
Bekannte Erreger und Impfungen abseits von Covid, Influenza & Co
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Andrea Grisold, MBA
Leiterin Bereich Klinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Impfungen
Medizinische Universität Graz
E-Mail: andrea.grisold@medunigraz.at
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Alt, aber gefährlich: Mit dem Auslaufen der Covid-19-Pandemie rücken wieder andere Infektionserreger in den Vordergrund, auffällig sind insbesondere der signifikante Anstieg der Zahl der Pertussisfälle sowie eine ungewöhnlich frühe RSV-Saison. Die in Österreich zum Teil sehr niedrigen Durchimpfungsraten gegen diese doch impfpräventablen Erkrankungen haben in der Folge zu Anpassungen im österreichischen Impfplan geführt.
Keypoints
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Die WHO stuft Impfskepsis als eine der zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit ein.
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Der Impfplan Österreich 2024/2025 gibt neue Empfehlungen zur Auffrischung insbesondere bei Pertussis, angepasst an die aktuelle Infektsituation und die bekannt niedrigen Durchimpfungsraten.
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Pneumokokken: Durch die Kombination von konjugierten Impfstoffen mit Polysaccharidimpfstoffen kann ein verlängerter und umfassender Schutz erreicht werden.
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Herpes zoster: Neue Impfstoffe zeigen hier eine hohe und auch langanhaltende Wirksamkeit.
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RSV: Besonders für ältere Menschen und Risikopatien-t:innen gibt es erstmals wirksame Impfstoffe.
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Masern sind und bleiben ein Problem in Österreich.
Pertussis: Surveillance und neues Impfschema
Im Jahr 2024 wurde in Europa ein signifikanter Anstieg der Zahl der Pertussis-fälle verzeichnet, der auch in Österreich deutlich zu spüren war. Während im gesamten Jahr 2023 insgesamt 2791 Fälle registriert worden waren, erreichte die Zahl der Fälle bis zum dritten Quartal 2024 bereits 10374, wobei die Zahlen für das gesamte Jahr noch nicht vorliegen.1 Ein wesentlicher Faktor für diesen Anstieg ist die nachlassende Immunität in der Bevölkerung, die durch Impflücken und das Ausbleiben regelmäßiger Auffrischungsimpfungen bedingt ist. Österreich weist mit einer Pertussis-Durchimpfungsrate von 84% die niedrigste in Europa auf, während der EU-Durchschnitt bei 94% liegt.2
Die steigenden Fallzahlen verdeutlichen die Notwendigkeit, die Durchimpfungsrate zu erhöhen und Auffrischungsimpfungen regelmäßig durchzuführen, um besonders vulnerable Gruppen wie Säuglinge und ältere Menschen zu schützen. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Empfehlungen zur Pertussis-Impfung im Impfplan Österreich 2024/25 angepasst – die erste Auffrischungsimpfung nach der Grundimmunisierung im Säuglingsalter soll nun bereits im 6. Lebensjahr (ab dem vollendeten 5. Lebensjahr), also vor dem Schuleintritt, erfolgen. Auch im Erwachsenenalter ist aufgrund der aktuellen Pertussis-Situation eine Auffrischung alle fünf Jahre empfohlen.3
Für die Diagnostik einer Pertussis-Erkrankung stehen PCR-Tests, insbesondere für Neugeborene und Kleinkinder, sowie die Serologie zur Verfügung. Spezifische Antikörper können erst 2 bis 8 Wochen nach Krankheitsbeginn nachgewiesen werden, wobei eine kürzlich durchgeführte Impfung die Resultate beeinflussen kann, sodass die Diagnostik nicht immer eindeutig ist. Der serologische Nachweis erfolgt durch den Nachweis von IgA- und IgG-Antikörpern gegen das Pertussis-Toxin mittels ELISA.
