Effekte einer stationären pneumologischen Rehabilitation bei Covid-19-Patienten mit mildem bis kritischem Verlauf
Autoren:
Daniela Leitl, MSc x, y
Dr. Rainer Glöckl x, y
Dr. Inga Jarosch x, y
Tessa Schneeberger x, y
Prof. Dr. Klaus Kenn x, y
Prof. Dr. Andreas R. Koczulla x, y, z
x Forschungsinstitut für pneumologische Rehabilitation, Fachzentrum für Pneumologie, Schön Klinik Berchtesgadener Land
y Philipps-Universität Marburg (Standort Schönau)
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL) Marburg
Schönau am Königssee
z Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Salzburg
Korrespondierende Autorin:
Daniela Leitl, MSc
Forschungsinstitut für pneumologische Rehabilitation
Schön Klinik Berchtesgadener Land
E-Mail: dleitl@schoen-klinik.de
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Unabhängig von der Schwere des akuten Verlaufs einer SARS-CoV-2-Infektion kann eine pneumologische Rehabilitation (PR) bei Covid-19-Patienten sinnvoll sein. Eine PR kann helfen, die körperliche Belastbarkeit, die Lebensqualität und respiratorische Parameter zu verbessern.
Keypoints
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Eine pneumologische Rehabilitation (PR) in der Postakutphase von Covid-19-Patienten ist unabhängig vom Schweregrad machbar, sicher und effektiv.
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Eine PR führt zu signifikanten Verbesserungen in der körperlichen Belastbarkeit.
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Eine PR führt zu signifikanten Verbesserungen in der Lungenfunktion.
Da sich der Krankheitsverlauf nach einer SARS-CoV-2-Infektion sehr unterschiedlich entwickeln kann, unterteilt das RobertKoch-Institut (RKI) akute Coronavirus-Erkrankungen in vier Stufen je nach Schweregrad: mild (grippeähnliche Symptome), moderat (Pneumonie, ohne Hospitalisierung), schwer (mit Hospitalisierung) und kritisch (intensivpflichtige Patienten bzw. Todesfälle).1
Zahlreiche chronische Krankheiten, wie die Beeinträchtigung der Lungenfunktion, der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Kognition und Lebensqualität, können als Folge einer SARS-CoV-2-Infektion entstehen.2 Häufig bleiben Symptome wie Fatigue, Dyspnoe, Kopfschmerzen und Husten noch Monate nach der Akutphase bestehen. Je mehr Symptome in der Akutphase auftreten, desto höher ist das Risiko für eine Chronifizierung der Symptome (Long Covid).3
Hintergrund: PR und Covid-19
Um den Symptomen entgegenzuwirken und langfristig den Gesundheitszustand wiederherzustellen, wird in den internationalen Leitlinien eine frühe Rehabilitation und auch in den nationalen eine Rehabilitation nach einer Covid-19-Erkrankung empfohlen.4,5 Diese Empfehlungen richten sich jedoch bisher vor allem an Patienten mit einem schweren oder kritischen Krankheitsverlauf.
Aktuelle Studien konnten bereits zeigen, dass eine pneumologische Rehabilitation (PR) bei schweren oder kritischen Krankheitsverläufen zu signifikanten Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität führen kann.6–8
Daraus ergab sich das Ziel der aktuellen Studie, die Effektivität, Durchführbarkeit und Sicherheit einer stationären PR bei Covid-19-Patienten, unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung, zu untersuchen.
