Lungentransplantation bei durch Covid-19 verursachtem ARDS
Autoren:
Dr. Christian Lang
Univ.-Prof. Dr. Konrad Hötzenecker, PhD
Universitätsklinik für Thoraxchirurgie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: christian.lang@meduniwien.ac.at
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Im Mai 2020 wurde weltweit erstmals einer PCR-positiven Person mit durch Covid-19 verursachtem akutem respiratorischem Versagen (ARDS) eine Lunge transplantiert. Ein weiterer Erfolg, den das Lungentransplantationsprogramm der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie an der Medizinischen Universität Wien für sich verbuchen kann. In Zusammenarbeit mit vier anderen international renommierten Transplantationszentren wurden nun die Erfahrungswerte rund um diesen Eingriff gebündelt und Selektionskriterien für Patienten, die für eine Lungentransplantation in dieser Indikation infrage kommen, erstellt.
Keypoints
Die Lungentransplantation stellt eine bedeutende Behandlungsoption bei
durch Covid-19 verursachtem ARDS dar.Die Selektion von Patienten, die für diese lebensrettende Option infrage kommen, entscheidet über den Behandlungserfolg.
Durch die Komplexität des Eingriffs und der postoperativen Versorgung sollte dieser ausschließlich in erfahrenen Transplantationszentren durchgeführt werden.
Die Lungentransplantation (LuTX) ist eine etablierte Therapie für eine Vielzahl von chronischen Lungenerkrankungen im Endstadium.1 Die weltweite Erfahrung mit LuTX bei Patienten mit einem akuten respiratorischen Versagen (ARDS) ist jedoch gering.2 Die langfristigen klinischen Resultate einer LuTX nach ARDS sind allerdings zufriedenstellend und durchaus vergleichbar mit den Ergebnissen anderer Lungenerkrankungen.3 Bis zu 30% aller Covid-19-Erkrankungen haben einen schweren Verlauf mit ARDS, welcher mit hohen Mortalitätsraten von 30–40% einhergeht.4, 5 Im Rahmen des Lungentransplantationsprogramms der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie an der Medizinischen Universität Wien wurde weltweit die erste erfolgreiche LuTX bei einer Patientin mit durch Covid-19verursachtem ARDS durchgeführt – seither zählt es zu den führenden Zentren auf diesem Gebiet.
Der weltweit erste Fall
Mitte März 2020 wurde eine 44-jährige Patientin mit Fieber und Husten positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Wenige Tage später verschlechterte sich ihr respiratorischer Zustand rapide, sie musste daher auf eine Intensivstation verlegt und intubiert werden. Bei anhaltend fulminanter Progression der pulmonalen Situation wurde in weiterer Folge eine venovenöse (vv) femorofemorale extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) etabliert. Trotz insgesamt 48 Tagen maschineller Beatmung und vv-ECMO-Unterstützung kam es zu keiner klinischen Besserung und die Möglichkeit einer LuTX wurde evaluiert.
Die Patientin war bezüglich ihrer respiratorischen Funktion vollkommen abhängig von der vv-ECMO-Unterstützung (Ventilationsparameter: bei ca. 25cmH2O Peak und ca. 8–10cmH2O PEEP ca.50ml Tidalvolumen). Darüberhinaus zeigten sich in den Computertomografieaufnahmen des Thorax beidseitig großflächige Konsolidierungen mit ausgedehnten nekrotischen Arealen und Thrombosen kleinerer sowie mittlerer Arterien (Abb. 1).
Abb. 1: Computertomografieaufnahmen des Thorax (nativ + Kontrastmittel) zeigten ausgedehnte Konsolidierungen mit nekrotischen Kavernationen und thrombotischen Arealen auf beiden Seiten (drei Tage vor der Listung zur Lungentransplantation)
Wiederholte PCR-Testungen auf SARS-CoV-2 waren während ihres gesamten Krankenhausaufenthaltes positiv. Zum damaligen Zeitpunkt war es allerdings unklar, ob noch eine aktive Covid-19-Infektion vorliegen könnte. Um dies auszuschließen, wurden Vero-Zellkulturen aus bronchoalveolären Lavage- und Trachealsekretproben angelegt. Nach einer Woche Inkubation war in beiden Kulturen kein Viruswachstum zu beobachten, sodass eine persistierende Infektion ausgeschlossen werden konnte.
