Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse: Ernährung als Behandlungsansatz für Depression
Autorinnen:
Prof. Dr. med. Undine E. Lang
Jessica P. K. Doll
Klinik für Erwachsene und Privatklinik
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel
Korrespondierende Autorin:
Prof. Dr. med. Undine E. Lang
E-Mail: undine.lang@upk.ch
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Die Relevanz depressiver Erkrankungen steigt und damit auch der Bedarf an neuen therapeutischen und präventiven Strategien. Aktuelle Behandlungsmethoden führen teilweise nicht zu der erwünschten Wirkung, nicht alle Betroffene erhalten eine Therapie, teilweise fehlt auch die Akzeptanz bestehender Behandlungsmethoden. Ein Beispiel für einen neuen Ansatz ist die Modifikation des Darm-Mikrobioms über die Ernährung, um über die Mikrobiom-Darm-Hirn Achse depressive Symptome zu verhindern und die Stimmung zu verbessern.
Keypoints
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Aufgrund der unzureichenden Wirkung und Akzeptanz aktueller Behandlungsmethoden für Depression werden neue Behandlungsansätze und deren Erforschung benötigt. Zu solchen Ansätzen gehören Lifestyle-Faktoren wie etwa die Modifikation der Darmflora.
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Die Mikrobiom-Darm-Hirn- Achse ist eine bidirektionale Kommunikationsroute zwischen Gehirn und Darm und spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit.
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Über gesunde Ernährung kann das Risiko für eine Depression präventiv reduziert und depressive Symptome können verringert werden.
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Zu einer gesunden Ernährung gehören ein hoher Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln, und ein geringer Anteil an tierischen Produkten, insbesondere rotem oder verarbeitetem Fleisch.
Depression
Depression ist eine der häufigsten Erkrankungen weltweit und beeinflusst die Lebensqualität der betroffenen Personen negativ.1,2 Trotz immer besserer Versorgungslage und erzielter Fortschritte in der Therapie, insbesondere in der Psychotherapie, ändert sich ihre Prävalenz nicht. Die Relevanz der Erkrankung nimmt zu: So werden in Europa durch Produktivitätseinbussen etwa 100 Milliarden Euro jährlich für die Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen ausgegeben, die Kosten für die Arbeitgeber für die Behandlung von Depressionen liegen also mittlerweile höher als die für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.3 Trotz vielfältiger Behandlungsoptionen bleibt die erwünschte Wirkung bei etwa einem Drittel der behandelten Patienten und Patientinnen aus.4 Ein relevantes Problem sind jedoch auch die Nichtbehandlung und die fehlende Akzeptanz der verfügbaren Behandlungsmethoden. Aktuell werden diverse neue Ansätze für die Behandlung und Prävention der Depression erforscht. Dazu gehören auch die bewusste Veränderung und Optimierung von sogenannten Lifestyle-Faktoren.
Zu solchen Faktoren zählen beispielsweise Bewegung, Schlaf, soziale Kontakte und Ernährung. Dieser Beitrag befasst sich mit der Relevanz der Ernährung in der Behandlung von Depressionen.
