
Lungenkrebsscreening: Früherkennung per Low-Dose-Computertomografie
Autor:
Dr. Ulrich Radda
Lungenfacharzt
Themenfeldleiter Public Health, Prävention und Impfen, Leiter Medizinischer Dienst
ÖGK Kärnten
E-Mail: ulrich.radda@oegk.at
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Derzeit ist in Österreich eine routinemäßige Vorsorgeuntersuchung auf Lungenkrebs nicht üblich, obwohl zahlreiche Studien bestätigen, dass diese die Überlebensraten bei Patient:innen mit Lungenkrebs signifikant verbessert. Das vorrangige Ziel für ein Screening-Programm ist, durch den Einsatz von Niedrigdosis-Computertomografie Tumoren in frühen Stadien zu detektieren, in denen ein kurativer Therapieansatz möglich ist.
Keypoints
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Das Lungenkarzinom ist die Tumorerkrankung mit der weltweit höchsten Mortalität, in Österreich gibt es ca. 4700 Neudiagnosen im Jahr.
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Erstdiagnosen werden überwiegend in fortgeschrittenen Stadien gestellt.
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In den USA bewirkte das Lungenkrebs-Screening einen Rückgang an Erstdiagnosen von metastasierten Lungenkarzinomen und mehr Erstdiagnosen von nicht metastasierten Fällen.
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Die europäische NELSON-Studie zeigt eine 26%ige Reduktion der Lungenkarzinommortalität nach 10 Jahren.
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Alle medizinischen Fachgesellschaften fordern daher ein flächendeckendes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm für Risikopersonen.
Das Lungenkarzinom ist die Krebserkrankung mit der weltweit höchsten Mortalität (im Jahr 2020 gab es über 2,2Millionen Neuerkrankungen an Lungenkarzinom und knapp 1,8Millionen Todesfälle). In Österreich werden ca. 4700 Neudiagnosen im Jahr gestellt. Das Lungenkarzinom ist bereits die zweithäufigste Tumorerkrankung, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen (nach dem Prostata- bzw. dem Mammakarzinom) und stellt die häufigste Ursache für tumorassoziiertenTod dar.
Die Erstdiagnosen werden überwiegend in fortgeschrittenen Stadien (Stadium 3 bzw. Stadium 4) gestellt, bei welchen in den allermeisten Fällen kein kuratives Therapieziel, sondern ein palliatives Therapiesetting zum Tragen kommt. In diesem Zusammenhang ist zu verdeutlichen, dass die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei Lungenkrebs derzeit bei ca. 18% liegt.1 Die postoperative 5-Jahres-Überlebensratebeträgt im Stadium 1a 75–80% und im Stadium 3b unter 20%.
Der bedeutendste Risikofaktor ist nach wie vor das Rauchen. D.h., 85% der Todesfälleaufgrund von Lungenkrebs sind auf das Rauchen zurückzuführen. Somit ist ein konsequenter Rauchstopp auch der effektivste Ansatz, um die Prävalenz von rauchbedingten Erkrankungen – nicht nur des Lungenkarzinoms, sondern auch der COPD – zu verringern.
Ziele von CT-Screenings
Das Ziel eines Screening-Programms ist in erster Linie, Lungenrundherde zu detektieren, sofern sie mit einem CT zu erkennen sind. So könnte man möglicherweise einen Switch erreichen, sodass nicht 76% der Erstdiagnosen im Stadium 3 und 21% im Stadium 4 gestellt werden, sondern bereits 24% im Stadium 1 und 79% im Stadium 2 erkannt werden – Stadien, in denen ein kurativer Therapieansatz möglich ist.
In den USA, wo das Lungenkarzinom-Screening bereits implementiert wurde, konnte einerseits ein Rückgang der Zahl an Erstdiagnosen von metastasierten Lungenkarzinomen registriert werdenund andererseits eine Zunahme der Zahl an Erstdiagnosen von nicht metastasierten Fällen. In den USA zeigt sich ein genereller Trend zugeringerer Mortalität, basierend auf Daten von 2019.
