Metabolom-Untersuchungen zur Vorhersage, wer an Krebs erkrankt
Bericht:
Dr. Felicitas Witte
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Forscher von der Universitätsklinik in Heidelberg haben mithilfe von Metabolom-Untersuchungen ein bestimmtes Stoffwechselmuster gefunden, das auf eine mögliche Entwicklung von Krebs hinweist.1
Eine zeitnahe Diagnose einer Krebserkrankung ist essenziell, um den Patienten erfolgreich zu behandeln. Bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis ist die Diagnose allerdings mitunter schwierig, weil die Symptome der malignen Krankheit denen der Autoimmunkrankheit ähneln. Sowohl Krebs als auch rheumatische Erkrankungen gehen mit einer dysregulierten Immunantwort einher und es kommt zu Veränderungen im Stoffwechsel von Zellen, Geweben und im gesamten Organismus. In Studien zum Thema Krebs wurden Veränderungen des Metaboloms – also aller charakteristischen Stoffwechseleigenschaften – mittels Magnetresonanzspektroskopie oder Massenspektroskopie quantifiziert und es konnte gezeigt werden, dass sie das Potenzial bieten, die Versorgung von Patienten mit Krebs zu verbessern. Die Metabolom-Signatur könnte beispielsweise dazu dienen, um zwischen benignen und malignen Tumoren zu unterscheiden, Risikopatienten zu identifizieren, Tumor-Subtypen und Stadien zu klassifizieren, das Ansprechen auf eine Therapie vorherzusagen oder gar das Überleben zu verlängern.2–7 Metabolom-Untersuchungen wurden auch schon bei verschiedenen entzündlichen rheumatischen Krankheiten durchgeführt, um Biomarker für eine frühe Diagnose zu finden, die Klassifizierung zu präzisieren, die Antwort auf ein Medikament vorherzusagen oder die Prognose einzuschätzen.8–14
Vor zwei Jahren hat die Forschergruppe aus Heidelberg, deren aktuelle Studie jetzt publiziert wurde, untersucht, ob Metabolom-Veränderungen in den CD8-T-Zellen erklären, warum Krebspatienten unter einer Behandlung mit Immuncheckpoint-Hemmern rheumatische, immunvermittelte Nebenwirkungen bekommen, etwa eine Arthritis.15 Es zeigte sich, dass die CD8-T-Zellen der Krebspatienten, die solche Nebenwirkungen erlitten hatten, ein anderes Metabolom-Profil hatten als Krebspatienten ohne diese Nebenwirkungen. Die durch die Immuncheckpoint-Hemmer verursachte Arthritis beeinflusst also langfristig den Phänotyp der peripheren CD8-Zellen, vermuteten die Autoren. Das Metabolom-Profil der CD8-T-Zellen der Krebspatienten mit rheumatischen, immunvermittelten Nebenwirkungen durch Immuncheckpoint-Hemmer ähnelte dem Metabolom-Profil von Patienten mit chronischer Polyarthritis, unterschied sich aber von dem von Krebspatienten, die mit Immuncheckpoint-Hemmern behandelt worden waren, aber keine Nebenwirkungen erlitten hatten.
In ihrer aktuellen Studie1 wollten Prof. Lorenz und sein Team herausfinden, ob das Metabolom-Profil von Patienten mit entzündlichen rheumatischen Krankheiten als Biomarker dienen kann, Krebs bei diesen Patienten frühzeitig festzustellen. Der Ansatz könnte sinnvoll sein: Eine In-vitro-Studie und eine neuronale Netzwerkanalyse metabolischer Profile hatten nämlich gezeigt, dass die Metabolom-Signatur von der Krebsart abhängt.16,17 Die Forscher analysierten das Metabolom im Serum von zwei Kohorten: In der ersten waren 56 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die invasiven Krebs gehabt hatten oder noch darunter litten. Als Vergleichsgruppe dienten 52 RA-Patienten ohne Krebs. Am häufigsten hatten die Patienten Brustkrebs, Melanome und urogenitale Tumoren. Die zweite Kohorte bestand aus 33 Patienten mit Spondyloarthritis und Krebs und 75 Patienten mit Spondyloarthritis ohne Krebs. Alter, Gewicht, Geschlecht und Entzündungsstatus waren bei den Gruppen jeweils vergleichbar. Mittels Magnetresonanzspektroskopie wurden die Serum-Lipide sowie Stoffwechselprodukte analysiert, um Unterschiede festzustellen zwischen Patienten mit Krebs und denjenigen ohne. Die Autoren fanden eine Metabolom-Signatur, die mit hoher Wahrscheinlichkeit damit korrelierte, ob ein Patient Krebs hatte. Diese Signatur basierte auf den Konzentrationen von Acetat, Kreatinin, Glycin, Ameisensäure und dem Lipidverhältnis von L1 zu L6. Als statistische Technik wurden „Receiver operating characteristic“(ROC)-Kurven verwendet und die Fläche unter der Kurve berechnet („area under the curve“, AUC).
Für die Entdeckung von Krebs bei den RA-Patienten ergab sich eine AUC von 0,995, was einer hohen Wahrscheinlichkeit entspricht, dass der Test das anzeigt, was er soll – nämlich in diesem Falle, ob der Patient Krebs hat. Die Forscher validierten ihren Test mit 16 neuen RA-Patienten, darunter 7 mit invasivem Krebs. Die Patienten waren verblindet, sodass vorab nicht bekannt war, wer Krebs hatte. 14 von 16 Patienten (87,5%) wurden mittels Metabolom-Signatur korrekt klassifiziert – also entweder als Krebspatient oder als Nichtkrebspatient. Die ROC-Analyse ergab eine AUC von 0,937 mit einer Sensitivität von 0,889 und einer Spezifität von 0,857. Danach wurde das Modell in der Patientenkohorte mit Spondylarthritis getestet. Auch hier zeigte sich eine hohe AUC (0,912). 104 der 130 Patienten (80,0%) wurden korrekt klassifiziert. Die Sensitivität betrug 0,964 und die Spezifität 0,680. Weitere Tests ergaben, dass mit der Metabolom-Signatur zwar gut vorausgesagt werden konnte, ob ein Patient bereits Krebs hat, aber nicht, ob er irgendwann einmal Krebs bekommen wird.