Im Rahmen eines interdisziplinären Konsenses wurde eine LuTX als die letzte mögliche Therapieoption festgelegt. Die Entscheidung beruhte auf folgenden Überlegungen: 1) die Viruskulturen waren negativ, 2) der Infektionsbeginn lag bereits fünf Wochen zurück, 3) es gab keine alternativen Therapieoptionen, 4) es handelte sich um ein Mono-Organversagen und 5) die Patientin war jung und es gab keine relevanten Begleiterkrankungen.
Sechs Tage nachdem die Patientin auf die Warteliste gesetzt wurde, stand ein passendes, größen- und blutgruppenkompatibles Organ im Eurotransplantraum zur Verfügung und es wurde eine Doppel-Lungentransplantation durchgeführt. Die explantierte Lunge war massiv destruiert mit makroskopisch großflächigen Konsolidierungen (Abb. 2).
Abb. 2: Makroskopisches Bild der explantierten Lunge
Dieser Fall war weltweit die erste erfolgreiche Lungentransplantation bei einer PCR-positiven Patientin mit Covid-19-assoziiertem ARDS.7 Kurze Zeit später berichteten weitere international renommierte Transplantationszentren über ihre ersten LuTX bei Patienten mit Covid-19-assoziiertem ARDS.8,9
Bisherige Erfahrung und internationale Zusammenarbeit
Seither wurden am Wiener Lungentransplantationszentrum insgesamt 12 Transplantationen bei Patienten mit einem Covid-19-bedingten ARDS durchgeführt. International zählen neben Wien noch Mailand/IT, Phoenix/USA, Chicago/USA und Florida/USA zu den Zentren mit der größten Expertise im Hinblick auf LuTX bei Covid-19-assoziiertem ARDS. Vor einigen Monaten startete eine intensive Kollaboration zwischen diesen Zentren, um die bisherigen Erfahrungswerte zu bündeln und miteinander zu teilen.
Bei den bisher 43 durchgeführten Eingriffen in diesen fünf Zentren war das mediane Alter der akzeptierten Kandidaten 51 (Schwankungsbreite 18–64) Jahre. Bis zum Zeitpunkt der Transplantation wurden sie durchschnittlich 57 (21–160) Tage maschinell beatmet. In allen 43 Fällen wurden die PatientInnen mit einer vv-ECMO-Unterstützung zur Transplantation „gebridgt“, im Median betrug diese Zeit 47 (3–152) Tage.
Der postoperative Verlauf war in allen Fällen von einer langwierigen Rehabilitation gekennzeichnet. 25 der 43 (ca. 58%) transplantierten Patienten erhielten eine prolongierte ECMO-Unterstützung für einige Tage nach der Operation. Die mediane Zeit postoperativ bis zur Extubation war 13 Tage (1–72). Zu den häufigsten Komplikationen zählten neben einer „critical illness neuropathy“ (27,5%) das akute Nierenversagen (22%) sowie Nachblutungen (13%). Insgesamt betrug die mediane postoperative Verweildauer auf der Intensivstation 19 Tage (4–63), der Gesamtaufenthalt bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus 42 (10–108) Tage. Erfreulicherweise sind 95% der transplantierten Patienten am Leben, viele davon konnten bereits nach Hause entlassen werden und haben eine ausgezeichnete Lebensqualität.
