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EAU-Highlights – Andrologie

Klärungen bei Kinderwunsch und ein Gamechanger in der Andrologie

Aus andrologischer Sicht gab es beim heurigen Kongress der europäischen urologischen Gesellschaft (EAU) einerseits einebekannte Mischkost mit kleinen Novitäten, andererseits aber auch die Vorstellung eines Gamechangers für die Testosteronersatztherapie und darauf darf ich später genauer eingehen.

Keypoints

Kinderwunsch

  • Die Varikozelentherapie bleibt eine valide Therapieoption.

  • Wird ein Kryptorchismus entdeckt, sollte über das erhöhte Hodentumorrisiko aufgeklärt werden.

  • Die optimale TESE-Technik geht Richtung Mikro-TESE.

Testosterontherapie bei Hypogonadismus

  • Kein negativer Einfluss auf kardiovaskuäre Ereignisse

  • Kein negativer Einfluss auf das Prostatakrebsrisiko oder andere Prostatasymptome

  • Deutliche Verbesserung der Hypogonadismussymptome und der sexuellen Performance

Kinderwunsch

Interessant waren die Ausführungen von Prof. Nikolaos Sofikitis, dass die operative Therapie der Varikozele neben der Verbesserung der Samenqualität und der Fertilisierungsrate auch die Implantationsrate der Embryonen bei IVF/ICSI verbessert. Die Varikozelentherapie ist somit weiterhin eine valide Therapieoption und ein wertvolles andrologisches Armamentarium, wenn wir die infertilen Männer nicht ganz den IVF-Zentren überlassen wollen.

Ob der Zusatz einer Nahrungsergänzungstherapie die Schwangerschaftsrate verbessert, wurde in einer Metaanalyse von Russo et al. vorgestellt. Dabei zeigte sich zwar eine gewisse Verbesserung in der Samenqualität bei Zusatz diverser Nährstoffe, eine Verbesserung der Schwangerschaftsrate konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

Die Frage, ob man eine positive Spermakultur bei asymptomatischen infertilen Männern therapieren soll, wurde wie folgt diskutiert: Zwar reduzierte die antibiotische Therapie die Anzahl der DNA-Brüche und verminderte die Sauerstoffradikale (ROS), aber es kam zu keiner signifikanten Verbesserung der Samenqualität.

Eine Studie beschäftigte sich mit dem Thema, ob man einen Kryptorchismus korrigieren sollte, wenn dieser im Rahmen einer Kinderwunschabklärung entdeckt wurde. Die Daten zeigen, dass es zu keiner wesentlichen Verbesserung der Samenqualität kommt, es aber wichtig ist, den Patienten über das erhöhte Hodentumorrisiko aufzuklären.

Kontrovers wurde auch das Thema diskutiert, ob man durch die hormonelle Ersatztherapie die Spermiendetektionsrate bei TESE erhöhen kann. Man kam zu dem Ergebnis, dass die Gabe von Antiöstrogenen oder SERMS bei hypogonadalen Männern zu einer gewissen Verbesserung der Detektion führen kann (durch Erhöhung der intratestikulären Testosteronkonzentration). Die Gabe von rFSH oder hCG wird wegen der hohen Therapiekosten und den unklaren Behandlungsergebnisse zurzeit nicht empfohlen.

Ist die Micro-TESE der neue Goldstandard bei der Suche nach testikulären Spermien? Eine Studie beschäftigte sich mit dieser Frage und kam zu dem Ergebnis, dass nach einer erfolglosen klassischen TESE die Spermiendetektionsrate bei einer RE-Micro-TESE bei 40% lag. Diese Zahlen erscheinen sehr hoch, zeigen aber für die Frage nach der optimalen TESE-Technik deutlich in Richtung Mikro-TESE.

TRAVERSE – Gamechanger in der Testosterontherapie

Im Rahmendes EAU 2024 wurden erstmals die Daten der TRAVERSE-Studie präsentiert. Es ging dabei um die Frage, welchen Einfluss eine Testosteronersatztherapie auf die kardiovaskuläre Sicherheit von Männern hat.

Ein kurzer Rückblick: 2010 wurde die bekannte Vigen-Studie präsentiert. Darin wurde gezeigt, dass die Testosteronsupplementation das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant erhöht. Die Studie hatte natürlich viele Mängel. So wurden Männer aus der Studie ausgeschlossen, welche nach dem kardiovaskulären Ereignis eine Testosteronersatztherapie bekommen hatten – die hätten in die Kontrollgruppe eingeordnet werden müssen und nicht ausgeschlossen werden dürfen. Des Weiteren wurden auch 100 Frauen in der Studie mitanalysiert etc. Aber immerhin beschloss deswegen die FDA einen Warnhinweis auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Testosteronersatztherapiepräparaten in den Beipacktext aufzunehmen. Die EMA führte auch eine Untersuchung durch, konnte aber diesen Verdacht nicht bestätigen und verzichtete auf eine Warnung.

