Journal Club
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Der aktuelle Journal Club wurde für Sie von der Universitätsklinik für Urologie der Medizinischen Universität Wien gestaltet. Im Journal Club werden neu publizierte Studien besprochen, die wesentlichen Einfluss auf die tägliche Arbeit haben oder diese künftig ändern können.
Harnableitendes System
FANS in der Ureterorenoskopie: ein Gamechanger?
Die Einführung von Saugmechanismen in der Ureterorenoskopie stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der Steintherapie dar, die in Form von direkter Absaugung über das flexible Ureterorenoskop oder das flexible und navigierbare „access sheath“ (FANS) erfolgt.
Die erste prospektive, multizentrische Studie von Gauhar et al.1 untersuchte die Effektivität und Sicherheit von FANS. In die Studie wurden 394 Patienten aus 25 Zentren weltweit eingeschlossen unddie Steinfreiheit wurde in vier Grade eingeteilt (GradA: komplett steinfrei, GradB: ein einzelnes Fragment ≤2mm, GradC: ein einzelnes Fragment 2,1–4mm, GradD: multiple Fragmente oder ein Fragment >4mm).
Das mediane Steinvolumen betrug 1260mm3, wobei 17,3% der Steine >2cm waren. 57,4% der Patienten erreichten GradA und 39,8% GradB. Die kombinierte Steinfreiheitsrate (GradA+B) lag bei 97,2%, mit einer medianen Operationszeit von 49 Minuten. 3,3% der Patienten entwickelten leichtes Fieber und kein Patient bekam eine Sepsis. Ureterläsionen traten nur in 2% der Fälle auf und waren ausschließlich niedriggradig. Die Reinterventionsrate innerhalb von 30 Tagen lag bei 2,8%. In der multivarianten Analyse zeigte sich, dass größere Steinvolumina die Wahrscheinlichkeit der kompletten Steinfreiheit reduzierten, während der Einsatz eines Thulium-Fiber-Lasers sie erhöhte (OR: 1,83).
Fazit
Trotz der technologischen Fortschritte in der Ureterorenoskopie in den letzten Jahren bleibt die Herausforderung bestehen, eine vollständige Steinfreiheit bei gleichzeitig hoher Patientensicherheit zu erreichen. Die Saugtechnologie in Form von FANS und direkter „Inscope“-Absaugung könnte hier einen entscheidenden Fortschritt darstellen, nicht nur zur Verbesserung der Steinfreiheitsraten, sondern auch zur Senkung der Komplikationsraten durch Reduktion des intrarenalen Drucks und der Temperatur. Die vorliegende Studie bestätigt dieses Potenzial eindrucksvoll mit hohen Steinfreiheitsraten bei gleichzeitig niedrigen Komplikationsraten. Die Kombination aus aktiver Absaugung und Navigierbarkeit scheint dabei der Schlüssel zum Erfolg zu sein. FANS könnte neue Standards in der Steintherapie setzen.
Autorin:
Dr. Viktoria Jahrreiss
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
victoria.jahrreiss@meduniwien.ac.at
Quelle:
Gauhar V et al.: Could use of a flexible and navigable suction ureteral access sheath be a potential game-changer in retrograde intrarenal surgery? Outcomes at 30 days from a large, prospective, multicenter, real-world study by the European Association of Urology Urolithiasis Section. Eur Urol Focus 2024: doi: 10.1016/j.euf.2024.05.010
Überaktivität des Detrusors: Blasenausflussobstruktion und verdeckte Unteraktivität
In dieser Studie wurde untersucht, wie die mit der Detrusorüberaktivität (DO) verbundene Entleerung bei weiblichen Patientinnen mit neurogener Blase die Blasenausflussobstruktion (BOO) imitieren kann und die Detrusorunteraktivität (DU) verschleiert. Dadurch kommt es oft zu Komplikationen bei der Diagnose. Bei urodynamischen Befunden von Patienten mit neurogener Blase ist jedoch häufig eine Detrusorüberaktivität zu beobachten, die zu einzigartigen Mustern während der Entleerungsphase führt. In dieser Studie wurden zwei Arten der Blasenentleerung verglichen, nämlich die mit Detrusorüberaktivität verbundene Blasenentleerung und die willkürliche Blasenentleerung ohne Detrusorüberaktivität. In dieser Studie wurden 32 Frauen mit neurogener Blase in zwei Gruppen eingeteilt, Patientinnen mit DO-bedingter Entleerung (n=20) und solche mitfreiwilliger Entleerung (n=12). Eine vollständige urodynamische Untersuchung wurde durchgeführt, um die maximale Flussrate (Qmax) und den Detrusordruck bei maximalem Fluss (Pdet bei Qmax) zu messen.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Entleerung aufgrund von DO eine signifikant niedrigere Qmax und einen hohen Pdet bei Qmax aufwies. Dieses Muster war bei BOO sehr ähnlich (hoher Druck, aber niedriger Fluss). Daten der linearen Regressionsanalyse zeigten, dass die DO-bedingte Entleerung die BOO nachahmen kann.
