Aktuelle Impfempfehlungen und der Nutzen der RSV-Impfung bei Kindern
Bericht:
Dr. rer. nat. Torsten U. Banisch
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Nach wie vor stellen Impfungen das zentrale Mittel zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten und schweren Komplikationen dar. Dennoch sind die Zahlen der geimpften Erwachsenen ernüchternd. Die aktuellen Impfempfehlungen und neue Daten zum Erfolg der RSV-Impfstoffe, gerade bei Kleinkindern, wurden vorgestellt.
Infektionen der Atemwege sind eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität. Impfungen sind ein zentrales Mittel zur Verhütung dieser Infektionen. „Jedoch ist die Durchimpfungsrate bei Erwachsenen sehr niedrig, unter anderem, da die meisten Erwachsenen sich nicht darüber bewusst sind, dass sie eine Impfung benötigen“, so Dr. Rui Manuel Peixoto Da Costa, Universität Minho in Praga, Portugal. Den Hausärzten falle diesbezüglich eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung und Durchführung von Impfprogrammen zu. Die generell empfohlenen Impfungen für Erwachsene zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten sind Influenza, Pneumokokken, Herpes zoster, Tetanus-Diphtherie-Pertussis (TDaP), Covid-19 und RSV.
Influenza
Influenza ist mit einer erheblichen gesundheitlichen Belastung verbunden, insbesondere bei Risikopersonen wie älteren Erwachsenen, gebrechlichen Personen und Personen mit chronischen Grunderkrankungen.1 Es wird eine jährliche quadrivalente Impfung (zwei Influenza-A- und zwei Influenza-B-Stämme) für alle Personen ab einem Alter von 6 Monaten empfohlen, insbesondere für Hochrisikogruppen. Laut einer neuen WHO-Empfehlung ist die Aufnahme eines Antigens der B/Yamagata-Linie in die quadrivalenten Influenza-Impfstoffe nicht mehr gerechtfertigt.2 Somit werden in der Grippesaison 2024/2025 dreiwertige Impfstoffe zur Verwendung kommen.
Es gibt drei verschiedene Arten von Impfstoffen: den Influenza-inaktivierten Impfstoff (IIV), den abgeschwächten Lebendimpfstoff (LAIV) und einen rekombinanten Impfstoff (RIV).1
Bei Älteren (≥ 65 Jahre) sollte vorzugsweise einer der höher dosierten oder adjuvantierten Grippeimpfstoffe verwendet werden. Die Dauer der Immunität liegt bei weniger als einem Jahr, aufgrund der abnehmenden Immunität und der vorhandenen Antigenverschiebung. Die Impfstoffe zeigen eine 40%ige bis 60%ige Wirksamkeit bei der Verringerung des Gripperisikos.
Covid-19
Zur Covid-19-Impfung werden regelmäßige Aktualisierungen und Auffrischungen empfohlen. Hierdurch werden neue Varianten bekämpft, die Immunität verstärkt und das Risiko für eine schwere Covid-19-assoziierte Erkrankung verringert. Die Impfung wirkt weiterhin schützend, mit einem stärkeren Schutz gegen schwerere Erkrankungen, obwohl dieser Schutz mit der Zeit abnimmt. Die Emergency Task Force (ETF) der EMA empfiehlt für 2024/2025 einen aktualisierten Covid-19-Impfstoff gegen die JN.1-Linie.3
Pneumokokken
Eine Impfung zum Schutz gegen Streptococcus pneumoniae ist für ältere Erwachsene (ab 65 Jahren) und Risikogruppen (19 bis 64 Jahre mit bestimmten Risiken oder chronischen Erkrankungen oder Immunschwäche) empfohlen. Es sind derzeit vier Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (PCV) auf dem Markt (PCVI3, PCVI5, PCV20 und PCV21) und ein Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23). PCV besitzen hierbei eine größere Immunogenität und erreichen eine robustere und länger anhaltende Immunreaktion. Zudem induzieren sie eine Schleimhautimmunität und verhindern eine nasale Kolonisierung. Auch der nasopharyngeale Trägerstatus und die Übertragung werden nachweislich verhindert.4 Aufgrund des sequenziellen Impfschemas liegt die Adhärenz jedoch nur bei 17 %.5, 6
Herpes zoster
