Laserauswahl & Lasereinstellungen in der Steinchirurgie
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Stephan Seklehner, FEBU
Vorsitzender des AK Endourologie und Steinerkrankungen der ÖGU
Abteilung für Urologie Landesklinikum Baden
E-Mail: stephan.seklehner@baden.lknoe.at
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Für die Lasertherapie von Urolithiasis stehen uns derzeit drei sinnvolle Systeme zur Verfügung. Alle drei Lasersysteme haben Spezifika, die die Steinchirurgie relevant beeinflussen.
Keypoints
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Holmium-YAG-Laser, Thuliumfaserlaser und gepulste Thulium:YAG-Laser sind hocheffektiv in der Steinsanierung.
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Jedes Lasersystem hat Spezifika, die die OP-Technik und deren Einsatzmöglichkeiten beeinflussen.
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Fragmentieren, „dusting“, „popcorning“ und „popdusting“ sind unterschiedliche OP-Techniken der Steintherapie mit eigenen Lasereinstellungen.
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Wissen über Lasereinstellungen (um den Laser selbst variieren zu können) ist ein Schlüssel zum operativen Erfolg.
Sinnvolle Lasersysteme in der Therapie der Urolithiasis sind der Holmium:YAG-Laser (Ho:YAG), der Thuliumfaserlaser (TFL) und der gepulste Thulium-YAG-Laser (p-Tm:YAG). Essenziell zu wissen ist, dass sich alle drei Lasersysteme unterschiedlicher Wellenlängen bedienen (Ho:YAG 2120nm, TFL 1940nm, p-Tm:YAG 2013nm). Diese Wellenlängen haben einen Einfluss darauf, wie der Laser am Zielorgan wirkt. Daraus resultieren unterschiedliche Eindringtiefen ins Gewebe, unterschiedliche OP-Techniken und OP-Möglichkeiten.
Welche Lasersysteme gibt es?1
Von allen dreien sind die Ho:YAG-Laser jene, mit denen wir in der Steinchirurgie die längste Erfahrung haben. Ihr Erscheinen (damals noch als „Lowpower“-Versionen mit überschaubarer Wattanzahl und geringer „peakpower“) war ein absoluter „game-changer“. Davor bestehende Lasersysteme wurden durch die Superiorität der Ho:YAG-Laser schnell verdrängt. Exzellente Steinaufarbeitungsmöglichkeiten bei deutlich geringerer Gewebeeindringtiefe ermöglichten nun ein sicheres und effektives Operieren.
Die TFL erweitern nun das Laserspektrum durch eine Wellenlänge, die deutlich näher an der Wasserabsorptionsspitze im nahen Infrarotbereich liegt. Das Licht des TFL wird etwa vier Mal stärker absorbiert als das Licht eines Ho:YAG-Lasers. Dadurch ergeben sich Vorteile bei der Hämostase im sog. kontinuierlichen Wellenmodus. Bei geringerer Wattanzahl können sehr hohe Frequenzen erzielt werden. Im Gegenzug zeichnen sie sich aber durch eine geringere „peakpower“ als die beiden anderen Lasersysteme aus.
Der gepulste Thulium-YAG-Laser (p-Tm:YAG) ist erst kürzlich auf dem Markt erschienen. Er wird als sogenannter Hybridlaser propagiert, da man mit diesem Gerät ein sehr breites Anwendungsgebiet hat. Dank der Möglichkeit, den Laser sowohl im gepulsten Modus als auch im kontinuierlichen Wellenmodus zu betreiben, bei einer Wellenlänge und einer „peakpower“ zwischen dem Ho:YAG und dem TFL, scheint dieser Laser deren beider Vorteile zu vereinen. In der Steinchirurgie ist derp-Tm:YAG dem Holmium:YAG und dem TFL ähnlich, im Rahmen der Prostataenukleation in „no-touch technique“ dem Holmium:YAG und in der Effizienz der Hämostase dem TFL ähnlich.2
In unseren EAU-Leitlinien werden derzeit Ho:YAG-Laser und TFL primär zur Steintherapie empfohlen.3 Natürlich hinken Leitlinien immer dem aktuellen Stand des Wissens etwas hinterher, entsprechende Adaptierungen sind jedoch pro futuro zu erwarten. Baulich handelt es sich beim Ho:YAG- und beim p-Tm:YAG-Laser um sog. Festkörperlaser. Der TFL ist ein Halbleiterdiodenlaser. Festkörperlaser sind größer und schwerer als Halbleiterdiodenlaser. Bezüglich der Stromversorgung benötigen die neuen „Highpower“-Ho:YAG-Laser eine Starkstromversorgung, während beide Thuliumvertreter mit einer normalen Steckdose auskommen. Grund dafür ist eine größere Energieineffizienz der Ho:YAG-Laser, die einer vermehrten Stromzufuhr bedürfen, was die Notwendigkeit einer Wasserkühlung solcher Laser nach sich zieht.
