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Schulter und Knie – bandstabil

<p class="article-intro">Am 10. März war es wieder so weit. Die GOTS Österreich lud zum jährlichen Treffen nach Bad Mitterndorf im steirischen Salzkammergut und es folgten wieder zahlreiche Kollegen aus dem In- und Ausland dieser Einladung. Auch durch den heuer erstmals parallel stattfindenden GOTS-Sportarzt-Zertifikatskurs erlebte die Veranstaltung einen deutlichen Zustrom von Teilnehmern, vor allem aus den deutschsprachigen Nachbarländern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Dr. Heinz-J&uuml;rgen Eichhorn, Straubing, und Dr. Robert Smigielski, Warschau, zwei renommierte Spezialisten auf dem Gebiet der Kniechirurgie, insbesondere der VKB-Rekonstruktion, pr&auml;sentierten ihre Ergebnisse und gaben einen interessanten Ausblick, in welche Richtung die Behandlung des gerissenen vorderen Kreuzbandes gehen k&ouml;nnte. Nat&uuml;rlich waren auch wieder zahlreiche &ouml;sterreichische Referenten der Einladung von Dr. Klaus Dann, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, Krems, gefolgt und gaben einen &Uuml;berblick &uuml;ber die aktuellen Entwicklungen in der Knie- und Schulterchirurgie, nat&uuml;rlich immer auch in Hinblick auf eine bestm&ouml;gliche Versorgung von sportlich aktiven Patienten bis hin zu Hochleistungsathleten. Passend dazu fand auch der Vortrag von Eva Walkner, der amtierenden Ski-Freeride-Weltmeisterin, vor vollem Haus statt, die Referentin brachte die Zuschauer mit Videos von Steilwandfahrten und &bdquo;cliff drops&ldquo; zum Staunen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1603_Weblinks_Seite48.jpg" alt="" width="392" height="311" /></p> <h2>Schulterinstabilit&auml;t</h2> <p>Das Hauptaugenmerk lag dieses Jahr auf dem Bereich Schulter- und Kniechirurgie, und so teilten sich die Veranstaltungstage jeweils in einen vormitt&auml;glichen Schulter- und einen nachmitt&auml;glichen Knieblock mit je sechs Vortr&auml;gen. Den Anfang machte Dr. Michael Krifter, Stolzalpe. Er gab einen Einblick in die funktionelle Anatomie der Schulter und die Pathophysiologie der Schulterinstabilit&auml;t, wobei unterstrichen wurde, dass eine ad&auml;quate Diagnostik immer alle drei Faktoren der Schulterstabilit&auml;t &ndash; die kn&ouml;chernen Strukturen, den kapsulolabralen Bandkomplex und die dynamischen Faktoren von Sehnen und Muskeln &ndash; umfassen sollte.<br /> Anschlie&szlig;end enth&uuml;llte Univ.-Prof. Dr. Thomas J&ouml;llenbeck, Bad Sassendorf, Deutschland, die komplexe Biomechanik des mobilsten Gelenkes unseres K&ouml;rpers und das Zusammenspiel von Scharniergelenk (skapulothorakal) und Kugelgelenk (glenohumeral), welches dem Arm erlaubt, nahezu jede Position innerhalb einer Sph&auml;re einzunehmen. Biomechanisch ergeben sich daraus zwei Bewegungsklassen (Bewegungen vor dem K&ouml;rper und &Uuml;berkopfbewegungen) und vier Anforderungsklassen (zyklische Bewegungen, Wurfbewegungen, Sto&szlig;bewegungen und Bewegungen mit Anschlag), jeweils mit ihren typischen Pathologien.<br /> Danach pr&auml;sentierte Univ.