Therapie der obstruktiven Schlafapnoe – eine interdisziplinäre Herausforderung
Autor:
OA Dr. Johannes Lechner
Fachlicher Leiter des Schlaflabors Abteilung für Innere Medizin
Landesklinikum Melk
E-Mail: johannes.lechner@melk.lknoe.at
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Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko belastet. Outcome-Studien für die CPAP-Therapie zeigten jedoch nicht die erwarteten Therapieerfolge. Dies führte zu Diskussionen über die Indikationsstellung zur OSA-Therapie – neue Klassifikationen bieten Hilfestellung dafür. Weiters konnten sich in den letzten Jahren zusätzliche Therapieoptionen bei der Behandlung der OSA etablieren.
Keypoints
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Die Ergebnisse der SAVE-Studie führen zwar dazu, dass die Behandlungsindikation bei OSA großzügiger als bisher gesetzt werden darf, entbinden uns Ärzte jedoch nicht davon, unsere Patienten einer indizierten Therapie zuzuführen.
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Die modifizierte Baveno-Klassifikation kann bei der Indikationsstellung zur CPAP-Therapie hilfreich sein.
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Für die Therapie der OSA existieren zwischenzeitlich interdisziplinär mehrere unterschiedliche Therapiemöglichkeiten und der Patient soll im medizinisch sinnvollen Rahmen seine persönliche Therapiewahl treffen können.
Die obstruktive Schlafapnoe ist eine häufige Erkrankung, welche mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko belastet ist. He et al. zeigten bereits 1988, dass die obstruktive Schlafapnoe zu einer erhöhten Sterblichkeit führt.1 Weitere Studien bestätigten ein erhöhtes Risiko für Hypertonie und Herzinsuffizienz.2,3
Über viele Jahre bestand die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe nahezu ausschließlich in einer CPAP-Therapie. Trotz des bekannterweise erhöhten kardiovaskulären Risikos zeigte die SAVE-Studie keinen signifikanten Einfluss der Therapie mit CPAP („continuous positive airway pressure“) auf den Tod kardiovaskulärer Genese, das Auftreten von Myokardinfarkten und Schlaganfällen sowie die Hospitalisierungsrate aufgrund von Herzinsuffizienz, akutem Koronarsyndrom und transitorischer ischämischer Attacke (TIA) im Vergleich zur alleinigen, optimalen, medikamentösen Therapie bei mittel- bis hochgradigem Schlafapnoesyndrom und bestehenden kardiovaskulären Erkrankungen.4
In einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin wurden mehrere Kritikpunkte an der Studie aufgelistet. Kritisiert wurde insbesondere die sehr geringe mittlere Therapieadhärenz von lediglich 3,3 Stunden pro Nacht. Auch die Diagnosestellung mittels ambulanter Polygrafie mit reduzierter Anzahl der Kanäle entspricht nicht den Empfehlungen zur Diagnostik einer OSA. Die Studienpopulation zeigte nur eine geringe klinische Symptomatik und integrierte ausschließlich Patienten in der Sekundärprophylaxe. Zusätzlich bestand die Studienpopulation vorwiegend aus nicht adipösen Asiaten, weshalb vonseiten der beiden Fachgesellschaften die Übertragbarkeit auf eine mitteleuropäische Gesellschaft infrage gestellt wurde.Trotzdem hatte die Studie einen ausgeprägten Einfluss auf die Indikationsstellung zur Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe. So wird die SAVE-Studie bedauerlicherweise immer wieder dahingehend missinterpretiert, dass bei Beschwerdefreiheit grundsätzlich keine harte Indikation für eine Therapie der OSA bestehen würde.
Indikationsstellung zur Therapie bei OSA
Die Baveno-Klassifikation stellt einen Versuch dar, Empfehlungen für die Indikationsstellung zur Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe zu geben.5 Während bei der ursprünglichen Baveno-Klassifikation ausschließlich Symptome sowie bestehende Endorganschäden zur Indikationsstellung für die Therapie herangezogen wurden, werden in der modifizierten Baveno-Klassifikation (Abb. 1) auch wieder der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und zusätzlich das kardiovaskuläre Risiko als Entscheidungsgrundlagen für eine Therapie berücksichtigt.6 Das kardiovaskuläre Risiko wird gemäß der Definition der European Society of Cardiology (ESC) in 3 Stufen eingeteilt. Hierbei werden Alter, Rauchen, Cholesterinwerte, Geschlecht, systolischer Blutdruck, Herkunft, durchgemachte kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Komorbiditäten berücksichtigt. Grundsätzlich wird zwischen einem AHI über 30/h und einem AHI unter 30/h unterschieden. Ein AHI über 30/h stellt immer eine Therapieindikation dar. Ebenso stellt ein sehr hohes Risiko laut ESC immer eine Therapieindikation dar. Bei einem AHI unter 30 wird zwischen symptomatischen und asymptomatischen Patienten unterschieden. Bei niedrigem bis moderatem kardiovaskulärem Risiko, einem AHI <30/h und fehlender Beschwerdesymptomatik wird keine Therapie empfohlen. In allen anderen Konstellationen sollte die Therapieentscheidung individuell getroffen werden.
