„Ein großes Thema war die pulmonale Hypertonie aus Patientensicht“
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski
Leiter der klinischen Abteilung für Lungenkrankheiten
LKH/Universitätsklinikum Graz
E-Mail: horst.olschewski@medunigraz.at
Das Interview führte
Dr. Katrin Spiesberger
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Als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der pulmonalen Hypertonie (PH) war Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski, Graz, natürlich auch in diesem Jahr wieder vor Ort am ERS-Kongress und berichtet im Interview mit JATROS über die spannendsten Neuigkeiten, die dort zu dem Thema präsentiert wurden.
Sie waren Vorsitzender der Postersession „From diagnosis to therapy in pulmonary arterial hypertension“. Gibt es davon spannende Neuigkeiten, die Sie teilen wollen?
H. Olschewski: Ich habe den aktuellen ERS-Kongress als sehr lebhafte Veranstaltung mitbekommen – mit über 16 000 Teilnehmern der größte respiratorische Kongress weltweit.
In unserer Postersession herrschte dichtes Gedränge, und zwar vom Beginn bis zum Ende der Viewing-Zeit. Die meisten Präsentationen wurden von etablierten Wissenschaftlern persönlich abgehalten, oder diese standen in der Nähe, um dem Erstautor beizustehen, wenn kritische Fragen kamen.
Ein großes Thema war die pulmonale Hypertonie aus Patientensicht. Eine US-Studie zeigte, dass die Beschwerden, die zur weiteren Diagnostik der PH führen in 88 % Dyspnoe, 59 % Müdigkeit und 38 % Schwäche sind, und das betrübliche Ergebnis war, dass nur 63 % der Patienten eine Rechtsherzkatheteruntersuchung vor dem Start ihrer PAH(pulmonal arterielle Hypertonie)-Therapie erhalten.
Bemerkenswert war eine Umfrage an über 500 UK-Patienten, die deutlich machte, dass es meistens über 1 Jahr dauert, bis die Patienten ihre Beschwerden zum ersten mal einem Arzt berichten, dass ein Drittel der Patienten vier oder mehr Ärzte konsultieren müssen, bevor die Diagnose gestellt wird, und
dass aus Patientensicht die wichtigsten Therapieziele die Lebensqualität (52 %) gefolgt von der Lebenserwartung (33 %), die Besserung der Beschwerden (14 %) und nur in 3 % die Freiheit von Nebenwirkungen ist.
Eine weitere Studie aus dem UK zeigte, dass die Mehrzahl der PAH-Patienten Studien mit neuen Medikamenten offen gegenüberstehen. 94 % der Studienteilnehmer würden wieder an einer klinischen Studie teilnehmen.
Anhand der PHAROS-Studie ließ sich zeigen, dass die Expertenzentren für PH in Europa im Laufe der letzten 10 Jahre vermehrt Wert auf die Erhebung der „quality of life“ legen und dass die psychologische Begleittherapie einen deutlich höheren Stellenwert erhalten hat.
Gezielte Beratung hinsichtlich Ernährung und Bewegung in Form von gezielten Programmen scheint den Patienten zu helfen. 20 % der PAH-Patienten werden anhand einer spanischen Studie mit O2 versorgt, die Tendenz über die letzten 10 Jahre ist allerdings deutlich rückläufig.
Das Management der dekompensierten PAH auf der Intensivstation war ein weiteres Thema, dem sich vor allem die Pariser Gruppe verschrieben hat. Dabei wurde der große Stellenwert der ECMO als Brücke zur Transplantation dargestellt. Umgekehrt wurde ein interessantes neues Thema aus ökonomischer Sicht aufgebracht, nämlich welche Kosten eigentlich bei PAH-Patienten in der „End-of-life“-Situation entstehen, also 6 Monate vor dem Tod. Der mit Abstand größte Kostenfaktor waren die Krankenhausaufenthalte, insbesondere wenn eine Intensivstation belegt wurde.