Studiendaten
Es gibt im Wesentlichen zwei große Untersuchungen: der National Lung Screening Trial (NLST) in den USA und die jüngere europäische Variante, die NELSON-Studie. Beide werden zwar kontrovers diskutiert, jedoch hat sich daraus schlussendlich ergeben, dass mittlerweile alle medizinischen Fachgesellschaften ein flächendeckendes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm für Risikopatient:innen fordern.
Beim
National LungScreening Trial hat sich gezeigt, dass die Lungenkrebssterblichkeitdurch das Niedrigdosis-CT-Screening reduziert werden konnte. Die Studienpopulation setzte sich aus Personen mit einem hohen Risiko für Lungenkrebs zusammen, sie durchliefen eine dreijährliche Vorsorgeuntersuchung entweder mit Niedrigdosis-CT oder mit Anterior-posterior-Brustradiografie in Einzelansicht.
Das Ergebnis war überzeugend: Bei Personen, welche mit einem Niedrigdosis-CT gescreent wurden, konnten viele Tumoren in früheren Stadien gefunden werden, was zu einer signifikanten Reduktion der Sterblichkeit an Lungenkrebs geführt hat.2 Die Daten der europäischen NELSON-Studie zeigen eine 26%ige Reduktion der Lungenkarzinom-Mortalität nach 10 Jahren.3,4
Definition der Risikopopulation und Pilotprojekte in Österreich
Voraussetzung für das Lungenkarzinom-Screening, welches von allen Fachgesellschaften im DACH-Raum empfohlen wird, ist eine adäquate Definition der Risikopopulation im Rahmen von strukturierten Programmen mit Qualitätssicherung.
In Österreich kann man davon ausgehen, dass ca. 20,8% der Risikopatient:innen im Alter von 50 bis 74 Jahren die Einschlusskriterien (in Anlehnung an die NELSON-Studie) erfüllen, das sindca. 594600 Österreicher:innen.
In Österreich gibt es bereits mehrere geplante Pilotprojekte, u.a. den Tyrolung Lungencheck, welcher mit ca. 500 Proband:innen vorgesehen ist und voraussichtlich im 3./4. Quartal 2025 gestartet werden kann. Die Teilnehmer:innenzahl ist abhängig von finanziellen und logistischen Ressourcen, entsprechend den Kapazitäten für 10 bis 30 CT-Untersuchungen pro Woche. Der Tyrolung Lungencheck entspricht einer Machbarkeitsstudie und hat den Anspruch auf Gewährleistung eines qualitativ hochwertigen Screening-Programms, welches sich auch dadurch auszeichnet, dass es zu einer Zusammenarbeit von Fachärzt:innen aus den Fachgebieten Radiologie, Pulmologie, Psychiatrie, Thoraxchirurgie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie und Onkologie kommt. Vor allem aber auch die Hausärzt:innen bzw. wesentliche Stakeholder werden im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie miteingeschlossen, um das Programm ins Rollen zu bringen. Auch ist geplant, eine Berechnung des individuellen Lungenkarzinom-Risikos über ein Online-Tool auf der zukünftigen Websitedurchzuführen. Dadurch wird es den Hausärzt:innen, aber auch den Fachärzt:innen erleichtert, Patient:innen in diese Studie einzuschleusen.
Anforderungen an das Screening-Programm
Es hat sich herausgestellt, dass zur besten Definition der zu screenenden Population derProstate, Lung, Colorectal, and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trialmit einem risikobasierten Score, der 11 Parameter enthält, herangezogen werden kann. Hier werden das Alter, die Rauchanamnese (aktiv, Exraucher, Dauer und Intensität des Rauchens, Dauer der Nikotinabstinenz), das Geschlecht, der BMI, COPD, Tumoranamnese (persönlich), Familienanamnese, Lungenkarzinom, Schulbildung und Ethnie integriert, um eine hohe prädiktive Performance zu gewährleisten.5
Diese notwendige Vorsorgeuntersuchung ist jedoch sehr komplex:
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Herdbefunde sind bei der Lunge häufig, diese müssen weiter abgeklärt bzw. unterteilt werden in bösartige Tumore oder Metastasen sowie Rundherde anderer Genese wie entzündliche Veränderungen oder Residuen nach durchlaufener Tuberkulose, Rheumaknoten usw.(hohe Qualitätsanforderungen an die Radiolog:innen).