-Prof. Dr. Manuel Sabeti, Wien, die durch Sport induzierte und f&uuml;r Hochleistungen notwendige physiologische Instabilit&auml;t der Schulter und zeigte sehr klar auch die Grenzen zum Pathologischen auf. Des Weiteren wies er auf die oft unterrepr&auml;sentierten angrenzenden Gelenke &ndash; Akromioklavikular-, Sternoklavikular- und Skapulothorakalgelenk &ndash; hin. Sein Vortrag wurde durch Hinweise auf die notwendige und sich immer verbessernde Diagnostik erg&auml;nzt. Von Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Neuhold, Wien, wurde die im Wandel befindliche Bildgebung im Bereich der Schulter umrissen und die Notwendigkeit von technischen Standards vor allem im Bereich der MRT unterstrichen. <br /> Gem&auml;&szlig; den Daten von Univ.-Doz. Dr. Philipp Moroder, Salzburg, erleben die im Bereich der Schulter nicht standardm&auml;&szlig;ig verwendeten Methoden der CT und 3D-Rekonstruktion, vor allem bei Glenoiddefekten, eine drastische Bedeutungszunahme, denn jeder Knochenverlust am Glenoid beeinflusst die Stabilit&auml;t der Schulter negativ. Au&szlig;erdem wurde auch die bis jetzt nicht im Vordergrund stehende Konkavit&auml;t des Glenoids als ma&szlig;geblicher Stabilit&auml;tsfaktor identifiziert.<br /> Dr. Georg Hofmann, Wien, fasste die umfangreichen klinischen Tests in der Schulterdiagnostik zusammen, strich jedoch die immense Bedeutung einer ausf&uuml;hrlichen Anamnese, auch zur gezielten Fragestellung bez&uuml;glich einer nachfolgenden Bildgebung, noch einmal hervor. Abschlie&szlig;end stellten sich die Referenten gemeinsam den zahlreichen Fragen der Teilnehmer und Dr. Klaus Dann fasste die Eckdaten als GOTS-Konsensus zusammen.<br /> Bevor die Teilnehmer im &bdquo;Alpine Meeting&ldquo; in kleiner Runde pers&ouml;nliche F&auml;lle besprachen und das Ambiente genie&szlig;en konnten, hatten Interessierte noch die M&ouml;glichkeit, unter perfekter Anleitung durch Dr. Karin Pieber und DPT Martina Olsacher, beide Wien, mehr &uuml;ber die oft untersch&auml;tzte Funktion des skapulothorakalen Gelenkes zu erfahren und gezielte &Uuml;bungen zu dessen Stabilisierung zu erlernen.</p> <h2>Knieinstabilit&auml;t</h2> <p>Als Start in die Nachmittagssitzung folgte ein von Dr. Karl Kaudela, Zwettl, geleiteter Workshop, bei dem die immer h&auml;ufiger eingesetzten Allografts, welche in &Ouml;sterreich von Allotiss in Zusammenarbeit mit Arthrex vertrieben werden, pr&auml;sentiert wurden. Es wurde au&szlig;erdem eindringlich auf die biomechanischen Unterschiede der verschieden prozessierten Allografts hingewiesen.<br /> Die Knie-Session wurde anschlie&szlig;end von Dr. Robert Smigielski mit einem &bdquo;biomechanisch-anatomischen Formwechsel&ldquo; er&ouml;ffnet. Conclusio daraus: &bdquo;Das VKB ist keine runde, sondern eine flache Struktur und kann somit kaum durch ein rundes Implantat anatomisch ersetzt werden!&ldquo;<br /> Dr. J&ouml;llenbeck und Dr. Erich Altenburger, Korneuburg, demonstrierten danach die Biomechanik des gr&ouml;&szlig;ten Gelenkes im menschlichen K&ouml;rper und die vor allem aus dem Skisport bekannten Unfalltypen, welche zum Rei&szlig;en des VKB f&uuml;hren: Landung in R&uuml;ckenlage, dynamischer Schneepflug und Slip-catch-Mechanismus. Dabei ist auch immer die Unterscheidung zwischen Punctum fixum und Punctum mobile wichtig, ebenso der zum Zeitpunkt des Traumas bestehende Kniewinkel als Resultat aus OSG- und H&uuml;ftbeugewinkel.<br /> Nach diesen sehr praktisch orientierten Vortr&auml;gen wurde die Wissenschaft in den Vordergrund ger&uuml;ckt: Univ.