Fazit
Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Tatsache, dass eine sorgfältige Interpretation bei urodynamischen Untersuchungen von zentraler Bedeutung ist. Es wurde gezeigt, dass die DO-bezogene Entleerung die DU verdecken kann, was zu Fehlinterpretationen und Fehldiagnosen führen kann. Die Studie unterstreicht, dass weitere Studien mit größeren Stichproben zu einem besseren Verständnis der Unterschiede zwischen BOO und DU bei Frauen mit neurogener Blase beitragen können.
Autor:
Dr. Hadi Mostafaei
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
hadi.mostafaei@meduniwien.ac.at
Quelle:
Kitta T et al.: Detrusor-overactivity-related voiding in women mimics bladder outflow obstruction and conceals underactivity. Urol Res Pract 2023; 49(4): 266-70
Nierenzellkarzinom
TiNivo-2-Studie
Die Phase-III-Studie TiNivo-2 vergleicht die Kombinationstherapie von Tivozanib und Nivolumab mit einer Tivozanib-Monotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) nach vorgehender Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren. Ziel der Studie war es, zu beurteilen, ob die Kombination eines PD-1-Inhibitors (Nivolumab) mit Tivozanib, einem VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), die klinischen Ergebnisse nach einer Progression unter vorhergegangener Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie verbessern würde. An der Studie nahmen 343 Patienten teil, die zuvor zumindest eine Behandlungslinie mit Immuncheckpoint-Inhibitor erhalten hatten. Das mittlere PFS, als primärer Endpunkt, betrug 5,7 Monate für die Kombination und 7,4 Monate für die Monotherapie (HR: 1,10; 95% CI: 0,82–1,43), sodass kein Nutzen für die Kombinationstherapie nachgewiesen werden konnte. Die Subgruppenanalyse zeigte ebenfalls keinen Vorteil zwischen verschiedenen Patientengruppen oder Behandlungslinien. Betreffend die sekundären Endpunkte bestand auch kein Vorteil für die Kombinationstherapie. Das mittlere Gesamtüberleben lag bei 17,7 Monaten mit der Kombinationstherapie und 22,1 Monaten mit Tivozanib allein (HR: 1,00; 95% CI: 0,68–1,46). Die Sicherheitsprofile waren vergleichbar.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, das in der TiNivo-2-Studie die Kombination von Nivolumab plus Tivozanib nicht zu einer Verlängerung des PFS nach vorhergehender Immun-Checkpoint-Therapie führt. Die Studie bestätigte, dass eine erneute Belastung mit einem PD-1-Inhibitor keinen klinischen Nutzen bringt, was den Einsatz einer Tivozanib-Monotherapie in einer höheren Dosis als Zweitlinienbehandlung unterstützt.
Autorin:
Dr. Johanna Krauter
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
johanna.krauter@meduniwien.ac.at
Quelle:
Choueiri TK et al.: Tivozanib plus Nivolumab versus Tivozanib monotherapy in patients with renal cell carcinoma following an immune checkpoint inhibitor: results of the phase 3 TiNivo-2 study. Lancet 2024; (10460): 1309-20
SUNNIFORECAST-Studie
In der Phase-II-Studie SUNNIFORECAST wurde die Wirksamkeit von Ipilimumab und Nivolumab im Vergleich zur Standardversorgung bei Patienten mit fortgeschrittenem nichtklarzelligem Nierenzellkarzinom (RCC) bewertet. Nichtklarzelliges RCC umfasst über 20 seltene histologische Subtypen, was große randomisierte Studien zu einer Herausforderung macht. Diese in sieben europäischen Ländern durchgeführte Studie umfasste 309 Patienten, die randomisiert entweder einer Immuntherapie-Kombination (157 Patienten) oder der Standardbehandlung (152 Patienten) zugeteilt wurden. Die Standardbehandlung umfasste überwiegend Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI). Die Patienten wurden nach Histologie (papillär vs. nicht papillär) und dem Risikoscore des International Metastatic RCC Database Consortium (IMDC) stratifiziert. Ziel der Studie war es, die 12-Monats-Gesamtüberlebensrate mit Ipilimumab und Nivolumab von 65% (abgeleitet aus der Therapie mit Sunitinib) auf 80% zu verbessern.
