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Schulter und Knie – bandstabil
Jatros
Autor:
Dr. Philipp Schultes
Unfallkrankenhaus Salzburg<br> Quelle: 19. GOTS-Treffen Österreich<br> Bad Mitterndorf, 10.–13. März 2016
30
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28.04.2016
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<p class="article-intro">Am 10. März war es wieder so weit. Die GOTS Österreich lud zum jährlichen Treffen nach Bad Mitterndorf im steirischen Salzkammergut und es folgten wieder zahlreiche Kollegen aus dem In- und Ausland dieser Einladung. Auch durch den heuer erstmals parallel stattfindenden GOTS-Sportarzt-Zertifikatskurs erlebte die Veranstaltung einen deutlichen Zustrom von Teilnehmern, vor allem aus den deutschsprachigen Nachbarländern.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Dr. Heinz-Jürgen Eichhorn, Straubing, und Dr. Robert Smigielski, Warschau, zwei renommierte Spezialisten auf dem Gebiet der Kniechirurgie, insbesondere der VKB-Rekonstruktion, präsentierten ihre Ergebnisse und gaben einen interessanten Ausblick, in welche Richtung die Behandlung des gerissenen vorderen Kreuzbandes gehen könnte. Natürlich waren auch wieder zahlreiche österreichische Referenten der Einladung von Dr. Klaus Dann, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, Krems, gefolgt und gaben einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Knie- und Schulterchirurgie, natürlich immer auch in Hinblick auf eine bestmögliche Versorgung von sportlich aktiven Patienten bis hin zu Hochleistungsathleten. Passend dazu fand auch der Vortrag von Eva Walkner, der amtierenden Ski-Freeride-Weltmeisterin, vor vollem Haus statt, die Referentin brachte die Zuschauer mit Videos von Steilwandfahrten und „cliff drops“ zum Staunen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1603_Weblinks_Seite48.jpg" alt="" width="392" height="311" /></p> <h2>Schulterinstabilität</h2> <p>Das Hauptaugenmerk lag dieses Jahr auf dem Bereich Schulter- und Kniechirurgie, und so teilten sich die Veranstaltungstage jeweils in einen vormittäglichen Schulter- und einen nachmittäglichen Knieblock mit je sechs Vorträgen. Den Anfang machte Dr. Michael Krifter, Stolzalpe. Er gab einen Einblick in die funktionelle Anatomie der Schulter und die Pathophysiologie der Schulterinstabilität, wobei unterstrichen wurde, dass eine adäquate Diagnostik immer alle drei Faktoren der Schulterstabilität – die knöchernen Strukturen, den kapsulolabralen Bandkomplex und die dynamischen Faktoren von Sehnen und Muskeln – umfassen sollte.<br /> Anschließend enthüllte Univ.-Prof. Dr. Thomas Jöllenbeck, Bad Sassendorf, Deutschland, die komplexe Biomechanik des mobilsten Gelenkes unseres Körpers und das Zusammenspiel von Scharniergelenk (skapulothorakal) und Kugelgelenk (glenohumeral), welches dem Arm erlaubt, nahezu jede Position innerhalb einer Sphäre einzunehmen. Biomechanisch ergeben sich daraus zwei Bewegungsklassen (Bewegungen vor dem Körper und Überkopfbewegungen) und vier Anforderungsklassen (zyklische Bewegungen, Wurfbewegungen, Stoßbewegungen und Bewegungen mit Anschlag), jeweils mit ihren typischen Pathologien.<br /> Danach präsentierte Univ.-Prof. Dr. Manuel Sabeti, Wien, die durch Sport induzierte und für Hochleistungen notwendige physiologische Instabilität der Schulter und zeigte sehr klar auch die Grenzen zum Pathologischen auf. Des Weiteren wies er auf die oft unterrepräsentierten angrenzenden Gelenke – Akromioklavikular-, Sternoklavikular- und Skapulothorakalgelenk – hin. Sein Vortrag wurde durch Hinweise auf die notwendige und sich immer verbessernde Diagnostik ergänzt. Von Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Neuhold, Wien, wurde die im Wandel befindliche Bildgebung im Bereich der Schulter umrissen und die Notwendigkeit von technischen Standards vor allem im Bereich der MRT unterstrichen. <br /> Gemäß den Daten von Univ.-Doz. Dr. Philipp Moroder, Salzburg, erleben die im Bereich der Schulter nicht standardmäßig verwendeten Methoden der CT und 3D-Rekonstruktion, vor allem bei Glenoiddefekten, eine drastische Bedeutungszunahme, denn jeder Knochenverlust am Glenoid beeinflusst die Stabilität der Schulter negativ. Außerdem wurde auch die bis jetzt nicht im Vordergrund stehende Konkavität des Glenoids als maßgeblicher Stabilitätsfaktor identifiziert.