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Women’s Health

Beckenbodenerkrankungen in Uganda

Beckenbodenerkrankungen sind nicht nur ein Gesundheitsproblem in «High-Income»-Ländern, sondern auch in «Low-Income»-Ländern. Im Fokus stehen die operativen Therapien von Beckenbodenerkrankungen. Die Frauen in Uganda haben einen erschwerten Zugang zu medizinischer Betreuung, dies soll durch das hier beschriebene Projekt verbessert werden.

Einführung

Seit 2012 ist die Autorin in der chirurgischen Therapie von Beckenbodenerkrankungen in Uganda engagiert. Beckenbodenerkrankungen sind ein globales Gesundheitsproblem.

Die Betreuung des Projektes mit dem Titel «Women’s Health in Uganda mit Fokus auf Behandlung der Beckenbodenerkrankungen» sowie die Einsätze vor Ort erfolgen gemeinsam und in Absprache mit dem Leiter in Uganda, Dr. Musa Kayondo, MBChB, MMED, PhD, von der Mbarara University of Science and Technology/MUST; er ist Head of Department of Obstetrics and Gynecology des Mbarara Regional Referral Hospital/MRRH.

Vorzugsweise werden Frauen, welche es sich nicht leisten können, behandelt. Im ugandischen Gesundheitssystem gibt es leider wenig oder keine Finanzierungsmöglichkeiten für Frauen mit Beckenbodenerkrankungen. Die Behandlungen der Frauen mit Beckenbodenerkrankungen und z.B. die Weiterbildung zum Urogynäkologen oder zur Urogynäkologin werden durch Stiftungen finanziell unterstützt.

Die Aus-, Weiter- sowie Fortbildung der Pflegefachpersonen sowie der Ärzte und Ärztinnen müssen selbstständig finanziert werden: Schulgeld, Löhne werden in der Regel keine bezahlt.

Ziele des Projektes
  • Verbesserung der Lebensqualität der ärmsten Frauen in Uganda, gemäss der «UN 2030 Agenda for Sustainability, Goal 3: Good Health and Wellbeing»

  • Etablierung eines ugandischen «Fellowship»: Advanced Postgraduate Diploma in Urogynecology, mit standardisiertem und zertifiziertem Weiterbildungscurriculum. Dauer zwei bis drei Jahre (seit 2020). Ein Weiterbildungsangebot für Gynäkologen und Gynäkologinnen aus Uganda. Das Programm steht kurz vor der Zertifizierung durch das ugandische Gesundheitsministerium.

  • Datenbank für die Erfassung von peri-und postoperativen Parametern zur Qualitätskontrolle

  • Klinische Forschung, Publikationen, Poster, Vorträge im Rahmen des bereits erwähnten «Fellowship»

  • Stärkung und Ausbildung lokaler «Mobiliser», welche betroffene Frauen aufsuchen und über Therapiemöglichkeiten informieren; sie unterstützen das Team um Dr. Musa Kayondo bei den Screeninguntersuchungen und den postoperativen Nachkontrollen.

  • Erkennen von neuen Problemen: z.B. Zunahme der iatrogenen Fisteln

  • Aufbau von geburtshilflichen Trainingskursen

Informationen über Uganda

Uganda ist ein Binnenland in Ostafrika. 1962 wurde es unabhängig vom englischen Protektorat. Winston Churchill bezeichnete Uganda wegen seiner faszinierenden Landschaften sowie der reichen Tierwelt als «Pearl of Africa». Die Bevölkerungszahl beträgt 47 Mio., 53% der Einwohner sind jünger als 18 Jahre, die Fertilitätsrate liegt bei 4,47. Berühmt sind die Berggorillas im Südwesten im Nationalpark Bwindi Impenetrable Forest.

Herzstück des Projektes: die Operationscamps

Folgende Beckenbodenerkrankungen werden am häufigsten behandelt: geburtshilflich bedingte sowie iatrogene Fisteln, Deszensus und Prolaps der Beckenorgane, Stuhlinkontinenz infolge von Dammrissen 3. und 4. Grades sowie rektovaginale Fisteln. Belastungsinkontinenz, ektope Ureter.

Beckenbodenerkrankungen sind nicht lebensbedrohlich, sie reduzieren jedoch die Lebensqualität erheblich und hindern die Frauen in Uganda am Arbeiten, was oft zu finanziellen Engpässen führt. Darunter leiden vorwiegend Frauen aus ländlichen Gebieten, welche in der Landwirtschaft, v.a. im Ackerbau, tätig und von existenzieller Armut betroffen sind. Die landwirtschaftlichen Tätigkeiten sind mit hoher körperlicher Belastung verbunden; lange Wege zu Fuss, bei denen auf dem Kopf viele Lasten getragen werden, sind üblich. Weitere Risikofaktoren sind die vielen Schwangerschaften und Geburten.

