Effektive Prophylaxe gegen HPV-assoziierte Präkanzerosen und -malignome
Bericht:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
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Österreich war das erste Land weltweit, das die genderneutrale HPV(humanes Papillomavirus)-Impfung empfohlen hat. Inzwischen ist durch mehrere Studien bestätigt: Die HPV-Impfung führt zu einer Reduktion des Risikos für die Entwicklung von HPV-assoziierten Genitalwarzen und invasiven Zervixkarzinomen und ist auch nachweislich protektiv wirksam bei HPV-Infizierten.
Keypoints
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„Realworld“-Daten bestätigen:Je früher die HPV-Impfung erfolgt, desto größer sind die Effektivität und der Schutz für Ungeimpfte.
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Patienten mit Genitalwarzen haben ein erhöhtes Risiko für HPV-assoziierte Karzinome.
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Die Impfung kann das Risiko für HPV-assoziierte Erkrankungen auch nach Präkanzerose oder auffälligem CIN-Befund signifikant reduzieren.
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Die HPV-Impfung trägt zu einer Reduktion der Prävalenz von Anal- und Oropharynxkarzinomen bei.
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Mit genderneutraler HPV-Impfung ließe sich die Herdenimmunität und ein erhöhter Schutz vor HPV-assoziierten Penis- und Analkarzinomen bei Männern erzielen.
Die HPV-Impfung wurde in Österreich 2007 als tetravalenter Impfstoff (Schutz gegen die HPV-Stämme 6, 11, 16 und 18) eingeführt. Das Vakzin war in klinischen Studien bereits seit 2002 geprüft worden. Seit 2015 ist der nonavalente Impfstoff verfügbar, der zusätzlich gegen die HPV-Stämme 31, 33, 45, 52 und 58 protektiv wirkt.1,2 Dieser ist besonders für Frauen relevant, da er gegen >90% der HPV-assoziierten präinvasiven Läsionen und Karzinome der Zervix effektiv ist. Univ.-Prof. Dr. Elmar Joura, Leiter der Ambulanz für Zervix- und Vulvapathologie an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien, betonte: „Wichtiger als das Vakzin, das man verwendet, ist die Anzahl der Viren, die es abdeckt. Der Erfolg jedes Vakzinierungsprogramms ist ebenfalls davon abhängig.“ Das wurde auch in der Zulassungsstudie für den nonavalenten HPV-Impfstoff bestätigt.2
„Realworld“-Daten bestätigen Effektivität
Mittlerweile liegen bereits Ergebnisse von Metaanalysen mit „Realworld“-Setting vor: Drolet et al. haben hier 16-Jahres-Daten aus 40 Ländern zu 60 Millionen Menschen publiziert. Daraus geht hervor: Je früher die Vakzinierung erfolgt, umso größer ist der Effekt innerhalb des Impfprogramms. Ein zweiter Benefit, der damit einhergeht, ist das Erzielen eines Herdeneffekts, d.h., nicht vakzinierte Personen werden durch ihren Partner geschützt. Bei einer niedrigen Durchimpfungsrate (<70%) kann dieser Benefit naturgemäß nicht beobachtet werden.3
Protektion gegen anogenitale Warzen
Ein nachweislich protektiver Effekt konnte in der erwähnten Metanalyse in der Korrelation der Höhe der Durchimpfungsrate mit dem Auftreten von HPV-assoziierten anogenitalen Warzen (GW) nachgewiesen werden.3 „Das wäre ein überzeugendes Argument für junge Menschen, sich impfen zu lassen, denn 15-Jährige machen sich üblicherweise keine Sorgen wegen Karzinomen, die sie mehrere Jahrzehnte später entwickeln können, sehr wohl aber über Genitalwarzen, die sie bereits am nächsten Tag durch eine Infektion mit HPV generieren können“, argumentierte Joura. Dänische Daten zu fast 30000 Menschen belegen, dass HPV 6 und 11 für ca. 90% der GW verantwortlich sind, und was noch relevanter ist: Ca. 30% der Infizierten weisen eine Koinfektion mit onkogenen Viren auf, d.h., Patienten mit GW haben de facto ein erhöhtes Risiko für HPV-assoziierte Karzinome. So haben Männer mit GW ein ca. 20-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Analkarzinomen (AC), Frauen ein ca. 15-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Vulvakarzinomen.4 In Australien, wo von Beginn an ein exzessives Vakzinierungsprogramm initiiert wurde, konnte als Erstes ein Abfall der Zahl der Erkrankungen an GW verzeichnet werden – bei jungen Menschen zwischen 15 und 26 Jahren konnte sogar beinahe eine komplette Eradikation erzielt werden.5Das Gleiche trifft auf JORPP („juvenile onset recurrent papillomatosis“) zu, das in >90% der Fälle mit HPV 6 und 11 assoziiert ist und oft viele Operationen erforderlich macht: Hier konnte durch das australische Impfprogramm bereits innerhalb von 4 Jahren ebenfalls eine Reduktion erreicht werden.6
Relevanz einer genderneutralen Impfung
Wie effektiv eine geschlechterneutrale Impfstrategie ist, hat sich bei einer anderen Erkrankung, nämlich Röteln, in England gezeigt, die 1988 initiiert worden ist: Sowohl die Rate an Rötelninfektionen als auch jene mit an Infektionen mit kongenitalen Röteln ist seitdem dramatisch gesunken.7 In Australien schlug sich dieser Effekt bei HPV-assoziierten Erkrankungen ebenfalls mit Einführung des genderneutralen Impfprogramms nieder.5 Was die Prävalenz von HPV betrifft, ist sie sowohl bei Männern als auch bei Frauen hoch. Frauen weisen einen Peak an Infektionen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und danach einen Abfall auf <10% auf, weshalb das Screening im Alter <30 Jahren gestartet werden soll. Bei Männern ist die Situation ganz anders: Sie haben hohe Infektionsraten mit Beginn der sexuellen Aktivität und die Prävalenz bewegt sich auch danach in einem Bereich zwischen 30% und 50%.8,9 „Bei Männernist demnach dieWahrscheinlichkeit hoch, dass der Test positiv ausfällt. Es zeichnet sich kein Algorithmus wie beim weiblichen Geschlecht ab, wie nach einem positiven Test vorgegangen werden soll. Aus diesem Grund ist die Durchführung eines HPV-Tests bei Männern nicht sinnvoll und würde nur Stress für den Patienten und auch für den Arzt bedeuten“, kommentierte Joura.
