Endoscopic combined intrarenal surgery (ECIRS)

ECIRS – der neue Standard für komplexe Steine?

Um eine endoskopische Steinfreiheit bei großer Steinlast und multiplen Kelchsteinen zu erreichen, war lange die Multitract-PCNL das Mittel der Wahl. Gibt es aufgrund der hohen Invasivität auch Alternativen zur Multitract-PCNL?

Keypoints

  • Die ECIRS ist eine effektive und sichere Variante zur Sanierung komplexer multipler Kelchsteine.

  • Das Risiko ist mit dem bei der Singletract-PCNL vergleichbar.

  • Es werden zwei erfahrene Operateure benötigt, um ein gutes Operationsergebnis zu erreichen.

  • In Zukunft könnte die ECIRS auch zum Standard bei der Mehrzahl komplizierter und großer Nierensteine werden.

Ein minimal invasives Verfahren zur Steinsanierung ist heutzutage zum absoluten Standard geworden. Zur minimal invasiven Steinsanierung stehen mittlerweile mit modernen starren wie auch flexiblen Endoskopen für die retrograde Ureterenoskopie (RIRS) oder stetig kleiner werdenden Nephroskopen für die perkutane Steinsanierung (PCNL) gute Geräte zur Verfügung. Die lange als Goldstandard geltende extrakorporale Stoßwellenlithotripsie hat immer mehr an Bedeutung verloren. Laparoskopische oder roboterassistierte Verfahren werden in den Leitlinien so gut wie gar nicht mehr erwähnt und sind nur in ganz wenigen ausgesuchten Fällen indiziert.1 Sowohl die RIRS als auch die PCNL weisen nebeneinander betrachtet klare Vorteile, aber leider auch spezifische Nachteile auf.

Vor- bzw. Nachteile sowie Einsatzmöglichkeiten von RIRS und PCNL

Während die RIRS die Minimalinvasivität als absoluten Vorteil aufzuweisen hat, ist die PCNL mit zunehmender Steinlast hinsichtlich Steinfreiheit der RIRS überlegen. Die PCNL ist noch immer der Goldstandard für größere Steine. Das damit einhergehende erhöhte Risikoprofil der PCNL (insbesondere Blutungsrisiko) verglichen mit der RIRS muss natürlich in die Betrachtung einbezogen werden. Vor allem ist das Blutungsrisiko mit signifikanten Blutungen bei bis zu einem Viertel der Patienten zu erwähnen. Darüber hinaus werden Infektionen im Urogenitaltrakt bei knapp 30% der Patienten in der Literatur angegeben (Sepsisrisiko <1%). Als äußerst seltene Komplikation der PCNL kann eine Nierenverletzung erwähnt werden, die in seltenen Fällen einer Nephrektomie bedarf.2,3

Eine endoskopisch große Herausforderung stellt jedoch die Kombination von großer Steinmasse und multiplen Kelchsteinen dar. Die Invasivität der PCNL muss mit mehreren perkutanen Zugängen (Multitract-PCNL) erhöht werden, damit endoskopische Steinfreiheit erzielt wird. Das in der Literatur beschriebene erhöhte Blutungsrisiko bei einer Multitract-PCNL muss natürlich zur „normalen“ PCNL in Relation gestellt werden. Dass der Eingriff chirurgisch aufwendig und mit einer hohen Lernkurve assoziiert ist, ist darüber hinaus zu erwähnen. Außerdem konnte bei der Multitract-PCNL in Bezug auf „one session stone-free rate“ kein Vorteil gegenüber den offenen und laparokopischen Verfahren gezeigt werden. Neben dem erhöhten Blutungsrisiko scheinen jedoch auch multiple Zugänge die Nierenfunktion zu beeinflussen. Die aktuelle Studienlage ist dahingehend, ob es einen Unterschied der Komplikationsraten zwischen Multitract- oder Singletract-PCNL gibt, nicht eindeutig.

ECIRS kombiniert PCNL mit RIRS

Die Kombination von PCNL mit RIRS stellt in der endoskopischen Steinsanierung einen komplett neuen Therapieansatz dar, die „endoscopic combined intrarenal surgery“ (ECIRS). Man macht sich die Vorteile beider Verfahren zunutze, ohne die Invasivität des einzelnen Eingriffs zu erhöhen. Damit ist für das Operationsteam die Nutzung sowohl eines antegraden wie auch eines retrograden Zugangn zum Nierenbecken gegeben. Dadurch steht das Instrumentarium beider OP-Techniken zur Verfügung.

Scoffone et al. aus Italien4 veröffentlichte die mit insgesamt 127 Patienten bisher größte Studie zu dieser Operationstechnik. Die mittlere Steingröße betrug 23,8 ± 7,3mm. Die endoskopische Steinfreiheitsrate nach einem Eingriff lag bei 81,9%. Die Komplikationsrate war mit der bei Singletract-PCNL vergleichbar. Aus oben genannten Gründen haben auch wir uns in Salzburg für das Konzept der ECIRS, im Speziellen für eine RIRS kombiniert mit einer Mini-PCNL, entschieden und werden nun auf weitere Details eingehen.

