Management der Hausstaubmilbenallergie
Autor:
Prof. Dr. Randolf Brehler
Allergologie, Berufsdermatologie und Umweltmedizin
Universitätshautklinik Münster
E-Mail: r.brehler@uni-muenster.de
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Die symptomatische Therapie mit Antihistaminika und topischen Kortikosteroiden – bei Asthma auch mit inhalativen Betamimetika in Kombination mit inhalativen Kortikosteroiden – lindert Symptome. Nur die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) kann die Erkrankung modifizieren, wobei der Effekt über das Therapieende hinaus anhalten kann. Zudem werden Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition empfohlen.
Keypoints
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Aufgrund der weltweiten Verbreitung und des hohen allergenen Potenzials sind HDM bedeutende Allergenquellen.
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Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) ist aktuell die einzige erkrankungsmodifizierende Therapie, die häufig erst spät im Erkrankungsverlauf eingesetzt wird.37
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Die Wirksamkeit ist abhängig vom Allergenextrakt, das alle Allergenkomponenten, gegen die ein Patient mit HDM-Allergie sensibilisiert ist, in ausreichender Menge enthalten muss.
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Die Bedeutung der AIT für Patienten mit Asthma durch HDM-Allergie ist nicht nur durch die Symptomlinderung, sondern insbesondere auch durch die Reduktion von Exazerbationen und Atemwegsinfektionen begründet.
Hausstaubmilben („house dust mite“; HDM) sind weltweit verbreitet und als Allergenquelle für inhalative Allergien wie allergische Rhinokonjunktivitis und allergisches Asthma verantwortlich. HDM-Allergene können atopische Dermatitis verschlechtern und bei Vorhandensein in Nahrungsmitteln anaphylaktische Reaktionen auslösen.
Die typische Symptomatik ist geprägt von nasaler Obstruktion und Niesreiz; häufiger als bei einer Pollenallergie entwickelt sich auch ein allergisches Asthma. Von besonderer Bedeutung sind Schlafstörungen durch die nächtliche Nasenatmungsbehinderung, die zu Einschränkungen der Lebensqualität und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit betroffener Patienten führen. Die potenziell ganzjährig auftretenden Symptome erreichen ihr Maximum meist im Herbst und Winter.
Eine Sensibilisierung wird durch Hauttest und Nachweis allergenspezifischer IgE-Antikörper im Serum belegt; der Beweis einer Allergie kann durch Provokation erbracht werden. Bei der lokalen allergischen Rhinitis kann die Diagnose nur durch Provokation und gegebenenfalls durch Bestimmung allergenspezifischer IgE-Antikörper im Nasensekret gestellt werden.
Hausstaubmilben (HDM)
In Häusern und Wohnungen auftretende Spezies werden als „domestic mites“ (Hausmilben) bezeichnet; am häufigsten finden sich Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae.
Die Bedeutung von HDM als Innenraumallergene ergibt sich aus der Tatsache, dass mehr als 50% der allergischen Patienten auch gegen HDM sensibilisiert sind. Geschätzt wird, dass in Deutschland rund 11Mio. Erwachsene betroffen sind.1 HDM benötigen zur Vermehrung Wärme und eine hohe Luftfeuchtigkeit, daher wachsen Populationen hauptsächlich im Sommer, während im Winter und im Frühjahr wesentlich weniger lebende Milben im Hausstaub nachgewiesen werden können.2
Als Allergene fungieren neben Proteinen im Milbenkörper auch Proteine, die überwiegend im Milbenkot enthalten sind. Häusliche Sanierungsmaßnahmen müssen daher insbesondere im Sommer die Vermehrung von Milben verhindern, während im Herbst und Winter die Entfernung von Milbenallergenen im Vordergrund steht.