Methodik
Im Rahmen einer dreiwöchigen stationären PR wurden 50 Covid-19-Patienten in eine prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Die Patienten nahmen an einem multimodalen und interdisziplinären PR-Therapieprogramm teil, welches auf Covid-19 abgestimmt war. Initial wurde eine Vielzahl an diagnostischen Untersuchungen durchgeführt, wie z.B. ein Lungenfunktionstest, eine Blutgasanalyse, eine Echokardiografie, ein Belastungs-EKG und ein Labor. Die medizinische Trainingstherapie (MTT) umfasste ein gerätegestützes Ausdauer- und Krafttraining und wurde in Gymnastikgruppen durchgeführt. Zudem erhielten die Patienten Atemphysiotherapie, Schulungen zu generellen Themen (Relevanz von körperlicher Aktivität, Aufbau und Funktion der Lunge, Sauerstofftherapie, Tabakentwöhnung etc.) und einen spezifischen Covid-19-Vortrag. Ein Zusatzangebot beinhaltete die Möglichkeit der Teilnahme an Entspannungsgruppen (Qigong, progressive Muskelentspannung), an Ergotherapie zur individuellen Behandlung von neurologischen Defiziten bzw. als Gedächtnistraining, an psychotherapeutischer Unterstützung und an Ernährungsberatung für Covid-19-Patienten. Bei Aufnahme zur und Entlassung nach der Rehabilitation wurden folgende Messungen durchgeführt: 6-Minuten-Gehtest (6MGT) zur Erhebung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Lungenfunktionstests(Einsekundenkapazität[FEV1], forcierte Vitalkapazität [FVC]) und Erhebung der Lebensqualität (Fragen zum Gesundheitszustand nach SF-36). In der Subgruppe der Patienten mit einem schweren oder kritischen Krankheitsverlauf kam es zusätzlich zur Durchführung eines „Endurance Shuttle Walk Test“ (ESWT) zu Beginn und am Ende der PR.
Ergebnisse der Studie
Von den eingeschlossenen Patienten hatten 24 einen milden bis moderaten und 26 einen schweren bis kritischen Krankheitsverlauf. Patienten ohne Hospitalisierung waren im Median 52 Jahre alt (IQR: 47–56), während der Median mit Hospitalisierung bei 66 Jahren (IQR: 60–71) lag. Der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt von Patienten mit einem schweren bis kritischen Verlauf lag bei 37 Tagen und 85% dieser Patienten waren auf einer Intensivstation. Der Zeitraum zwischen dem ersten positiven PCR-Test und dem Beginn der PR unterschied sich zwischen den beiden Patientengruppen. Patienten mit einem milden bis moderaten Verlauf begannen die Rehabilitation im Mittel nach sechs Monaten – Patienten mit einem schweren bis kritischen Verlauf bereits nach zwei Monaten.
Zu Beginn der PR hatten Patienten mit einem schweren bis kritischen Verlauf eine signifikant niedrigere körperliche Leistungsfähigkeit (6MGT-Wegstrecke: 344m vs. 509m, p<0,001) und eine eingeschränktere Lungenfunktion (FVC: 75,1% vs. 80,0%; p<0,004) im Vergleich zu Patienten mit einem milden bis moderaten Verlauf. Die erfasste Lebensqualität durch den SF-36 war in beiden Gruppen reduziert (Tab.1).
Tab. 1: Outcome-Parameter
Am Ende der PR konnten sich beide Patientengruppen im 6MGT steigern (mild bis moderat: +48m, p<0,001; schwer bis kritisch: +124m, p<0,001) (Abb.1). Nach drei Wochen PR war die Verbesserung in beiden Gruppen größer als der klinisch relevante Unterschied von 30m bei chronischen Lungenerkrankungen.9 Huang et al. zeigten, dass Covid-19-Patienten mit einer Hospitalisierung bei einer 6-monatigen Nachuntersuchung eine mediane 6MGT-Wegstrecke von 495m (IQR: 440–538m) zurücklegen konnten.2 Patienten mit einem schweren bis kritischen Verlauf in der aktuellen Kohorte hatten eine vergleichbare Wegstrecke bereits am Ende der PR erreicht, was im Durchschnitt sechs Wochen nach Krankenhausentlassung war. Es scheint, dass eine PR die Regeneration der körperlichen Belastbarkeit beschleunigen kann.
Abb. 1: 6-Minuten-Gehtest-Wegstrecke
Die Lungenfunktion verbesserte sich nach der PR ebenfalls signifikant (FVC mild bis moderat: +7,7%, p<0,01; schwer bis kritisch: +11,3%, p<0,001; FEV1 mild bis moderat: +11,8%, p<0,001; schwer bis kritisch: +15,7%, p<0,001) (Tab.1). Auch Liu et al. konnten in einer randomisierten kontrollierten Studie zeigen, dass Patienten durch ein 6-wöchiges ambulantes Atemmuskeltraining die Lungenfunktion mehr steigern konnten als Patienten in der Kontrollgruppe.6 Dies ist ein weiterer Hinweis, dass rehabilitative Maßnahmen die natürliche Regeneration verstärken können.