© V. Geissbühler
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Abb. 1: Eindrücke aus dem Operationscamp in Uganda

Die Rekrutierung der Patientinnen erfolgt über Radiostationen, Kirchengemeinden, Internet, Facebook sowie Mund-zu-Mund-Propaganda; Letztere ist in den letzten Jahren immer bedeutender geworden. Der gute Ruf der Camps sowie Freiwillige, häufig ehemalige Betroffene und/oder Angehörige, mobilisieren betroffene und hilfesuchende Frauen. Diese Freiwilligen werden als «Mobiliser» bezeichnet. Sie kontaktieren die betroffenen Frauen in den Dörfern mit Mobiltelefonen und besuchen sie mithilfe von Fahr- und Motorrädern.

Das Screening der Frauen erfolgt in nahe gelegenen kleinen Krankenhäusern durch das Team von Dr. Musa Kayondo.

Die chirurgischen Behandlungen der betroffenen Frauen erfolgen in Operationscamps, welche in der Regel eine Woche dauern. Die Operationen werden von Montag bis Freitag ganztags durchgeführt, meist parallel in zwei Operationssälen.

In den Tagen vor den Camps werden die Frauen von den Teams vor Ort gynäkologisch, anästhesiologisch sowie – wenn indiziert – internistisch untersucht und beurteilt. Es melden sich auch Frauen spontan während der Camps, welche zusätzlich beurteilt und wenn möglich behandelt werden.

Je nach Schwierigkeitsgrad der Operationen liegt die Obergrenze an Eingriffen pro Camp bei 40 bis 50 Frauen.

Die Frauen werden durch urogynäkologische Spezialisten und Spezialistinnen operiert. Bei den Operationen werden, mit wenigen Ausnahmen, immer die Nachwuchsärzte und -ärztinnen instruiert.

Je nach Schwierigkeitsgrad wird bei den Operationen von den jungen Assistenzärzten und -ärztinnen, vor Ort, oder den «Fellows» aus Mbarara, assistiert.

Täglich finden Visiten der Patientinnen durch die Operateure statt. Nach Ende der Camps werden die Patientinnen bis zur Entlassung täglich von den Ärzten und Ärztinnen vor Ort betreut, bei Fragen können sie Dr. Musa Kayondo kontaktieren. Am längsten bleiben die Fistelpatientinnen: mindestens 14 Tage, bis der Harnblasenkatheter entfernt wird.

Seit Anfang 2023 werden die Daten der operierten Patientinnen in einer eigens dafür geschaffenen Datenbank erfasst (REDCap).

Operationscamps im Rahmen des Projektes finden aktuell an folgenden Orten statt:

  • Universitätsklinik: Mbarara Regional Referral Hospital/MRRH, mit 600 Betten, zweitgrösste medizinische Fakultät in Uganda

  • Bwindi Community Hospital/BCH, im Südwesten Ugandas, 135 Betten, regionales Privatspital, das zu 80% durch Spenden finanziert wird. Gründung vor 20 Jahren, 2003. Es profitiert von der Nähe zum weltberühmten Berggorilla-Nationalpark, Bwindi Impenetrable National Park, und dessen Tourismus.

  • Kleinere öffentliche Kliniken in Lira im Norden von Uganda sowie Nakaseke im Zentrum von Uganda

Den Patientinnen werden die Anreise, Essen und Trinken, der Aufenthalt, die Behandlung sowie medizinische Versorgung und Nachkontrolle bezahlt.

Ergänzende Bemerkungen

Ein zunehmendes Problem sind iatrogene Fisteln:

Die geburtsbedingten Fisteln nehmen allmählich an der Zahl ab. Die Schwangeren und die Geburten, vaginale Geburten und Kaiserschnitte, werden immer häufiger in peripheren Healthcenters oder Krankenhäusern schulmedizinisch betreut.

Zugenommen hat die Zahl an iatrogenen Fisteln bei notfallmässigen Kaiserschnittentbindungen und/oder gleichzeitigen Hysterektomien; diese Eingriffe werden häufig von wenig erfahrenen Ärzten und Ärztinnen durchgeführt. Intraoperativ können z.B. die Harnblase oder ein oder beide Ureter verletzt werden. Deshalb werden seit März 2023 durch das Team um Musa Kayondo viertägige Kurse durchgeführt: «essential training in operative obstetrics as a way of preventing iatrogenic genitourinary fistula», für «interns, first year residents and medical officers in selected public hospitals». Die ersten Kaiserschnitte werden unter Supervision durchgeführt.Die Kurse waren jeweils in kürzester Zeit ausgebucht.

Finanziert wird das Projekt u.a. durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung, https://www.ekfs.de/wissenschaftliche-foerderung/aktuelle-foerderungen/womens-health-uganda-mit-fokus-auf-behandlung , und die Dr. Rau-Stiftung, https://drrau.org/projekte/

● Kayondo M et al.: Risk factors for recurrence of pelvic organ prolapse after vaginal surgery among Ugandan women: a prospective cohort study. Int Urogynecol J 2022; 33(7): 1933-9 ● Kayondo M et al.: Impact of surgery on quality of life of Ugandan women with symptomatic pelvic organ prolapse: a prospective cohort study. BMC Womens Health 2021; 21(1): 258 ● Kajabwangu R et al.: Outcomes of ureterovaginal fistula repair in rural Uganda. Figo World Congress 2023 (Poster)

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