Update: Was SARS-CoV-2 mit der Lunge macht
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Die Covid-19-Pandemie stellte Kliniker und Forscher weltweit vor völlig neue Herausforderungen und führte zu einer beispiellos steilen Lernkurve. Aktuell bleiben jedoch immer noch viele Fragen – so zum Beispiel nach den Langzeitfolgen einer Covid-19-Pneumonie. Empfehlungen zum Management des Thromboserisikos bei Covid-19 erläuterten Prof. Dr. Sergio Harari, Mailand, und Prof. Dr. Lisa Moores, Bethesda, Maryland, im Rahmen ihrer Vorträge beim diesmal virtuell abgehaltenen CHEST-Kongress.
Nach allem, was wir heute wissen, hat SARS-CoV-2 eine geringere Mortalität als die beiden anderen in den vergangenen Jahren neu aufgetretenen Coronaviren SARS und MERS. SARS-CoV-2 breitet sich dafür jedoch deutlich leichter und schneller aus“, sagt Prof. Dr. Sergio Harari von der Universität Mailand. Dies werde maßgeblich dadurch begünstigt, dass die Erkrankung bei einem Teil der Infizierten asymptomatisch oder sehr mild verläuft. Dennoch sei man mit einer hohen Zahl schwer Erkrankter konfrontiert, was zu Kapazitätsproblemen auf Intensivstationen geführt hat und immer noch führt.
Offen ist die Frage, wie sich leichte oder schwere Covid-19-Erkrankungen auf die langfristige Lungengesundheit der Betroffenen auswirken werden. Harari verweist auf Erfahrungen mit dem SARS-Virus, die zeigen, dass bei der Mehrzahl der Patienten interstitielle Auffälligkeiten und eingeschränkte Lungenfunktion in den ersten beiden Jahren nach der Infektion wieder vergehen. Allerdings nicht bei allen Betroffenen – knapp 5% der Patienten zeigten auch nach 15 Jahren noch interstitielle Veränderungen in der Lunge.1 Ein Langzeit-Follow-up von MERS-Patienten wurde bislang nicht publiziert.
Für Covid-19 sind solche Daten naturgemäß noch nicht verfügbar. Jedenfalls zeigen Studien, dass bei Entlassung aus dem Spital ein hoher Prozentsatz der Patienten eine eingeschränkte Lungenfunktion aufweist, die eine Fibrose annehmen lässt. Eine reduzierte Diffusionskapazität zeigten 47% der Patienten, bei 25% war die Totalkapazität eingeschränkt. Patienten nach schweren Verläufen waren am deutlichsten betroffen.2 In der hochauflösenden Computertomografie (HRCT) werden nach Covid-19-Erkrankungen häufig Anzeichen von Fibrosierung gefunden. Ob diese permanent sind, ist völlig unklar. Harari fordert in diesem Sinne das längerfristige Follow-up der Betroffenen. Bei älteren Patienten ist die Tendenz zur Lungenfibrose ausgeprägter.
Harari gibt jedoch insofern Entwarnung, als sich die generell nach einem akuten Atemversagen (ARDS) in der Bildgebung nachweisbaren Lungenschäden als klinisch wenig relevant erwiesen haben. Insofern könne über den langfristigen Verlauf von Covid-19-Patienten nicht einmal spekuliert werden. Die nach einer Covid-19-Erkrankung gefundenen Veränderungen in der Lunge dürften im Allgemeinen milder sein, als dies bei SARS der Fall war. Andererseits lässt die große Zahl der Covid-19-Erkrankten befürchten, dass eine zwar sehr viel kleinere, aber immer noch beachtliche Zahl von Patienten mit bleibenden Schäden rechnen muss.
