
Pneumonie − Risikoevaluierung und Therapie
Autor:
Dr. Otmar Schindler
Geschäftsführender Oberarzt
Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie
LKH Graz I, Standort Enzenbach
E-Mail: otmar.schindler@kages.at
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Bei Vorliegen einer ambulant erworbenen Lungenentzündung kann die Möglichkeit der ambulanten Betreuung durch eineRisikoabschätzung evaluiert werden. Patienten, die nicht ambulant betreut werden können oder deren Zustand sich unter Therapie nicht bessert, sollen stationär vorgestellt werden.
Keypoints
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Die Pneumonie ist eine ernst zu nehmende Erkrankung. Von der ambulanten Therapie bis zur Intensivstation ist es notwendig, eine gute klinische Einschätzung des Zustandes des Patienten vorzunehmen, sein Therapieziel zu definieren und rasch zu handeln.
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Die Erregerdiagnostik im stationären Setting sollte Blutkulturen und bei Verdacht atypische Erreger (Abstriche, Urin-Antigen, BAL) umfassen.
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Die Evaluierung des Immunstatus und der Begleiterkrankungen von Patienten ermöglicht eine leitlinienadaptierte rasche, richtig dosierte und zielgerichtete antibiotische Therapie.
Die ambulant erworbene Pneumonie („community-acquired pneumonia“; CAP) ist die am häufigsten zur Spitalsaufnahme führende Infektionserkrankung.
Zu den klinischen Symptomen einer Pneumonie gehören:
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Atemwegssymptome wie Husten mit oder ohne Auswurf, Dyspnoe, atemabhängige thorakale Schmerzen
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Allgemeinsymptome wie Fieber oder Hypothermie, allgemeines Krankheitsgefühl („malaise“), „grippale“ Symptome wie Myalgien, Arthralgien, Cephalgien, Palpitationen, Kreislaufbeschwerden, Diarrhöen
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neurologische Symptome wie Desorientiertheit („confusion“), insbesondere bei älteren Patienten
In der allgemeinmedizinischen, internistischen oder lungenfachärztlichen Praxis sollte eine Risikoevaluierung durchgeführt werden, um die Möglichkeit einer ambulanten Betreuung abzuschätzen.
Risikoevaluierung
Die Einschätzung mittels CRB-65-Score (Tab.1) erhebt dasMortalitätsrisiko, ab 1 Punkt ist eine Krankenhauseinweisung zu erwägen. Als Caveat des CRB-65-Scores muss angeführt werden, dass er für sehr alte Patienten und Pflegeheimbewohner daher nicht optimal prädiktiv ist. Zusätzlich sollte der funktionelle Status erhoben werden, um Patienten zu differenzieren, für die kein kuratives Therapieziel angestrebt wird. Ebenso ist die soziale Situation (Patient versorgt?) miteinzubeziehen.
Ergänzt werden sollten diese klinische Beurteilung und der Score um eine Messung der Pulsoxymetrie (Sättigung ≥92% bei Raumluft) und um die Erhebung sogenannter „instabiler Komorbiditäten“.
Streng genommen sind hier eine Herzinsuffizienz und ein akutes Koronarsyndrom gemeint. Im Kontext ist es aber wohl auch sinnvoll, andere Erkrankungen mit einzubeziehen.
Antibiotische Therapie
Als antibiotische Therapie der Wahl wird bei fehlenden Komorbiditäten Amoxicillin, alternativ Doxycyclin oder Azithromycin empfohlen.Bei den beiden Letztgenannten ist allerdings in der Mono-Therapie die Resistanzrate gegen Pneumokokken von mittlerweile etwa 10% zu bedenken.
Bei chronischen Komorbiditäten richtet sich die Therapie nach wahrscheinlichen Erregern, die dadurch bedingt werden können, sodass zusätzlich zu Pneumokokken und Hämophilus auch die sog. PES-Erreger Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien und (nicht resistenter) Staphylococcus aureus in Betracht kommen (Tab. 2).
Therapie der Wahl ist ein Aminopenicillin mit Betalaktamaseinhibitor (BLI). Alternativ können – unter Berücksichtigung der Warnhinweise – Chinolone angewendet werden, wobei Ciprofloxacin aufgrund seiner mangelnden Wirksamkeit gegen Pneumokokken nicht indiziert ist.
Spezielle Patientengruppen
Zur genannten Standardtherapie müssen noch außergewöhnliche Situationen mit speziellen Patientengruppen beachtet werden.
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Junge Patienten: Bei diesen sindhäufig atypische Erreger zu finden, sei es aus epidemiologischer Sicht – Mykoplasmen, Influenza – oder auch als „Reiseandenken“. In einigen Gebieten Österreichs sollte man auch Pumula-Infektionen mitbedenken. Die Therapie richtet sich hier nach der klinischen Wahrscheinlichkeit.
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Patienten mit Immunsuppression (Tab.3): Hier ist mit einem geänderten Erregerspektrum zu rechnen. Vorauszuschickenist, dass es sich um eine echte Immunsuppression handeln muss, einfache kardiale, renale oder auch respiratorische Erkrankungen zählen hier nicht dazu.
Die „core pathogens“ der CAP bei Immunsuppression sind unverändert, aber es gibt andere Erreger, die gehäuft auftreten. Hier ist es insbesondere wichtig, jene zu kennen, gegen die es auch spezifische therapeutische Optionen gibt. Einen Konsens, wie man einen Nachweis der entsprechenden Erreger erhält, gibt es nicht. Blutkulturen werden bei allen schweren Pneumonien empfohlen, die bronchoalveoläre Lavage (BAL) hat bei diesen Patienten auch einen gewissen Stellenwert.