Abb. 1: Modifizierte Baveno-Klassifikation (modifiziert nach Matthes S et al. 2023)6
In einer retrospektiven Untersuchung wurde die modifizierte Baveno-Klassifikation anhand der „European Sleep Apnea Database“ (ESADA) zur Anwendung gebracht.8625 Patienten der über 36000 Patienten umfassenden Datenbank konnten analysiert werden. Es zeigte sich einerseits, dass durch die Anwendung der modifizierten Baveno-Klassifikation weniger Patienten eine Therapie erhalten hätten, als sie gemäß der ESADA tatsächlich erhalten haben. Weiters zeigte sich, dass Patienten, die gemäß der modifizierten Baveno-Klassifikation einen dringenden Behandlungsbedarf hatten (AHI >30/h bzw. CV-Stufe3), signifikant bessere Ergebnisse bezüglich AHI, ESS und systolischem Blutdruck aufwiesen.
Wahl der Therapie bei OSA
Gemäß der S3-Leitlinie „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“ (Abb. 2) hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Erweiterung der Therapiemöglichkeiten etabliert.7 Unterschieden wird primär, ob ein AHI kleiner oder größer 30/h vorliegt. Bei Vorliegen eines AHI kleiner 30/h werden eine Therapie mit CPAP bzw. Unterkieferprotrusionsschiene als vergleichbar eingestuft. Bei einem AHI größer 30/h besteht die primäre Therapieoption in einer CPAP-Therapie.
Abb. 2: Algorithmus zur Behandlung von Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (modifiziert nach Stuck BA et al. 2020)7
CPAP-Therapie
Die CPAP-Therapie gilt weiterhin als Referenzmethode zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe und sollte bei einem AHI über 15/h primär zur Anwendung kommen. Allerdings kann diese Therapieform auch bei einem AHI unter 15/h bei gleichzeitig bestehendem erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko oder bei Tagesmüdigkeit erwogen werden. Die Einleitung sollte in erster Linie unter polysomnografischen Bedingungen im Schlaflabor erfolgen. Zuletzt wurden jedoch auch bestimmte Subgruppen definiert, bei welchen eine Einstellung ohne PSG im Schlafzentrum erfolgen kann.
Unterkieferprotrusionsschienen (UPS)
Sofern ein AHI unter 30/h besteht, kann auch eine Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) als Therapiealternative erwogen werden. Allerdings sollte auch der BMI unter 30kg/m2 liegen. Bei einem AHI über 30/h und/oder einem BMI über 30kg/m2 wird die Therapie mit einer UPS nur bei Ablehnen der CPAP-Therapie bzw. bei CPAP-Intoleranz empfohlen. Die Anpassung sollte durch Kollegen erfolgen, welche sowohl eine entsprechende zahnmedizinische als auch eine entsprechende schlafmedizinische Expertise besitzen. Gefordert wird eine Anfertigung nach individuellen Abdrücken sowie eine bimaxilläre Verankerung. Die Schiene soll sicheren Halt gewähren und leicht positionierbar sein. Eine Einstellbarkeit in Millimeterschritten sollte reproduzierbar gegeben sein und die Protrusion soll individuell eingestellt werden. Voraussetzungen für eine UPS sind eine entsprechende Fähigkeit zur Mundöffnung, eine ausreichende Möglichkeit zur Protrusionsbewegung des Unterkiefers und eine entsprechende Verankerungsmöglichkeit bei intaktem Zahnapparat bzw. Implantaten. Weiters dürfen keine Kiefergelenksstörungen bestehen, welche einer Versorgung entgegenstehen.