Fazit
Die Ergebnisse zeigten, dass die Gesamtüberlebensrate über 12 Monate in der Immuntherapiegruppe (86,9%) im Vergleich zur Standardversorgungsgruppe (76,8%, p=0,014) signifikant höher lag. Auch das mittlere Gesamtüberleben war in der Immuntherapiegruppe länger als in der Standardversorgung (42,4 vs. 33,9 Monate). Obwohl sich das progressionsfreie Überleben zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschied (5,52 vs. 5,65 Monate), war die objektive Ansprechrate bei Ipilimumab und Nivolumab deutlich höher im Vergleich zur Standardversorgung (32,8% vs. 19,6%). Die Autoren kamen zum Schluss, dass in dieser Studie Ipilimumab +Nivolumab als potenzieller neuer Standard für nichtklarzelliges RCC etabliert und in weiteren Studien belegt werden sollte.
Autorin:
Dr. Johanna Krauter
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
johanna.krauter@meduniwien.ac.at
Quelle:
Bergmann L et al.: LBA75 Prospective randomised phase-II trial of Ipilimumab/Nivolumab versus standard of care in non-clear cell renal cell cancer: Results of the SUNNIFORECAST trial. Annals of Oncology 2024; 35: 1263
Prostatakarzinom
PEACE-3-Studie
Eine weitere am ESMO 2024 vorgestellte Phase-III-Studie mit potenziellem Einfluss auf die klinische Praxis war die PEACE-3-Studie zum Einsatz der Kombination von Radium-223 (223Ra) mit Enzalutamid bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC). Eingeschlossen wurden mCRPC-Patienten mit zwei oder mehr Knochenmetastasen ohne oder nur mit milder Symptomatik. PEACE-3 erreichte seinen primären Endpunkt und zeigte eine signifikante Verlängerung des radiologisch progressionsfreien Überlebens (rPFS) mit der Kombination von 223Ra und Enzalutamidvon 19,4 Monaten vs. 16,4 Monate (HR: 0,69; p=0,0009). Nachdem es in früheren Studien bei Kombinationen von 223Ra mit Androgenrezeptorinhibitoren höhere Raten an Skelettfrakturen gegeben hatte, gingen die Frakturraten in PEACE-3 bei Anwendung eines knochenprotektiven Mittels wie Denosumab oder Bisphosphonaten deutlichzurück. Neu auftretender Bluthochdruck unter Therapie stellte mit einer Inzidenz von 34% eine nennenswerte Nebenwirkung dar, während die restlichen Nebenwirkungen dem bisherigen Sicherheitsprofil entsprachen.
Fazit
Die Ergebnisse von PEACE-3 unterstützen die Kombination von Enzalutamid mit 223Ra als neuen Behandlungsstandard bei asymptomatischen oder mild symptomatischen mCRPC-Patienten mit Knochenmetastasen, vorausgesetzt, knochenschützende Mittel wie Denosumab werden in die Behandlung miteinbezogen. Neben dem rPFS verlängerte die Kombination auch das Gesamtüberleben von 35 auf 42,3 Monate (HR: 0,69). Die finale Analyse muss diese Daten jedoch noch bestätigen. Weitere Studien wie DORA und RADIANT laufen, um die Rolle von 223Ra bei anderen Therapieindikationen zu untersuchen.
