.e1-7 7 Verma M et al.: Serial ultrasound evaluation of pediatric trigger thumb. J Pediatr Orthop 2013; 33(3): 309-13 8 Farr S et al.: Open surgery versus nonoperative treatments for paediatric trigger thumb: a systematic review. J Hand Surg Eur Vol England 2014; 39(7): 719-26 9 Farr S, Taurok D: Splinting for the treatment of pediatric trigger thumbs: a pilot study. Wien Med Wochenschr 2021 10 Masquijo JJ et al.: Percutaneous trigger thumb release in children: neither effective nor safe. J Pediatr Orthop 2014; 34(5): 534-6 11 Sirithiantong T et al.: Network meta-analysis of management of trigger thumb in children. J Pediatr Orthop B 2021; 30(4): 351-7 12 Patel RM et al.: Hand surface landmarks and measurements in the treatment of trigger thumb. J Hand Surg Am 2013; 38(6): 1166-71 13 Cardon LJ et al.: Trigger finger in children. J Hand Surg Am 1999; 24(6): 1156-61 14 Tordai P, Engkvist O: Trigger fingers in children. J Hand Surg Am 1999; 24(6): 1162-5 15 Van Heest AE et al.: Surgical treatment of carpal tunnel syndrome and trigger digits in children with mucopolysaccharide storage disorders. J Hand Surg Am 1998; 23(2): 236-43 16 Cheung JPY et al.: Multiple triggering in a girl with Ehlers-Danlos syndrome: case report. J Hand Surg Am 2010; 35(10): 167-7 17 Shiozawa R et al.: Comparison of splinting versus nonsplinting in the treatment of pediatric trigger finger. J Hand Surg Am 2012; 37(6): 1211-6 18 Kalb K et al.: [Specific characteristics of trigger finger in children]. Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48(1): 33-40 19 Bae DS et al.: Surgical treatment of the pediatric trigger finger. J Hand Surg Am 2007; 32(7): 1043-7 20 Schaverien MV, Godwin Y: Paediatric trigger finger: Literature review and management algorithm. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2011; 64(5): 623-31
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