© Ihar - stock.adobe.com

EAU-Highlights – benignes Prostatasyndrom

BPS: MIST als „Superpills“?

Die Covid-19-Pandemie hat auch die Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) beeinflusst. Während weniger TUR-P durchgeführt wurden, erleben die minimalinvasiven chirurgischen Therapien einen Aufschwung. Eine Bestandsaufnahme zum EAU 2024.

Keypoints

  • Die demografische Entwicklung macht eine effektive tagesklinische operative Versorgung notwendig.

  • MIST-Verfahren sind der medikamentösen Therapie überlegen und sollten als Alternative in der Erstlinie nach individuellem Patientenwunsch angeboten werden.

  • Die MIST-Verfahren beeinflussen den PSA-Wert und müssen beim PCA-Screening berücksichtigt werden.

  • Die anatomische endoskopische Enukleation ist eine effektive Operationsmethode mit langfristig gutem Outcome und Mittel der Wahl bei großen Prostatadrüsen > 80 ml.

  • Die TUR-P bleibt der Standard- und Referenzeingriff und bietet ein besseres Outcome als die (ejakulations-)schonenden MIST-Verfahren.

Weniger TUR-P seit Covid-19-Pandemie

Durch die Covid-19-Pandemie wurden in den Jahren 2020 und 2021 im Vergleich zum Jahr 2019 deutlich weniger subvesikale Desobstruktionen durchgeführt. Während die OP-Zahlen in Deutschland um 12,2% zurückgingen, erfolgten in England 45,2% weniger subvesikale Desobstruktion. In absoluten Zahlen bedeutet dies 38824 weniger BPS-Operationen im Jahr 2020 und 12709 weniger BPS-Operationen im Jahr 2021 als 2019. Diese Tatsache, aber auch die demografische Entwicklung einer alternden Gesellschaft sowie der Personalmangel und die geringen OP-Kapazitäten stellen große Herausforderungen an unser zukünftiges Gesundheitssystem.

In einer retrospektiven Datenanalyse von Boeri et al.1 wurden die Auswirkungen einer langen Wartezeit für eine klassische TUR-P in Bezug auf Komplikationen und Lebensqualität (QoL) untersucht. Es zeigte sich, dass in Mailand die mediane Wartezeit für eine klassische TUR-P 19 (15–36) Monate beträgt. Mit einer Wartezeit von über 3 Jahren hatten 60% der 54 Patienten Komplikationen, im Sinne von Harnverhalt, Hämaturie oder medikamentösem Therapiewechsel,und eine signifikant schlechtere QoL.

Minimalinvasive chirurgische Therapien

Als große Hoffnungsträger zur Lösung der demografischen Problematik wurden die minimalinvasiven chirurgischen Therapien („minimal invasive surgical therapies“; MIST) auf dem EAU als „Superpills“ betitelt. Turney et al.2 werteten nationale Datenbanken der ambulanten und stationären Versorgung großer europäischer Länder aus, um chirurgische Trends der Jahre 2018 bis 2022 zu beurteilen. Hierbei zeigte sich ein Rückgang der klassischen TUR-P zugunsten der enukleativen Chirurgie sowie der MIST. So machten im Jahr 2022 die MIST in England 12,5% und in Schweden 23,5% der BPS-Operationen aus, sodass in Schweden der Anteil der tagesklinisch operativen BPS-Versorgung bereits bei 28,7% lag.

Optilume BPH

Optilume BPH ist ein vielversprechendes neues MIST-Verfahren, das in Lokalanästhesie oder Sedoanalgesie im tagesklinischen oder niedergelassenen Bereich Anwendung finden soll und bereits in zwei klinischen Studien in Amerika und Kanada evaluiert wird. Bei diesem Verfahren wird ein Paclitaxel-beschichteter Doppelballonkatheter unter zystoskopischer Sicht über die penile Harnröhre eingeführt. Ein Ballon wird in der Harnblase geblockt, während der andere Ballon in der Prostataloge unter zystoskopischer Sicht dilatiert wird. Hierbei kommt es zu einer Dilatation der anterioren Prostatadrüsenkommissur mit entsprechender Aufweitung des Blasenhalses. Die Paclitaxel-Beschichtung soll die Wundheilung beeinflussen und zu einer langfristigen Desobstruktion führen. Bei diesem Vorgang werden der apikale und der posteriore Prostatabereich geschont, sodass die Patienten keinen negativen Einfluss auf ihre sexuelle Funktion oder auf die Ejakulation erleben. Bereits 142 Patienten mit einem Follow-up von 2 Jahren wurden im Rahmen der PINNACLE-Studie3 untersucht und hatten eine anhaltende Verbesserung des IPSS-Scores von 22,9 auf 9,7 Punkte sowie eine anhaltende Verbesserung des Qmax von 9,8ml/s auf 18,0ml/s.

