Respiratorische Beschwerden nach Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen
Autorin:
Dr. Anne Schlegtendal
Funktionsoberärztin der Universitätskinderklinik Bochum
Abteilung pädiatrische Pneumologie
Katholisches Klinikum Bochum
Klinik der Ruhr-Universität Bochum
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Long Covid tritt bei 2–25% der Kinder und Jugendlichen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf. Typisch sind respiratorische Beschwerden wie Husten, Dyspnoe und Belastungsintoleranz, wobei die Lungenfunktionstestung in den häufigsten Fällen unauffällig ist. Differenzialdiagnostisch kommen neben dem Post-Covid-19-Syndrom noch andere Ursachen dieser Beschwerden wie eine bronchiale Hyperreagibilität oder eine funktionelle Atemstörung infrage.
Keypoints
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Persistierende Beschwerden werden von ca. 2–25% der infizierten Kinder und Jugendlichen 4 Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion angegeben (Long Covid).
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Belastungsintoleranz, Husten und Dyspnoe gehören zu den am häufigsten genannten Symptomen.
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Differenzialdiagnostisch kommen unterschiedliche Ursachen dieser Symptome infrage, diese sollten sorgfältig kinderpneumologisch abgeklärt werden.
Post Covid oder Long Covid?
Für persistierende Beschwerden nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus existieren verschiedene Begriffe, wobei Long Covid und Post-Covid-19-Syndrom bzw. -Zustand am häufigsten benutzt werden(Abb. 1). Die WHO definiert „Post-Covid-19 condition“ als das „Fortbestehen oder die Entwicklung neuer Symptome drei Monate nach der ersten SARS-CoV-2-Infektion, wobei diese Symptome mindestens zwei Monate lang anhalten, ohne dass eine andere Erklärung vorliegt“.1
Abb 1: Definition von Long Covid, Post-Covid-Zustand und Post-Covid-Syndrom (modifiziert nach Töpfner N et al. 2022)2
Für den deutschsprachigen Raum wurden im Mai 2022 im Konsensuspapier „Einheitliche Basisversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long COVID“ in der „Monatsschrift Kinderheilkunde“ erstmals Diagnosekriterien sowie Empfehlungen für Diagnostik und Therapie von Kindern und Jugendlichen publiziert.2 Ein Post-Covid-19-Syndrom liegt demnach vor, wenn folgende Kriterien zutreffen (Tab. 1):
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Nachweis einer vorangegangenen SARS-CoV-2 Infektion mit
a) positivem SARS-CoV-2-PCR-Test
und/oder
b) positivem SARS-CoV-2-Antikörper-Nachweis und eindeutigem Kontakt zu einer Person mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion und -
Vorliegen von zwei oder mehreren nicht vor akuter SARS-CoV-2-Infektion bestehenden, mit Long Covid vereinbaren Symptomem, die später als vier Wochen nach SARS-CoV-2 Infektion persistieren und/oder neu dazukommen, und
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kein Anhalt für andere Krankheitsursache und
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die Aktivitäten des täglichen Lebens sind relevant beeinträchtigt.
Tab. 1: Diagnosekriterien fürLong Covidbei Kindern und Jugendlichen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (modifiziert nach Töpfner N et al. 2022)2
Aufgrund einer nicht einheitlich gewählten Definition von Long Covid bzw. Post-Covid-19-Syndrom in der Literatur existieren verschiedene Angaben zur Prävalenz der Erkrankung. Eine im Juni 2022 publizierte große Metaanalyse, die Daten von mehr als 80000 Kindern aus 21 Studien eingeschlossen hat, kommt auf eine Gesamtprävalenz von 25,24% (95% Konfidenzintervall 18,17–33,02), wobei hier bei der Definition von Long Covid schon eine Beschwerdepersistenz von nur vier Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion ausreichte.3 Andere Publikationen geben deutlich geringere Prävalenzen von 1,8–4,6% an.4–6
Häufige klinische Symptome des Post-Covid-19-Syndroms
Zu den typischen Beschwerden eines Long-Covid-19-Syndroms gehören Fatigue und postexertionale Malaise, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, psychische/psychiatrische Probleme, kardiovaskuläre Beschwerden wie Palpitationen und orthostatische Dysregulationen, Myalgien und/oder Arthralgien, Geruchs- und Geschmacksstörungen, gastrointestinale Beschwerden und Appetitverlust (Abb. 2). Typische respiratorische Beschwerden sind Husten, Dyspnoe und Belastungsintoleranz.