Die Art der Immunsuppression und evtl. auch die klinischen Zeichen und/oder die Radiologie können schon den Verdacht auf gewisse Erreger lenken. Auch serologische Tests können hinweisend sein, beispielsweise eine PCR von Herpesvirustypen und der Nachweis von Pilzwandbestandteilen. Auch nasopharyngeale Swabs können bei dieser speziellen Patientenklientel sinnvoll sein – im Gegensatz zu immunkompetenten Patienten.
Die antibiotische Therapie sollte grundsätzlich nicht verändert werden. Typische CAP-Erreger sollten damit ohnehin erreicht werden. Bei schweren Pneumonieverlaufsformen ist aber auch an resistente Erreger zu denken, wenngleich die häufigste Ursache für eine schwere Pneumonie – unabhängig vom Immunstatus – die Pneumokokken bleiben. Bei (anamnestischen) Hinweisen auf MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) oder ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen) muss die Therapie entsprechend angepasst werden.
Steht der Verdacht auf eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PCP) im Raum, ist Trimethoprim/Suxamethonium in hoher Dosis (20mg TMP/Tag in 3−4 Dosen) indiziert. Beim HIV-Patienten sollte zudem die Kortisongabe systemisch erfolgen.
Ambulante Betreuung
Bei ambulanter Betreuung von Patienten mit CAP ist eine Kontrolle der Effektivität nach spätestens 72 Stunden empfohlen. Dabei sind die Zeichen der klinischen Stabilität definiert (Tab. 4)
Patienten, die nicht ambulant betreut werden können oder sich unter Therapie nicht bessern, sollen stationär vorgestellt werden.
Risikoabschätzung im Krankenhaus
Zur Risikoabschätzung im Krankenhaus gibt es andere Möglichkeiten. Eine Bildgebung ist hier jedenfalls notwendig – ob Röntgen oder Sonografie ist nicht ganz klar definiert. Weiters sollten die ATS-Kriterien angewandt werden.
ATS-Kriterien
Major-Kriterien sind respiratorische Insuffizienz oder Notwendigkeit einer Vasopressorentherapie. Solche Patienten werden üblicherweise auf Intensivstationen verlegt. Auch das Vorliegen von 2 oder mehr Minor-Kriterien (Tab. 5) gibt Anlass zur Sorge, daher sollten die Patienten auf einer Überwachungsstation beobachtet und therapiert werden. Als Mindestanforderung ist in einem solchen Fall die engmaschige Kontrolle der Vitalparameter oder Monitorisierung auf der Normalstation gegeben.
Bei der mittelschweren Pneumonie (1−2 Minor-Kriterien) sollte auch die Auswahl des Antibiotikums überdacht werden. Es sollten atypische Erreger in die Überlegungen mit einbezogen werden. Aminopenicilline mit BLI oder Cephalosporine, evtl. kombiniert mit Azithromycin, werden hier empfohlen. Initial ist die intravenöse Verabreichungempfohlen,evtl. mit anschließenderSequenztherapie oral.
Bei schwerer Pneumonie (1 Major-Kriterium oder mindestens 3 Minor-Kriterien) ist (unter Berücksichtigung lokaler Resistenzen und evtl. Herkunft/Vortherapie in anderen Ländern) Piperacillin/Tazobactam plus Azithromycin die erste Wahl, Cefotaxim oder Ceftriaxon jeweils plus Azithromycin sind ebenso möglich. Moxi- oder Levofloxacin sind Ausweichpräparate.
Wenn Sie die Entscheidung zur Intensivtherapie mit weiteren Scores untermauern möchten, empfehlen die Leitlinien, den SOFA zu verwenden. Dieser ist aufwendiger, aber wesentlich genauer und in der Prädiktion von Tod oder notwendiger Organersatztherapie – also intensivmedizinischem Bedarf – dem ATS überlegen.
Systemische Kortikoidtherapie
Eine systemische Kortikoidtherapie ist bei CAP nur in speziellen Situationen zu erwägen. Bei Influenza-Pneumonie gibt es tendenzielle Daten, die eine Verschlechterung und vermehrtes Auftreten von „influenza-associated pulmonary aspergillosis“ (IAPA) zeigen. Bei Covid-19-CAP mit Sauerstoffpflicht ist Cortison (Dexamethason 6–12mg über 5–10 Tage) inzwischen Standard. Bei Pneumonien mit hohem inflammatorischem Potenzial, definiert als bilaterale Infiltrate und hohem CRP, ist die Kortikoidtherapie wahrscheinlich sinnvoll. Beim septischen Schock geht man derzeit bei therapierefraktären Hypotensionen auch von einem Nutzen einer Kortisontherapie aus.
Sicher indiziert ist die Kortikoidtherapie bei Asthma-und COPD-Patienten mit Obstruktion im Rahmen ihrer Pneumonie.
Weiterführende Literatur:
• Ewig S et al.: Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021. Leitlinie der DGP, PEG, DGI, DGIIN, DGV, CAPNETZ, DEGAM, DGG, DGP, ÖGP, ÖGIT, SGP, SSI. Pneumologie 2021; 75(9): 665-729 • Ramirez JA et al.: Treatment of community-acquired pneumonia in immunocompromised adults: aconsensus statement regarding initial strategies. Chest 2020; 158(5): 1896-911
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