Autorin:
Mag. Dr. Melanie R. Hassler-Di Fratta, PhD
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Urologie
E-Mail:
melanie.hassler@meduniwien.ac.at
Quelle:
Gillessen S et al.: A randomized multicenter open label phase III trial comparing Enzalutamide vs a combination of Radium-223 (Ra223) and Enzalutamide in asymptomatic or mildly symptomatic patients with bone metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): First results of EORTC-GUCG 1333/PEACE-3. Annals of Oncology 2024; 35(2): 1-72
SPLASH-Studie
Die Phase-III-Studie SPLASH untersuchte die Wirksamkeit von Lutetium-177-PNT2002 bei PSMA-positivem metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) nach Progression unter Enzalutamid oder Abirateron. Lutetium-177-PNT2002 ist ein gegen PSMA gerichteter Radioligand, der von PSMA-positiven Prostatatumorzellen internalisiert wird und anschließend Beta-Strahlung freisetzt, was zu DNA-Schäden und Zelltod führt. Die 412 Teilnehmer erhielten entweder Lutetium-177-PNT2002 oder einen alternativen Androgenrezeptor-Inhibitor. Der primäre Endpunkt war das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt und zeigte einen signifikanten rPFS-Vorteil für Lutetium-177-PNT2002 (Median: 9,5 vs. 6 Monate; HR: 0,71; p=0,0088). Untergruppenanalysen unterstützten diesen Vorteil durchgängig. Das Sicherheitsprofil war günstig, mit weniger Behandlungsabbrüchen und schwerwiegenden Nebenwirkungen im Vergleich zur Kontrollgruppe, obwohl Anämien mit Grad 3 oder höher bei Lutetium-177-PNT2002 häufiger auftraten.
Fazit
Lutetium-177-PNT2002 ist ein ähnlich wie Lutetium-177-PSMA-617 aufgebautes Radiopharmakon, welches als Radioligandentherapeutikum auf der Freisetzung von radioaktiver Beta-Strahlung in PSMA-positiven Zellen basiert. Es reduziert das Risiko einer radiologisch bedingten Progression oder eines Todesfalls bei PSMA-positiven mCRPC-Patienten mit 29% signifikant. Damit reiht sich die SPLASH-Studie in eine Reihe von erfolgreichen Studien zur Radioligandentherapie mit Lutetium-177, wie z.B. die VISION-Studie (Lutetium-177-PSMA-617 mit und ohne StandardofCare bei mCRPC-Patienten mit positiven PSMA-Läsionen nach Androgenrezeptor- und Chemotherapie), ein.
Autorin:
Mag. Dr. Melanie R. Hassler-Di Fratta, PhD
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Urologie
E-Mail:
melanie.hassler@meduniwien.ac.at
Quelle:
Sartor O et al.: Efficacy of 177Lu-PNT2002 in PSMA-positive mCRPC following progression on an androgen-receptor pathway inhibitor (ARPI) (SPLASH). Annals of Oncology 2024; 35(2): 1-72
CONTACT-02: Cabozantinib/Atezolizumab – kein signifikanter OS-Benefit bei mCRPC
Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC), insbesondere mit viszeralen Metastasen, haben nach Progression unter neuartiger Hormontherapie (NHT) eine schlechte Prognose und begrenzte Behandlungsoptionen. Obwohl eine Chemotherapie eine Option ist, wird häufiger eine zweite NHT bevorzugt (ca. 70% vs. 30%). Die Phase-III-Studie CONTACT-02 untersuchte, ob die Kombination aus Cabozantinib (Multi-Target-Tyrosinkinase-Inhibitor; TKI) und Atezolizumab (Anti-PD-L1-Antikörper) gegenüber einer weiteren NHT (Abirateron/Prednison oder Enzalutamid) Vorteile bietet. Nach den vielversprechenden Daten zumprogressionsfreien Überleben (PFS) auf dem ASCO GU 2024 wurden nun beim ESMO 2024 die finalen Ergebnisse zum Gesamtüberleben (OS) präsentiert. Das mediane PFS betrug im Cabozantinib/Atezolizumab-Arm 6,3 Monate (95% CI: 6,2–8,8) vs. 4,2 Monate (95%CI: 3,7–5,7) im NHT-Arm (HR: 0,65; 95% CI: 0,50–0,84; p=0,0007). Mit Lebermetastasen zeigte sich im Kombinationsarm ein medianes PFS von 6,2 Monaten (95% CI: 4,0–9,1) vs. 2,1 Monate (95% CI:2,0–2,3) im Kontrollarm (HR: 0,43; 95%CI: 0,27–0,68). Die OS-Daten waren ohne signifikanten Vorteil für einen der Therapiearme (14,8 Monate im Kombinationstherapie-Armvs. 15,0 Monate im NHT-Arm; HR: 0,89; 95%CI: 0,72–1,10; p=0,30). Subgruppenanalysen zeigten jedoch einen möglichen Überlebensvorteil für Patienten mit Leber- und Knochenmetastasen. Cabozantinib/Atezolizumab reduziert das Sterberisiko bei Lebermetastasen um 32% (HR: 0,68; 95% CI: 0,47–1,00; p=0,051; OS: 12,2 vs. 7,1 Monate) und bei Knochenmetastasen um 21% (HR: 0,79; 95% CI: 0,63–1,00; p=0,046; OS: 13,8 vs. 11,6 Monate). Das Sicherheitsprofil entsprach dem anderer CONTACT-Studien. Grad-3-bis-4-Nebenwirkungen traten bei 40% der Patienten im Cabozantinib/Atezolizumab-Arm und bei 8% im NHT-Arm auf.
