Attraktive Aussichten für die medizinische Ästhetik?
Bericht:
Sabine Mack
Dienstleistungen im Bereich der medizinischen Ästhetik – von Anti-Aging bis hin zur Hautbildverbesserung z.B. bei Akne – bieten interessante Möglichkeiten, das eigene Portfolio als Praxis bzw. Klinik zu erweitern. Wir werfen einen Blick auf die Tendenzen am weiterhin taktgebenden Markt in den Vereinigten Staaten, mit Schwerpunkt auf für den Schweitzer Markt besonders interessanten Themen wie bspw. Neuromodulatoren.
Laut der aktuellen McKinsey-Studie «Here to stay: An attractive future for medical aesthetics» hat sich nach dem Einbruch 2020 im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie der Markt für Angebote im Sektor der medizinischen Ästhetik mittlerweile erholt. Die Studie konzentriert sich auf die Angebote für medizinische Ästhetik in Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, die einen übergrossen Anteil am Weltmarkt ausmachen und seit 2019 einen stetigen Aufschwung zeigen. Die dortigen Entwicklungen im Bereich der Ästhetik im ausgewerteten Jahr 2022 sind traditionell denen der europäischen Märkte voraus, sodass es lohnenswert ist, einen Blick auf die dortigen Innovationen und Trends zu riskieren.
Demnach könnten Neuromodulatoren wie BotulinumtoxinA in die Liga von Dermafillern mit Hyaluron und Biostimulatoren aufsteigen – aufgrund einer zu beobachtendenhöheren Preissensibilität angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit und des Wettbewerbs. Diese Entwicklung wird forciert durch Alternativen wie Fetttransplantation und Behandlungen mit plättchenreichem Plasma. Angesichts der Marktdynamik habe sich die Investitionstätigkeit entlang der Wertschöpfungskette fortgesetzt. So erwarb z.B. Allergan 2020 Luminera für seine Dermafillersparte und Galderma Alastin Skincare im Jahr 2022.
Laut Studie lassen sich sechs grundlegende Trends beobachten, die für ein dauerhaftes Potenzial für Angebote im Bereich der medizinischen Ästhetik sprechen.
Preissensitivität
Etwa 60% der Befragten der McKinsey-Consumer-Aesthetics-Studie vom Dezember 2022 erwarteten, dass sie im Falle einer Rezession (auch hierzulande ein Thema) mindestens 10% weniger für medizinische Ästhetik ausgeben werden. Dies scheint von der Preissensibilität getrieben worden zu sein: Fast die Hälfte der US-Verbraucher (ca. 46%) gab an, auf preisgünstigere Marken oder Produkte umzusteigen. Gleichzeitig wollen nur 7% der Befragten in den Segmenten Neuromodulator, Dermafiller und Gesichtsverjüngung ihre Behandlungen vollständig einstellen. Da immer mehr Verbraucher Behandlungen über neue, kostengünstigere Servicebereitstellungskanäle suchen – ein Hinweis auf die Widerstandsfähigkeit von Marken –, sollten Dienstleister Ausschau nach innovativen Markteinführungen halten, um so preissensible Verbraucher adressieren zu können.
Markentreue und Anbieterloyalität
Trotz einer allgemeinen Neigung der Kunden, die Ausgaben zu reduzieren, beabsichtigten zahlreiche Befragte, ihren Marken und Behandlungen treu zu bleiben: Das gaben z.B. 52% der befragten Personen, die Neuromodulator-Injektionen wie Botox und Dysport erhielten, an. Weniger als 20% in diesen drei Kategorien beabsichtigten, ihre aktuellen Produkte oder Behandlungspläne aufzugeben (Abb.1). Dabei zeigt die Befragung ein unterschiedliches Mass an Verbraucherloyalität. Zum Beispiel blieben Patienten von Dermatologen am ehesten bei ihrem Anbieter, wenn diese vertrauensvolle Beziehungen nutzen konnten, um den Zugang der Kunden zu einer Reihe von ästhetischen Behandlungen zu erweitern. Bezüglich der Abgrenzung zu anderen Anbietern sollte man allerdings die expandierenden medizinischen Spas und ästhetische Kliniken im Blick behalten, die mit Werbeaktionen und Rabatten versuchen könnten, weniger loyale Kunden zu adressieren.