IMPACT-Studie zu Urolift

IMPACT4 ist die erste randomisierte, kontrollierte Multicenterstudie, welche die Wirksamkeit des Urolifts als MIST mit der medikamentösen Therapie mit Tamsulosin in der Erstlinientherapie bei BPS-Patienten vergleicht. Nach 1 Monat zeigte sich bei Urolift eine deutliche Verbesserung des IPSS-Scores um 8,9 Punkte vs. 3,4 Punkte unter Tamsulosin. Nach 3 Monaten lag die Verbesserung des IPSS-Scores bei Urolift bei 10,3 Punkten im Vergleich zu 2,9 Punkten unter Tamsulosin. Auch beim Harnstrahl (Qmax) und bei der Lebensqualität (QoL) zeigten sich bessere Ergebnisse unter Urolift als unter Tamsulosin. Des Weiteren erfassten Roehrborn et al. mittels „achievement goals“ die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Therapiewahl. Interessanterweise gaben auch jene Patienten, die sich für Tamsulosin entschieden hatten, eine hohe Zufriedenheit an. Es zeigt sich, dass die neuen MIST eine wirkungsvolle Alternative zur medikamentösen Therapie darstellen. Der Trend zur individualisierten Medizin sollte auch bei den vielen neuen Möglichkeiten der BPS-Therapie berücksichtigt werden, sodass die MIST abhängig vom Patientenwunsch bereits in der Erstlinientherapie neben der medikamentösen Therapie angeboten werden sollten.

iTIND und Serum-PSA

Die spanische und italienische Arbeitsgruppe von De Cillis et al.5 untersuchte in ihrer prospektiven Multicenterstudie den Einfluss des iTIND auf den Serum-PSA-Wert im Zeitraum von 06/2018 bis 09/2019. Hierbei führte diese MIST lediglich zu einer transienten PSA-Erhöhung mit einem maximalen Peak nach 4 Wochen (um ca. 100%) und zeigte einen kompletten PSA-Rückgang nach spätestens 12 Monaten. Das PSA-Verhalten unter den MIST muss für die jeweilige Technik spezifisch evaluiert und beim PCA-Screening entsprechend berücksichtigt werden.

Aquaablation

Omidele et al.6 aus New York stellten das prospektive 4-Jahres-Follow-up von 265 Patienten vor, die von 12/2019 bis 10/2023 bei moderaten bis schweren LUTS-Beschwerden mit einem IPSS-Score von ≥18 und bei einem medianen Prostatavolumen von 108ml (38–293ml) mittels Aquaablation desobstruiert wurden. Sie konnten einen Rückgang des medianen IPSS-Scores von 24,2 auf 7,1 und einen Anstieg des Qmax von 6,1ml/s auf 17,1ml/s nachweisen. Hierbei wurde die antegrade Ejakulation bei 99% der Patienten erhalten. In der anschließenden Diskussion waren die Vorsitzenden erstaunt, dass, im Gegensatz zum Abwärtstrend in Europa, die Aquaablation in den USA immer beliebter wird. Dr. Omidele erklärte, dass die Aquaablation mit einer hohen Lernkurve verbunden sei und Operateure mittlerweile im direkten Anschluss an die Aquaablation eine klassische TUR-Koagulation des Blasenhalses durchführten, um dem hohen Nachblutungsrisiko entgegenzuwirken.

Endoskopische Enukleation der Prostata

Bezüglich der anatomischen endoskopischen Enukleation der Prostata (AEEP) stellte Prof. Herrmann das REAP-Register vor.7 Von 01/2020 bis 01/2022 wurden 6193 Patienten von 12 High-volume-Operateuren (>200 Enukleationen) in 8 europäischen Zentren therapiert. Die ThuLEP wurde mit 37% am häufigsten durchgeführt, gefolgt von der HoLEP mit 32%. Bei den Frühkomplikationen muss vor allem die postoperative Inkontinenz mit 15% hervorgehoben werden. Diese bessert sich meistens innerhalb von 3 Monaten und tritt häufiger bei großen Prostatadrüsen mit einem Volumen >100ml auf. Bei den Spätkomplikationen kommt es zu 1,3% interventionspflichtigen bulbären Harnröhrenstrikturen sowie zu 0,7% interventionspflichtigen Blasenhalssklerosen. Diese Zahlen sind vergleichbar mit den Spätkomplikationen bei der klassischen TUR-P.

