Aktuelle Impfempfehlungen 2
Bericht:
Dr. Torsten U. Banisch
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Nach wie vor stellen Impfungen das zentrale Mittel zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten und schweren Komplikationen dar. Dennoch sind die Zahlen der geimpften Erwachsenen ernüchternd. Beim ERS 2024 wurden die aktuellen Impfempfehlungen vorgestellt.
Infektionen der Atemwege sind eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität. Impfungen sind ein zentrales Mittel zur Verhütung dieser Infektionen. „Jedoch ist die Durchimpfungsrate bei Erwachsenen sehr niedrig, unter anderem, da die meisten Erwachsenen sich nicht darüber bewusst sind, dass sie eine Impfung benötigen“, so Dr. Rui Manuel Peixoto Da Costa, Universität Minho in Braga, Portugal. Den Hausärzten falle diesbezüglich eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung und Durchführung von Impfprogrammen zu. Die generell empfohlenen Impfungen für Erwachsene zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten sind Influenza, Pneumokokken, Herpes zoster, Tetanus-Diphtherie-Pertussis (TDaP), Covid-19 und RSV.
Influenza
Influenza ist mit einer erheblichen gesundheitlichen Belastung verbunden, insbesondere bei Risikopersonen wie älteren Erwachsenen, gebrechlichen Personen und Personen mit chronischen Grunderkrankungen.1 Es wird eine jährliche quadrivalente Impfung (zwei Influenza-A- und zwei Influenza-B-Stämme) für alle Personen ab einem Alter von sechs Monaten empfohlen, insbesondere für Hochrisikogruppen. Laut einer neuen WHO-Empfehlung ist die Aufnahme eines Antigens der B/Yamagata-Linie in die quadrivalenten Influenza-Impfstoffe nicht mehr gerechtfertigt.2 Somit werden in der Grippesaison 2024/2025 dreiwertige Impfstoffe zur Verwendung kommen.
Es gibt drei verschiedene Arten von Impfstoffen: den Influenza-inaktivierten Impfstoff (IIV), den abgeschwächten Lebendimpfstoff (LAIV) und einen rekombinanten Impfstoff (RIV).1
Bei älteren Personen (≥65 Jahre) sollte vorzugsweise einer der höher dosierten oder adjuvantierten Grippeimpfstoffe verwendet werden. Die Dauer der Immunität liegt bei weniger als einem Jahr, aufgrund der abnehmenden Immunität und der vorhandenen Antigenverschiebung. Die Impfstoffe zeigen eine 40%ige bis 60%ige Wirksamkeit bei der Verringerung des Gripperisikos.
Covid-19
Was die Covid-19-Impfung betrifft, werden regelmäßige Aktualisierungen und Auffrischungen empfohlen. Hierdurch werden neue Varianten bekämpft, die Immunität wird verstärkt und das Risiko für eine schwere Covid-19-assoziierte Erkrankung verringert. Die Impfung wirkt weiterhin schützend, mit einem stärkeren Schutz gegen schwerere Erkrankungen, obwohl dieser Schutz mit der Zeit abnimmt. Die Emergency Task Force (ETF) der EMA empfiehlt für 2024/2025 einen aktualisierten Covid-19-Impfstoff gegen die JN.1-Linie.3
Herpes zoster
Die Gürtelrose(Herpes zoster)-Impfung ist die einzige Möglichkeit, sich gegen Gürtelrose und Post-Zoster-Neuralgie zu schützen.Zu den Risikofaktoren zählen Alter, Immunsuppression und das Vorliegen von chronischen Erkrankungen. Es gibt zurzeit zwei Herpes-zoster-Impfstoffe: einen attenuierten Lebendimpfstoff und einen rekombinanten Impfstoff. Die Impfung gegen Herpes zosterwird für alle Erwachsenen ab 50 Jahren empfohlen sowie für Erwachsene zwischen 18 und 49 Jahren mit hohem Herpes-zoster-Risiko. Immunkompetente Erwachsene sollten bevorzugt mit dem rekombinanten Impfstoff immunisiert werden (zwei Dosen). Immungeschwächte Erwachsene sollten nur mitdem rekombinanten Impfstoff geimpft werden. Laut Peixoto Da Costa bieten diese eine bessere Effektivität und Wirksamkeit.4
Pertussis
Die Pertussis (Keuchhusten)-Impfung ist besonders für Kleinkinder, Schwangere und Personen, die in engem Kontakt mit Kleinkindern stehen, wichtig. Eine Keuchhusteninfektion kann Asthma- oder COPD-Exazerbationen auslösen oder imitieren. Für Kinder steht die DTaP-Impfung zur Verfügung und für Erwachsene der Tdap-Impfstoff (Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten). Die Impfung kann zu jeder Zeit erfolgen, wenn noch nicht vorhanden, und ist insbesondere auch für Menschen mit COPD empfehlenswert. Für Erwachsene im Alter von ≥65 Jahren wird eine Einzeldosis empfohlen.5
Pneumokokken
Pneumokokken besiedeln die Schleimhaut des Naso- und Oropharynx und lösen von dort ausgehend endogene Infektionen aus. Bei Säuglingern und Kleinkindern können sie schwere invasive Erkrankungen (Sepsis, Meningitis), Pneumonien und Otitis media verursachen. Bei älteren Menschen wird die Gefährdung hauptsächlich durch schwerwiegende Atemwegserkrankungen/Pneumonien hervorgerufen. Eine Impfung zum Schutz gegen Streptococcus pneumoniae ist daher für Kinder ab 3 Monaten, ältere Erwachsene (ab 60 Jahren) und Risikogruppen (z.B. Personen mit chronischen Erkrankungen oder Immunschwäche) empfohlen.