-Prof. Dr. Siegfried Trattnig, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer zeigten die Zukunft der biologischen Heilung von Kniebinnensch&auml;den und deren radiologische Dokumentation im Sinne von quantifizierenden MRT-Techniken (gagCEST-Technik). Abschlie&szlig;end gab es wieder eine rege Fragestunde in gemeinsamer Runde unter Moderation von Dr. Karl-Heinz Kristen, Wien.</p> <h2>Schulter: OP-Techniken</h2> <p>Am n&auml;chsten Morgen stand wieder die Schulter auf dem Programm, diesmal jedoch im Hinblick auf Indikationen und OP-Techniken und deren Entwicklung &uuml;ber die letzten Jahre. Prim. Univ.-Doz. Dr. Franz Kralinger, Wien, arbeitete in eindr&uuml;cklicher Art und Weise die Indikationen f&uuml;r schulterstabilisierende Operationen in verschiedenen Patientenkollektiven heraus und erinnerte auch an oft vergessene Techniken der Schulterreposition, vor allem im Frakturfall. Dr. Karin Pieber zog danach die doch weiten Grenzen der konservativen Schulterstabilisierung und stellte ein schl&uuml;ssiges Therapiekonzept angelehnt an die &bdquo;5 Ps&ldquo; nach Jobe vor. Die Ps stehen f&uuml;r &bdquo;preparators&ldquo; (Muskeln der unteren Extremit&auml;t und Wirbels&auml;ule), &bdquo;pivoters&ldquo; (skapulothorakale Muskeln), &bdquo;protectors&ldquo; (Rotatorenmanschette und M. biceps brachii), &bdquo;positioners&ldquo; (Muskeln, die den Humeruskopf in frontaler Ebene positionieren) und &bdquo;propellors&ldquo; (M. pectoralis major, M. latissimus dorsi und M. triceps brachii). Univ.-Doz. Dr. Philipp Moroder und Dr. Klaus Dann beleuchteten anschlie&szlig;end die offenen und arthroskopischen OP-Techniken im Licht der letzten 20 Jahre und wiesen auch auf die nicht immer perfekten Ergebnisse und Probleme hin.<br /> Im zweiten Teil der Vormittagssitzung kamen die Protagonisten der High-End-Schulterchirurgie zum Zug: Dr. Ulrich Lanz und Dr. Philipp Heuberer, beide Wien, zeigten die Grenzen des derzeit arthroskopisch Machbaren im Sinne von Arthro-Bristow/Latarjet beziehungsweise arthroskopischem J-Span auf. Erg&auml;nzend berichtete Dr. Dominik Knierzinger, Innsbruck, &uuml;ber die Verwendung von Allografts bei gro&szlig;en &bdquo;engaging&ldquo; Hill-Sachs-Impressionen (&gt;30&ndash;40 % der humeralen Gelenksfl&auml;che). Die abschlie&szlig;ende intensive Diskussion, auch unter den Vortragenden, wurde durch den Moderator Dr. Michael Krifter zum Konsensus gef&uuml;hrt: &bdquo;Bei richtiger Indikation sollte jeder die OP-Technik zum Glenoidaufbau anwenden, mit der er vertraut ist, da es zurzeit keine Evidenz f&uuml;r den Vorteil eines bestimmten arthroskopischen Vorgehens gibt.&ldquo;<br /> Der Nachmittag war wieder vollgepackt mit Workshops: Patrick Koller (Olympia/WM-Ski-Crosser) stellte die Testbatterie &bdquo;Back in Action&ldquo; der Firma CoRehab vor. Die Firma Arthrex pr&auml;sentierte die neuesten Implantate im Bereich Schulter und Knie. Nat&uuml;rlich konnten motivierte Teilnehmer auch wieder unter Anleitung staatlich gepr&uuml;fter Bergf&uuml;hrer ihre Kompetenzen im Umgang mit LVS (Lawinen-Versch&uuml;tteten-Suchger&auml;ten) verbessern und die sportlich motivierten Teilnehmer zeigten ihre Ski/Snowboardtechnik im schon traditionellen GOTS-Bauerfeind-Rennen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1603_Weblinks_Seite49.jpg" alt="" width="592" height="474" /></p> <h2>Update Knie</h2> <p>Die abschlie&szlig;ende Knie-Session unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer wurde von Dr. Stefanie Syr&eacute;, Schladming, er&ouml;ffnet. Sie schaffte es in perfekter Art und Weise, die Indikationsstellung zur VKB-Rekonstruktion herauszuarbeiten, denn: &bdquo;Nicht jeder Mensch braucht ein VKB-Transplantat!