Lagetraining
Sofern eine ausschließliche bzw. überwiegende Rückenlageabhängigkeit besteht, kann auch ein Lagetraining als Therapieoption in Betracht gezogen werden. Empfohlen wird diese Therapie nur bis zu einem AHI <30/h. Es werden aktive (Lagesensoren mit Vibrationsalarm) und passive Verfahren (klassische Tennisballmethode, Rucksäcke und Lagerungswesten) unterschieden. Hinsichtlich der Vermeidung von Rückenlage zeigten aktive und passive Verfahren ein vergleichbares Ergebnis, bei den aktiven Verfahren zeigten sich jedoch eine deutlich bessere Compliance, „mean disease alleviation“ (MDA; mittlere Krankheitslinderung), Schlafqualität und Lebensqualität.
Tonsillektomie mit Uvulopalatopharyngoplastik (TE-UPPP)
Bei einer durch eine Tonsillenhyperplasie verursachten, klinisch vermuteten oropharyngealen Obstruktion soll eine Tonsillektomie mit Uvulopalatopharyngoplastik (TE-UPPP) erwogen werden, insbesondere dann, wenn eine andere Therapie (CPAP, UPS) nicht möglich ist oder nicht toleriert wird.
Maxillomandibuläre Umstellungs-osteotomien
Sofern ein entsprechender anatomischer Befund mit kleinem Unterkiefer und engem Gesichtsschädelaufbau vorliegt, können auch maxillomandibuläre Umstellungsosteotomien in Betracht gezogen werden. Hierbei handelt es sich um eine hocheffektive Therapie, welche in der Wirksamkeit CPAPgleichwertig ist. Es sind jedoch große chirurgische Eingriffe mit Vorverlagerung des Oberkiefers sowie des Unterkiefers (maxillomandibuläres Avancement). Indiziert sind sie in erster Linie bei angeborenen Fehlbildungen, Mikrogenie sowie mandibulärer Retrognathie. Grundsätzlich können sie jedoch auch bei normognathen Patienten zur Anwendung kommen. Eine Vorverlagerung um 10mm wird als erforderlich angesehen.
Neurostimulationsverfahren des Nervus hypoglossus
Sofern eine CPAP-Unverträglichkeit bzw. eine CPAP-Ineffektivität besteht, kann auch die Implantation eines Neurostimulators des Nervus hypoglossus erwogen werden. Der Patient muss hierfür sowohl schlafmedizinische (AHI 15–65/h, Anteil zentrale Schlafapnoe <25%) als auch HNO-ärztliche Bedingungen (fehlende anatomische Auffälligkeiten) erfüllen. Weiters wird ein BMI <35kg/m2 gefordert. Auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung ( www.schlafmedizin.at ) findet sich ein Download für einen Konsensus-Dokumentationsbogen zur Indikationsprüfung.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Ergebnisse der SAVE-Studie zwar dazu führen, dass die Behandlungsindikation bei OSA großzügiger als bisher gesetzt werden darf, uns Ärzte jedoch nicht davon entbinden, unsere Patienten einer indizierten Therapie zuzuführen. Es gibt inzwischen unterschiedliche Therapiemöglichkeiten und der Patient soll im medizinisch sinnvollen Rahmen seine persönliche Therapiewahl treffen. Die interdisziplinäre Betreuung ist somit Chance und Bereicherung sowohl für den Patienten als auch für uns Ärzte. Wir sollten gemeinsam interdisziplinär das optimale Therapieergebnis für unseren Patienten anstreben.
Literatur:
1 He J et al.: Mortality and apnea index in obstructive sleep apnea. Experience in 385 male patients. Chest 1988; 94(1): 9-14 2 Peppard PE et al.: Prospective study of the association between sleep-disordered breathing and hypertension. N Engl J Med 2000; 342(19): 1378-84 3 Shahar E et al.: Sleep-disordered breathing and cardiovascular disease: cross-sectional results of the Sleep Heart Health Study. Am J Respir Crit Care Med 2001; 163(1): 19-25 4 McEvoy RD et al.: CPAP for prevention of cardiovascular events in obstructive sleep apnea. N Engl J Med 2016; 375: 919-31 5 Klein F: Modifizierte Baveno-Klassifikation – Kriterien für OSA-Therapie geschärft; Medical Tribune 2024. https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/kriterien-fuer-osa-therapie-geschaerft ; zuletzt aufgerufen am 2.10.2024 6 Matthes S et al.: Redefining the Baveno Classification for obstructive sleep apnea. Eur Resp J 2023; 62(67): OA4840 7 Stuck BA et al.: Teil-Aktualisierung S3-Leitlinie Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen. Somnologie 2020; 24: 176-208
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