Die TRAVERSE-Studie war nun die Antwort auf die eingangs dieses Abschnitts aufgeworfene Frage. In die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte multizentrischen TRAVERSE-Studie wurden Männer zwischen 45 und 80 Jahren mit kardiovaskulären (CV) Erkrankungen oder erhöhtem Risiko für eine CV Erkrankung aufgenommen. Das Testosteron musste <3ng/ml (<10,4nmol/l) sein und die Männer mussten Symptome des Hypogonadismus haben. Es wurden 5246 Patienten im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder Testosteron-Gel 1,62% oder Placebo. Die Therapiezeit betrug 21,7 + 14,1 Monate, das Follow-up lag bei 33,0 + 2,1 Monaten. Der Endpunkt der Studie war ein MACE (major adverse cardiac events), also ein tödliches CV Ereignis, ein nicht tödlicher Herzinfarkt oder ein nicht tödlicher Schlaganfall.

Das Ergebnis war nicht überraschend, aber umso erfreulicher für uns Andrologen: Es kam unter der Testosteronersatztherapie zu keiner statistisch signifikanten Erhöhung des CV Risikos sowohl im primären Endpunkt als auch in allen untersuchten Subgruppen im Vergleich zur Placebogruppe (Abb. 1). Des Weiteren wurde in einer Subgruppenanalyse auch der Einfluss der Testosteronersatztherapie auf die Prostata und dabei speziell auf das Prostatakarzinom untersucht. 5204 Männer mit einem Durchschnittsalter von 63,3 Jahren wurden dabei untersucht. Primärer Endpunkt war das Auftreten eines High-Grade-Prostatakarzinoms (>Gleason 4+3), an sekundären Endpunkten wurden Parameter wie alle anderen Prostatakarzinome, die Prostatahyperplasie (BPH) und akutes Harnverhalten, Intervention wegen BPH etc. untersucht. In dieser Subguppenanalyse konnte kein negativer Effekt der Testosteronersatztherapie auf alle Parameter der Prostatagesundheit festgestellt werden (Abb. 2).

Abb. 1: Keine klinisch signifikanten Unterschiede zwischen der Behandlungs- und der Placebogruppe bei wichtigen kardiovaskulären Sicherheitsendpunktereignissen oder einzelnen MACE-Komponenten

Abb. 2: Keine klinisch signifikanten Unterschiede in der Inzidenz von primärem (hochgradigem Prostatakrebs) und jeglichem Prostatakrebs oder anderen sekundären Prostata-Sicherheitsendpunkten zwischen der Therapie- und der Placebogruppe

In einer weiteren Subgruppe der TRAVERSE-Studie wurden Männer zum Thema sexuelle Funktion untersucht. 1161 mit reduzierter Libido wurde in dieser Studie untersucht. 587 Männer erhielten Testosteron-Gel 1,62%, 574 Männer waren im Placeboarm. Der Endpunkt der Studie war die Veränderung im Sinne des Sexual-Activity-Scores (PDQ-4). Am Ende der Studie zeigte sich bei den testosteronersatztherapierten Männern eine deutliche Steigerung der sexuellen Zufriedenheit, eine Verbesserung der Libido und der Hypogonadismussymptome, aber keine Verbesserung der erektilen Funktion im Sinne einer Steigerung des IIEF-Scores (Abb. 3).

Abb. 3: Sexuelle Funktion und Libido verbessern sich unter Testosterontherapie

Die fehlende Verbesserung der erektilen Funktion wurde damit erklärt, dass es sich bei diesen Männern um vaskulär vorgeschädigte Patienten handelte und bei diesen die Testosteronersatztherapie kurzfristig keine Verbesserung erzielen kann. Diese Männer können jedoch zusätzlich mit PDE-5-Hemmern therapiert werden.

Fazit

Zusammenfassend: Die TRAVERSE-Studie ist die erste randomisiert-kontrollierte Studie, die den Einfluss der Testosteronersatztherapie bei kardiovaskulär vorgeschädigten Männern untersuchte. Das Ergebnis zeigt bei dieser großen Kohorte von 5246 Männern

  • keinen negativen Einfluss auf die kardiovaskulären Ereignisse im Vergleich zur Placebogruppe,

  • keinen negativen Einfluss von Testosteron auf das Prostatakrebsrisiko oder andere Prostatasymptome,

  • eine deutliche Verbesserung der Hypogonadismussymptome und der sexuellen Performance.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das Ergebnis der Studie auf die urologische Community auswirken wird und ob wir gewillt sind, anhand dieser Sicherheitsdaten doch mehr hypogonadotrope Männer zu mehr Lebensfreude und einer besseren Körperkomposition zu verhelfen.

beim Verfasser

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