Welche OP-Techniken und Lasereinstellungen gibt es?4–6
Früher waren die OP-Techniken limitiert. Zunächst gab es nur die Möglichkeit, Steine zu fragmentieren.Bei modernen Lasern kann man die Energie, die Frequenz und die Pulsdauer variieren. Dadurch wurde die retrograde Steinchirurgie revolutioniert. Je nach Modernität und Leistungsfähigkeit des Lasers hat man nun ein breites endourologisches Armamentarium.
Fragmentieren
Hierbei wird der Stein durch den direkten Laserkontakt in mehrere Fragmente zerschossen, die dann geborgen werden müssen. Dafür braucht man eine hohe Energie mit einer niedrigen Frequenz bei kurzer Pulsdauer. Gerade in der retrograden Nierensteinchirurgie können sich bei größeren Steinen dadurch Limitierungen ergeben.
„Dusting“
Weiterentwicklungen der Laser machten dann das Zu-Staub-Machen von Steinen (das sog. „Dusten“, aus dem Englischen: to dust) möglich.Es ist ebenso eine direkte Kontakttechnik, bei der man mit der Laserfaser wie ein Maler am Stein entlangfährt (auch „painting“ genannt) und den Stein vaporisiert. Im Idealfall bleiben nur kleinste Sandfragmente übrig, die dann im Idealfall von alleine abgehen, sofern sie nicht abgesaugt werden können. Für diese Technik brauchen Sie eine niedrige Energie und eine hohe Frequenz bei einer langen Pulsdauer.
„Popcorning“
Dank dieser Technik können Sie kleinste Fragmente zu noch feinerem Sand vaporisieren. Es handelt sich um eine „non-contacttechnique“. Die Laserfaser tritt nicht in direkten Kontakt mit den Steinfragmenten. Die Laserfaser wird in einem abgegrenzten anatomischen Raum platziert (am besten funktioniert dies in einem schmalen Nierenkelch) und der Laser am Eingang des Kelchhalses aktiviert. Die Fragmente wirbeln wie in einer großen Popcornmaschine im Kino (daher der Name der Technik) vor Ihrer Optik herum und werden weiter verkleinert. Dafür brauchen Sie eine relativ hohe Energie, eine moderate Frequenz und eine lange Pulsdauer.
„Popdusting“
Das operative Vorgehen beim „popdusting“ entspricht der Technik des „popcorning“. Es werden aber sehr hohe Frequenzen bei moderater Energie und langer Pulsdauer benötigt. Durch das „popdusting“ kann noch feinerer Sand erreicht werden.
Retropulsion
Jeder, der Steine operiert, kennt die Unannehmlichkeit, dass Steine beim Manipulieren und Lasern migrieren können. Insbesondere bei der retrograden Behandlung eines proximalen Uretersteines kann dies ärgerlich sein, da man gegebenenfalls die Gerätschaft von einem semirigiden auf ein flexibles Ureteroskop wechseln muss, wenn man den Stein ins Nierenhohlraumsystem zurückbringt. Retropulsion ist abhängig von der Höhe der Energie und der Pulsdauer (mehr Energie und lange Pulsdauer > mehr Retropulsion) und relativ unabhängig von der Frequenz.7 Ein Tipp, um Retropulsion zu reduzieren, ist: auf das Fragmentieren der Steine verzichten und stattdessen „dusting“ anwenden.