Neue Entwicklungen wie Rodatristat, ein Serotonin-Antagonist, und MK-5475, ein inhalierter Stimulator der löslichen Guanylatzyklase, wurden vorgestellt, die Transition vom einem auf das andere PAH-Medikament in speziellen klinischen Situationen (perioperativ), ebenso die Tatsache, dass Kombi- vs. Monotherapien stärker den PVR senken und stärker die peak VO2 erhöhen, während diese Unterschiede vom 6-Minuten-Gehtest nicht signifikant abgebildet werden.
Ein Thema mehrerer Poster waren die Komorbiditäten und ihre Auswirkungen auf die Effekte von PAH-Medikamenten. Das durchgehende Ergebnis war, dass mit Komorbiditäten zwar die Effektgröße etwas kleiner ist, aber prinzipiell das gleiche Effektmuster erzielt wird.
Die interstitielle Lungenkrankheit als Risikofaktor für PH wurde in einer Erhebung aus Frankreich, Deutschland und dem UK beleuchtet. Dazu gab es auch eine eigene sehr gut besuchte Session mit oralen Präsentationen, bei der klar wurde, dass zwar erste erfolgreiche Schritte zu einer Therapie absolviert wurden, aber noch viel Verständnis für die Pathophysiologie dieser Erkrankung fehlt.
Ein Randthema waren die Konsequenzen der neuen PH-Definition für die Prävalenz der portopulmonalen Hypertonie unter Patienten mit schwerer Leberkrankheit, welche in Frankreich so von 1,7 % auf 5,3 % angestiegen ist.
Aus Ihrer Arbeitsgruppe stammt auch ein Late-breaking Abstract: Inwieweit haben denn metabolische Phänotypen Einfluss auf den Verlauf der PAH?
H. Olschewski: In unserem „late-breaker“ haben wir dargestellt, dass das Metabolom der Patienten, also die Zusammensetzung von ca. 1000 Metaboliten im Blut die Information über eine pulmonale Hypertonie enthält. Das ließ sich mithilfe von „machine learning“ in Kooperation mit der Gruppe von Ulrich Bodenhöfer in Krems feststellen. Das galt auch für Patienten mit anderen Krankheiten, etwa COPD oder metabolischem Syndrom. Zusätzlich konnten wir zeigen, dass die wesentliche Information des Metaboloms im Lipidbereich liegt und dass man mit einem einfachen Quotienten aus bestimmten Fettsäuren und Lipiden die pulmonale Hypertonie gut vorhersagen kann. Zu unserer Freude stellte sich heraus, dass dieser Quotient auch gut die Prognose der Patienten vorhersagen kann, und zwar unabhängig von dem etablierten COMPERA2.0-Score oder dem französischen Prognosescore. Wie genau die Veränderung der Prognose beim einzelnen Patienten unter seiner Therapie abgebildet wird, konnten wir noch nicht untersuchen. Wir sind aber diesbezüglich sehr optimistisch.
Letztes Jahr wurden am ERS die neuen Guidelines zur pulmonalen Hypertonie präsentiert – haben diese bereits den Einzug in den klinischen Alltag gefunden?
H. Olschewski: Es scheint sich kein massiver Widerstand gegen die neuen Guidelines aufzubauen, zumindest was die neue hämodynamische Definition der PH betrifft. Bei der Klassifikation hat sich ja geändert, dass früher für die Herz- und die Lungenerkrankungen (Gruppe 2 und Gruppe 3 PH) die Bezeichnung „due to“ galt und jetzt „associated with“. Früher war also die Definition eng, jetzt ist sie weit formuliert. Mir scheint, dass diese gravierende Änderung von der PH-Community noch nicht richtig wahrgenommen wurde.
Ein gewisser Widerstand ist aber gegen den neuen therapeutischen Algorithmus zu erkennen, nach dem Patienten mit Komorbiditäten anders zu behandeln sind als die ohne Komorbiditäten. So sind die vielen Studien zu erklären, in denen die Patienten mit und ohne Komorbiditäten miteinander verglichen wurden. Sie kommen alle zum gleichen Ergebnis, dass nämlich die Komorbiditäten keinen signifikanten Unterschied im Therapieansprechen machen. Die nächste Weltkonferenz wird 2024 stattfinden und ich bin überzeugt, dass das dort ein „heißes Thema“ sein wird.
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