Symptomatik
HDM-Allergene können bei allergischen Patienten Rhinokonjunktivitis und Asthma auslösen, eine atopische Dermatitis verschlechtern und bei oraler Aufnahme auch zu Anaphylaxie führen. HDM können im häuslichen Bereich in hohen Konzentrationen insbesondere in der Schlafumgebung, aber auch in Polstermöbeln und Teppichen, nachgewiesen werden. Kotballen zerfallen bei Austrocknung mit Beginn der Heizperiode in Partikel, die zu 80% kleiner als 10μm sind und nach Aufwirbeln eingeatmet werden.3 Die Ausprägung der klinischen Symptomatik ist über das Jahr nicht gleich; Beschwerden finden sich akzentuiert im Herbst und Winter.4
Für eine besondere HDM-Allergenexposition im Bett spricht, dass Patienten insbesondere über nächtliche und morgendliche Beschwerden klagen. Eine ausgeprägte Allergenbelastung findet aber auch während des Tages statt. Durch Positionierung von Staubsammlern im Schulterbereich von Probanden konnte gezeigt werden, dass ca. 90% der Exposition während des Tages stattfinden.5Allerdings sedimentieren HDM-Allergene, diebeim Staubsaugen, Bettenmachen etc. aufgewirbelt werden, im Gegensatz zu anderen Allergenen rasch und finden sich nurrelativ kurze Zeit in der Luft.6,7
Für HDM-Allergiker besonders belastend sind infolge der nächtlichen Nasenatmungsbehinderung auftretende Schlafstörungen, die zu Tagesmüdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit führen. Bei 1768 untersuchten Patienten mit HDM-Allergie, die sich einer AIT mit HDM-Allergenextrakt unterzogen, standen Schlafprobleme bei Erwachsenen mit 73,5% an erster Stelle für die Gründe, die Patienten zum Arzt geführt hatten. Berichtet wurden Schwierigkeiten beim Einschlafen, nächtliches Erwachen, frühes Aufwachen, schlechte Schlafqualität, das Gefühl, zu wenig geschlafen zu haben, und auch Schnarchen.8
Da die relativ kleinen Allergenpartikel gut lungengängig sind, ist das Risiko für HDM-Allergiker, eine bronchiale Hyperreagibilität bzw. ein manifestes allergisches Asthma zu entwickeln, höher als für Patienten mit Pollenallergie. Asthmapatienten mit HDM-Allergie-bedingter allergischer Rhinitis haben eine signifikant schlechtere Lungenfunktion und erleiden mit höherer Wahrscheinlichkeit Asthma-Exazerbationen als Asthmatiker ohne HDM-bedingte allergische Rhinitis.9
Durch Patchtests mit HDM-Extrakten wurde zumindest eine Verschlechterung einer atopischen Dermatitis (AD) durch Hautkontakt mit HDM-Allergenen belegt,10 wobei im Prinzip auch die Inhalation von Allergenen (gezeigt für die Exposition mit Gräserpollenallergen) die Hauterkrankung negativ beeinflussen kann.11 Die AIT mit HDM-Allergen kann im Prinzip zur Verbesserung der AD führen.12 Sowohl Hausstaubmilben als auch Vorratsmilben können allergische Reaktionen unterschiedlichen Schweregrades durch Verzehr kontaminierter Lebensmittel auslösen. Berichte finden sich insbesondere über allergische Reaktionen nach Verzehr von Produkten aus kontaminiertem Getreide/Mehl.13
Diagnostik
Die bevorzugte Methode zum Nachweis einer HDM-Sensibilisierung ist der Prick-Test, Extrakte beider HDM werden routinemäßig im Prick-Standard-Test erfasst.14 Zu beachten ist, dass bei einer lokalen allergischen Rhinitis der Hauttest definitionsgemäß negativ ist.
