
Obstruktives Schlafapnoe - Syndrom des Erwachsenen
Leiter der Abteilung für Lungenheilkunde<br>Oberösterreichische Gesundheitsholding GmbH<br>Klinikum Steyr<br>E-Mail: josef.bolitschek@ooeg.at
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Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist eine häufige Erkrankung, die mit vielen belastenden Krankheitssymptomen vergesellschaftet ist und mit einer signifikant verminderten Lebensqualität einhergeht. Das OSAS wird den schlafbezogenen Atemstörungen zugerechnet und ist deren häufigster und am intensivsten erforschter Vertreter.
Keypoints
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Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist die Kombination diagnostizierter obstruktiver Apnoen mit klinischen Symptomen.
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Das Leitsymptom des OSAS ist die Tagesmüdigkeit, verursacht durch die nächtliche Hypoxie, eine gestörte Schlafarchitektur und einen hohen Arousal-Index.
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Neben der Umstellung der Lebensgewohnheiten ist diehäufigste Therapieform des OSAS die positive Druckbeatmung.
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Weitere Möglichkeiten zur Therapie des OSAS sind operative Eingriffe am weichen Gaumen, an Zunge, Zungenbein, Ober- und Unterkiefer, aber auch die Stimulation des Nervus hypoglossus.
Pathogenese
Obstruktive Schlafapnoen (OSA) treten im Leichtschlaf und REM-Schlaf auf. Während dieser Schlafphasen kommt es bei gewissen Personen, meist sind es adipöse Patienten mit einer Fettverteilung zugunsten des Oberkörpers oder Personen mit Abnormitäten des Gesichtsschädels wie Mikrognathie, zu rezidivierenden Einengungen (Hypopnoe) oder totalem Kollaps (Apnoe) im Bereich des Meso- und Hypopharynx. Vielen Hypopnoen und Apnoen folgt eine Hyperventilation, wodurch es zu einer Normalisierung oder zumindest einer Verringerung des Sauerstoffsättigungsabfalls und des CO2-Anstiegs kommt. Eine überschiessende Hyperventilation kann zum Abfall des CO2 unter die Apnoeschwelle führen und zur Instabilität der Atmung beitragen.
Definition und Diagnose
Die International Classification of Sleep Disorders (ICSD) 3 unterscheidet fünf unterschiedliche diagnostische Kriterien, die sich im Atemmuster und in der zugrunde liegenden Pathogenese unterscheiden. Ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist die Kombination diagnostizierter obstruktiver Apnoen mit klinischen Symptomen. Mehr als 15 obstruktive Apnoen pro Stunde sind ausreichend für die Diagnose einer obstruktiven Schlafapnoe. In diesem Fall sind keine weiteren klinischen Symptome für die Diagnose notwendig. Bei einem Apnoeindex (AI) über 5 sind für die Diagnosestellung noch Symptome wie Tagesschläfrigkeit, lautes Schnarchen und beobachtete Atemstillstände oder internistische Symptome wie Hypertonie, Herzinsuffizienz usw. sowie neurologisch-psychiatrische Symptome wie depressives Verhalten notwendig. Die Diagnose des OSAS wird nach klinischem Verdacht anhand einer Polysomnografie im Schlaflabor oder zu Hause mithilfe einer 6-Kanal-Polygrafie gestellt.1 Laut der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) von 2017 soll die Diagnose schlafbezogener Atemstörungen dazu dienen, eine effiziente, bedarfsgerechte, wirtschaftliche und nebenwirkungsarme Therapie einzuleiten.2 Um Kosten zu reduzieren und der hohen Prävalenz des OSAS Rechnung zu tragen, hat die Telemedizin auch in der Schlafmedizin an Bedeutung gewonnen. Anwendung findet sie als Telediagnostik, Telekonsultation, Teletherapie und Telemonitoring bei OSA-Patienten, die mit nasalem «continuous positive airway pressure» (nCPAP) behandelt werden.3
Klinik, Symptome, Komorbiditäten
Das Leitsymptom des OSAS ist die Tagesmüdigkeit (EDS), die imperativ sein kann und zu Einschlafattacken in ungewöhnlichen Situationen führen kann. Es gibt Patienten mit diagnostizierter OSA, die vermehrte Einschlafneigung während des Tages negieren oder tatsächlich nicht aufweisen. Ob ein OSAS mit oder ohne exzessive Tagesmüdigkeit zwei unterschiedliche Phänotypen einer Erkrankung darstellt oder ob es sich um zwei genetisch, pathophysiologisch und auch prognostisch unterschiedliche Erkrankungen handelt, ist Thema wissenschaftlicher Diskussion.4 Verursachend für die EDS bei OSAS sind die nächtliche Hypoxie, eine gestörte Schlafarchitektur und ein hoher Arousal-Index. Die bei Patienten mit OSAS häufig gefundene verminderte Lebensqualität ist bei Frauen stärker ausgeprägt und zum grössten Teil durch die exzessive Tagesmüdigkeit verursacht.5 Eine in Südkorea durchgeführte Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen OSAS und Lebensqualität und fand, dass Depressionen, schlechte Schlafqualität und höheres Alter sowohl die mentale wie auch physische Komponente des SF-36 betrafen, während EDS, hoher BMI, Geschlecht und minimale Sauerstoffsättigung nur die physische Komponente beeinträchtigte.6 Besondere Auswirkung hat die EDS am Arbeitsplatz, vor allem bei monotonen Tätigkeiten. Eine skandinavische Studie zeigt, dass schnarchende Menschen mit EDS ein 2,2-fach erhöhtes Risiko für Arbeitsunfälle haben.7 Einschlafen am Steuer ist die häufigste Ursache für Autounfälle. Eine grosse schwedische Studie fand ein 2,5-fach erhöhtes Unfallrisiko bei Autolenkern mit OSAS.8