&ldquo;<br /> Danach diskutierten Univ.-Prof. Dr. Rudolf Schabus, Wien, und Dr. Gerhard Oberthaler, Salzburg, als arrivierte Operateure &uuml;ber die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Autografts (Semitendinosus-Gracilis vs. Sehnen des Streckapparates) zum VKB-Ersatz. Dr. Martin Gruber, Wien, erweiterte die Diskussion noch um das Thema Umstellungsosteotomie, kombiniert mit VKB-Ersatz, wobei sich folgender Algorithmus durchgesetzt hat: Patienten &uuml;ber 50 Jahre, die einen geringen sportlichen Anspruch haben, k&ouml;nnen mit einer Osteotomie alleine versorgt werden. Bei Patienten j&uuml;nger als 50 Jahre mit einem hohen sportlichen Anspruch sollte sowohl die Achse korrigiert als auch die ligament&auml;re Instabilit&auml;t operativ behandelt werden.<br /> Anschlie&szlig;end war wieder Innovation gefragt: Dr. J&uuml;rgen Barthofer, Linz, berichtete &uuml;ber seine Erfahrung mit &bdquo;internal bracing&ldquo; des VKB und die bereits von Dr. Eichhorn und Univ.-Prof. Dr. Nehrer angesprochenen biologischen Heilungsm&ouml;glichkeiten des VKB im Sinne von ACP etc. und deren Grenzen. <br /> Eine der wichtigsten Fragen wurde zu guter Letzt von einem hochkar&auml;tigen Gast aus den Niederlanden, Univ.-Doz. Dr. Alli Gokeler, Groningen, beleuchtet und teilweise auch beantwortet: &bdquo;Wann befindet sich das Risiko zur Reruptur nach VKB-Ersatz-OP unterhalb eines f&uuml;r den Wiedereintritt in den Sport tolerablen Grenzwerts und wie kann dieser ermittelt werden?&ldquo; Hierf&uuml;r sind bereits entsprechende Testbatterien verf&uuml;gbar, eine ausreichende Validierung ist jedoch noch ausst&auml;ndig. <br /> Abschlie&szlig;end stellte Univ.-Doz. Dr. Peter Brucker, M&uuml;nchen, noch die M&ouml;glichkeiten der VKB-Ruptur-Pr&auml;vention durch eine f&uuml;r den Skisport entwickelte Orthese vor. Die Realisierung einer pr&auml;ventiven Kniegelenksorthese ist nur &uuml;ber eine individualisierte Anfertigungsweise unter Ber&uuml;cksichtigung individueller dreidimensionaler anthropometrischer Daten in Ski-typischen Beinstellungen m&ouml;glich. Dabei wurde erstmals die &bdquo;ANOVOCS&ldquo;(&bdquo;areas of no-volume changes&ldquo;)-Technik angewandt. Nat&uuml;rlich folgten dem Ganzen wieder eine interessante Diskussion unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Nehrer und ein vers&ouml;hnlicher GOTS-Konsensus.<br /> Zum Abschluss der gelungenen Veranstaltung wurden die Sieger des Skirennens geehrt und ein Ausblick auf das kommende Jahr wurde gegeben: Das 20-Jahre-Jubil&auml;ums-Treffen der GOTS &Ouml;sterreich findet vom 16. bis 19. M&auml;rz 2017 in Bad Mitterndorf statt.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Unfallkrankenhaus Salzburg<br> Quelle: 19. GOTS-Treffen Österreich<br> Bad Mitterndorf, 10.–13. März 2016 </p>
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