Covid-19 und interstitielle Lungenerkrankungen
Alles in allem stelle sich die Frage nach Gemeinsamkeiten zwischen einer Covid-19-Pneumonie und den nicht infektiösen interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD), aus denen sich Schlüsse hinsichtlich der Therapie ableiten lassen. Die erste Gemeinsamkeit liege, so Harari, schon einmal darin, dass es weder für Covid-19 noch für die ILD kurative Therapien gibt. Beide Erkrankungen sind jedoch behandelbar. Man könne einerseits Komplikationen reduzieren, müsse sich aber andererseits auch immer wieder mit Fragen der Palliation am Lebensende auseinandersetzen, was nicht zuletzt auch die psychologische Unterstützung für Angehörige inkludiert. Schließlich gelte es, Rehabilitationsmaßnahmen zu entwickeln und anzuwenden. Darüber hinaus ist die Frage nach der Wirksamkeit antifibrotischer Therapien bei bzw. nach Covid-19-Pneumonien ungeklärt.
Männer jenseits der 60 mit multiplen Komorbiditäten und Tabakanamnese sind jene Patienten, die das höchste Risiko haben, an einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu sterben. Exakt dieselbe Population weist auch das höchste Risiko auf, eine idiopathische Pulmonalfibrose zu entwickeln. Dass IPF-Patienten besonders schwer an Covid-19 erkranken, ist also naheliegend. Von einer extrem hohen Mortalität ist auszugehen. Daten, die dies bestätigen, stehen allerdings bislang noch aus, so Harari.
Harari betont, dass die interstitiellen Lungenerkrankungen nicht auf die IPF beschränkt sind, sondern beispielsweise auch als Komplikation entzündlich-rheumatischer Erkrankungen auftreten können. Hier kann zumindest insofern Entwarnung gegeben werden, als es bislang keine Hinweise darauf gibt, dass Patienten mit rheumatischen oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko hätten, an Covid-19 zu erkranken, wie die europäische Rheumatologengesellschaft EULAR in ihrer aktuellen provisorischen Leitlinie zu Rheuma und Covid-19 festhält.3 Auch die in der Rheumatologie eingesetzten krankheitsmodifizierenden Medikamente (DMARD) erhöhen trotz ihrer immunsuppressiven Wirkung das Risiko nicht und manche könnten, so Harari, sogar einen vorteilhaften Effekt bei schweren Covid-19-Erkrankungen haben. Lediglich Prednison in höheren Dosierungen ab 10mg/Tag erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung wegen Covid-19.4 Für die systemische Sklerose hält die World Scleroderma Foundation jedoch fest, dass SSc-Patienten aufgrund einer möglicherweise vorhandenen interstitiellen Lungenerkrankung einerseits und der immunsuppressiven Therapie andererseits ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben könnten. Empfohlen wird dennoch, die Immunsuppressiva weiterzuführen. Auf einen möglichen Nutzen von Tocilizumab wird hingewiesen.5 Eine Sarkoidose erhöht das Risiko für einen ungünstigen Covid-19-Verlauf, wobei die bekannten Risikofaktoren wie Diabetes oder Hypertonie erschwerend hinzukommen können. Aktuelle Empfehlungen raten dazu, bei stabiler Erkrankung eine Dosisreduktion immunsuppressiver Medikamente in Erwägung zu ziehen, während bei aktiver Erkrankung oder bei Risiko von Endorganschäden die Therapie unverändert weitergeführt werden soll.6 Weiters weist Harari darauf hin, dass Flares entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zu Covid-ähnlichen Symptomen und damit zu einer Verzögerung der korrekten Diagnose führen können.
Die Covid-19-Pandemie hat für Patienten mit ILD auch eine Reihe indirekter Auswirkungen. So kann beispielsweise der Zugang zu diagnostischen Verfahren wie Spirometrie oder Computertomografie erschwert sein. Es sei den Patienten jedoch dringend zu empfehlen, ihre verschriebenen Medikamente weiterhin einzunehmen und auch nichtmedikamentöse Therapien wie zum Beispiel Bewegungstherapie so gut wie möglich weiterzuführen und soziale Unterstützung auf virtuellem Weg in Anspruch zu nehmen.