Zum Schluss prüften die Autoren ihr Modell noch bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) als einer rheumatischen Krankheit mit einer anderen Pathogenese als RA. 10 von ihnen hatten Krebs, 32 nicht. Da sich SLE und RA klinisch unterscheiden, überrascht nicht, dass die Metabolom-Signatur Krebs bei den SLE-Patienten kaum erkannte. Die AUC betrug nur 0,656. Zwar war die Spezifität mit 0,80 recht hoch, aber die Sensitivität mit 0,25 sehr schlecht. „Nach unserem Wissen wurde nach der Koinzidenz von Krebs und anderen chronischen Krankheiten noch nie mittels Metabolom-Analysen gesucht“, sagt Studienleiter Prof. Lorenz, „und das, obwohl mittels NMR- und Massenspektroskopie in beiden Krankheitsaktivitäten schon Biomarker-Kandidaten gefunden wurden.“ Bevor der Test in die klinische Praxis aufgenommen werde, müsse er aber noch in grösseren multinationalen und multiethnischen Studien validiert werden, um zu zeigen, dass er auch in genetisch heterogenen Populationen verlässlich ist.
Literatur:
1 Gente K et al.: Altered serum metabolome as an indicator of paraneoplasia or concomitant cancer in patients with rheumatic disease. Ann Rheum Dis 2024; ard-2023-224839 2 Crownson CS et al.: The lifetime risk of adult-onset rheumatoid arthritis and other inflammatory autoimmune rheumatic diseases. Arthritis Rheum 2011; 63(3): 633-9 3 Ahmad AS et al.: Trends in the lifetime risk of developing cancer in Great Britain: comparison of risk for those born from 1930 to 1960. Br J Cancer 2015; 112(5): 943-7 4 He M-M et al.: Immune-mediated diseases associated with cancer risks. JAMA Oncol 2021; 8(2): 209-19 5 Manger B, Schett G: Paraneoplastic syndromes in rheumatology. Nat Rev Rheumatol 2014; 10(11): 662-70 6 Pelosof LC, Gerber DE: Paraneoplastic syndromes: an approach to diagnosis and treatment. Mayo Clin Proc 2010; 85(9): 838-54 7 Madama D et al.: Metabolomic profiling in lung cancer: a systematic review. Metabolites 2021; 11(9): 630 8 Nannini G et al.: Metabolomics profile in gastrointestinal cancers: update and future perspectives. World J Gastroenterol 2020; 26(20): 2514-32 9 Guma M et al.: Metabolomics in rheumatic diseases: desperately seeking biomarkers. Nat Rev Rheumatol 2016; 12(5): 269-81 10 Souto-Carneiro M et al.: Differences in the serum metabolome and lipidome identify potential biomarkers for seronegative rheumatoid arthritis versus psoriatic arthritis. Ann Rheum Dis 2020; 79(4): 499-506 11 Jain A et al.: NMR-based serum metabolomics of patients with Takayasu arteritis: relationship with disease activity. J Proteome Res 2018; 17(9): 3317-24 12 Bengtsson AA et al.: Metabolic profiling of systemic lupus erythematosus and comparison with primary Sjögren’s syndrome and systemic sclerosis. PLoS One 2016; 11(7): e0159384 13 Yan S et al.: Distinct metabolic biomarkers to distinguish IgG4-related disease from Sjogren’s syndrome and pancreatic cancer and predict disease prognosis. BMC Med 2022; 20(1): 497 14 Hynne H et al.: Saliva metabolomics in dry mouth patients with head and neck cancer or Sjögren’s syndrome. Cells 2022; 11(3): 323 15 Benesova K et al.: Distinct immune-effector and metabolic profile of CD8+ T cells in patients with autoimmune polyarthritis induced by therapy with immune checkpoint inhibitors. Ann Rheum Dis 2022; 81(12): 1730-41 16 Hu C et al.: A biochemical comparison of the lung, colonic, brain, renal, and ovarian cancer cell lines using 1H-NMR spectroscopy. Biosci Rep 2020; 40(4): BSR20194027 17 Buergel T et al.: Metabolomic profiles predict individual multidisease outcomes. Nat Med 2022; 28(11): 2309-20
Das könnte Sie auch interessieren:
Abatacept: eine Prävention der RA könnte machbar sein
Eine Prävention der rheumatoiden Arthritis (RA) scheint mit Abatacept möglich – doch nach Absetzen geht der Effekt zurück, wie Daten aus Großbritannien und auch aus Deutschland zeigen. ...
Sjögren-Syndrom: Therapie systemischer Manifestationen
Die Empfehlungen der EULAR aus dem Jahr 20201 dazu, wie sich Trockenheit in Auge und Mund bei Menschen mit Sjögren-Syndrom (SjS) lindern lassen, sind recht konkret. Für extraglanduläre ...
Klimawandel-bedingte Risiken für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen
Der Klimawandel ist definiert als langfristige Verschiebung der Temperatur- und Wettermuster, die die Folge menschlicher Aktivitäten ist und der planetaren Gesundheit signifikant schadet ...