<br /> Dr. Georg Hofmann, Wien, fasste die umfangreichen klinischen Tests in der Schulterdiagnostik zusammen, strich jedoch die immense Bedeutung einer ausführlichen Anamnese, auch zur gezielten Fragestellung bezüglich einer nachfolgenden Bildgebung, noch einmal hervor. Abschließend stellten sich die Referenten gemeinsam den zahlreichen Fragen der Teilnehmer und Dr. Klaus Dann fasste die Eckdaten als GOTS-Konsensus zusammen.<br /> Bevor die Teilnehmer im „Alpine Meeting“ in kleiner Runde persönliche Fälle besprachen und das Ambiente genießen konnten, hatten Interessierte noch die Möglichkeit, unter perfekter Anleitung durch Dr. Karin Pieber und DPT Martina Olsacher, beide Wien, mehr über die oft unterschätzte Funktion des skapulothorakalen Gelenkes zu erfahren und gezielte Übungen zu dessen Stabilisierung zu erlernen.</p> <h2>Knieinstabilität</h2> <p>Als Start in die Nachmittagssitzung folgte ein von Dr. Karl Kaudela, Zwettl, geleiteter Workshop, bei dem die immer häufiger eingesetzten Allografts, welche in Österreich von Allotiss in Zusammenarbeit mit Arthrex vertrieben werden, präsentiert wurden. Es wurde außerdem eindringlich auf die biomechanischen Unterschiede der verschieden prozessierten Allografts hingewiesen.<br /> Die Knie-Session wurde anschließend von Dr. Robert Smigielski mit einem „biomechanisch-anatomischen Formwechsel“ eröffnet. Conclusio daraus: „Das VKB ist keine runde, sondern eine flache Struktur und kann somit kaum durch ein rundes Implantat anatomisch ersetzt werden!“<br /> Dr. Jöllenbeck und Dr. Erich Altenburger, Korneuburg, demonstrierten danach die Biomechanik des größten Gelenkes im menschlichen Körper und die vor allem aus dem Skisport bekannten Unfalltypen, welche zum Reißen des VKB führen: Landung in Rückenlage, dynamischer Schneepflug und Slip-catch-Mechanismus. Dabei ist auch immer die Unterscheidung zwischen Punctum fixum und Punctum mobile wichtig, ebenso der zum Zeitpunkt des Traumas bestehende Kniewinkel als Resultat aus OSG- und Hüftbeugewinkel.<br /> Nach diesen sehr praktisch orientierten Vorträgen wurde die Wissenschaft in den Vordergrund gerückt: Univ.-Prof. Dr. Siegfried Trattnig, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer zeigten die Zukunft der biologischen Heilung von Kniebinnenschäden und deren radiologische Dokumentation im Sinne von quantifizierenden MRT-Techniken (gagCEST-Technik). Abschließend gab es wieder eine rege Fragestunde in gemeinsamer Runde unter Moderation von Dr. Karl-Heinz Kristen, Wien.</p> <h2>Schulter: OP-Techniken</h2> <p>Am nächsten Morgen stand wieder die Schulter auf dem Programm, diesmal jedoch im Hinblick auf Indikationen und OP-Techniken und deren Entwicklung über die letzten Jahre. Prim. Univ.-Doz. Dr. Franz Kralinger, Wien, arbeitete in eindrücklicher Art und Weise die Indikationen für schulterstabilisierende Operationen in verschiedenen Patientenkollektiven heraus und erinnerte auch an oft vergessene Techniken der Schulterreposition, vor allem im Frakturfall. Dr. Karin Pieber zog danach die doch weiten Grenzen der konservativen Schulterstabilisierung und stellte ein schlüssiges Therapiekonzept angelehnt an die „5 Ps“ nach Jobe vor. Die Ps stehen für „preparators“ (Muskeln der unteren Extremität und Wirbelsäule), „pivoters“ (skapulothorakale Muskeln), „protectors“ (Rotatorenmanschette und M. biceps brachii), „positioners“ (Muskeln, die den Humeruskopf in frontaler Ebene positionieren) und „propellors“ (M. pectoralis major, M. latissimus dorsi und M. triceps brachii). Univ.-Doz. Dr. Philipp Moroder und Dr. Klaus Dann beleuchteten anschließend die offenen und arthroskopischen OP-Techniken im Licht der letzten 20 Jahre und wiesen auch auf die nicht immer perfekten Ergebnisse und Probleme hin.