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Urolithiasis

Follow-up in der Steintherapie: Evidenz, Herausforderungen & Perspektiven

Die Urolithiasis ist eine Erkrankung mit hoher Rezidivrate und erheblichen gesundheitlichen Risiken und erfordert eine sorgfältige Nachsorge. Dieser Artikel beleuchtet die Empfehlungen, um Rezidive und einen Progress der Erkrankung zu verhindern und die Lebensqualität der Steinpatient:innen hochzuhalten.

Keypoints

  • Bei Steinfreiheit empfiehlt sich eine zwei- bis dreijährige bildgebende Nachsorge.

  • Die Strategie bei Restfragmenten sollte sich an der Größe orientieren und individuell über eine Reintervention oder Observanz diskutiert werden.

  • Die Bildgebung der Wahl besteht aus Röntgen und/oder Ultraschall — je nach Patienten- und Steincharakteristika.

  • Es sollte keine routinemäßige CT-Bildgebung erfolgen, außer Patient:innen sind symptomatisch oder vor einer Intervention.

  • Die Evidenz der Nachsorge nach Urolithiasis ist aufgrund fehlender, prospektiver Studien als gering zu bewerten.

Die Prävalenz der Urolithiasis liegt bei 7–13% in Nordamerika und 5–9% in Europa. Epidemiologische Studien zeigen weltweit steigende Zahlen in den letzten Jahrzehnten.1Betroffene Patient:innen haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Rezidive —etwa 53% erleben innerhalb von fünf Jahren eine erneute Steinepisode.2 Rezidivierende Steinepisoden können schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen wie septische Verläufe und die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz.

Bedeutung des Follow-up & Leitlinienempfehlungen

Das Follow-up in der Urolithiasis zielt darauf ab, die Krankheitsprogression zu verhindern, Steinfreiheit zu überwachen und das Risiko für kardiovaskuläre sowie andere Komorbiditäten zu minimieren. Zudem ist die Nachsorge wirtschaftlich relevant. Allein in Großbritannien wurden im Jahr 2010 zwischen 190 und 324 Millionen Pfund für die Behandlung und Nachsorge von Harnsteinen aufgewendet.3 Die Vermeidung unnötiger CT-Untersuchungen und wiederholter Interventionen könnte dabei helfen, die Belastung für das Gesundheitssystem zu senken.

Im Gegensatz zu uroonkologischen Erkrankungen finden sich in Leitlinien wenig Empfehlungen zum Follow-up. Die AUA- und S2k-Leitlinie sind veraltet oder befinden sich derzeit in Überarbeitung. Die aktuellste, evidenbasierte Empfehlung findet sich in den EAU-Leitlinien.4 Grundlage dafür bilden eine Metaanalyse und ein Expertenkonsens.5,6

Empfehlungen bei Steinfreiheit & Restfragmenten

Bei röntgendichten Steinen und postinterventioneller Steinfreiheit ist eine bildgebende Nachsorge über zwei Jahre notwendig, um eine anhaltende Steinfreiheitsrate von 80% zu erreichen. Bei nichtröntgendichten Steinen muss dafür eine dreijährige Nachsorge erfolgen. Um 90% zu erreichen, müsste fünf Jahre lang eine bildgebende Nachsorge erfolgen (Abb. 1).4 Das Management von Restfragmenten richtet sich nach der Größe der verbliebenen Steine. Fragmente bis 4mm können beobachtet werden. Die Endpunkte Reinterventionsrate (29% nach 3 Jahren), Krankheitsprogress (34% nach 5 Jahren) und Spontanabgangsrate (34% nach 2 Jahren) sind verhältnismäßig günstig.4 Bei größeren Restfragmenten (>4mm) sind Reinterventionsrate (bis zu 100%), Krankheitsprogress (bis 67% nach 4 Jahren) und Spontansteinabgänge (bis 19% nach 3 Jahren) deutlich schlechter. Daher wird in dieser Situation zu einer aktiven Therapie der Restfragmente geraten. Generell sollte die Entscheidung zur Therapie von Restfragmenten individuell und unter Berücksichtigung der Patient:innenpräferenzen erfolgen.