Die Gürtelrose-Impfung (Herpes zoster) ist die einzige Möglichkeit, sich gegen Gürtelrose und Post-Zoster-Neuralgie (PZN) zu schützen. Zu den Risikofaktoren zählen das Alter, Immunsuppression und das Vorliegen von chronischen Erkrankungen. Es gibt zurzeit zwei Herpes-zoster-Impfstoffe: einen attenuierten Lebendimpfstoff und einen rekombinanten Impfstoff. Die Impfung gegen Herpes zoster wird für alle Erwachsenen ab 50 Jahren empfohlen sowie für Erwachsene zwischen 18 und 49 Jahren mit hohem Herpes-zoster-Risiko. Immunkompetente Erwachsene sollten bevorzugt mit dem rekombinanten Impfstoff immunisiert werden (2 Dosen). Immungeschwächte Erwachsene sollten nur mit dem rekombinanten Impfstoff geimpft werden. Laut Peixoto Da Costa bieten diese eine bessere Effektivität und Wirksamkeit.7
Pertussis
Die Pertussis/Keuchhusten-Impfung ist besonders für Kleinkinder, Schwangere und Personen, die in engem Kontakt mit Kleinkindern stehen, wichtig. Eine Keuchhusteninfektion kann Asthma- oder COPD-Exazerbationen auslösen oder imitieren. Für Kinder steht die DTaP-Impfung zur Verfügung und für Erwachsene der TDaP-Impfstoff (Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten). Die Impfung kann zu jeder Zeit erfolgen, wenn noch nicht vorhanden, und ist insbesondere auch für Menschen mit COPD empfohlen. Für Erwachsene im Alter von ≥65 Jahren ist eine Einzeldosis empfohlen.8
Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
Die RSV-Infektion ist eine der häufigsten Ursachen für Infektionen der unteren Atemwege und geht mit einer hohen Rate an Krankenhausaufenthalten und Morbidität bei älteren Menschen und Erwachsenen mit Hochrisiko einher. Zudem ist RSV die zweithäufigste Ursache für virale Lungenentzündungen bei älteren Menschen. Ältere Erwachsene haben ein erhöhtes Risiko für RSV-bedingte Komplikationen und Todesfälle, was auf die altersbedingte Immunoseneszenz, Gebrechlichkeit und eine höhere Prävalenz von Grunderkrankungen zurückzuführen ist. Die aktuellen GOLD-Leitlinien erkennen RSV-Impfstoffe als wirksame Präventivmaßnahmen bei Patienten mit COPD an.8.
RSV-Impfung: Infektionsrückgang und Verringerung von Bronchiolitis/Wheezing bei Kindern
Neben den Komplikationen bei älteren Erwachsenen tritt RSV vor allem vermehrt im Kindesalter auf und ist dort der Hauptgrund für eine Bronchiolitis. Eine früh aufgetretene Bronchiolitis ist zudem stark mit dem späteren Auftreten (im ersten Lebensjahr) von Wheezing (Giemen) assoziiert. Eine Assoziation mit Asthma wurde bisher nicht nachgewiesen.9
Weltweit führen RSV-Infektionen pro Jahr zu 3,4 Millionen Hospitalisierungen von Kindern unter 5 Jahren.10 Die Mortalität liegt dabei bei 66 000 bis 199 000 , so Prof. Dr. Fabio Midulla von der Sapienza-Universität in Rom. Obwohl RSV schon 1956 nachgewiesen wurde, kamen erst in den vergangenen Jahren wirkungsvolle Impfstoffe auf den Markt. Mittlerweile gibt es drei zugelassene Impfstoffe für Erwachsene (Arexvy/GSK, Abrysvo/Pfizer, mResvia/Moderna) sowie monoklonale Antikörper für den Einsatz bei Kindern (Nirsevimab/Sanofi, Palivizumab/AstraZeneca).
Studiendaten
Die RSV-Prophylaxe mit Antikörpern muss immer wieder aufgefrischt werden, da sich die Wirkstoffe im Speziellen nur gegen die Virusreplikation und Ausbreitung innerhalb des Körpers richten.
Mehrere Publikationen konnten den Nutzen bereits zeigen. So wurde in einer Studie mit Nirsevimab bei Säuglingen (n=10 259) eine 90%ige Reduktion von RSV-verursachten Krankenhausaufenthalten in einer Saison dokumentiert.11 Eine Studie an Frühgeborenen, die den monoklonalen Antikörper Palivizumab erhielten (n=429), konnte nach 12 Monaten Nachbeobachtungszeitraum zeigen, dass die Anzahl der Patient:innen mit wiederkehrendem Wheezing um 10 % reduziert war.12 Ähnliche Daten wurden auch in einer weiteren Studie an Frühgeborenen (n=444) mit einem Nachbeobachtungszeitraum von 6 Jahren gezeigt. Interessanterweise bestand kein Unterschied beim Auftreten von atopischem Asthma zwischen der Palivizumab- und der Kontroll-Kohorte.13
Bisher fehlt es an Studien, die den Nutzen von RSV-Impfungen in der generellen Population untersuchen, da die neuen Impfungen erst seit Kurzem auf dem Markt sind.