Die Phänotypisierung hat wie bei anderen Krankheitsbildern auch in der Schlafmedizin an Bedeutung gewonnen. Das OSAS hat neben dem Hauptsymptom der EDS auch eine Insomniekomponente, die unterschiedlich ausgeprägt ist und zwischen 39% und 55% je nach Kohorte liegt. In einer europäischen Kohorte fand man in der Insomniegruppe mehr kardiovaskuläre Komorbiditäten als in der EDS-Gruppe (56% vs. 49,9%, p<0,001).9 In mehreren Studien wird ein Zusammenhang von metabolischem Syndrom und OSA als bewiesen oder zumindest hoch wahrscheinlich angesehen, die Kombination wird als «Z-Syndrom» bezeichnet. Eine Metaanalyse von Xu und Mitarbeitern beschreibt, obwohl nicht unerhebliche Unterschiede in den zitierten Studien vorliegen, einen stabilen Zusammenhang zwischen OSA und dem metabolischen Syndrom.10 Der wesentlichste gemeinsame Faktor ist unzweifelhaft die Fettleibigkeit.
Epidemiologie
Das OSAS ist die häufigste schlafbezogene Atemstörung. Die Häufigkeit liegt zwischen 3% und 7%, bei gewissen Subgruppen ist sie sicherlich deutlich höher. Peppard et al.11 fanden, dass die Häufigkeit des OSAS in den letzten 20 Jahren, seit der Untersuchung von Young et al.12, deutlich gestiegen ist und je nach untersuchter Population zwischen 14% und 55% liegt. Eine aktuellere epidemiologische Studie, die in der Schweiz durchgeführt wurde, basiert auf der Allgemeinbevölkerung von Lausanne.13 Die Diagnose wurde zu Hause polysomnografisch gestellt, und zwar entsprechend der Definition der American Academy of Sleep Medicine (AASM) von 2013. 49,7% der Männer und 23,4% der Frauen im Alter von 40 Jahren und älter hatten einen Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) von über 15 Ereignissen pro Stunde. Wurde der Epworth Sleepiness Score > 10 in die Definition mitaufgenommen (AHI >5), war die Prävalenz des OSAS bei Männern 12,5%, bei Frauen 5,9%.13
Therapie
Die Behandlung des OSAS sollte einerseits die reversiblen Faktoren der Erkrankung wie Adipositas und Alkoholkonsum am Abend sowie andererseits phänotypische Unterschiede des OSAS berücksichtigen. Publizierte Evidenz bestätigt, dass durch Gewichtsreduktion mittels diätetischer Massnahmen und vermehrter körperlicher Aktivität eine Verbesserung von OSA-Parametern eintritt, selten jedoch eine Normalisierung.14 Eine Veränderung der Lebensgewohnheiten sollte auf jeden Fall jede andere Therapie begleiten.
Die häufigste Therapieform und Goldstandard des OSAS für alle Schweregrade ist die positive Druckbeatmung (CPAP), wobei der Druck nasal und kontinuierlich appliziert wird. CPAP reduziert den Widerstand des oberen Atemwegs durch Verhinderung des Kollapses während des Schlafs. Der Effekt der CPAP-Therapie bei OSAS wurde in verschiedenen Studiendesigns evaluiert, wobei CPAP mit Sham-CPAP oder anderen Therapieoptionen verglichen wurde. Bei mittelschweren und schweren Fällen von OSAS war CPAP anderen Therapieoptionen überlegen, vor allem in Hinblick auf die Reduktion des AHI und der Tagesmüdigkeit. Der Einfluss der CPAP-Therapie auf depressive Zustandsbilder wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. In einer kürzlich publizierten Studie verbesserte die dreimonatige Anwendung eines nCPAP den Depressionsscore bei OSA-Patienten nicht signifikant.15 Eine gute Compliance in Bezug auf die CPAP-Anwendung reduzierte jedoch den Symptomscore von OSA-Patienten mit Depression.15 Als eine akzeptable Compliance gilt die tägliche Anwendung von vier Stunden. Eine längere Anwendung des CPAP während der Nacht wird empfohlen und soll vor allem in der Behandlung der essenziellen Hypertonie von entscheidendem Vorteil sein. Neben individuellen Faktoren ist die Compliance abhängig vom erkennbaren Benefit der Therapie, d.h. von einer raschen und deutlichen Symptomreduktion. Auch die Länge der Wartezeit auf eine CPAP-Einstellung hat offensichtlich Einfluss auf die Compliance.16
Autotitrierender CPAP (Auto-CPAP) ist eine Weiterentwicklung des traditionellen CPAP; dabei wird der nasale Druck kontinuierlich in gleicher Stärke appliziert. Der Auto-CPAP passt den applizierten Druck zwischen eingestellten Grenzen den Gegebenheiten an, um die Atemwege unter unterschiedlichen Atemstrombehinderungen offen zu halten.