Kann man jeden Stein gleich gut lasern?
Harte Steine (Whewellit-, Brushit-, Cystin-Steine) sind durch „dusting“, „popcorning“ oder „popdusting“ oft schlechter zugänglich als weichere Steine. In so einem Fall muss man häufig auf das Fragmentieren zurückgreifen. Dies sollte nach Möglichkeit in der präoperativen Planung berücksichtigt werden.
Laservoreinstellungen
Einige Laser bieten Voreinstellungen zur Auswahl nach OP-Technik, Steinlage und/oder Steinhärte an.8 Leider haben nicht alle Laser solche Voreinstellungen, auf die man als Operateur bequem zurückgreifen kann. Jedoch kann man bei fast allen Lasern selbst die Einstellungen verändern. Dies ist oft auch notwendig, da es keine Vereinheitlichung bei den Geräten gibt, wie die einzelnen Techniken bezüglich Energie, Frequenz und Wellenlänge definiert sind.
Welchen Laser nun in der Steinchirurgie bevorzugen?
Rezent wurden zwei Metaanalysen publiziert, die die Ergebnisse der Steinchirurgie mittels Ho:YAG-Laser und TFL miteinander verglichen.9,10 Chua ME et al. bemerkten bei der retrograden OP-Methode signifikant bessere Steinfreiheitsraten bei Verwendung eines TFL als bei Ho:YAG-Lasern ohne Pulsmodulationsmöglichkeit (OR:1,11; p=0,04).9 Auch die OP-Zeit und die Retropulsionsrate waren in der TFL-Gruppe geringer. Es gab jedoch keinen Unterschied bei Komplikationen (OR:0,97; p>0,05). Zusätzlich fand sich kein Vorteil, wenn Ho:YAG-Laser mit Pulsmodulation mit dem TFL verglichen wurden (Steinfreiheitsrate: OR:0,9; p=0,08).9
Was versteht man unter Pulsmodulation?
Bei Aktivierung eines gepulsten Lasers entsteht immer eine Blase („vapor cavity“), die kollabiert. Dieses physikalische Phänomen wird „Moseseffekt“ genannt.10 Die MosesTM-Technologie macht sich nun dieses physikalische Phänomen zunutze, indem der Laser zwei Mal unmittelbar hintereinander aktiviert wird. Der erste Puls kreiert die Blase und teilt somit den Raum zwischen Laserfaser und Zielorgan (in dem Fall ein Stein). Der zweite Puls gelangt dann auf das Zielgebiet. Der Laserstrahl des zweiten Impulses geht somit durch die entstandene Blase, was eine Effektivitätssteigerung und weniger Retropulsion nach sich zieht.
Die zweite Metaanalyse bestätigte die Ergebnisse, dass TFL-Laser in der Niere retrograd signifikant bessere Steinfreiheitsraten aufwiesen als Ho:YAG-Laser ohne Pulsmodulation (OR:0,1; p=0,0001).11
Bei der perkutanen Nephrolitholapaxie stellte man hingegen (unabhängig von der Pulsmodulation) keine Unterschiede fest (p=0,9). Dies lässt sich klinisch nachvollziehen, da die TFL ihren Vorteil aus ihrer superioren Vaporisationsfähigkeit von Steinen ziehen, da sehr hohe Frequenzen mit diesen Lasern erzielt werden können. Davon profitiert man v.a. in der retrograden Nierenchirurgie. Perkutan ist das Vaporisieren aber oft primär nicht vordergründig, da man größere Fragmente aktiv leicht entfernen sowie aktiv oder passiv absaugen kann. „Dusting“, „popcorning“ und „popdusting“ sind also wohl primär eine Erleichterung für den retrograden Zugang zur Niere.