Abb. 1: Übersicht inklusive Lasern, Radiofrequenz oder anderer energiebasierter Geräte (modifiziert nach McKinsey US Consumer Aesthetics Survey, Dezember 2022; n=1756)3
Vielfältigere Zielgruppen
Mehrere technologische und gesellschaftliche Trends spielten laut Befragung eine Rolle bei der Widerstandsfähigkeit der Verbrauchernachfrage. Dazu gehört ein weitverbreiteter und dramatischer Wandel in Bezug auf Ästhetik und Selbstverständnis. Ein im Jahr 2022 veröffentlichter Marktbericht zeigte z.B., dass 81% der Verbraucher nichtinvasive ästhetische Behandlungen attraktiver finden als noch vor fünf Jahren.1 Gleichzeitig haben sich die Verbrauchersegmente erweitert, sind vielfältiger geworden: Gemäss der American Society of Plastic Surgeons unterzogen sich bspw. zwischen der Jahrhundertwende und 2018 insgesamt 29% mehr Männer kosmetischen Eingriffen und 72% mehr entschieden sich für minimalinvasive Eingriffe.1 Insbesondere die zunehmende Bedeutung der sozialen Medien zeigt ihre Auswirkungen, wenn es um die Eigenwahrnehmung der potenziellen Nutzer und eine dadurch resultierende veränderte Nachfrage geht. Die American Academy of Facial Plastic and Reconstructive Surgery hat hier u.a. festgestellt, dass Social-Media-Nutzer von ästhetischen Behandlungen für das statische «Instagram-Gesicht» zu denen für ein dynamischeres «TikTok-Gesicht» übergehen. Sie berichtete auch, dass 79% der plastischen Gesichtschirurgen zustimmen, dass die Nachfrage der Verbraucher nach Verfahren steigt, die ihnen helfen, «in Selfies besser auszusehen» und «Zeichen des Alterns zu reduzieren».2
Mehr Innovationen
Laut McKinsey sind weiterhin technologische Innovationen – einschliesslich Patentanmeldungen für Dermafiller und Biostimulatoren der nächsten Generation – zu erwarten. Als positive Beispiele für kürzlich zugelassene medizinisch-ästhetische Neuerungen nennt die Befragung u.a. Alluzience von Galderma und Daxxify von Revance (zwei neue Neuromodulator-Formulierungen), Cytrellis’ ellacor (nichtchirurgische Hautentfernungsbehandlung für Hauterschlaffung im mittleren bis unteren Gesicht) sowie Cuteras AviClear, eine Laserbehandlung von leichter bis schwerer Akne.
Variabilität & Flexibilität
KI-gestützte Kommunikation und die Vielzahl der verfügbaren Kommunikationskanäle eröffnen umfangreiche Möglichkeiten, um sich als Experte z.B. für dermatologische Ästhetik zu positionieren– indem man über aktuelle Trends und Risiken aufklärt und fachlich versiert (z.B. im Rahmen von Video-Postings) über aktuelle Neuerungen und Trends berichtet.
Neukundenpotenzial weiter hoch
Die Analyse von McKinsey zeigt über alle medizinisch-ästhetischen Produktsegmente hinweg eine hohe Anzahl von Verbrauchern, die angeben, dass sie ein Produkt oder eine Behandlung innerhalb der nächsten fünf Jahre, insbesondere in den nächsten 12 Monaten, ausprobieren werden. Im Jahr 2021 beabsichtigten 15 bis 20% der Befragten, innerhalb der nächsten fünf Jahre Injektionen (Neuromodulatoren und Dermafiller) zu verwenden, was eine Verdoppelung der Anzahl der Befragten bedeuten würde, die diese Produkte zum Zeitpunkt der Umfrage verwendeten. Der Blick auf das Segment der Dermafiller zeigt, dass ebenso viele Befragte, die in letzter Zeit keine Dermafiller verwendet hatten, dies in den nächsten 12 Monaten tun wollten. Und mit Blick auf fünf Jahre gaben 11% der Befragten an, dass sie beabsichtigen, Filler zu verwenden, was die Zahl der aktuellen Benutzer zum Zeitpunkt der Umfrage sogar verdreifachen würde.
Was bedeutet das für die Praxis?
Unabhängig davon, wie man dem in den sozialen Medien allgegenwärtigen Wunsch nach altersloser Schönheit gegenübersteht, lohnt sich der Blick auf die Entwicklungen im Bereich der Ästhetik in mehrfacher Hinsicht: Wenn es z.B. darum geht, Kunden bzw. Patienten vor Angeboten aus dem Niedrigpreissegment mit schlechter Qualität und vermehrten gesundheitlichen Risiken zu schützen (z.B.«Schönheitsurlaube im Ausland»), dann können hochwertige und medizinisch fundierte Angebote im fachmedizinischen Bereich Qualität und Sicherheit vor Ort inklusive Nachsorge bieten. Gleichzeitig sind Dienstleistungen der ästhetischen Dermatologie und minimalinvasive Eingriffe eine interessante Möglichkeit, das eigene Portfolio als Praxis bzw. Klinikum zu erweitern. Wobei mehr wirtschaftliches Kapital auch mehr(zusätzliches) Personal bedeuten kann, das dann ggf. nicht «nur» in diesem Sektor eingesetzt wird. Letztendlich können auch Potenziale entstehen für ein Engagement zugunsten finanziell weniger starker Personengruppen, z.B. durch Pro-bono-Tätigkeit im In- und Ausland oder die Mitarbeit in Selbsthilfegruppen und anderen Projekten.
Quelle:
Here to stay: An attractive future for medical aesthetics, McKinsey & Company, Februar 2024
Literatur:
1 Plastic surgery statistics report 2020, ASPS National Clearinghouse of Plastic Surgery Procedural Statistics 2 Peterson K: Circle of influence: How social media influencers are shaping plastic surgery trends. 2023 3 McKinsey US Consumer Aesthetics Survey, Dezember 2022
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