Capogrosso et al.8 beobachteten in ihrer prospektiven Studie bei 13,1% der 243 HoLEP-Patienten postoperativ einen Harnverhalt. Bei 6,9% der HoLEP-Patienten wurde ein Blasenhalsspasmus als Ursache festgestellt, während bei 5,7% ein koagelbedingter Harnverhalt auftrat. Interessanterweise korrelierte das Risiko für einen Harnverhalt mit der Abnahme der Prostatagröße. So lag das Risiko für einen Harnverhalt für 50ccm große Prostatadrüsen bei 16%, während das Risiko für 90ccm große Prostatadrüsen bei 4% lag.

Stellenwert der TUR-P?

Bei der Vielzahl neuer OP-Techniken stellt sich die Frage nach dem aktuellen und zukünftigen Stellenwert der klassischen TUR-P. Diese Frage wurde durch Manfredi et al.9 beantwortet. Sie führten eine retrospektive Analyse der Daten einer amerikanischen Datenbank zwischen 2011 und 2022 durch und analysierten 274808 Patienten, die mit unterschiedlichen Techniken desobstruiert wurden. Die Autoren untersuchten die Häufigkeit und den Zeitpunkt einer notwendigen 2. subvesikalen Desobstruktion in Bezug auf die primäre OP-Methode, wie häufig der Zweiteingriff innerhalb der ersten 5 Jahre durchgeführt wurdeund wie viele Monate zwischen dem Zweiteingriff und der Primäroperation lagen. Insgesamt war 25872-mal eine zweite subvesikale Desobstruktion notwendig (9,4%). Die klassische TUR-P war der häufigste Eingriff und wurde über 200000-mal durchgeführt. Nach klassischer TUR-P wurde in lediglich 5,5% der Fälle eine zweite subvesikale Desobstruktion durchgeführt; 85% der Zweitoperationen waren innerhalb der ersten 5 Jahre, mit einem medianen Abstand von 26,3 Monaten zur primären Operation. Bei der HoLEP wurde in 3,1% der Fälle eine zweite subvesikale Desobstruktion durchgeführt; 80% der Zweitoperationen waren innerhalb der ersten 5 Jahre, mit einem medianen Abstand von 37 Monaten zur primären Operation. Bei der Wasserdampfablation (Rezum) und der Aquaablation wurde in ca. 7% der Fälle eine zweite subvesikale Desobstruktion durchgeführt; 100% der Zweitoperationen waren innerhalb der ersten 5 Jahre, mit einem medianen Abstand von 13 bzw. 15 Monaten zur primären Operation. Die Prostataembolisation schnitt am schlechtesten ab. Dabei erfolgte in 19% der Fälle eine zweite subvesikale Desobstruktion; 85% der Zweitoperationen waren innerhalb der ersten 5 Jahre, mit einem medianen Abstand von 9,4 Monaten zur primären Operation.

Diese Daten zeigen, dass die klassische TUR-P sicherlich auch mittelfristig der Standard- und Referenzeingriff bleiben wird und ein besseres Outcome bietet als die schonenden MIST-Verfahren. Die Prostataenukleation (HoLEP, ThuLEP, BipolEP) ist der klassischen TUR-P überlegen und wird immer häufiger bei großen Prostatadrüsen mit Volumina über 80ml zum Einsatz kommen.

1 Boeri L et al.: The impact of the surgical waiting list for transurethral resection of the prostate on patient’s clinical course: A single center investigation. EAU 2024: A0163 2 Turney BW et al.: Changing trends in the surgical management of BPO in Europe. EAU 2024: A0165 3 Kaplan SA.: Two-year long-term follow-up of treatment with the Optilume BPH catheter system in a randomized controlled trial for benign prostatic hyperplasia (The PINNACLE Study). Prostate Cancer Prostatic Dis 2024; doi: 10.1038/s41391-024-00833-z 4 Roehrborn C et al.: Minimally invasive surgery (MIS) vs medication in the initial treatment of LUTS secondary to BPH: preliminary RCT analysis. EAU 2024: A003 5 De Cillis ST et al.: Impact of treatment of BPH-related LUTS with second generation temporary implantable nitinol device (iTIND) on serum PSA: Results from a multicenter prospective study (MT-06-study). EAU 2024: A0696 6 Omidele O et al.: Aquablation at 4-years: The largest, real world, single-center study and longest follow-up data for this innovative BPH treatment. EAU 2024: A0164 7 Lim EJ et al.: Real-world complications of anatomical endoscopic enucleation of the prostate: Lessons from the 6193 patients from the Refinement in Endoscopic Anatomical Enucleation of Prostate (REAP) registry. EAU 2024: A0176 8 Capogrosso P et al.: Risk of acute urinary retention afterHoLEP – results from a prospective trial. EAU 2024: A0166 9 Manfredi C et al.: Benign prostatic hyperplasia surgical retreatment: A retrospective cohort analysis of a nationwide database. EAU 2024: A0702

Back to top