Bei Harnleitersteinen fand sich ebenso kein Unterschied zwischen dem TFL und Ho:YAG-Lasern (p=0,75).10 Bezüglich des p-Tm:YAG-Lasers gibt es noch keine Metaanalysen, da die Lasersysteme noch zu kurz am Markt sind. Die vorhandene Literatur zeigt jedoch, dass sich mit ihm gängige Steine hocheffektiv in Partikel ≤250µm vaporisieren lassen.12,13 In einem direkten Vergleich des gepulsten Thulium-YAG mit dem TFL fanden sich keine Unterschiede im Dustingverhalten (p=0,11).14
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit allen drei Lasersystemen eine hoch-effektive Steintherapie möglich ist. Unterschiede in den jeweiligen Wellenlängen, in den „peakpowers“, im Laseremissionsmodus (gepulst vs. kontinuierliche Welle) haben aber einen deutlichen Einfluss auf die OP-Technik (sowohl bei Steinen als auch in der transurethralen Prostatachirurgie).Harnleitersteine und Nierensteine perkutan können semieffektiv sowohl mit dem Ho:YAG als auch mit dem TFL behandelt werden. Retrograd sind Nierensteine unter Verwendung eines TFL signifikant besser zu behandeln, wenn der Ho:YAG-Laser nicht die technische Möglichkeit einer Pulsmodulation besitzt. Bezüglich des p:Tm-YAG-Lasers reichen die wissenschaftlichen Daten noch nicht aus, das bisher Publizierte und die klinische Anwendung zeigen aber ebenso eine hocheffektive Steinsanierung.
Literatur:
1 Chicaud M et al.: Thulium:YAG laser: a good compromise between holmium:YAG and thulium fiber laser for endoscopic lithotripsy? A narrative review. World J Urol 2023; 41(12): 3437-47 2 Huusmann S et al.: Tissue effects of a newly developed diode pumped pulsed thulium:YAG laser compared to continuous wave thulium:YAG and pulsed holmium:YAG laser. World J Urol 2021; 39(9): 3503-8 3Skolarikos A et al.: EAU Guidelines on Urolithiasis. https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/documents/full-guideline/EAU-Guidelines-on-Urolithiasis-2024.pdf ; zuletzt aufgerufen am 4.12.2024 4 Higgins AM et al.: How I do it: ureteroscopy and high-power holmium laser lithotripsy to treat renal stones. Can J Urol 2023; 30(3): 11574-82 5 Masierie L et al.: Management of kidney stones using RIRS. In: Minimally Invasive Techniques in Pediatric Urology. doi.org/10.1007/978-3-030-99280-4_26 6 Wenzel M et al.: Dusting, fragmenting, popcorning or dustmenting? Curr Opin Urol 2019; 29(2): 108-12 7 Somani BK et al.:Pictorial review of tips and tricks for ureteroscopy and stone treatment: an essential guide for urologists from PETRA research consortium. Transl Androl Urol 2019; 8(4): 371-80 8 Sierra A et al.: Glossary of pre-settings given by laser companies: no consensus! World J Urol 2022; 40(9): 2313-21 9 Chua ME et al.: Thulium fibre laser vs holmium: yttrium-aluminium-garnet laser lithotripsy for urolithiasis: meta-analysis of clinical studies. BJU Int 2023; 131(4): 383-94 10 Ventimiglia E et al.: What is Moses effect: a historical perspective. J Endourol 2019; 33(5): 353-7 11 Ulvik Ø et al.: Thulium fibre laser versus holmium:YAG for ureteroscopic lithotripsy: outcomes from a prospective randomised clinical trial. Eur Urol 2022; 82(1): 73-912 Kwok JL et al.: Pulsed thulium:YAG laser-ready to dust all urinary stone composition types? Results from a PEARLS analysis. World J Urol 2023; 41(10): 2823-31 13 Kwok JL et al.: Pulsed thulium:YAG laser – What is the lithotripsy ablation efficiency for stone dust from human urinary stones? Results from an in vitro PEARLS study. World J Urol 2023; 41(12): 3723-30 14 Kraft L et al.: Dusting efficiency of a novel pulsed thulium:yttrium aluminum garnet laser vs a thulium fiber laser. J Endourol 2022; 36(2): 259-65
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