© K. Pemberger

Highlights vom 55. Alpenländischen Urologischen Symposium

„Wir sind Alpenländer:innen!“ Unter diesem Motto wurde den Teilnehmer:innen des 55. Alpenländischen Urologischen Symposiums vom 20. bis 23. März in Zauchensee ein großartiges Programm geboten. Inhaltlich und didaktisch hervorragend waren die Vorträge der großteils jungen angehenden sowie auch der erfahrenen Urolog:innen. Begleitet durch lebendige Diskussionen mit dem mit Expert:innen besetzten Plenum erlebten alle im Anschluss einen regen Austausch.

Zum Auftakt des Symposiums in Zauchensee drehte sich am Donnerstag alles um die Prostata.

Intermediate-Risk-Prostatakarzinom

Im ersten Themenblock kam es zu einem sehr interessanten verbalen Schlagabtausch über die Therapieoptionen des „Favorable intermediate risk“-Prostatakarzinoms (PCa)– radikale Prostatektomie (RPE) vs. Radiotherapie vs. „active surveillance“ (AS). Dabei stand die ProtecT-Studie von Hamdy et al. im Vordergrund.1

Dr. Decker (Salzburg) verteidigte den operativen Therapieansatz mit den guten Prognosen in Bezug auf das metastasen(MFS)- und progressionsfreie Überleben sowie dem Argument, dass eine endgültige Histologiegewinnung inklusive Diagnostik durch Lymphknotenentfernung nur durch eine RPE möglich sei.

In Bezug auf Ersteres erläuterte Dr. Bühler (St. Gallen), dass die Radiotherapie keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich des MFS und des PCa-spezifischen Überlebens im Vergleich zur Operation beim ISUP-2-PCa aufweist, jedoch gute Ergebnisse bezüglich Harnkontinenz und (leicht) bessere Ergebnisse hinsichtlich der erektilen Funktion bietet.

Die AS, so Dr. Sigg (Luzern), würde zu selten praktiziert und Männer würden übertherapiert. So sei in gut selektionierten Gruppen, auch beim ISUP-2-PCa, die AS eine hervorragende Option. Zudem führten radikale Therapien zu relevanten Einbußen der Lebensqualität und brächten einen enormen Kostaufwand mit sich. Der Trend geht am Ende jedoch in Richtung der radikalen Therapieoptionen, da ein Wechsel von AS zur RPE oder Radiotherapie bei 55% der Patienten nach 10 Jahren und bei 61% nach 15 Jahren erfolgt.1

Prostatakarzinom – biochemisches Rezidiv

Das biochemische Rezidiv (BCR) des PCa rückte in der zweiten Hälfte des Vormittags den Fokus. Dabei kamen alle drei Vorträge auf einen gemeinsamen Nenner – gute Patientenselektion!

Der operative Ansatz, soDr. Felsner (Krems), sei für Patienten ohne ernsthafte Komorbiditäten sowie für Patienten, die eine höhere chirurgische Morbidität in Kauf nehmen, geeignet. Das onkologische Outcome sei positiv, jedoch bedürfe es noch weiterer Studien für eine „high-level evidence“. Dem gegenüber steht die „Salvage-Radiatio“, die zu den beststudierten Therapieoptionenbei BCR nach RPE zählt und dabei zusätzlich die besten Langzeitüberlebensdaten zeige.

Für Dr. Loidl (Wien) sind jedoch die bekannten Toxizitäten, die eine Bestrahlung mit sich bringt, nicht zu vernachlässigen.

Dr. Ofner (Wien) brachte einen kurzen Überblick über die Möglichkeiten der AS bzw. der medikamentösen Therapie bei einem BCR. So kann AS als Option bei einem Low-Risk-BCR oder einer Lebenserwartung <10 Jahren in Erwägung gezogen werden. In einer High-Risk-Situation könnte durch das Hinzufügen von NHA (Enzalutamid) + ADT und alleinigem NHA (EMBARK-Trial) das MFS verlängert werden.

Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC)

Auch das mHSPC wurde thematisiert. Dabei wurde betont, dass die „Doublette“ eine bessere Effizienz als die ADT allein aufweist. Weiters zeigen erste Daten zur Triple-Therapie (Docetaxel + Darolutamid/Abirateron + ADT) bessere Ergebnisse beim „overallsurvival“ (OS). Stets zu beachten sind jedoch die evidente Toxizität und die Nebenwirkungen, die eine solche Therapie mit sich bringen kann.

Das Schlusswort am Eröffnungstag hatte Dr. Hahn (Würzburg) mit dem beeindruckenden Vortrag zum Thema „Experimentelle Forschung/Personalisierte Medizin zum PCa“. Dabei kristallisierte sich heraus, dass es unter anderem aufgrund der sehr heterogenen genetischen Veränderungen beim PCa immer noch gilt, neue Zielstrukturen zu identifizieren (z.B. Epigenetik, Metabolismus).