Selektionskriterien und Anfragen für eine LuTX
Die Entscheidung, welche Patienten mit Covid-19-ARDS für eine LuTX evaluiert werden sollen, kann nur in Rücksprache mit einem erfahrenen Transplantationszentrum erfolgen. Unter folgenden Bedingungen kann eine LuTX in Erwägung gezogen werden:
-
Keine klinische Besserung nach 4–6 Wochen mechanischer Beatmung und/oder ECMO-Unterstützung
-
Persistierend diffuse Infiltrate und/oder fibrotische Veränderungen in allen Lungenlappen
-
Zeichen von Gewebsnekrosen oder infektiösen Kavitationen im Thorax-CT
-
Lungencompliance anhaltend unter <20ml/mbar
Entwicklung einer relevanten Rechtsherzbelastung aufgrund von thromboembolischen Komplikationen
Seit Beginn der Pandemie wurden dem Lungentransplantationszentrum Wien insgesamt 63 Patienten mit Covid-19-assoziiertem ARDS vorgestellt (Tab. 1). 12 Patienten (ca. 20%) wurden als geeignet angesehen und für eine LuTX akzeptiert. 35 (ca. 55%) Patienten wurden aufgrund von Kontraindikationen (z.B. Adipositas, schwere Begleiterkrankung etc.) für eine LuTX abgelehnt. 10 (ca. 16%) Fälle zeigten sich noch mit Regenerationspotenzial, wurden als „zu gut“ für eine LuTX erachtet und haben sich auch konservativ vom ARDS erholenkönnen. Weitere 6 (ca. 9%) Patienten befinden sich aktuell in der Evaluierungsphase.
Tab. 1: Zusammenfassende Charakteristik aller Patienten mit Covid-19-ARDS, die seit Beginn der Pandemie für eine LuTX an die Medizinische Universität Wien referiert wurden
Zusammenfassung
LuTX spielt eine wichtige Rolle in der Behandlungskette beim durch SARS-CoV-2verursachten ARDS. Bei gut selektionierten Patienten ist eine LuTX eine lebensrettende Therapieoption mit gutem klinischem Outcome. Durch die Komplexität des intra-, peri- und postoperativen Managements sollten der Eingriff und die anschließende Versorgung nur in erfahrenen Transplantationszentren durchgeführt werden.
Mit durchschnittlich über 100 Implantationen pro Jahr steht in Österreich das Lungentransplantationsprogramm der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Wien, für Anfragen und Zuweisungen dieser Art zur Verfügung.
Literatur:
1 van der Mark SC et al.: Developments in lung transplantation over the past decade. Eur Respir Rev 2020; 29(157): 190132 2 Harano T et al.: Lung transplantation for the treatment of irreversible acute respiratory distress syndrome. Clinical Transplantation 2021; 35(2): e14182 3 Chang Y et al.: Lung transplantation as a therapeutic option in acute respiratory distress syndrome. Transplantation 2018; 102(5): 829-37 4 Armstrong RA et al.: Mortality in patients admitted to intensive care with COVID-19: an updated systematic review and meta-analysis of observational studies. Anaesthesia 2021; 76(4): 537-48 5 Tzotzos SJ et al.: Incidence of ARDS and outcomes in hospitalized patients with COVID-19: a global literature survey. Critical Care 2020; 24(1): 516 6 He X et al.: Temporal dynamics in viral shedding and transmissibility of COVID-19. Nat Med 2020; 26(5): 672-5 7 Lang C et al.: Lung transplantation for COVID-19-associated acute respiratory distress syndrome in a PCR-positive patient. Lancet Respir Med 2020; 8(10): 1057-60 8 Herman C: 1st-known U.S. lung transplant for COVID-19 patient performed in Chicago. npr.org 2020 (June 12) 9 Suedtirolnews.it: „Verbrannte“ Lungen: 18-Jähriger erfolgreich transplantiert. suedtirolnews.it 2020 10 Benazzo A et al.: Twenty-year experience with extracorporeal life support as bridge to lung transplantation. J Thorac Cardiovasc Surg 2019; 157(6): 2515-25 e10 11 Hoetzenecker K et al.: Extracorporeal life support as a bridge to lung transplantation-experience of a high-volume transplant center. J Thorac Cardiovasc Surg 2018; 155(3): 1316-28 e1
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