Fazit
Patienten mit mCRPC haben nach Progression unter NHT nur begrenzte Therapieoptionen. Obwohl die CONTACT-02-Studie positive Ergebnisse im PFS vs. zweite NHT zeigte, ergab sich kein Vorteil im Gesamtüberleben für Cabozantinib + Atezolizumab. Für Patienten mit Lebermetastasen besteht weiterhin ein erheblicher Behandlungsbedarf, der neue Therapieoptionen notwendig macht. Exelixis® plant noch dieses Jahr, die Kombination aus Cabozantinib und Atezolizumab bei der Food and Drug Administration (FDA) einzureichen, während Ipsen© außerhalb der USA und Japans keine Zulassung anstrebt.
Autor:
Dr. Sascha Mero
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
sascha.mero@meduniwien.ac.at
Quelle:
Agarwal L et al.: Cabozantinib (C) plus atezolizumab (A) versus 2nd novel hormonal therapy (NHT) in patients (Pts) with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): Final overall survival (OS) results of the phase III, randomized, CONTACT-02 study. Annals of Oncology 2024; 35(2): 1-72
Sequenzielle Therapieintensivierung bei mPC: UpFrontPSMA
Die randomisierte Phase-II-Studie UpFrontPSMA untersuchte Lutetium-177-PSMA-617 gefolgt von Docetaxel bei Patienten mit hormonsensitivem, metastasiertem„Highvolume“-Prostatakarzinom (mHSPC). Insgesamt wurden zwischen 2020 und 2023 130 Patienten eingeschlossen und in zwei Kohorten randomisiert: Therapie mit 2 Zyklen Lutetium-177-PSMA-617 gefolgt von 6 Zyklen Docetaxel, vs. alleinige 6 Zyklen Docetaxel. Beide Gruppen wurden zusätzlich kontinuierlich mit Androgendeprivationstherapie (ADT) behandelt. Als primärer Endpunkt der Studie wurde als Zeichen für das Ansprechen ein PSA von ≤0,2ng/mL nach 48 Wochen gewählt.
Die Ergebnisse zeigten, dass 42% der Patienten mit Lutetium-177-PSMA-617-+Docetaxel+ADT-Behandlung nach 48 Wochen einen nicht detektierbaren PSA-Wert hatten vs. 16% in der Vergleichsgruppe mit Docetaxel+ADT. Es wurde ein statistisch signifikanter Vorteil für die sequenzielle Therapieintensivierung mit Lutetium-177-PSMA-617+Docetaxel+ADT durch eine Odds-Ratio von 3,88 (95%CI: 1,61–9,38; p=0,0020) nachgewiesen. Die sekundären Endpunkte des PSA-spezifischen, progressionsfreien Überlebens (PFS) bzw. der Zeit bis zur Kastrationsresistenz erwiesen sich ebenfalls als positiv für den Studienarm (HR für PSA-spezifisches PFS: 0,60; 95%CI: 0,37–0,98 bzw. HR der Zeit bis Kastrationsresistenz: 0,60; 95%CI: 0,38–0,96). In puncto des radiografischen PFS (rPFS) und des Gesamtüberlebens (OS) konnte keine statistische Signifikanz gezeigt werden – das mediane Follow-up betrug jedoch lediglich 2,5 Jahre und pro Kohorte wurden nur ca. 60 Patienten therapiert.