Die Mikrobiom-Darm-Hirn Achse
In unserem Darm befindet sich ein Universum an Lebewesen mit ca. 100000 Millionen Bakterien; das sind mehr bakterielle Zellen als menschliche.5,6 Die Wissenschaft interessiert sich zunehmend für das Mikrobiom im Darm. Im Fokus stehen hier neurodegenerative Erkrankungen, entzündliche Erkrankungen, einige neurologische Erkrankungen sowie auch Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen, Autismus und Angsterkrankungen. Das Gehirn und der Darm kommunizieren über verschiedene Wege. Endokrine, neurale, immunologische und metabolische Modalitäten gehören zu der bidirektionalen Kommunikationsroute von Darm und Hirn.5,6 Dies bezeichnet man als (Mikrobiom-)Darm-Hirn-Achse. Beispielsweise kann Stress die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse aktivieren und zu vermehrter Ausschüttung von Cortisol führen. Dieses kann wiederum einen Einfluss haben auf die Mikrobiom-Zusammensetzung, die Permeabilität der Darmwand und die Immunzellen im Darm.5 Weiter können einzelne Bakterien im Darm die Menge zirkulierender Zytokine beeinflussen, wobei dann pro- und antiinflammatorische Zytokine wiederum einen Einfluss auf das Gehirn ausüben können.5 Darmhormone wie Leptin, Ghrelin und Cholezystokinin beeinflussen emotionale, kognitive und strukturelle Prozesse des Gehirns und verändern sich während einer antidepressiven Therapie. Ausserdem haben Bakterien im Darm die Fähigkeit, wichtige Botenstoffe wie Acetylcholin, GABA, Serotonin und Dopamin zu produzieren.
Die Modifikation des Darmmikrobioms als (Zusatz-)Therapie für Depression gewinnt daher immer mehr an Interesse. Dies kann durch die Gabe von Präbiotika,7,8 Probiotika7,8 oder Postbiotika8 erfolgen oder gar über die Transplantation von fäkalem Mikrobiom einer gesunden Person in den Darm einer kranken Person. Eine besonders einfache, nebenwirkungsfreie und nicht stigmatisierende Methode zur Darmmodifikation ist die Ernährung.
Ernährung
Im vergangenen Jahrzehnt zeigten diverse Studien, dass Ernährung einen Einfluss auf Depression oder depressive Symptome haben kann.9 So zeigte Joghurt in einer Kohorte von 1745 schwangeren Japanerinnen einen antidepressiven Effekt,10 vegetarische Diät wurde mit besserer Stimmung assoziiert11,12 und vegane Ernährung verringerte depressive Symptome.13 Zudem wurde wiederholt gezeigt, dass eine japanische oder mediterrane Diät das Depressionsrisiko verringert.13 Eine prospektive Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass mehr Laktose und Früchte bei 87000 postmenopausalen Frauen zu einer niedrigeren Depressionsinzidenz führten.14 Eine weitere Studie zeigte, dass ein zweijähriges Diätcoaching zur Besserung depressiver Symptome und einer Verringerung der stationären Aufenthalten führte.15,16 Ein intensives 6-monatiges Diätprogramm führte ebenfalls zur Verringerung depressiver Symptome, aber auch zu weniger Angst, niedrigeren Leptin- und CRP-Werten und erhöhten Serotonin- und Dopaminwerten.17 Eine mediterrane Diät verringert nicht nur das Risiko, an einer Depression zu erkranken, sondern scheint auch bei der Behandlung von Depression erfolgreich zu sein.18 Weltweit gibt es unterschiedliche Empfehlungen bezüglich gesunder Ernährung. Grundsätzlich gelten jedoch qualitativ hochwertige Ernährungsweisen als protektiv für körperliche und geistige Gesundheit.19 Dazu gehört beispielsweise die Einnahme einer grossen Menge von pflanzlichen Lebensmitteln wie Früchten und Gemüse, aber auch Fisch und Milchprodukte mit wenig Fett sind wesentlich. Gleichzeitig sind qualitativ minderwertige Ernährungsweisen assoziiert mit einem höheren Risiko für Krankheiten und entsprechend auch einem höheren Risiko für Depression.20 Dazu gehört beispielsweise hoher Konsum von rotem oder verarbeitetem Fleisch (z.B. Salami), raffiniertem Korn, Süssigkeiten oder Lebensmitteln mit hohem Fettanteil.