Nur Patienten mit einem schweren bis kritischen Verlauf konnten sich in unserer Kohorte in der Lebensqualität in dem Summenscore der psychischen Komponente des SF-36 (+14,4Punkte, p<0,001) signifikant verbessern.
Die Gruppe der hospitalisierten Patienten steigerte sich in der Dauer des ESWTsignifikant (Median 460Sekunden, Steigerung auf 1200Sekunden [p=0,001]). Dabei erreichten am Ende der Rehabilitation 14 von 26 Patienten die maximal mögliche Dauer von 20 Minuten. Zudem war zu diesem Zeitpunkt der PR die Anzahl an Patienten mit einem starken Abfall der Sauerstoffsättigung <85% geringer (19% vs. 4%) und die Atemfrequenz zum Zeitpunkt der Isotime (Abbruchzeitpunkt des kürzeren ESWT) konnte von 50 auf 45 Atemzüge im Vergleich zu Beginn der PR gesenkt werden und spricht für eine Ökonomisierung der Atmung während körperlicher Anstrengung.
Als wichtiger Sicherheitshinweis soll hier erwähnt werden, dass es während der PR und des Trainingsprogramms zu keinen schwerwiegenden Ereignissen kam.
Die Limitation der Studie liegt im Fehlen einer Kontrollgruppe, die aus ethischen Gründen nicht vertretbar war, durch welche jedoch der reine Rehabilitationseffekt von der natürlichen Regeneration unterschieden hätte werden können. Jedoch ist zu sehen, dass Patienten mit einem milden oder moderaten Verlauf auch sechs Monate nach ihrer SARS-CoV-2-Infektion immer noch starke Einschränkungen in der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lungenfunktion aufweisen. Die großen Verbesserungen innerhalb von drei Wochen können daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die PR und nicht auf die natürliche Regeneration zurückgeführt werden.
Fazit
Diese Studie zeigt, dass eine PR in der postakuten Phase von Covid-19-Patienten unabhängig von der Schwere der vorausgegangenen Covid-19-Erkrankung sicher, machbar und effektiv ist, um die körperliche Leistungsfähigkeit, Lungenfunktion und Lebensqualität zu verbessern.
Literatur:
1 Schilling J et al.: Krankheitsschwere der ersten COVID-19-Welle in Deutschland basierend auf den Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz. 2020 2 Huang C et al.: 6-month consequences of COVID-19 in patients discharged from hospital: a cohort study. Lancet 2021; 397(10270): 220-32 3 Sudre CH et al.: Attributes and predictors of long COVID. Nat Med 2021; 27(4): 626-31 4 Spruit MA et al.: COVID-19: interim guidance on rehabilitation in the hospital and post-hospital phase from a European Respiratory Society and American Thoracic Society-coordinated international task force. Eur Respir J 2020; 56(6): 2002197 5 Gloeckl R et al.: Recommendations from the German Respiratory Society for pulmonary rehabilitation in patients with COVID-19. Pneumologie 2020; 74(8): 496-504 6 Liu K et al.: Respiratory rehabilitation in elderly patients with COVID-19: a randomized controlled study. Complement Ther Clin Pract 2020; 39: 101166 7 Spielmanns M et al.: Effects of a comprehensive pulmonary rehabilitatin in severe post-COVID-19 patients. Int J Environm Res Public Health 2021; 18(5): 2695 8 Curci C et al.: Early rehabilitation in post-acute COVID-19 patients: data from an Italian COVID-19 rehabilitation unit and proposal of a treatment protocol. A cross-sectional study. Eur J Phys Rehabil Med 2020; 56(5): 633-64 9 Holland AE et al.: An official European Respiratory Society/American Thoracic Society technical standard: field walking tests in chronic respiratory disease. Eur Respir J 2014; 44(6): 1428-4
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