Empfehlungen bei Hochrisikopatient:innen

Abb. 1: Follow-Up-Dauer von Steinpatienten nach Therapie (nach Skolarikos A et al. 2024)4

Für Hochrisikopatient:innen mit bekannten Stoffwechselstörungen ist eine medikamentöse Therapie sinnvoll. Langfristig kann die Steinfreiheitsrate verbessert und ein zukünftiges Steinwachstum bei Restfragmenten verhindert werden (18% vs. 36% nach vier Jahren).4 Für dieses Patient:innenkollektiv empfiehlt sich daher sowohl eine lebenslange Metaphylaxe als auch ein verlängertes Follow-up von 4–10 Jahren je nach Therapieadhärenz.4

Empfehlungen zur Bildgebung in Nachsorge & Algorithmus

Die offene Frage nach der optimalen Bildgebung im Follow-up wurde im Rahmen eines Expertenkonsens versucht zu beantworten. Die initiale Therapieform (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie [ESWL], Ureterorenoskopie [URS], perkutane Nephrolitholapaxie [PCNL]) sollte keinen Einfluss auf das Follow-up und die Wahl der Bildgebung haben.6 Die Art der Bildgebung sollte sich nach Stein- und Patient:innencharakteristika richten und aus einer Röntgenuntersuchung der ableitenden Harnwege und/oder einem Ultraschall bestehen. Es besteht ein Konsens, dass eine routinemäßige Computertomografie (CT) keinen Stellenwert im Follow-up haben sollte. Dies gilt sowohl für röntgendichte als auch nichtröntgendichte Steine. Lediglich bei symptomatischen Patient:innen oder vor einer geplanten Intervention besteht die Indikation zu einer „Lowdose“-Nativ-CT. Eine retrospektive Arbeit konnte zeigen, dass eine routinemäßige CT nach ureterorenoskopischer Steinsanierung eine exaktere Bestimmung der tatsächlichen Steinfreiheit ermöglicht und häufiger Restfragmente >4mm detektiert.7 Allerdings stellten die Autoren auch fest, dass bei diesen Patient:innen signifikant häufiger Reinterventionen durchgeführt wurden, und postulieren eine mögliche Übertherapie von Restfragmenten, die auch einer Observanz zugeführt hätten werden können.

Eine Einschränkung der CT-Diagnostik in der Nachsorge ist aber auch vor dem Hintergrund des Strahlenschutzes sinnvoll. Entsprechend dem ALARA-Prinzip („as low as reasonably achievable“) sind, sofern präinterventionell notwendig, (Ultra-)„Low-dose“-Protokolle zu bevorzugen.8 Bei kleinen Fragmenten (<3mm) oder Adipositas (BMI>30kg/m2) kann deren Aussagekraft allerdings eingeschränkt sein.

Auf Grundlage der vorhandenen Evidenz wird von der EAU-Leitlinie ein Algorithmus zur Nachsorge von Steinpatient:innen nach und unabhängig von der Therapie vorgeschlagen. Dabei werden erstmalig auch Zeitpunkte für die Bildgebung und die Möglichkeit der Beendigung der Nachsorge empfohlen. Beispielsweise sollte nach 6 und 12 Monaten die erste Bildgebung erfolgen (Abb. 2).4

Abb. 2: Konsens über Häufigkeit und Bildgebung im Follow-up nach Steintherapie (nach Skolarikos A et al. 2024)4

Herausforderungen & Limitationen

Eine zentrale Problematik der genannten Empfehlungen zur Nachsorge der Urolithiasis besteht in der schwachen Evidenz. Es fehlen randomisierte, kontrollierte Studien, die die Nachsorge keiner Nachsorge gegenüberstellen. Die vorhandenen Arbeiten sind durch eine hohe Heterogenität in Bezug auf Bildgebung, Definition der Steinfreiheit und verwendeter OP-Techniken gekennzeichnet. Außerdem untersuchen wenige Studien ein serielles Follow-up über mehrere Zeitpunkte und ein langfristiges Follow-up über mehr als 5–10 Jahre.6

Inwiefern der historisch gewachsene „Cut-off“ von 4mm als Endpunkt sinnvoll ist, wird aktuell diskutiert. Insbesondere 2–4mm große Restfragmente können klinisch signifikant werden.9,10 Vor dem Hintergrund technologischer Fortschritte in der Therapie der Urolithiasis in den letzten Jahren und vermehrter Anwendung von „Dusting“-Techniken wird sowohl eine „zero fragment rate“ (<1mm) als auch eine volumetrische Messung als geeigneter Endpunkt vorgeschlagen.11

Die EAU-Leitlinie empfiehlt in der Metaphylaxe der Urolithiasis eine Einteilung in Hoch- und Niedrigrisikogruppen. Eine Bestimmung des individuellen Rezidivrisikos findet allerdings noch keine Berücksichtigung. Das ROKS(„recurrence of kidney stones“)-Nomogramm ist hier ein Instrument zur Abschätzung des Rezidivrisikos nach 5 bzw. 10 Jahren. Ein Nomogramm zur Individualisierung der risikoadaptierten Nachsorge wäre sicher sinnvoll und könnte unterstützend eingesetzt werden.12 Die prädiktive Genauigkeit des ROKS-Nomogramms war in externen Validierungsstudien allerdings begrenzt, weshalb es zurzeit hauptsächlich zur groben Unterscheidung von Hoch- und Niedrigrisikopatient:innen eingesetzt wird.13