In Testextrakten können auch wichtige HDM-Allergene unterrepräsentiert sein, kritisch ist insbesondere die Konzentration von Derp23.15 Dass Prick-Test-Ergebnisse mit HDM-Extrakten unterschiedlicher Hersteller sehr unterschiedlich ausfallen können, ist in der Literatur belegt worden.16
Für die In-vitro-Untersuchung stehen neben HDM-Extrakten auch Komponenten zur Verfügung. Am geläufigsten sind dabei die 3 HDM-Majorallergene (Gruppe-1-Allergene, Gruppe-2-Allergene, Der p23) und als Markerallergen Der p10 für Kreuzreaktionen mit Tropomyosinen anderer Invertebraten wie Krustentieren, Spinnentieren, Würmern etc. Patienten weisen individuelle Sensibilisierungsmuster auf, ein durchaus relevanter Anteil an Patienten ist ausschließlich gegen Derp23 sensibilisiert.17,18
Dem Nachweis der Relevanz einer Sensibilisierung dient die Allergenprovokation, die nasal, aber auch okulär oder bronchial erfolgen kann. Die Beurteilung des Testergebnisses der nasalen Provokation kann mittels Symptomscore (nasale Sekretion, Obstruktion, Niesreiz, Juckreiz, Augensymptome) erhoben werden.19 Zur Verfügung stehen auch objektive Messverfahren (anteriore Rhinomanometrie, akustische Rhinometrie, 4-Phasen-Rhinomanometrie). Den geringsten Aufwand hat die Bestimmung des inspiratorischen nasalen Spitzenflusses („peak nasal inspiratory flow“; PNIF).20 Möglich sind auch konjunktivale oder bronchiale Provokation.
Allergenexpositionsmeidung
Milbenallergikern werden Maßnahmen zur Reduktion der Allergenexposition empfohlen. In Deutschland hat das Umweltbundesamt Empfehlungen herausgegeben: https://www.umweltbundesamt.de/hausstaubmilbe#vorbeugende-und-alternative-bekampfungsmassnahmen .
Eine zur Symptomvermeidung ausreichende Milbenexpositionsprophylaxe kann dabei sehr umfangreiche Maßnahmen erfordern, die im Einzelfall von betroffenen Patienten aber kaum umgesetzt werden können.
Staubsaugen
Die Entfernung lebender HDM durch Staubsaugen gelingt nur bedingt, da sich Milben mit Saugflächen an den Fußsohlen auch an glatten Oberflächen gut halten können.21 Auch ist die Entfernung von Allergenpartikeln aus tieferen Schichten wie z.B. Bettmatratze oder Polstermöbel durch Staubsaugen kaum möglich.
Akarizide
Zur Milbensanierung können Akarizide eingesetzt werden, die Milben vernichten oder Milbenallergene denaturieren. Die Frage ist, wie tief Chemikalien in Matratzen eindringen und ob Milben in tieferen Schichten tatsächlich erreicht werden. Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt, auf den Einsatz von Bioziden – Milbensprays/antibakteriell ausgerüsteten Matratzen/Betttextilien – grundsätzlich zu verzichten: https://www.umweltbundesamt.de/hausstaubmilbe#vorbeugende-und-alternative-bekampfungsmassnahmen .
Wohnungsklimatisierung
Durch Klimatisierung mit Absenkung von Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit können für Milben ungünstige Lebensbedingungen geschaffen werden. Die Luftfeuchtigkeit muss dafür unter 45–50% gesenkt werden, wobei zu beachten ist, dass das Mikroklima im Bett kaum ausreichend beeinflusst werden kann. Auf die Problematik einer aus Kostengründen zunehmenden Verwendung evaporativ funktionierender Kühlgeräte, die Allergene und Schimmelpilze zwar aus der Luft filtern, aber die Luftfeuchtigkeit erhöhen und dadurch HDM- und Schimmelpilzwachstum begünstigen können, wurde hingewiesen.22
Encasing
Der Einsatz von Encasings kann im Einzelfall durchaus hochwirksam sein, auch wenn eine Metaanalyse einen signifikanten Effekt auf die Symptome des allergischen Asthmas nicht belegen konnte.23 Dabei unterscheiden sich Encasings durch das verwendete Material;24 sichergestellt werden muss ein gutes Partikel-Rückhaltevermögen bei ausreichender Feuchtigkeitsdurchlässigkeit.25
Luftfilter
Durch Verwendung von Luftfiltern (HEPA-Filter) kann die Anzahl HDM-Allergen-tragender Partikel signifikant vermindert werden.26 Allerdings findet sich HDM-Allergen nur nach Verwirbelung für relativ kurze Zeit in der Luft und sedimentiert rasch.