Es sind derzeit vier Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (PCV) auf dem Markt (PCV13, PCV15, PCV20 und PCV21) und ein Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23). PCV haben hierbei eine größere Immunogenität und erreichen eine robustere und länger anhaltende Immunreaktion (Abb.1). Zudem induzieren sie eine Schleimhautimmunität und verhindern eine nasale Kolonisierung. Auch der nasopharyngeale Trägerstatus und die Übertragung werden nachweislich verhindert.6Aufgrund des sequenziellen Impfschemas ist die Adhärenz laut einer US-Studie jedoch gering.7,8
Abb. 1: Mechanismus der Pneumokokken-Impfstoffe: T-Zell-abhängige B-Zell-Aktivierung vs. T-Zell-unabhängige B-Zell-Aktivierung (modifiziert nach Thong BY et al. 2023)6
Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
Die RSV-Infektion ist eine der häufigsten Ursachen für Infektionen der unteren Atemwege und geht mit einer hohen Rate an Krankenhausaufenthalten und Morbidität bei älteren Menschen und Erwachsenen mit Hochrisiko einher. Zudem ist RSV die zweithäufigste Ursache für virale Lungenentzündungen bei älteren Menschen. Ältere Erwachsene haben ein erhöhtes Risiko für RSV-bedingte Komplikationen und Todesfälle, was auf die altersbedingte Immunoseneszenz, Gebrechlichkeit und eine höhere Prävalenz von Grunderkrankungen zurückzuführen ist.Obwohl RSV schon 1956 nachgewiesen wurde, kamen erst in den vergangenen Jahren wirkungsvolle Impfstoffe bzw. monoklonale Antikörper zur RSV-Prophylaxe auf den Markt. Mittlerweile gibt es drei zugelassene Impfstoffe für Erwachsene sowie monoklonale Antikörper für den Einsatz bei Kindern.In Österreich wird die Impfung bei Erwachsenen ab 60 Jahren empfohlen. Nach aktuellem Stand reicht eine einmalige Impfung für mindestens zwei Saisonen aus. Die aktuellen GOLD-Leitlinien erkennen RSV-Impfstoffe als wirksame Präventivmaßnahmen bei Patienten mit COPD an.9
RSVbei Kindern
Neben den Komplikationen bei älteren Erwachsenen tritt RSV vor allem vermehrt im Kindesalter auf und ist dort der Hauptgrund für eine Bronchiolitis, so Prof. Dr. Fabio Midulla von der Sapienza-Universität in Rom. Eine früh aufgetretene Bronchiolitis ist zudem stark mit dem späteren Auftreten (im ersten Lebensjahr) von Wheezing (Giemen) assoziiert. Eine Assoziation mit Asthma wurde bisher nicht nachgewiesen.10
Weltweit führen RSV-Infektionen pro Jahr zu 3,4 Millionen Hospitalisierungen von Kindern unter 5 Jahren.11 Die Zahl der Todesfälle liegt dabei bei 66000 bis 199000.
Quelle:
„The main role of vaccination in primary care for respiratory infection prevention“, Vortrag von Dr. Rui Manuel Peixoto Da Costa; „Will the new respiratory syncytial virus vaccination change the epidemiology and our practice?“, Vortrag von Prof. Dr. Fabio Midulla, ERS 2024 am 10.September 2024, Wien
Literatur:
1 Antonelli Incalzi R et al.: Influenza vaccination for elderly, vulnerable and high-risk subjects: a narrative review and expert opinion. Intern Emerg Med 2024; 19(3): 619-40 2 Influenza virus characterization: summary report, Europe, March 2024. https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/influenza-ECDC-WHO-Report-March-2024.pdf ; zuletzt aufgerufen am 12.9.2024 3 https://www.ema.europa.eu/en/news/etf-recommends-updating-covid-19-vaccines-target-new-jn1-variant; zuletzt aufgerufen am 12.9.2024 4 Xia Y et al.: Efficacy, effectiveness, and safety of herpes zoster vaccine in the immunocompetent and immunocompromised subjects: A systematic review and network meta-analysis. Front Immunol 2022; 13: 978203 5 https://www.cdc.gov/pertussis/vaccines/index.html ; zuletzt aufgerufen am 30.9.2024 6 Thong BY et al.: Evaluating immune responses to pneumococcal vaccines. Asia Pac Allergy 2023; 13(3): 127-31 7 https://www.cdc.gov/vaccines/vpd/pneumo/downloads/pneumo-vaccine-timing.pdf ; zuletzt aufgerufen am 12. 9. 2024 8 Morga A et al.: Compliance to Advisory Committee on Immunization Practices recommendations for pneumococcal vaccination. Vaccine 2022; 40(15): 2274-81 9 Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease 2024. https://goldcopd.org/2024-gold-report/ ; zuletzt aufgerufen am 12.9.2024 10 Makrinioti H et al.: The role of respiratory syncytial virus- and rhinovirus-induced bronchiolitis in recurrent wheeze and asthma-A systematic review and meta-analysis. Pediatr Allergy Immunol 2022; 33(3): e13741 11 Mazur NI et al.: Lower respiratory tract infection caused by respiratory syncytial virus: current management and new therapeutics. Lancet Respir Med 2015; 3(11): 888-900
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