Lagerung

Abb. 1: Die einfache und sichere Lagerung bei ECIRS hat viele Vorteile

Über lange Zeit wurde die PCNL in Bauchlage durchgeführt, wodurch die Harnleiterspiegelung nicht möglich war. Der Trend zur inzwischen vorherrschenden Rückenlage beförderte auch die Entwicklung der ECIRS. Unterschiede in Effektivität und Sicherheit konnten in Studien bisher nicht gezeigt werden.

Die modifizierte Steinschnittlagerung, also eine Lagerung am Rücken, ist die aktuell häufigste Lagerungstechnik. Die Arbeitsgruppe um Scarpa und Scoffone empfiehlt die Galdakao-modifizierte Lagerung nach Valdivia. Der Patient wird dabei in Steinschnittlage am Tisch platziert und dann im Bereich der Hüfte leicht angehoben (Abb. 1). Die einfache und sichere Lagerung sowie ein unkomplizierter retro- und antegrader Zugang werden von den Autoren als Vorteil beschrieben. Ein Röntgentisch mit herausnehmbarem Mittelteil ist in diesem Fall sicher von Vorteil (Abb. 1).

Auch bietet dieser Eingriff anästhesiologische Vorteile im Gegensatz zur Bauchlage (geringere Beatmungsdrücke, weniger Blutdruckprobleme durch Vena-cava-Kompression, weniger Belastung der Halswirbelsäule, geringerer Druck auf die Augäpfel und weniger Gefahr für Schäden von peripheren Nerven).

Technik

Abb. 2: Die perkutane Nierenpunktion kann retrograd überwacht und gesteuert werden

Dadurch, dass bei diesem Eingriff zwei Operateure einander in der Positionierung, Laserung oder Extraktion von Konkrementen assistieren, liegt ein weiterer Vorteil der ECIRS. Mit dem retrograden Zugang kann darüber hinaus durch die Schleuse zur flexiblen Ureterorenoskopie ein besserer Abder klassischen PCNL nicht möglich ist. Hierbei kann auch eine Schleuse zur flexiblen Ureterorenoskopie als effektivere Abflussroute im Vergleich zur konventionellen PCNL dienen. Dass zwei erfahrene Operateure nötig sind, um ein gutes Operationsergebnis zu erreichen, ist nicht unbedeutend. Die Multitract-PCNL kann im Gegensatz dazu von einem Chirurgen allein durchgeführt werden.

Die perkutane Nierenpunktion kann retrograd überwacht und gesteuert werden, damit ist ein sicheres Arbeiten gewährleistet (Abb. 2). Ein weiterer nicht unbedeutender Vorteil der ECIRS ist die geringe Strahlendosis für Patient und Operationsteam. Der Grund ist die Vermeidung von möglichen Folgeeingriffen und dass die direkte Visualisierung die Durchleuchtungszeit reduziert.

Risiken

Die aktuelle Datenlage zeigt keinen Nachteil der ECIRS im Vergleich zur PCNL.5 Auch bei Kindern und multimorbiden Patienten scheint die Technik sicher zu sein. Darüber hinaus könnten Narkosen bei diesen fragilen Patienten im Falle einer erfolgreichen Steinsanierung vermieden werden. Die anästhesiologischen Vorteile, die weiter oben beschrieben sind, sollten ebenfalls in die Überlegungen einbezogen werden.

Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die ECIRS eine effektive und sichere Variante zur Sanierung komplexer multipler Kelchsteine darstellt. Die Risiken sind mit denen der Singletract-PCNL vergleichbar, während das erhöhte Blutungsrisiko der Multitrakt-PCNL durchaus evident ist. Der ökonomische Aufwand der ECIRS darf jedoch nicht unterschätzt werden. Dennoch kann die „endoscopic combined intrarenal surgery“ in Zukunft zum Standard für die Extraktion komplizierter und großer Nierensteine werden und die Multitract-PCNL wird evtl. nur in der absoluten Ausnahme zum Einsatz kommen. Es werden prospektiv randomisierte Studien zur Evaluation von Risiken und Effizienz der ECIRS durchgeführt werden müssen.

1 Türk C et al.: EAU Guidelines on Interventional Treatment for Urolithiasis. Eur Urol 2016; 69(3): 475-82 2 El-Nahas AR et al.: Post-percutaneous nephrolithotomy extensive hemorrhage: a study of risk factors. J Urol 2007; 177(2): 576-9 3 Yang T et al.: The evaluation of risk factors for postoperative infectious complications after percutaneous nephrolithotomy. Biomed Res Int 2017; 2017: 4832051 4 Scoffone CM et al.: Endoscopic combined intrarenal surgery in Galdakao-modified supine Valdivia position: a new standard for percutaneous nephrolithotomy? Eur Urol 2008; 54(6): 1393-403 5 Zhao F et al.: A comparative study of endoscopic combined intrarenal surgery (ECIRS) in the galdakao-modified supine valdivia (GMSV) position and minimally invasive percutaneous nephrolithotomy for complex nephrolithiasis: a retrospective single-center study. Urolithiasis 2021; 49(2): 161-66

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