Urothelkarzinom – lokalisiert und fortgeschritten

Dr. Pichler (Linz) eröffnete den Freitag mit den Therapiemöglichkeiten beim Thema BCG-Versagen, definiert durch ein Wiederauftreten eines T1/Ta-High-Grade-Urothel-Ca innerhalb von 6 Monaten oder eines Cis innerhalb von 12 Monaten nach Abschluss einer adäquaten BCG-Exposition. Hier wurden unter anderem die ersten Ergebnisse der THOR-2-Studie vom ESMO zu oralem Erdafitinib vs. intravesikale Chemotherapie präsentiert (Kohorte1) und es wurdendie beiden neuen TAR-Devices vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen intravesikal applizierbaren, brezelformigen Schlauch („pretzel device“), der die Wirkstoffe Erdafitinib (TAR-210) oder Gemcitabin (TAR-200) enthält und diese kontinuierlich an das Blasenurothel abgibt. Die ersten Studienergebnisse (Interimsanalyse der SunRise-1-Studie) scheinen vielversprechend.2

Ein klares „Ja“ gab es von Dr. Olesch (Salzburg) dafür, weiterhin eine Zystektomie nach einer neoadjuvanten Chemotherapie durchzuführen, da bisher weder zufriedenstellende blasenerhaltende Therapieoptionen existieren (Stichwort Immun- oder Antikörpertherapie) noch adäquate Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf zu überwachen (Stichwort „liquid biopsy).

Nach einem Überblick über die verschiedenen kontinenten und inkontinenten Harnableitungen durch Dr. von Koerber (Bozen) wurde die herausfordernde Therapie des Urethrakarzinoms (Zystektomie vs. Bestrahlung) von Dr. Malleier (Bregenz) diskutiert.

Dr. Mun (St. Pölten) schloss die Session mit den Highlights zur medikamentösen Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms.

Vor der Mittagspause wurde noch das heiße Thema der Uro-Infektiologie angeschnitten und es wurden Updates zur antibiotischen Prophylaxe vor endourologischen Eingriffen durch Dr. Martinschek (Lienz) gegeben. Um den steigendenden Zahlen antimikrobieller Resistenzen entgegenzuwirken, müssen Antibiotika reflektiert eingesetzt werden. Im Fall der Prophylaxe vor endourologischen Eingriffen kann zur Auswahl der richtigen Antibiose nicht auf den Goldstandard der Urinkultur inklusive Antibiogramm verzichtet werden.

Peniskarzinom & Andrologie

Unter dem Motto „so viel Organerhalt wie möglich, so viel Radikalität wie nötig“ sollte aufgrund der Seltenheit der Erkrankung die Expertise gebündelt werden und die operative Sanierung des Peniskarzinoms an spezialisierten Zentren erfolgen (Dr. Wiener-Fererhofer, Wels).

Dr. Toder (München) stellte hiernach ausführlich die aktuellen Chemotherapieschemata rund um das Peniskarzinom (perioperativ, palliativ) vor.

Abschließend stellte „Theater Interaktiv“ spielerisch schwierige, aber doch nahezu alltägliche Situationen dar und erinnerte an die Wichtigkeit einer guten Kommunikation untereinander und zwischen Arzt/Ärzt:in und Patient:in. Beim nachfolgenden Hüttenabend wurde bei gutem Essen und Trinken der alpenländische Zusammenhalt feiernd und tanzend gestärkt.

Aktuelle Versorgungssituation – die Ausbildung ist die Zukunft

Das Abschlusssymposium am Samstag bot ein facettenreiches Spektrum an Erkenntnissen und Diskussionen, welche sich eingehend mit den aktuellen Herausforderungen und Veränderungen in der medizinischen Versorgung auseinandersetzten. Unter den zentralen Themen wurden der Personalmangel, die begrenzte OP-Kapazität und die zukünftige (demografische) Entwicklung hervorgehoben. Sowohl aus der Perspektive der Niederlassungen als auch aus Kliniksicht wurden die Probleme beleuchtet und Lösungsansätze vorgestellt und diskutiert. Hier war der Vergleich der Versorgungssituationen aus österreichischer, schweizer und deutscher Perspektive besonders wertvoll.

Besonderes Augenmerk galt zum Abschluss nochmalsder Weiterbildung der Assistenzärzt:innen („Generation Z“) aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, die Ansprüche, Erwartungen und Herausforderungen der Ausbilder:innen sowie der jungen Generation in Bezug auf ihre berufliche Entwicklung aufzeigten. Themen wie u.a. Teilzeitarbeit und die chirurgische Ausbildung von Frauen (z.B. Operieren in der Schwangerschaft) werden uns in Zukunft weiter beschäftigen.

1 Hamdy FC et al.: Active monitoring, radical prostatectomy and radical radiotherapy in PSA-detected clinically localised prostate cancer: the ProtecT three-arm RCT. Health Technol Assess 2020; 24(37): 1-176 2 [First-line maintenance therapy of adult patients with BCG-naive high-risk non-muscle-invasive bladder cancer - A phase 3, open-label, multi-center, randomized study evaluating the efficacy and safety of TAR-200 in combination with cetrelimab or TAR-200 alone versus intravesical bacillus calmette-guerin (BCG) in participants with BCG-naive high-risk non-muscle invasive bladder cancer (HR-NMIBC) - SunRISe-3 - AB 85/23 of AUO]. Aktuelle Urol 2023; 54(4): 272-3

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