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Spätinfekt nach PIP-Prothese: ein Fallbericht
Jatros
Autor:
Dr. Ulrike Schwarzinger
Leiterin der Handambulanz<br> Orthopädisches Krankenhaus Gersthof, Wien<br> E-Mail: ulrike.schwarzinger@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Eine 66-jährige Patientin suchte im August 2016 wegen eines seit einigen Wochen progredienten, inflammierten und fistulierenden PIP-Gelenks des rechten Ringfingers unsere Ambulanz auf.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Patientin mit bekannter rheumatoider Arthritis erhielt 2009 Silikonspacer der PIP-Gelenke des 3.–5. Fingers der rechten Hand (Abb. 1a). 2014 erfolgte wegen Implantatbruchs ein Revisionseingriff. Nach Explantation der Silikonimplantate des 3., 4. und 5. Fingers wurden alle drei PIP-Gelenke mit zementfreien teilgekoppelten CrCo-Pressfit-Prothesen versorgt (Abb. 1b). Die nächsten zwei Jahre gab es in Bezug auf die Implantate klinisch keinerlei Probleme. In den Röntgenkontrollen zeigte sich stets eine konstante Stabilität der Implantate. Es entstanden jedoch progrediente Knopflochdeformitäten und Ulnardeviationen der Langfinger, welche mit Schienen und Ergotherapie unterstützend behandelt wurden. Eine Sehnenkorrektur wurde vorerst nicht gewünscht, da zwischenzeitlich ein Ersatz des linken Kniegelenks erforderlich wurde. Dieser erfolgte 2015.<br /> Nun präsentiert sich die Patientin mit einem hochfloriden Spätinfekt der PIPProthese des rechten Ringfingers (Abb. 2a). Das PIP-Gelenk des rechten Mittelfingers zeigte ebenfalls eine beginnende Streuung, allerdings mit lokalen Entzündungszeichen geringeren Ausmaßes. Das PIP-Gelenk des 5. Fingers zeigte sich zu diesem Zeitpunkt reaktionslos ohne Schwellung und ohne Infektzeichen.<br /> Die Patientin wurde bereits ohne vorangegangene Keimbestimmung extern antibiotisch anbehandelt, jedoch erfolglos. Der bestehende Keim wurde mit dieser Therapie nicht erfasst und der Infekt somit auch nicht beherrscht. Als einzige Infektsanierung sahen wir deshalb die operative Revision zur Keimgewinnung, Débridement und Implantatexplantation (Abb. 1c).<br /> Die Hoffnung auf eine bereits infektbedingte Implantatlockerung blieb intraoperativ leider unerfüllt und die Entfernung der stabil osteointegrierten Prothesen gestaltete sich äußerst mühselig. Der Knochen musste bis zur Prothesenspitze weggemeißelt werden und somit ging mit der Entfernung der Prothese auch der anhaftende Knochen verloren. Der resultierende Defekt durch den massiven Knochenverlust war unerwartet groß.<br /> Makroskopisch stand im Bereich des Ringfingers der floride Infekt mit Pus und reichlichem Granulationsgewebe im Vordergrund (Abb. 2b). Im Bereich des PIPGelenks des Mittelfingers bestand zusätzlich eine ausgeprägte Metallose mit reichlich schwarzen Abriebpartikeln.<br /> Die intraoperativen Abstriche und die Sonikation ergaben folgende mikrobiologische Keimbefunde: Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus epidermidis und Koagulase-negative Staphylokokken einmalig in der Anreicherung. Der histologische Befund ergab eine chronisch aktive Entzündung mit eitriger Einschmelzung, Nekrosen und Zeichen der Partikelspeicherung (Metallabrieb). Die PIP-Prothese des 5. Fingers wurde zu diesem Zeitpunkt wegen fehlender Klinik nicht explantiert.<br /> Mit einer parenteralen Antibiotika-Kombinationstherapie postoperativ über vier Wochen und einer dreimonatigen peroralen Therapie im Anschluss wurde die Infektsanierung erfolgreich abgeschlossen. Auch die Entzündungswerte im Labor liegen mittlerweile konstant im Normbereich.<br /> 9 Monate postoperativ haben sich Mittel- und Zeigefinger durch die Weichteilretraktion stark verkürzt und die knöcherne Dehiszenz ist reduziert (Abb. 1d und 2c). Die Greiffunktion wird über die intakten Beugesehnen und den teilweise verbliebenen und rekonstruierten Streckapparat ermöglicht. Die Patientin kommt mit ihrer Handfunktion ohne Orthesen zurecht; ein neuer rekonstruktiver Eingriff an Mittel- und Ringfinger wird nicht gewünscht. Wegen des rezenten Reizzustandes des PIP-Gelenks des 5. Fingers mit Verdacht auf eine progrediente Metallose wird die Prothesenexplantation in naher Zukunft geplant.</p> <p> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s66_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="791" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s66_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="647" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Vor Prothesenimplantation an den kleinen Fingergelenken muss die Komplikationsmöglichkeit eines Spätinfekts bedacht werden. Welches Implantat für welchen Patienten gewählt wird, ist präoperativ sorgsam zu planen, da die Rückzugsmöglichkeiten durchwegs schwierig sind und nur geringe bis keine Optionen vorliegen.</div></p>
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