Eine Studie verglich Kinder, die im Covid-19-Lockdown, also in Abwesenheit von Bronchiolitis, geboren wurden, mit einer Kohorte, die in einem typischen Winter geboren wurde. Hier konnte eine signifikante Reduktion der Wheezing-Episoden in der Lockdown-Kohorte gezeigt werden. Diese Daten legen den Nutzen der RSV-Prophylaxe in allen pädiatrischen Populationen nahe.14
Der Mechanismus der Wirkung ist noch unklar. Eine Studie an 429 Frühgeborenen, die eine RSV-Immunoprophylaxe erhielten, könnte einen Hinweis geben. Hier konnte nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 6 Jahren ein signifikanter Einfluss auf die DNA-Methylationsmuster von Genen mit Einfluss auf die adaptive Immunantwort in nasalen Epithelzellen nachgewiesen werden.15 RSV-Impfstoffe und lang wirkende monoklonale Antikörper können die Verbreitung von RSV zwar nicht verhindern, sie versprechen aber einen drastischen Rückgang schwerer RSV-Infektionen bei Säuglingen und eine Verringerung oder gar Verhinderung von Bronchiolitis und Wheezing bei Kindern.
Quelle:
Session "First-line essential interventions for appropriate primary respiratory care", "The main role of vaccination in primary care for respiratory infection prevention“, Vortrag von Dr. Rui Manuel Peixoto Da Costa; Session „Beyond wheezing and asthma in children“, „Will the new respiratory syncytial virus vaccination change the epidemiology and our practice?“ Vortrag von Prof. Dr. Fabio Midulla, ERS 2024 am 10. September 2024
Literatur:
Antonelli Incalzi R et al.: Influenza vaccination for elderly, vulnerable and high-risk subjects: a narrative review and expert opinion. Intern Emerg Med 2024; 19(3): 619-40
Influenza virus characterization: summary report, Europe, March 2024. https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/influenza-ECDC-WHO-Report-March-2024.pdf ; zuletzt aufgerufen am 12. 9. 2024
https://www.ema.europa.eu/en/news/etf-recommends-updating-covid-19-vaccines-target-new-jn1-variant ; zuletzt aufgerufen am 12. 9. 2024
Thong BY et al.: Evaluating immune responses to pneumococcal vaccines. Asia Pac Allergy 2023; 13(3): 127-31
https://www.cdc.gov/vaccines/vpd/pneumo/downloads/pneumo-vaccine-timing.pdf ; zuletzt aufgerufen am 12. 9. 2024
Morga A et al.: Compliance to Advisory Committee on Immunization Practices recommendations for pneumococcal vaccination. Vaccine 2022; 40(15): 2274-81
Xia Y et al.: Efficacy, effectiveness, and safety of herpes zoster vaccine in the immunocompetent and immunocompromised subjects: A systematic review and network meta-analysis. Front Immunol 2022; 13: 978203
GOLD. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease 2024. https://goldcopd.org/2024-gold-report/ ; zuletzt aufgerufen am 12. 9. 2024
Makrinioti H et al.: The role of respiratory syncytial virus- and rhinovirus-induced bronchiolitis in recurrent wheeze and asthma-A systematic review and meta-analysis. Pediatr Allergy Immunol 2022; 33(3): e13741
Mazur NI et al.: Lower respiratory tract infection caused by respiratory syncytial virus: current management and new therapeutics. Lancet Respir Med 2015; 3(11): 888-900
Ares-Gómez S et al.: Effectiveness and impact of universal prophylaxis with nirsevimab in infants against hospitalisation for respiratory syncytial virus in Galicia, Spain: initial results of a population-based longitudinal study. Lancet Infect Dis 2024; 24(8): 817-28
Blanken MO et al.: Respiratory syncytial virus and recurrent wheeze in healthy preterm infants. N Engl J Med 2013; 368(19): 1791-9
Mochizuki H et al.: Palivizumab prophylaxis in preterm infants and subsequent recurrent wheezing. six-year follow-up study. Am J Respir Crit Care Med 2017; 196(1): 29-38
Barbieri E et al.: Wheeze among children born during Covid-19 lockdown. JAMA Netw Open 2024; 7(7): e2420792
Xu CJ et al.: Infant RSV immunoprophylaxis changes nasal epithelial DNA methylation at 6 years of age. Pediatr Pulmonol 2021; 56(12): 3822-31
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