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Kommentar: Stellenwert der digital-rektalen Untersuchung (DRU) im Wandel

Studienergebnisse: Relevanz für zukünftiges Prostatakarzinom-Screening

Gratulation an die Autoren zu der umfassenden und gut strukturierten Analyse derRolle der digitalen rektalen Untersuchung (DRU) im Rahmen des Prostatakarzinom(PCa)-Screenings. Die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Shariat diskutiert die Frage ausreichend, ob die alleinige Bestimmung von PSA genügen könnte. Die methodische Strenge der Studie unddie ausgewogene Diskussion der Ergebnisse und ihrer Einschränkungen machen sie zu einem wertvollen Beitrag zur laufenden Bewertung der PCa-Screening-Strategien, besonders da diese Studie weltweit der erste systematische Review mit Metaanalyse zu dieser Thematik ist.

Das PCa ist weltweit nach dem Lungenkarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Männern, in Österreich sogar die häufigste Form, was die Bedeutung effektiver Screeningstrategien für die frühzeitige Erkennung und Intervention unterstreicht. Die DRU wurde lange Zeit als wesentlicher Bestandteil von PCa-Screening-Programmen anerkannt. Aktuelle Leitlinien von Fachorganisationen wie der American Urological Association (AUA) und der European Association of Urology (EAU) unterstützen den Einsatz der DRU beim PCa-Screening, insbesondere in Verbindung mit dem PSA-Test und anderen Risikobewertungsinstrumenten. Die Empfehlungen hinsichtlich der Häufigkeit und des Alters, ab dem das Screening beginnen soll, variieren jedoch zwischen den Leitlinien und sie können von individuellen Patientenfaktoren und -präferenzen abhängig sein. Diese Variationen spiegeln die anhaltenden Debatten über die Vor- und Nachteile des Screenings wider. In folgenden Punkten decken sich die Empfehlungen der Organisationen jedoch:

  • Individuelle Entscheidungsfindung: Die meisten Richtlinien betonen die Bedeutung der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Patient und Arzt.

  • Risikofaktoren: Afroamerikanische Männer und Männer mit einer Familiengeschichte mit PCa haben ein höheres Risiko und sollten möglicherweise früher mit dem Screening beginnen.

  • Lebenserwartung: Männern mit einer Lebenserwartung von weniger als 10–15 Jahren wird im Allgemeinen von einem routinemäßigen Screening abgeraten, da potenzielle Schäden die Vorteile überwiegen könnten.

Die Empfehlungen zum PCa-Screening heben die Notwendigkeit eines personalisierten Ansatzes hervor, bei dem individuelle Risikofaktoren, Gesundheitszustand und Patientenpräferenzen berücksichtigt werden. Gespräche über die potenziellen Vor- und Nachteile des Screenings sind essenziell für fundierte Entscheidungen. Diese Aspekte dürfen wir in PCa-Screeningstrategien nicht vergessen.

Rolle der DRU

Selbstverständlich unterliegt auch die Wertigkeit der DRU beim PCa-Screening einer ständigen Reevaluation ihrer Stärken, Einschränkungen und zeitgenössischen Perspektiven im Kontext sich entwickelnder diagnostischer Technologien. Die DRU ermöglicht es, die Prostata auf Abnormalitäten wie Knoten, Asymmetrien und Indurationen abzutasten. Im Gegensatz zu bildgebenden Modalitäten bietet die DRU eine taktile Beurteilung, durch die Läsionen erkannt werden können, die durch Bildgebung alleineübersehen werden. Darüber hinaus ist die DRU kostengünstig, nichtinvasiv und leicht zugänglich, was sie zu einer attraktiven Option für bevölkerungsbasierte Screeninginitiativen macht. Allerdings birgt sie auch inhärente Einschränkungen. Die subjektive Interpretation und die Variabilität der ärztlichen Kompetenz können ihre Sensitivität und Spezifität beeinflussen. Falsch-positive und falschnegative Ergebnisse sind möglich, die die Bedeutung der Integration der DRU in andere Screeningmodalitäten wie denProstata-spezifisches-Antigen(PSA)-Test und bildgebende Verfahren zur Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit unterstreicht.

Ergebnisse der Studie

Im Folgenden werden die systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse zur Bewertung der diagnostischen Leistung von DRU allein im Vergleich zu PSA allein und in Kombination untersucht. Der Methodenabschnitt ist detailliert und folgt robusten wissenschaftlichen Protokollen. Die Registrierung des Studienprotokolls bei PROSPERO und die Einhaltung der PRISMA- und AMSTAR2-Richtlinien gewährleisten methodische Strenge. Die Verwendung von Datenbanken wie PubMed, Scopus und Web of Science für umfassende Literatursuchen und für die Studienauswahl sind lobenswert. Der Diskussionsteil bietet eine ausgewogene Interpretation der Ergebnisse und betont den begrenzten zusätzlichen Wert der Kombination von DRU undPSA-Test und schlägt vor, dass der PSA-Test alleine für das PCa-Screening ausreichen könnte. Auch auf Einschränkungen, die die Generalisierbarkeit beeinflussen könnten, wird eingegangen, u.a. auf Variationen in den Patientenmerkmalen und unterschiedliche Definitionen über die Studien hinweg.

Die Integration bildgebender Studien, die die Detektionssensitivität von PCa erhöhen, könnte in den nächsten Jahren ein essenzielles Thema im Bereich des PCa-Screenings sein. Die multiparametrische Magnetresonanztomografie (mpMRT) hat sich als wertvolle Ergänzung erwiesen, da sie eine verbesserte Visualisierung verdächtiger Läsionen ermöglicht und gezielte Biopsien lenkt, insbesondere bei Patienten mit unklaren DRU-Befunden. Auch Ergebnisse aus systematischen Reviews mit Metaanalysen (Oerther et al. 2022) bzw. aus prospektiven randomisierten Studien (GÖTEBORG2) zeigen vielversprechende Möglichkeiten der Integration des multiparametrischen MRT in das Screening. Selbstverständlich müssen beim mpMRT, unabhängig von der diagnostischen Wertigkeit und klinischen Machbarkeit, auch die jeweiligen finanziellen und strukturellen Unterschiede verschiedener Regionen beachtet werden.

Erst kürzlich wurden dazu ähnliche Erkenntnisse aus einer deutschen Studie (Krilaviciute et al. 2023) publiziert. In Deutschlandwird derzeit eine jährliche DRU als alleiniges Screening auf PCa bei Männern ab 45 Jahren empfohlen. Die Analyse wurde innerhalb der multizentrischen, randomisierten PROBASE-Studie durchgeführt, die über 46000 Männer im Alter von 45 Jahren untersuchte. Die Autoren kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass die diagnostische Wertigkeit der alleinigen DRU zur PCa-Erkennung gering ist. Die DRU sollte nicht als Screening-Tool für PCa bei jungen Männern empfohlen werden. Darüber hinaus liefert die DRU keinen Mehrwert zum PSA in der Detektion von PCa.

Ausblick

Die Studie leistet einen bedeutenden Beitrag zur laufenden Debatte über die optimalen Strategien für das PCa-Screening und die Früherkennung. Fortschritte der Bildgebungstechnologie, der Biomarkerentdeckung und der künstlichen Intelligenz versprechen, die Screening-Algorithmen für PCa zu verfeinern und die diagnostische Genauigkeit zu verbessern.

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