<br /> Im zweiten Teil der Vormittagssitzung kamen die Protagonisten der High-End-Schulterchirurgie zum Zug: Dr. Ulrich Lanz und Dr. Philipp Heuberer, beide Wien, zeigten die Grenzen des derzeit arthroskopisch Machbaren im Sinne von Arthro-Bristow/Latarjet beziehungsweise arthroskopischem J-Span auf. Ergänzend berichtete Dr. Dominik Knierzinger, Innsbruck, über die Verwendung von Allografts bei großen „engaging“ Hill-Sachs-Impressionen (>30–40 % der humeralen Gelenksfläche). Die abschließende intensive Diskussion, auch unter den Vortragenden, wurde durch den Moderator Dr. Michael Krifter zum Konsensus geführt: „Bei richtiger Indikation sollte jeder die OP-Technik zum Glenoidaufbau anwenden, mit der er vertraut ist, da es zurzeit keine Evidenz für den Vorteil eines bestimmten arthroskopischen Vorgehens gibt.“<br /> Der Nachmittag war wieder vollgepackt mit Workshops: Patrick Koller (Olympia/WM-Ski-Crosser) stellte die Testbatterie „Back in Action“ der Firma CoRehab vor. Die Firma Arthrex präsentierte die neuesten Implantate im Bereich Schulter und Knie. Natürlich konnten motivierte Teilnehmer auch wieder unter Anleitung staatlich geprüfter Bergführer ihre Kompetenzen im Umgang mit LVS (Lawinen-Verschütteten-Suchgeräten) verbessern und die sportlich motivierten Teilnehmer zeigten ihre Ski/Snowboardtechnik im schon traditionellen GOTS-Bauerfeind-Rennen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1603_Weblinks_Seite49.jpg" alt="" width="592" height="474" /></p> <h2>Update Knie</h2> <p>Die abschließende Knie-Session unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer wurde von Dr. Stefanie Syré, Schladming, eröffnet. Sie schaffte es in perfekter Art und Weise, die Indikationsstellung zur VKB-Rekonstruktion herauszuarbeiten, denn: „Nicht jeder Mensch braucht ein VKB-Transplantat!“<br /> Danach diskutierten Univ.-Prof. Dr. Rudolf Schabus, Wien, und Dr. Gerhard Oberthaler, Salzburg, als arrivierte Operateure über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Autografts (Semitendinosus-Gracilis vs. Sehnen des Streckapparates) zum VKB-Ersatz. Dr. Martin Gruber, Wien, erweiterte die Diskussion noch um das Thema Umstellungsosteotomie, kombiniert mit VKB-Ersatz, wobei sich folgender Algorithmus durchgesetzt hat: Patienten über 50 Jahre, die einen geringen sportlichen Anspruch haben, können mit einer Osteotomie alleine versorgt werden. Bei Patienten jünger als 50 Jahre mit einem hohen sportlichen Anspruch sollte sowohl die Achse korrigiert als auch die ligamentäre Instabilität operativ behandelt werden.<br /> Anschließend war wieder Innovation gefragt: Dr. Jürgen Barthofer, Linz, berichtete über seine Erfahrung mit „internal bracing“ des VKB und die bereits von Dr. Eichhorn und Univ.-Prof. Dr. Nehrer angesprochenen biologischen Heilungsmöglichkeiten des VKB im Sinne von ACP etc. und deren Grenzen. <br /> Eine der wichtigsten Fragen wurde zu guter Letzt von einem hochkarätigen Gast aus den Niederlanden, Univ.-Doz. Dr. Alli Gokeler, Groningen, beleuchtet und teilweise auch beantwortet: „Wann befindet sich das Risiko zur Reruptur nach VKB-Ersatz-OP unterhalb eines für den Wiedereintritt in den Sport tolerablen Grenzwerts und wie kann dieser ermittelt werden?“ Hierfür sind bereits entsprechende Testbatterien verfügbar, eine ausreichende Validierung ist jedoch noch ausständig. <br /> Abschließend stellte Univ.-Doz. Dr. Peter Brucker, München, noch die Möglichkeiten der VKB-Ruptur-Prävention durch eine für den Skisport entwickelte Orthese vor. Die Realisierung einer präventiven Kniegelenksorthese ist nur über eine individualisierte Anfertigungsweise unter Berücksichtigung individueller dreidimensionaler anthropometrischer Daten in Ski-typischen Beinstellungen möglich. Dabei wurde erstmals die „ANOVOCS“(„areas of no-volume changes“)-Technik angewandt. Natürlich folgten dem Ganzen wieder eine interessante Diskussion unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Nehrer und ein versöhnlicher GOTS-Konsensus.<br /> Zum Abschluss der gelungenen Veranstaltung wurden die Sieger des Skirennens geehrt und ein Ausblick auf das kommende Jahr wurde gegeben: Das 20-Jahre-Jubiläums-Treffen der GOTS Österreich findet vom 16. bis 19. März 2017 in Bad Mitterndorf statt.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Unfallkrankenhaus Salzburg<br>
Quelle: 19. GOTS-Treffen Österreich<br>
Bad Mitterndorf, 10.–13. März 2016
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