Die Therapie bei Pertussis zieltdarauf ab, die Dauer und Intensität der Hustenattacken zu reduzieren. Eine antibiotische Behandlung sollte idealerweise innerhalb der ersten zwei Wochen nach Beginn des Hustens eingeleitet werden. Eine spätere Therapie vermindert zumindest die Infektiosität, da Betroffene das Bakterium vom Ende der Inkubationszeit bis zu 3 Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum ausscheiden. Die Therapie erfolgt mit Makroliden (Azithromycin und Clarithromycin), als Alternative kommt Cotrimoxazol infrage. Orale Penicilline und Cephalosporine sind zur Eradikation von Bordetella pertussis im Nasenrachenraum nicht geeignet.
Für die Pertussis-Surveillance stehen in Österreich sowohl das Referenzlabor für Pertussis an der AGES wie auch das Pertussis-Konsiliarlabor an der MedUni Graz im Einsatz. Sie untersuchen die Entwicklung von Resistenzen, insbesondere Makrolidantibiotika sind davon noch nicht betroffen.4
Geringe Impfcompliance und Antikörper-Waning
Der 4-fach-Impfstoff, der neben der Pertussis-Komponente auch solche gegen Diphtherie, Tetanus und Polio umfasst, spielt eine zentrale Rolle in der Prävention dieser potenziell schwerwiegenden Erkrankungen. Die derzeitigen Impfstrategien in Österreich haben in jedem Fall noch Umsetzungspotenzial, da die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung weiterhin besorgniserregend niedrig ist. Laut den Daten des WHO Immunization Data Portal liegt die Impfquote bei Diphtherie unter den Kindern in Österreich im Bereich von 85–88% (Abb.1).5 Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, den Impfschutz auch hier weiter zu erhöhen.
Auch wenn die Zahl der Diphtheriefälle nach 75 Fällen im Jahr 2022 und 30 Nachweisen im Jahr 2023 wieder stark zurückgegangen ist, darf man diese Erkrankung nicht aus den Augen verlieren – führte sie doch, auch bekannt als „Würgeengel der Kinder“, noch bis in die 1950er-Jahre zu großen Ausbrüchen. 2022 ist trotz intensivtherapeutischer Maßnahmen ein Patient an dieser Erkrankung gestorben.
Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung österreichischer Kollegen (Wagner et al. 2023) beleuchtet den Iststandbeim Immunstatus der Bevölkerung. In einer Analyse von fast 10000 getesteten Serumproben zeigte sich, dass 36% der getesteten Personen keinen Schutz gegen Diphtherie aufwiesen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, den Impfschutz aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls zu verstärken.6
Positiv hervorzuheben ist die langanhaltende Wirksamkeit der Tetanus-Komponente des Impfstoffs. Hier zeigten nur 4% der getesteten Personen keinen ausreichenden Schutz.6 Dennoch bleibt Tetanus eine ernsthafte Erkrankung, die mit den Worten „Krämpfe, bis die Knochen brechen“ beschrieben wird. Es bleibt unerlässlich, den Tetanusschutz kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls Auffrischimpfungen durchzuführen, um die Bevölkerung vor den Gefahren dieser Krankheit zu schützen.
Der Blick auf die Impfraten und die epidemiologischen Entwicklungen in Österreich zeigt einmal mehr, wie wichtig die konsequente Umsetzung von Impfprogrammen ist, um die Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten zu verhindern.
Immunseneszenz: Ältere Menschen sind besonders gefährdet
Als Immunseneszenz wird die altersbedingte Dysfunktion des Immunsystemsbezeichnet, die zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, einer verminderten Impfantwort und einer gesteigerten systemischen Entzündungsneigung führt. Dieser Prozess ist multifaktoriell bedingt und umfasst sowohl adaptative als auch angeborene Immunmechanismen. Die Veränderungen des adaptativen Immunsystems betreffen dabei die T-Zell- wie auch die B-Zell-Funktion.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Produktion neuer naiver T-Zellen im Thymus ab, was zu einer eingeschränkten Fähigkeit führt, auf neue Antigene zu reagieren. Gleichzeitig kommt es zu einer Akkumulation terminal differenzierter Gedächtnis-T-Zellen, insbesondere CD8+-T-Zellen, die oft eine reduzierte Effektorfunktion aufweisen. Die humorale Immunität ist durch eine verringerte Diversität des B-Zell-Repertoires und eine reduzierte Antikörperqualität beeinträchtigt, was zu einer verminderten Wirksamkeit von Impfungen und einer schwächeren humoralen Immunantwort auf neue Pathogene führt.