Empfehlungen zum Management des Thromboserisikos bei Covid-19
Ein erhebliches Problem im Umgang mit Covid-19 stellt die hohe Thromboseneigung dar, die die Betroffenen entwickeln können. SARS-CoV-2 schafft insofern ideale Bedingungen für die Bildung von Thrombosen, als es bei manchen Patienten zu einer exzessiven Immunreaktion mit resultierendem Zytokinsturm führen kann. Die Antwort des Organismus ist nicht nur die lokale, sondern auch systemische Inflammation, die weiters zu einer Aktivierung der Gerinnungskaskade führt. «Dieses Phänomen ist bei schweren Covid-Erkrankungen deutlich ausgeprägter als bei milderen», sagt Prof. Dr. Lisa K. Moores von der Uniformed Services University of the Health Sciences in Bethesda, Maryland. Hinzu kommt eine Schädigung des Endothels, die dessen antithrombotische Aktivitäten aufhebt. Vasokonstriktion, Hypoxie und Immobilisierung begünstigen die Entwicklung von Stase.7
Damit seien alle drei Komponenten der Virchow-Trias, nämlich Endothelschädigung, Störung der Hämodynamik und Hyperkoagulabilität, gegeben. Die resultierende Thrombosierung geht über die bei allen schweren Erkrankungen vorkommenden tiefen Venenthrombosen hinaus. Bei schweren Covid-19-Verläufen kommt es auch zur Bildung von Mikrothromben (z.B. in den kleinen Lungengefäßen) oder zur Thrombenbildung in der arteriellen Strombahn. Auf Einladung von CHEST hat ein internationales Expertenpanel Empfehlungen zum Management des Thromboserisikos und zur Behandlung von Thrombosen im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen erstellt. Angesichts der aktuellen Situation ist Evidenz zu dieser Frage nur aus Fallserien verfügbar, kontrollierte Studien fehlen.
Das Panel hält fest, dass alle akut hospitalisierten Covid-19-Patienten eine Thromboseprophylaxe erhalten sollen. Dabei sind niedermolekulares Heparin oder Fondaparinux dem unfraktionierten Heparin oder DOAC vorzuziehen. Für eine Erhöhung der Intensität der Prophylaxe fehle aktuell die Evidenz. Das Gleiche gilt für eine verlängerte Prophylaxe nach der Entlassung aus dem Spital. Bei Patienten auf Intensivstationen wird ein Ultraschall-Screening empfohlen. Werden Thrombosen gefunden, wird eine Behandlung mit parenteralem niedermolekularem Heparin empfohlen.8
Bericht:
Reno Barth
Quelle:
CHEST virtual congress, 26.Juni2020, Vorträge von Prof. Dr. Sergio Harari „COVID-19 and ILD: Lights and Shadows“ und Prof. Dr. Lisa K. Moores „VTE in a Pandemic: What COVID-19 Has Taught Us About the Spectrum of Disease“
Literatur:
1 Spagnolo P et al.: Lancet Respir Med 2020; doi: 10.1016/S2213-2600(20)30222-8 2 Mo X et al.: Eur Respir J 2020; doi: 10.1183/13993003.01217-2020 3 https://www.eular.org/recommendations_management.cfm; zuletzt aufgerufen am 20.07.2020 4 Gianfrancesco M et al.: Ann Rheum Dis 2020; doi:10.1136/ annrheumdis-2020-217871 5 Matucci-Cerinic M et al.: Ann Rheum Dis 2020; 79(6): 724-6 6 Sweiss NJ et al.: Chest 2020; doi: 10.1016/j.chest.2020.04.033 7 Joly BS et al.: Intensive Care Med 2020; doi: 10.1007/s00134-020-06088-1 8 Moores LK et al.: Chest 2020; doi: 10.1016/j.chest.2020.05.559
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