Zukünftige Perspektiven & Schlussfolgerung

In Anbetracht der niedrigen Compliance von Steinpatient:innen erscheint eine patientenzentriertere Entscheidungsfindung in der Nachsorge sinnvoll.14 Werkzeuge wie der SF-36-Fragebogen und der Wisconsin Stone Quality of Life Questionnaire (WISQoL) können dabei helfen, die Auswirkungen der Behandlung und Nachsorge auf die Lebensqualität der Patient:innen zu erfassen. Dies kann dazu beitragen, die Adhärenz der Patient:innen zu verbessern und die langfristigen Therapieergebnisse zu optimieren.15

Das Follow-up der Urolithiasis ist ein zentraler Bestandteil in der Behandlung, um die Rezidivrate zu senken und Komplikationen zu vermeiden. Obwohl die Evidenzlage schwach ist und sich die Krankheit sehr heterogen präsentiert, bieten aktuelle Leitlinien eine pragmatische Orientierung für das Follow-up. Ein risikostratifizierter Ansatz kann die Effizienz der Nachsorge erhöhen und unnötige Untersuchungen vermeiden. Durch die Anpassung der Nachsorge an individuelle Risikofaktoren und das Einbeziehen der Lebensqualität der Patient:innen können Therapieentscheidungen besser abgestimmt und langfristig erfolgreicher gestaltet werden.

1 Sorokin I et al.: Epidemiology of stone disease across the world. World J Urol 2017; 35(9): 1301-20 2 Ferraro PM et al.: Risk of recurrence of idiopathic calcium kidney stones: analysis of data from the literature. J Nephrol 2017; 30(2): 227-33 3 Geraghty RM et al.: Evaluation of the economic burden of kidney stone disease in the UK: a retrospective cohort study with a mean follow-up of 19 years. BJU Int 2020; 125(4): 586-94 4 Skolarikos A et al.: EAU Guidelines on Urolithiasis. https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/documents/full-guideline/EAU-Guidelines-on-Urolithiasis-2024.pdf ; zuletzt aufgerufen am 20.11.2024 5 Tzelves L et al.: Duration of follow-up and timing of discharge from imaging follow-up, in adult patients with urolithiasis after surgical or medical intervention: a systematic review and meta-analysis from the European Association of Urology guideline panel on urolithiasis. Eur Urol Focus 2023; 9(1): 188-98 6 Lombardo R et al.: Follow-up of urolithiasis patients after treatment: an algorithm from the EAU urolithiasis panel. World J Urol 2024; 42(1): 202 7 Gauhar V et al.: Does unenhanced computerized tomography as imaging standard post-retrograde intrarenal surgery paradoxically reduce stone-free rate and increase additional treatment for residual fragments? Outcomes from 5395 patients in the FLEXOR study by the TOWER group. Ther Adv Urol 2023; 15: 17562872231198629 8 Cheng RZ et al.: Ultra-low-dose CT: an effective follow-up imaging modality for ureterolithiasis. J Endourol 2020; 34(2): 139-44 9 Osman MM et al.: 5-year-follow-up of patients with clinically insignificant residual fragments after extracorporeal shockwave lithotripsy. Eur Urol 2005; 47(6): 860-4 10 Raman JD et al.: Natural history of residual fragments following percutaneous nephrostolithotomy. Jour Urol 2009; 181(3): 1163-8 11 Panthier F et al.: Rethinking stone-free rates and surgical outcomes in endourology: a point of view from PEARLS members. Eur Urol 2024; 86(3): 198-9 12 Vaughan LE et al.: Predictors of symptomatic kidney stone recurrence after the first and subsequent episodes. Mayo Clin Proc 2019; 94(2): 202-10 13 Kavoussi NL et al.: Feasibility of stone recurrence risk stratification using the recurrence of kidney stone (ROKS) nomogram. Urolithiasis 2023; 51(1): 73 14 Wollin DA et al.: Defining metabolic activity of nephrolithiasis – appropriate evaluation and follow-up of stone formers. Asian J Urol 2018; 5(4): 235-42 15 Serna J et al.: Health-related quality of life in renal stone formers: are we improving? Curr Opin Urol 2020; 30(2): 190-5

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