Was das angeborene Immunsystem betrifft, so kommt es auch hier zu Veränderungen – so verlieren z.B. Makrophagen und dendritische Zellen ihre Funktion, wodurch die Antigenpräsentation beeinträchtigt ist, was eine abgeschwächte T-Zell-Aktivierung zur Folge hat.
Mit dem Alter assoziiert finden sich auch (gering) erhöhte systemische Entzündungsmarker („inflammaging“), darunter eine erhöhte Sekretion proinflammatorischer Zytokine (z.B. IL-6, TNFα) sowie dieAkkumulation seneszenter Zellen, die inflammatorische Mediatoren freisetzen. Als klinische Auswirkungist eine erhöhte Infektanfälligkeit festzustellen: Ältere Personen sind besonders gefährdet für schwere Verläufe von Infektionskrankheiten, darunter Influenza, Pneumokokkeninfektionen, RSV oder SARS-CoV-2.
Was nun Impfungen betrifft, gibt es verschiedene Herangehensweisen, um diese Immunseneszenz zu umgehen:die Verkürzung der empfohlenen Impfabstände (z.B. bei FSME),die Verwendung von Adjuvanzien (wie z.B. bei Herpes zoster) oder höhere Antigenkonzentrationen (wie z.B. bei der Influenzaimpfung).
Pneumokokkenerkrankungen im Alter
Invasive Pneumokokkenerkrankungen sind insbesondere bei den Kleinsten, aber auch bei Personen ab dem 50. Lebensjahr mit einem schweren Verlauf und einer hohen Letalität verbunden. Bei Personen vomvollendeten 50. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr ist die Inzidenz invasiver Pneumokokkenerkrankungen mit fast 6 Fällen pro 100000 bereits deutlich erhöht, erreicht aber nicht den Wert wie bei den über 60-Jährigen (über 15 Fälle pro 100000).Während bei Babys und Kleinkindern die Krankheitsbilder Sepsis und Meningitis im Vordergrund stehen, sind diesbei älteren Patienten schwerwiegende Atemwegsinfektionen. Zu den Risikofaktoren zählen COPD, Asthma, chronische Niereninsuffizienz, Rauchen und Diabetes mellitus.
Bei Pneumokokken werden über 95 Serotypen unterschieden. Bei invasiven Pneumokokkenerkrankungen werden von den mikrobiologischen Laboren die Stämme an die Pneumokokken-Referenzzentrale der AGES übermittelt, sodass man über die Verteilung der Serogruppen in Österreich sehr gut Bescheid weiß.
Derzeit stehen in Österreich 3 Impfstoffe zur Verfügung: ein 15-valenter bzw. ein 20-valenter Konjugatimpfstoff (PCV15, PCV20) und ein 23-valenter Polysaccharidimpfstoff (PPV23). In der Altersgruppe >60 wären 57% der 2023 festgestellten Pneumokokken-Serotypen durch den für Erwachsene empfohlenen Impfstoff PCV20 und 74% durch den 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPV23) abgedeckt.7 Die sequenzielle Impfung (konjugierte Pneumokokkenvakzine PNC15 oder PNC20) und nach >1 Jahr die Impfung mit PPV23 (23-valenter Polysaccharidimpfstoff) zählen zur allgemeinen Impfempfehlung für gesunde Erwachsene ab dem 60. Lebensjahr. Für Risikopatienten gibt es adaptierte Impfempfehlungen, mit einem eventuell bereits früher startenden Beginn bzw. ggf. einer Wiederholung der Impfserie nach 6 Jahren.
Neue Impfstoffe:Herpes-zoster- und RSV-Impfung
Für ältere und/oder (Risiko-)Patienten stehen seit einigen Jahren zwei weitere Impfstoffe zur Verfügung. Das ist auf der einen Seite die Impfung gegen Herpes zoster (Shingrix®)und auf der anderen Seite eine Impfung gegen das humane respiratorische Synzytialvirus (RSV).