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Die Gewinnung einer Biopsie ist invasiv und mit Risiken behaftet. Daher muss man den Personenkreis für Biopsien eingrenzen, ohne das Risiko der Verzögerung und dadurch des Fortschreitens des Tumors einzugehen.
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Die Qualität der Low-Dose-Computertomografie ist als Nachweis von Herden ab einem Durchmesser von 10 mm zu definieren. Diese Untersuchung eignet sich vor allem zum Nachweis von Herdbefunden, die von belüftetem Lungenparenchym umgeben sind. Das heißt aber auch, dass diese Untersuchung nicht geeignet ist, ein zentrales Bronchialkarzinom in einem frühen Stadium nachzuweisen. Auch sind derzeit die technischen Voraussetzungen in Entwicklung, sodass das starke Bildrauschen, welches die Unterscheidung von helleren Gefäßen und Lymphknoten erschwert, in Zukunft unterdrückt werden kann.
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Falsch positive Befunde sind unvermeidbar. Die Minimierung dieses Risikos stellt hohe Anforderungen an die Rekrutierungen der technischen Durchführung, an die Befundung, an den Umgang mit den Herdbefunden und an die Organisation des gesamten Screening-Systems. Die Untersuchung sollte in 1-mm-Schichtdicke von den Lungenspitzen bis einschließlich des Recessus costodiaphragmaticus durchgeführt werden. Ebenso muss die Befundung durch zwei Radiolog:innen in Verbindung mit einer Auswertung durch spezielle Software zur Detektion von Lungenrundherden erfolgen. Eine Befundung ausschließlich mittels Software ist zu vermeiden, weil die Gefahr von blinden Flecken insbesondere bei Herden, die der thorakalen oder mediastinalen Pleura anliegen, sowie bei zentralen Lungentumoren besteht.
Es gibt zudem weitere Anforderungen an das Screening-Programm:
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Effektive Rekrutierung und sorgfältige Definition der Zielpersonen
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Aufklärung über Risiken des Screenings
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Erfüllung technischer Mindeststandards
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Befundung nach einheitlichen Protokollen
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Einheitliches, klar definiertes Vorgehen bei Herdbefunden
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Definiertes Vorgehen bei diskrepanten Befunden
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Zentrale Bildarchivierung
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Enge Vernetzung zwischen Lungenkrebszentren und assoziierten radiologischen und pulmologischen Einrichtungen
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Akkreditierungs- und Zertifizierungssystem
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Fortlaufende Qualitätssicherung
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Epidemiologische Überwachung und Monitoring der Ergebnisse
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend ist zum Lungenkrebsscreening mit Low-Dose-CT in Europa festzuhalten:
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Lungenkrebs hat den größten Anteil an krebsbedingten Todesfällen (mehr als Kolon- und Pankreaskarzinom zusammen).
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Früherkennung senkt die Mortalität massiv, mehr als jede andere Maßnahme.
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Es gibt zahlreiche laufende Programme international.
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Die meisten EU-Länder arbeiten aktuell an der Einführung eines Lungenskrebs-Screenings bzw. ist ein solches Teil der Regelversorgung (z.B. in Kroatien).
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Wichtig: Strahlenschutz
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Arbeitsersparnis bzw. weitere Qualitätssicherung durch KI
Das Ziel ist, Lungenkarzinome (Rundherde) dann zu entdecken, wenn sie erstmals mit einem CT nachweisbar sind, um die Lungensterblichkeit zu senken. Das Low-Dose-CT bietet eine geeignete Diagnostik, ist jedoch mit hohen organisatorischen Anforderungen vergesellschaftet, um die falschpositiven Befunde zu minimieren.