Therapie
Symptomatische Therapie
Die symptomatische Therapie mit Antihistaminika und topischen Kortikosteroiden zielt auf Linderung der Symptomatik der HDM-Allergie. Zur Behandlung von asthmatischen Beschwerden sei auf die aktuelle Leitlinie zur Behandlung von Asthma verwiesen; zur Anwendung kommen insbesondere inhalative Betamimetika und inhalative Kortikosteroide.27
Allergenspezifische Immuntherapie
Therapieextrakte zur Behandlung der HDM-Allergie können durch Extraktion von gereinigten Hausstaubmilbenkörpern oder auch Hausstaubmilbenkulturen gewonnen werden. Die Allergenkonzentration und das Allergenprofil der Extrakte unterschiedlicher Hersteller variieren deutlich; die Wirksamkeit hängt dabei von der Allergendosis und der Allergenkomposition ab. Extrakte müssen alle Allergenkomponenten in ausreichender Menge enthalten, gegen die ein Patient individuell sensibilisiert ist. Insbesondere Patienten mit Asthma sind gegen mehr Allergenkomponenten sensibilisiert als Patienten, die ausschließlich unter allergischer Rhinokonjunktivitis leiden.17 Mit zunehmender Erkrankungsschwere steigt damit die Bedeutung der Auswahl eines individuell geeigneten Allergenextrakts. Wie weiter oben ausgeführt, ist insbesondere die Konzentration von Derp23 in HDM-Extrakten kritisch. Als Indiz für eine ausreichende Der-p-23-Menge in einem Therapieextrakt kann die therapiebedingte Induktion spezifischer IgG-Antikörper gegen diese Allergenkomponente angesehen werden. Gezeigt wurde, dass die AIT mit einem Extrakt, durch das keine IgG-Antikörper gegen Derp23 induziert werden, bei Patienten wirkt, die ausschließlich gegen Gruppe-1-und Gruppe-2-Allergene sensibilisiert waren, nicht aber bei Patienten, die Sensibilisierungen auch gegen andere Hausstaubmilben-Allergenkomponenten aufwiesen.28 Auf der anderen Seite konnte für zwei, auch auf dem deutschen Markt erhältliche, HDM-Tabletten gezeigt werden, dass durch die Therapie IgG-Antikörper gegen alle drei Majorallergene (Gruppe 1, Gruppe 2 und Derp23) induziert werden. Patienten mit Sensibilisierung gegen Derp23 sprachen auf die Therapie mit diesen Extrakten genauso an wie Patienten ohne Sensibilisierung gegen dieses Majorallergen.29,30
Die Therapie von HDM-Allergikern, die auch unter Asthma leiden, ist besonders wichtig. Die AIT kann bei gegebener Indikation auch bei einem schweren Asthma erfolgen, sofern keine Kontraindikation (insbesondere kein unkontrolliertes Asthma) vorliegt.27 Gezeigt wurde, dass die HDM-AIT zu einer signifikanten Reduktion von Asthmaexazerbationen und zu einer Reduktion von Infekten des Respirationstraktes führt.31
Für die SLIT mit einem HDM-Extrakt konnte eine erhöhte Resistenz bronchialer Epithelien gegen virale Infekte durch Induktion von Interferon(IFN)-ß-mRNA und Protein in bronchialen Epithelien belegt werden.32 Bei Patienten mit schwerem Asthma (Therapiestufe 5), bei denen eine HDM-Allergie besteht, kann bei Kontrolle des Asthmas durch Biologika zusätzlich eine AIT mit HDM-Extrakt durchgeführt werden. Die Kombination aus AIT und Biologika-Therapie ist für Omalizumab, Dupilumab und Tezepelumab in Studien untersucht worden.33–36
Literatur:
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