Eine von drei Personen erleidet im Alter ab 60 Jahren eine Reaktivierung des Varicella-zoster-Virus in Form eines Herpes zoster. Risikofaktoren sind dabei Grunderkrankungen wie rheumatoide Arthritis, COPD oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Impfstoff (Shingrix®) steht ein an diese Altersgruppe angepasster Impfstoff zur Verfügung, bei dem anhand aktueller Daten von einer langanhaltenden und guten Wirksamkeit auszugehen ist, mit einer Vakzineffektivität von >80%, und dies im Jahr 11 nach Impfung.8
Die Impfstrategien bei RSV sind unterschiedlich. Während es im Sinne einer aktiven Immunisierung keinen Impfstoff für Kinder gibt, sind für Erwachsene zwei Impfstoffe verfügbar. Arexvy® ist ein adjuvantierter Subunit-Impfstoff, zugelassen für Personen von 50 bis 59 Jahren mit erhöhtem Risiko für eine RSV-Erkrankung und für Personen ab 60 Jahren. Abrysvo® ist ein nichtadjuvantierter bivalenter Subunit-Impfstoff, zugelassen für Personen ab 60 Jahren sowie zusätzlich auch für Schwangere in der 24. bis 36. Schwanger-schaftswoche.
Never-ending Story: Masern
Auch bei Masern gehört Österreich zu den europäischen Spitzenreitern, was die Maserninzidenz, das heißt die Häufigkeit pro 1 Million Einwohner, betrifft (Abb. 2).92024 wurden von der AGES 542 Masernfälle registriert. Nach einem etwas ruhigeren Sommer kam es dabei ab Dezember 2024 wieder zu einem Anstieg der Zahl der Masernfälle. Aktuell wurden Fälle in Oberösterreich, Niederösterreich, dem Burgenland, in Wien, der Steiermark und rezent auch ein Fall in Vorarlberg gemeldet.10 Was die Durchimpfungsraten bei Masern betrifft, gibt es neben den ganz kleinen Kindern auch rund 55000 junge Erwachsene, die keinen ausreichenden Impfschutz haben.11
Abb. 2: Maserninzidenz WHO-Region Europa, September 2023 bis August 2024 (modifiziert nach WHO 2024)8
Literatur:
1 Statistik meldepflichtiger Erkrankungen, 3. Quartal 2024, Stand: 9.10.2024. https://sozialministerium.at ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 2 European Centre for Disease Prevention and Control: Increase of pertussis cases in the EU/EEA. https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/increase-pertussis-cases-eueea ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 3 Impfplan Österreich 2024/2025: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Impfen/Impfplan-Österreich.html ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 4 Nationale Referenzzentrale Pertussis Surveillance und Labor. https://www.ages.at/ages/referenzzentralen-labors/nationale-referenzzentrale-pertussis-surveillance-und-labor ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 5 ECDC: Increase of reported diphtheria cases among migrants in Europe due to Corynebacterium diphtheriae, 2022; https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/diphtheria-cases-migrants-europe-corynebacterium-diphtheriae-2022.pdf ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 6 Wagner A et al.: Lack of seroprotection against diphtheria in the Austrianpopulation, in light of reported diphtheria cases in Europe,2022. Euro Surveill 2023; 28(17): 2300206 7 Österreichische Referenzzentrale für Pneumokokken: Jahresbericht 2023. https://www.ages.at ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 8 Strezova A et al.: Long-term protection against herpes zoster by the adjuvanted recombinant zoster vaccine: interimefficacy, immunogenicity, and safety results up to 10 years after initial vaccination. Open Forum Infect Dis 2022; 9(10): ofac485 9 Measles and rubella monthly update – WHO European Region. https://cdn.who.int/media/docs/librariesprovider2/euro-health-topics/vaccines-and-immunization/eur_mr_monthly-_update_en_september-2024.pdf?sfvrsn=9c479aff_2&download=true ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 10 Masernsituation in Österreich: https://www.ages.at/mensch/krankheit/krankheitserreger-von-a-bis-z/masern#c23849 ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025 11 Kurzbericht Masern 2023. https://sozialministerium.at ; zuletzt aufgerufen am 10.2.2025
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