Für die österreichweite Ausrollung gilt es, in den Pilotstudien auch die Machbarkeit zu prüfen, ein Netzwerk zu schaffen (Pneumolog:innen, Radiolog:innen, Tho-raxchirurg:innen usw.) und die Erkenntnisse zu den Screenings in Europa und den USA an die Strukturen des österreichischen Gesundheitssystems anzupassen. Wichtig ist es, Abläufe zu schaffen, um zunächst Kandidat:innen für die Biopsie sicherer einzugrenzen, ohne dadurch Verzögerungen zu riskieren, durch die der Tumor in ein weiteres Stadium voranschreitet. Zudem wird es erforderlich sein, Ressourcen zu schaffen, um die zu erwartende Mehrzahl an Patient:innen weiter abklären und behandeln zu können. Parallel ist es unbedingt erforderlich, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung weiter zu stärken, vor allem über die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie – durch Informationsvermittlung und durch die Zusammenarbeit mit Fachgruppen und ihren assoziierten wissenschaftlichen Gesellschaften.
Effekt von Rauchstopp und Nikotinabusus in Österreich
Abschließend darf auf den Effekt von Rauchstopp auf die Mortalität im National Lung Screening Trial bzw. in derPost-hoc-Analyse der NLST-Kohorte Rauchstopp hingewiesen werden.6 7 Jahre Nikotinkarenz hatten den gleichen Effekt auf die Lungenkarzinommortalität wie Low-Dose-CT-Screening, 15 Jahre Nikotinkarenz und Screening führen zu einer 40%igen Mortalitätsreduktion. Es kommt also zu einem additiven Effekt von Nikotinkarenz und Low-Dose-CT-Screening.
In Österreich stellt die derzeit fehlende Regulierung des Verkaufs von Nikotinbeuteln ein großes Problem dar. Diese ist bereits in der Novelle zum Rauchverbot enthalten (zur Marktüberwachung) – es fehlt jedoch noch der Beschluss im Ministerrat.
Wir haben seit 2010 die höchste Raucherrate bei Frauen (in Österreich höher als im globalen Durschnitt). Sehr besorgniserregend sind auch neue Produkte wie z.B. Vapes oder E-Zigaretten (als Einstiegsprodukt für die Zielgruppe Jugendliche). Das Aromenverbot in Österreich gilt nicht für alle Nikotinprodukte.
Die Tabakindustrie sponsert das Zubehör zur Entsorgung von Zigaretten in Form von Mülleimern an öffentlichen Orten bzw. Straßenbahnhaltestellen in Wien in Form einer Großzigarette. Dieses Marketing unter dem Umweltaspekt hat jedoch den Effekt eines Triggers für Raucher:innen, eserinnert sie daran, noch eine Zigarette zu rauchen, bevor die Straßenbahn kommt.
Weiters erhöhenpsychische Erkrankungen das Risiko: Zwei Drittel der schwer psychisch erkrankten Menschen rauchen.
In der Entwöhnung muss ein kostenloses oder kostengünstiges Ersatzprodukt angeboten werden, wie z.B. das Medikament Zystin, Nikotinpflaster oder -kaugummi. Ein striktes Rauchverbot in der Entwöhnung ist einzuhalten (im Entzug niemanden alleine lassen!).
Auch sollten Vertreter:innen der Arbeitsmedizin einmal im Jahr eine Arbeitsschutz-Ausschusssitzung abhalten, bei der gesundheitliche Fragen auch zum Thema Rauchen besprochen werden und Gesundheitskompetenz vermittelt wird.
Literatur:
1 Ladage D, Dekirmen S: Lungenkrebsscreening. Früherkennung per Low-Dose-Computertomographie. Zeitschrift für Pneumologie 2023; 19(5): 249-63 2 The National Lung Screening Trial Research Team: Reduced lung-cancer mortality with low-dose computed tomographic screening. N Engl J Med 2011; 365: 395-409 3 De Koning HJ et al.: PL02.05 Effects of volume CT lung cancer screening: mortality results of the NELSON randomised-controlled population based trial. J Thorac Oncol 2018; 13(10): 185 4 De Koning HJ et al.: Reduced lung-cancer mortality with volume CT screening in a randomized trial. N Engl J Med 2020; 382: 503-5 5 Tammemägi MC et al.: Selection criteria for lung-cancer screening. N Engl J Med 2013; 368: 728-73 6 Tanner NT et al.: The association between smoking abstinence and mortality in the National Lung Screening Trial. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193(5): 534-41
Weitere Literatur:
beim Verfasser
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