Ungesunde Ernährung stellt nicht nur ein Risiko für die Gesundheit des Menschen, sondern auch für den Planeten im Kontext der Klimakrise dar. Eine Expertenkommission für menschliche Gesundheit, Landwirtschaft, Politikwissenschaften und ökologische Nachhaltigkeit hat Ernährungsziele definiert, um auf der Grundlage der besten verfügbaren Erkenntnisse globale wissenschaftliche Ziele für eine gesunde Ernährung zu entwickeln. Diese raten unter anderem zu einer Transformation der Ernährung bis 2050: weltweit eine Reduktion des Konsums von Fleisch und Zucker um 50% und eine mehr als 100%ige Erhöhung des Konsums von Nüssen, Früchten, Gemüse und Hülsenfrüchten.21
Literatur:
1 Collaborators: Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 354 diseases and injuries for 195 countries and territories, 1990-2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet 2018; 392(10159): 1789-1858 2 Ormel J et al.: Depression: more treatment but no drop in prevalence: how effective is treatment? And can we do better? Curr Opin Psychiatry 2019; 32(4): 348-54 3 Gustavsson A et al.: Cost of disorders of the brain in Europe 2010. Eur Neuropsychopharmacol 2001; 21: 718-79 4 Rush AJ et al.: Acute and longer-term outcomes in depressed outpatients requiring one or several treatment steps: a STAR*D report. Am J Psychiatry 2006; 163(11): 1905-17 5 Cryan JF, Dinan TG: Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nature reviews neuroscience 2012; 13(10): 701-12 6 Valles-Colomer M et al. : The neuroactive potential of the human gut microbiota in quality of life and depression. Nature microbiology 2019; 4(4): 623-32 7 Liu RT et al.: Prebiotics and probiotics for depression and anxiety: A systematic review and meta-analysis of controlled clinical trials. Neurosci Biobehav Rev 2019; 102: 13-23 8 Chudzik A et al.: Probiotics, prebiotics and postbiotics on mitigation of depression symptoms: modulation of the brain-gut-microbiome axis. Biomolecules 2021; 11(7) 9 Lang UE et al.: Nutritional aspects of depression. Cell Physiol Biochem 2015; 37(3): 1029-43 10 Miyake Y et al.: Intake of dairy products and calcium and prevalence of depressive symptoms during pregnancy in Japan: a cross-sectional study. BJOG 2015; 122(3): 336-43 11 Beezhold BL, Johnston CS: Restriction of meat, fish, and poultry in omnivores improves mood: a pilot randomized controlled trial. Nutr J 2012; 11: 9 12 Beezhold BL et al.: Vegetarian diets are associated with healthy mood states: a cross-sectional study in seventh day adventist adults. Nutr J 2010; 9: 26 13 Agarwal U et al.: A multicenter randomized controlled trial of a nutrition intervention program in a multiethnic adult population in the corporate setting reduces depression and anxiety and improves quality of life: the GEICO study. Am J Health Promot 2015; 29(4): 245-54 14 Gangwisch JE et al.: High glycemic index diet as a risk factor for depression: analyses from the Women‘s Health Initiative. Am J Clin Nutr 2015; 102(2): 454-63 15 Stahl ST et al.: Coaching in healthy dietary practices in at-risk older adults: a case of indicated depression prevention. Am J Psychiatry 2014; 171(5): 499-505 16 Reynolds CF et al.: Early intervention to reduce the global health and economic burden of major depression in older adults. Annu Rev Public Health 2012; 33: 123-35 17 Perez-Cornago A et al.: A decline in inflammation is associated with less depressive symptoms after a dietary intervention in metabolic syndrome patients: a longitudinal study. Nutr J 2014; 13: 36 18 Jacka FN et al.: A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the ‚SMILES‘ trial). BMC Med 2017; 15(1): 23 19 Psaltopoulou T et al.: Mediterranean diet, stroke, cognitive impairment, and depression: A meta-analysis. Ann Neurol 2013; 74(4): 580-91 20 Li Y et al.: Dietary patterns and depression risk: A meta-analysis. Psychiatry Res 2017; 253: 373-82 21 Willet W et al.: Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet 2019; 393: 447-92
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