Fazit
UpFrontPSMA liefert uns Erkenntnisse über den Stellenwert von [177Lu]Lu-PSMA-617 gefolgt von Docetaxel als Erstlinientherapie im „High-volume“-mHSPC. Als neuen Ansatz für eine Therapieintensivierung im Sinne einer sequenziellen Triplet-Therapie könnte dies ein Ausgangspunkt für Phase-III-Studien sein und Lutetium-177-PSMA-617 möglicherweise in Kombination mit anderen Therapieoptionen in die Erstlinie des metastasierten Prostatakarzinoms befördern.
Autorin:
Dr. Heidemarie Ofner
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
heidemarie.ofner@meduniwien.ac.at
Quelle:
heidemarie.ofner@meduniwien.ac.at
ARANOTE: Darolutamid bei mHSPC erreicht primären Endpunkt
Die Phase-III-Studie ARANOTE beleuchtet den Einsatz von Darolutamid bei Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC). Bei Darolutamid handelt es sich um einen Androgenrezeptorantagonisten, der in der Behandlung des nicht-metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC) eingesetzt wird.
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrolliertenARANOTE-Studie wurden bei über 700 Patienten mit mHSPC die Wirksamkeit und Sicherheit von Darolutamid gemeinsam mit Androgendeprivationstherapie (ADT) im Vergleich zu ADT-Monotherapie untersucht.3 Die Daten zeigen ein signifikant verlängertes radiografisches progressionsfreies Überleben (rPFS; primärer Endpunkt der Studie) durch Darolutamid im Vergleich zur Placebogruppe (HR: 0,54, p<0,0001). Die Vorteile wurden in allen Subgruppenanalysen, inklusive „High“- und „Lowvolume“-Gruppen, beobachtet. Für die sekundären Endpunkte gibt es noch keine finalen Daten, jedoch zeigt Darolutamid bereits positive Trends. Das Sicherheitsprofil von Darolutamid erweist sich als günstig. Die Nebenwirkungs- sowie die Wechselwirkungsrate sind insgesamt niedrig und ähnlich bei beiden Gruppen, jedoch mit weniger Therapieabbrüchen in der Darolutamid-Gruppe (6,1% und 9,0%).
Fazit von Dr. Weiss:
Die ersten Daten der ARANOTE-Phase-III-Studie zeigen die Effektivität von Darolutamid im mHSPC-Setting, mit oder ohne Chemotherapie, mit akzeptablem Nebenwirkungsprofil und einer niedrigen Therapieabbruchrate. Der direkte Vergleich zu anderen Androgenrezeptorinhibitoren wie Enzalutamid und Apalutamid wurde nicht gezogen. Trotz des guten Nebenwirkungsprofils und einer vielversprechenden Verlängerung des Gesamtüberlebens braucht es Langzeitdaten zur Lebensqualität sowie Real-World-Daten, um Darolutamid als neuen Standard in der mHSPC-Therapie zu etablieren. Zusammengefasst ist Darolutamid zusätzlich zu ADT eine vielversprechende Therapieoption für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom.
Fazit von Dr. Hassler-Di Fratta:
Die Therapiekombination von Darolutamid mit ADT stellt nun neben Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid und Docetaxel mit Abirateron oder Darolutamid in Kombination mit ADT eine weitere Option für die Erstlinientherapie des mHSPCdar. Zu beachten ist allerdings, dass die Daten zum Gesamtüberleben im Unterschied zu den anderen Kombinationen noch nicht vorliegen. Im klinischen Praxisalltag spielt daher für die Auswahl der optimalen Therapie neben dem Tumorvolumen in der Regel das potenzielle Auftreten von therapieassoziierten Nebenwirkungen eine Rolle. Darolutamid scheint als Androgenrezeptor-Antagonist aufgrund der geringeren Penetranz der Blut-Hirn-Schranke mit einem niedrigeren Risiko für Stürze und Frakturen als Apalutamid und Enzalutamid und einer geringeren mentalen Beeinträchtigung als Enzalutamid assoziiert zu sein, was bei der Therapieauswahl in Betracht gezogen werden kann.