Weitere anerkannte Therapiemöglichkeiten des OSAS sind operative Eingriffe am weichen Gaumen, an Zunge, Zungenbein, Ober- und Unterkiefer. Die Korrektur eines deviierten Nasenseptums macht besonders in Hinblick auf eine CPAP-Therapie Sinn. Alternativ zum CPAP werden bei leichter und mittelschwerer Form des OSAS Unterkieferprotrusionsschienen angepasst und eingesetzt, die den Unterkiefer nach ventral verlagern und somit den Raum hinter der Zunge vergrössern.
Eine aktuelle Option in der Behandlung von Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, welche die CPAP-Therapie nicht nutzen können oder bei denen diese nicht ausreichend wirkt, ist eine Stimulation des Nervus hypoglossus. An der Atemmuskulatur liegt ein Sensor, der In-und Exspiration detektiert und diese Information zu einem Schrittmacher weiterleitet. Dieser sendet schwache Impulse zum Nervus hypoglossus, der den Hauptmuskel der Zunge tonisiert und die Zunge nach ventral bewegt, wodurch eine im Schaf auftretende Rückverlagerung der Zunge in den Pharynx verhindert wird. Bei selektionierten Patienten ist eindeutig ein Benefit zu erkennen. Die Nachteile sind hohe Kosten und die Invasivität des Eingriffes.17 Eine Studie, die den Effekt der Nervus-hypoglossus-Stimulation nach fünf Jahren Anwendung untersuchte, fand eine Verringerung der Tagesschläfrigkeit gemessen mit der Epworth Sleepiness Scale – die Zahl normaler Testergebnisse stieg von 33% auf 78%. Es zeigte sich auch eine Verbesserung der Lebensqualität laut Functional Outcomes of Sleep Questionnaire (FOSQ), mit Zunahme der normalen Score-Werte von 15% auf 67%. Der AHI konnte um 75% reduziert werden, bei einer minimalen Nebenwirkungsrate von 6%.18 Eine negative Beeinflussung von Herzschrittmacheraggregaten durch die Nervus-hypoglossus-Stimulation konnte in einer Studie mit relativ kleiner Fallzahl nicht nachgewiesen werden.19
Zusammenfassung
Das OSAS ist eine häufige, mit vielen Komorbiditäten assoziierte Erkrankung. Seine zunehmende Prävalenz, der komplexe Pathomechanismus und das zunehmende Wissen um personalisierte Therapieoptionen stellen auch in weiterer Zukunft eine Herausforderung für schlafmedizinisch tätige Ärzte dar.
Literatur:
1 Epstein LJ et al.: J Clin Sleep Med 2009; 5: 263-76 2 S3-Leitlinie. Somnologie 2017; 20(Suppl s2): 97-180 3 Bruyneel M: Eur Respir Rev 2019; 28: 180093; doi: 10.1183/16000617.0093-2018 4 Garbarino S et al.: Front Neurol 2018; 9: 505 5 Silva GE et al.: Southwest J Pulm Crit Care 2016 ; 13: 137-49 6 Lee W et al.: Chron Respir Dis 2016; 13: 33-9 7 Lindberg E et al.: Am J Respir Crit Care Med 2001; 164: 2031-5 8 Karimi M et al.: Sleep 2015; 38: 341-9 9 Saaresranta T et al.: PLoS One 2016; 11: e0163439 10 Xu S et al.: BMC Pulm Med 2015; 15: 105 11 Peppard PE et al.: Am J Epidemiol 2013; 177: 1006-14 12 Young T et al.: N Engl J Med. 1993; 328: 1230-5 13 Heinzer R et al.: Lancet Respir Med 2015; 3: 310-8 14 Araghi MH et al.: Sleep 2013; 36: 1553-62 15 Mok Y et al.: Sleep Med 2020; 73:11-4 16 Thornton CS et al.: JAMA Netw Open 2020; 3: e203088 17 Strollo PJ Jr et al.: N Engl J Med 2014; 370: 139-49 18 Woodson BT et al.: Otolaryngol Head Neck Surg 2018; 159: 194-202 19 Parikh V et al.: Heart Rhythm 2018: 15: 1165-70
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