Abb. 2: Symptome von Long Covid bei Kindern und Jugendlichen (modifiziert nach Lopez-Leon S et al. 2022)3
Lungenfunktion nach Covid-19
Bei Kindern und Jugendlichen scheint die Lungenfunktion nach einer asymptomatischen oder milden SARS-CoV-2-Infektion nicht beeinträchtigt zu sein.7
Unsere Arbeitsgruppe konnte jedoch zeigen, dass Kinder und Jugendliche nach einer schweren Covid-19-Infektion – wie nach anderen schweren viralen Infektionen – eine eingeschränkte Lungenfunktion haben.8 Dabei findet sich jedoch keine Übereinstimmung der respiratorischen Beschwerden und der Lungenfunktionseinschränkung. Nur 11,4% der Probanden mit persistierenden respiratorischen Beschwerden hatten eine auffällige Lungenfunktion.
Verschiedene Phänotypen mit respiratorischen Beschwerden nach Covid-19
Im Folgenden möchte ich anhand von drei typischen Fallbeispielen aus unserer Klinik mögliche Differenzialdiagnosen respiratorischer Beschwerden nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 erläutern.
Fallbeispiel 1
Ein 14 Jahre altes aktives Mädchen klagte zwölf Wochen nach einer milden Covid-19-Infektion über Abgeschlagenheit, Schwindel, Kopf- und Gliederschmerzen und Konzentrationsstörungen. Geschmacks- und Geruchssinn waren weiterhin gestört und sie berichtete von einer verminderten körperlichen Belastbarkeit mit Atemnot und einem Stechen in der Brust. Die kardiale Diagnostik mittels EKG und Echokardiografie war unauffällig. In der Labordiagnostik fanden sich außer einem Vitamin-D-Mangel nur Normalwerte. Die Lungenfunktionsuntersuchungen (Bodyplethysmografie, Multiple Breath Washout, CO-Diffusion) und die Laufbandbelastung mit anschließender Bodyplethysmografie und Bronchospasmolyse waren altersentsprechend normal.
Erklärung: Dies ist ein typisches Beispiel für Kinder und Jugendliche mit einem Post-Covid-19-Syndrom mit Fatigue und respiratorischen Beschwerden. In der Regel ist die empfohlene (pneumologische) Diagnostik unauffällig. Häufig sind hier sehr aktive, ehrgeizige Jugendliche, teils auch Leistungssportler, betroffen.
Fallbeispiel 2
Ein neun Jahre altes Mädchen litt drei Monate nach einer milden Covid-19-Infektion neben einer ausgeprägten Müdigkeit unter belastungsabhängiger Atemnot und Erschöpfung. Die kardiologische Abklärung wie auch die Labordiagnostik waren unauffällig. Die Lungenfunktionstestung ergab eine führend obstruktive Ventilationsstörung mit positiver Bronchospasmolyse. Nach einer Therapie mit einem inhalativen Steroid über sechs Wochen war die Lungenfunktion normalisiert und die Beschwerden hatten sich deutlich gebessert.
Erklärung: Dies ist ein typisches Beispiel einer bronchialen Hyperreagibilität, wie sie nicht selten nach viralen Atemwegsinfekten – auch nach einer SARS-CoV-2-Infektion – auftreten kann und die gut auf inhalative Steroide anspricht. Bei den Patient*innen ist selten ein Asthma bronchiale vorbeschrieben.