Autorinnen:
Dr. Julia Weiss
Mag. Dr. Melanie R. Hassler-Di Fratta, PhD
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
julia.weiss@meduniwien.ac.at
E-Mail:
melanie.hassler@meduniwien.ac.at
Quelle:
Saad F et al.: Darolutamide in combination with androgen-deprivation therapy in patients with metastatic hormone-sensitive prostate cancer from the phase III ARANOTE trial. J Clin Oncol 2024: doi: 10.1200/JCO-24-01798
Urothelkarzinom
Praxisverändernde Ergebnisse:NIAGARA-Studie bei lokalisiertem muskelinvasivem Blasenkrebs
Als Standardbehandlung des muskelinvasiven Blasenkarzinoms (MIBC) empfiehlt die EAU-Leitlinie eine radikale Zystektomie (RC) in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie (NAC).1 Eine adjuvante Therapie wird bisher nur bei ausgewählten Patienten mit erhöhtem Risiko, beispielsweise bei fortgeschrittenem Tumorstadium oder positivem Lymphknotenstatus, empfohlen. Die Phase-III-NIAGARA-Studie untersucht nun zusätzlich Durvalumab, einen PD-L1-Inhibitor, der sowohl neoadjuvant als auch adjuvant verabreicht wird.1 Insgesamt wurden 1063 Patienten in zwei Gruppen randomisiert. Die Kontrollgruppe erhielt den Standard einer NAC und RC, während die Interventionsgruppe zusätzlich neoadjuvant vier Zyklen sowie adjuvant bis zu acht Zyklen Durvalumab erhielt. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten zeigte die Durvalumab-Gruppe eine signifikante Verlängerung des ereignisfreien Überlebens (HR: 0,68) und des Gesamtüberlebens (HR: 0,75). Wichtig ist außerdem, dass die zusätzliche Gabe von Durvalumab die Rate der durchführbaren RCs nicht verringerte (88% vs. 83%). Das Auftreten schwerer Nebenwirkungen war in beiden Gruppen vergleichbar.
Fazit von Dr. Oberneder
Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse bleiben wichtige Fragen zum optimalen Einsatz der Immuntherapie bei Patienten mit lokalisiertem MIBC unbeantwortet. Es stellt sich etwa die Frage, ob die Immuntherapie sowohl in der neoadjuvanten als auch in der adjuvanten Behandlung eingesetzt werden sollte, ob Patienten mit pathologischem Komplettansprechen nach neoadjuvanter Therapie eine adjuvante Immuntherapie benötigen und welche Rolle prädiktive Marker, wie zirkulierende Tumor-DNA, in der Patientenauswahl spielen könnten. Aktualisierte Daten der CheckMate 274- und der AMBASSADOR-Studiesowie Ergebnisse weiterer laufender Phase-III-Studien könnten entscheidende Erkenntnisse zum Stellenwert der Immuntherapie im perioperativen Setting liefern.
Fazit von Dr. Hassler-Di Fratta:
Bisher gab es keine Daten zu einer perioperativen Kombinationstherapie aus Checkpoint-Inhibitor und Chemotherapie, die das Überleben von Patienten mit MIBC vor radikaler Zystektomie verlängert. Die NIAGARA-Studie ist die erste Studie, in der die Kombination aus Durvalumab mit Cisplatin/Gemcitabin vor radikaler Zystektomie und mit anschließend adjuvanter Durvalumab-Gabe zu signifikanten Verlängerungen des ereignisfreien Überlebens und Gesamtüberlebens mit einem ansprechenden Sicherheitsprofil führt. Gemäß Subgruppenanalysen ist der Nutzen für Patienten mit positivem N1-Status zu Beginn der Therapie unklar. Abzuwarten sind die finalen Daten der Studie sowie Daten zum Auftreten von immunvermittelten Nebenwirkungen im adjuvanten Setting. Perioperatives Durvalumab plus Chemotherapie stellt einen potenziellen neuen Standard in der Behandlung des MIBC dar und trägt mit weiteren Daten zur Diskussion bezüglich des Einsatzes von Checkpoint-Inhibitoren im neoadjuvanten oder adjuvanten Setting bei.
Autorinnen:
Dr. Katharina Oberneder
Mag. Dr. Melanie R. Hassler-Di Fratta, PhD
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail:
katharina.oberneder@meduniwien.ac.at
E-Mail:
melanie.hassler@meduniwien.ac.at
Quelle:
● Witjes JA et al.: European Association of Urology Guidelines on muscle-invasive and metastatic bladder cancer: summary of the 2023 guidelines. Eur Urol 2024; 85(1): 17-31 ● Powles T et al.: Perioperative Durvalumab with neoadjuvant chemotherapy in operable bladder cancer. N Engl J Med 2024; doi: 10.1056/NEJMoa2408154
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