Nachweisliche Reduktion von Zervixkarzinomen (CC)
Schwedische Epidemiologen haben anhand des schwedischen Gesundheitsregisters den Impfstatus von 1672983 Mädchen und Frauen im Alter zwischen 10 und 30 Jahren im Zeitraum von 2006 bis 2017 untersucht und in Korrelation mit dem Risiko für die Entwicklung eines invasiven CC gesetzt. Dabei wurde eine Stratifizierung in Personen mit HPV-Impfung im Alter <17 Jahre, im Alter zwischen 17 und 30 Jahren und in Ungeimpfte vorgenommen. Bei Mädchen, die zum Zeitpunkt der Impfungen <17 Jahre alt waren, zeichnete sich ein Plateau im niedrigen Bereich ab (Abb. 1).10 Jene, die zwischen 17 und 30 geimpft worden waren, wiesen gegenüber den Ungeimpften ein um 50% reduziertes Risiko für die Entwicklung eines invasiven CC auf.10
Abb. 1: Kumulative Inzidenz an invasiven Zervixkarzinomen gemäß HPV-Vakzinierungsstatus (nach Lei J et al. 2020)10
„Diese Ergebnisse sind sehr eindrucksvoll und stellen den ersten Beweis dafür dar, dass die HPV-Impfung hinsichtlich der Entwicklung von HPV-assoziierten Karzinomen nachweislichpräventiv wirksam ist“, so Joura zu den epidemiologischen Daten.
Auch das Impfen von bereits Infizierten ist sinnvoll
Spannend sind auch die Ergebnisse der in Kanada durchgeführten HITCH-Studie, in der gezeigt werden konnte, dass bei vakzinierten Frauen, die positiv auf HPV getestet worden sind, keine Übertragung der HPV-Viren auf ihre männlichen Partner stattgefunden hat. Bei nicht vakzinierten Frauen lag die Übertragungsrate bei 30%. Da die meisten Frauen (92,1%) ihren ersten Sexualkontakt bereits vor der Vakzinierung hatten, ist davon auszugehen, dass einige bereits vor der Impfung HPV-Viren generiert hatten. Außerdem wurde bei geimpften Frauen eine niedrigere Viruslast nachgewiesen als bei Ungeimpften. Die Ergebnisse unterstreichen demnach die Sinnhaftigkeit der Impfung auch bei bereits bestehenden HPV-Infektionen.11
Analog dazu wurde eine Studie zur HPV-Impfung vs. Placebo(PBO)-Impfung bei Patientinnen durchgeführt, bei denen aufgrund einer CIN (zervikale intraepitheliale Neoplasie) eine Konisation erfolgen musste. Dabei stellte sich klar heraus, dass die HPV-Impfung nach Präkanzerosen signifikant effektiver als eine PBO-Impfung ist: Die Inzidenz an jeglicher HPV-assoziierter Erkrankung war nach der Impfung nur halb so hoch wie nach PBO (6,6 vs. 12,2, was einer Risikoreduktion von 46,2% entspricht. Die Vakzinierung führte zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für jegliche höhergradige Erkrankung der Zervix im Ausmaß von 64,9% nach Impfung. Auch die Inzidenz an HPV-assoziierten Erkrankungen der Vulva oder Vagina war in der geimpften Gruppe deutlich niedriger als in der PBO-Gruppe, sodass insgesamt ein hoch positives Resümee hinsichtlich der Effektivität der HPV-Impfung auch nach Diagnose einer CIN gezogen werden kann.12 „Die Impfung wird in dieser Indikation in Österreich seit dem Vorjahr erstattet. Dies sollte auf jegliche HPV-assoziierte Erkrankung ausgeweitet werden“, so Joura.