Fallbeispiel 3
Eine 16 Jahre alte, sportliche Jugendliche klagte knapp drei Monate nach einer sehr milden Covid-19-Infektion über Abgeschlagenheit und Erschöpfung nach geringsten Belastungen, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Brustschmerzen, eingeschränkte körperliche Belastbarkeit und Atemnot, weswegen sie häufig nicht mehr die Schule besuchen konnte. Kardiologische Abklärung, Labordiagnostik und Lungenfunktionsdiagnostik waren unauffällig. In der Laufbandbelastung konnten wir jedoch eine funktionelle Atemstörung diagnostizieren (DATIV=dysfunktionelle Atmung vom thorakalen Typ mit insuffizienter Ventilation), die für einen Teil der Beschwerden verantwortlich sein könnte.
Erklärung: Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass funktionelle Atemstörungen eine Mitursache der respiratorischen Beschwerden eines Post-Covid-19-Syndroms sein können. Diese Patient*innen sollten eine spezialisierte Atemphysiotherapie erhalten.
Aktuelle Studie
Ähnliche Beobachtungen bei Long-Covid-Patient*innen publizierten Palacios et al. im März 2022: Sie untersuchten 82 Jugendliche mit persistierenden, respiratorischen Beschwerden nach v.a. milden Covid-19-Infektionen. 76,8% hatten nach durchschnittlich 3,5 Monaten eine unauffällige Lungenfunktion. 43% erhielten aufgrund einer bronchialen Hyperreagibilität eine Therapie mit einem inhalativen Steroid, wovon 85% deutlich profitierten. Bei 13% der Jugendlichen konnte eine funktionelle Atemstörung (v.a. eine „vocal cord dysfunction“) diagnostiziert werden und sie erhielten eine spezialisierte Physiotherapie.9
Zusammenfassung
Zusammenfassend gehören respiratorische Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen zu den typischen Beschwerden eines Post-Covid-19-Syndroms. Die Lungenfunktionsdiagnostik ist zumeist unauffällig und es gibt aktuell noch keine Therapiemöglichkeiten. Bei einzelnen Patienten gibt es jedoch neben dem Covid-19-Syndrom differenzialdiagnostisch weitere Ursachen für die respiratorischen Beschwerden. Kinder und Jugendliche mit Long Covid sollten deswegen sorgfältig kinderpneumologisch untersucht werden.
Literatur:
1 https://www.who.int/europe/news-room/fact-sheets/item/post-covid-19-condition ; zuletzt aufgerufen am 19.1.2023 2 Töpfner N et al.: Einheitliche Basisversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long COVID. Monatsschr Kinderheilkd 2022; 170: 539-47 3 Lopez-Leon S et al.: Long-COVID in children and adolescents: a systematic review and meta-analyses. Sci Rep 2022; 12(1): 9950 4 Molteni E et al.: Illness duration and symptom profile in symptomatic UK school-aged children tested for SARS-CoV-2. Lancet Child Adolesc Health 2021; 5(10): 708-18 5 Radtke T et al.: Long-term symptoms after SARS-CoV-2 infection in children and adolescents. JAMA 2021; 326(9): 869-71 6 Miller Fet al.; VirusWatch Collaborative: Prevalence and characteristics of persistent symptoms in children during the COVID-19 pandemic: evidence from a household cohort study in England and Wales. Pediatr Infect Dis J2022; 41(12): 979-84 7 Di Chiara C et al.: Preliminary evidence on pulmonary function after asymptomatic and mild COVID-19 in children. Children 2022; 9(7): 952 8 Schlegtendal A et al.: Pulmonary function and long-term respiratory symptoms in children and adolescents after COVID-19. Front Pediatr 2022; 10: 851008 9 Palacios Set al.: Long-term pulmonary sequelae in adolescents post-SARS-CoV-2 infection. Pediatr Pulmonol 2022; 57(10): 2455-63
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