Anstieg der Zahl von Anal- und Oropharynxkarzinomen
Sowohl in Europa als auch in den USA ist die Zahl der Analkarzinome (AC) bei beiden Geschlechtern im Begriff anzusteigen.13,14 Außerdem ist auch ein Anstieg der Zahl von Oropharynxkarzinomen bei Männern zu verzeichnen.15 In einer amerikanischen Querschnittsstudie mit 2627 Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren wurde die orale Infektion mit HPV der Stämme 6, 11, 16 und 18 mit dem Impfstatus in Korrelation gesetzt. Die Prävalenz für HPV-Infektionen war bei Geimpften vs. Ungeimpfte signifikant geringer (0,11 vs. 0,61%; p = 0,008), was nach Adjustierung um Alter, Geschlecht und Ethnie einer berechneten Prävalenzreduktion um 88,2% entspricht. Die Prävalenz war insbesondere bei geimpften im Vergleich zu ungeimpften Männern reduziert (0,0 vs. 2,13%; p= 0,007).16 „Auch wenn wir es bislang noch nicht nachweisen können, bleibt zu hoffen, dass wir in den nächsten zwei Jahrzehnten auch einen Rückgang in der Inzidenz an Oropharynxkarzinomen beobachten werden“, merkte Joura an.
Gründe für genderneutrale Impfung in Österreich
In Österreich wird die HPV-Impfung seit 2014 für beide Geschlechter gratis angeboten. Es gibt zahlreiche Argumente, die für die geschlechterneutrale HPV-Impfung auch bei Männern sprechen: Die Durchimpfungsrate – für das Erreichen einer Herdenimmunität ist eine Rate von ≥70% erforderlich – wird potenziell verdoppelt. Männer haben zudem ungeimpft ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Peniskarzinoms. Zusätzlich können v.a. auch Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualpartnern vor HPV-assoziierten Erkrankungenwie dem AC geschützt werden.15
Quelle:
„HPV vaccination – a gender neutral cancer prevention strategy.“; Vortrag von Prof. Dr. Elmar Armin Joura im Rahmen des CUO (Controversies in Urologic Oncology) Scientific Meeting am 14. und 15. April 2023 in Wien
Literatur:
1 European Medicines Agency: Gardasil 9. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/gardasil-9 ; zuletzt aufgerufen am 9.5.20232 Joura EA et al.: A 9-valent HPV vaccine against infection and intraepithelial neoplasia in women. N Engl J Med 2015; 372(8): 711-23 3 Drolet M et al.: Population-level impact and herd effects following the introduction of human papillomavirus vaccination programmes: Updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2019; 394(10197): 497-509 4 Blomberg M et al.: Genital warts and risk of cancer: A Danish study of nearly 50000 patients with genital warts. J Inf Dis 2012; 205(10): 1544-53 5 Chow EPF et al.; Prevalence of human papillomavirus in young men who have sex with men after the implementation of gender-neutral HPV vaccination: A repeated cross-sectional study. Lancet Infect Dis 2021; 21(10): 1448-57 6 Novakovic D et al.: A prospective study of the Incidence of juvenile-onset recurrent respiratory papillomatosis after implementation of a National HPV vaccination program. J Inf Dis 2018; 217(2): 208-12 7 Tookey P.: Rubella in England, Scotland and Wales. Euro Surveill 2004; 9(4): 21-3 8 Giuliano AR et al.: Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2008; 17: 203-43 9 Goodman MT et al.: Prevalence, acquisition, and clearance of cervical human papillomavirus infection among women with normal cytology: Hawaii Human Papillomavirus Cohort Study. Cancer Res 2008; 68(21): 8813-24 10 Lei J et al.: HPV Vaccination and the risk of invasive cervical cancer. N Engl J Med 2020; 383(14): 1340-8 11 Wissling MD et al.: Vaccination of young women decreases human papillomavirus transmission in heterosexual couples: Findings from the HITCH cohort study. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2019; 28(11): 1825-34 12 Joura EA et al.: Effect of the human papillomavirus (HPV) quadrivalent vaccine in a subgroup of women with cervical and vulvar disease: retrospective pooled analysis of trial data. BMJ 2012; 344: e1401 13 American Cancer Society: Key statistics for anal cancer. https://www.cancer.org/cancer/anal-cancer/about/what-is-key-statistics.html , zuletzt aufgerufen am 3.5.2023 14 Islami F et al.: International trends in anal cancer incidence rates. Int J Epidemiol 2017; 46(3): 924-38 15 Joura EA, Joura MI: Warum ist die HPV-Impfung von Jungen sinnvoll? Gynäkologe 2021; 54: 796-800 16 Chaturvedi AK J e al.: Effect of prophylactic human papillomavirus (HPV) vaccination on oral HPV infections among young adults in the United States. J Clin Oncol 2018; 36(3): 262-7
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