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Das Buddy-Projekt: Gesund fürs Leben

<p class="article-intro">In Österreich sind 11 % der über 65-Jährigen „frail“ und 41 % werden als „prefrail“ eingestuft.1 Eine randomisierte, kontrollierte interdisziplinäre Studie2 der medizinischen Universität Wien konnte zeigen, dass Hausbesuche mit Kraft- und Ernährungsinterventionen, die von geschulten Laien durchgeführt werden, der Gebrechlichkeit und einer Mangelernährung entgegenwirken können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Frailty ist ein komplexes geriatrisches Syndrom, zu dem genetische, gerontophysiologische, soziale, psychische, lebensstilbedingte und umweltbedingte Faktoren beitragen.<sup>3, 4</sup> Entsprechend komplex sind auch die Pr&auml;vention, Therapie und Rehabilitation, die in eine integrierte, umfassende Versorgung eingebettet sein m&uuml;ssen, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die Funktionseinbu&szlig;en. Die medizinische Prim&auml;rversorgung ist ein Setting, in dem diese umfassende Versorgung optimal koordiniert werden kann. <br /> Studien haben gezeigt, dass durch eine Kombination aus Bewegungs- und Ern&auml;hrungsinterventionen, die von speziell ausgebildetem Gesundheitspersonal durchgef&uuml;hrt werden, den negativen Auswirkungen der Frailty entgegengesteuert werden kann.<sup>5&ndash;7</sup> Die prim&auml;re Fragestellung unserer Studie war, zu untersuchen, ob Hausbesuche, die von geschulten Laien durchgef&uuml;hrt werden und Bewegungs- und Ern&auml;hrungsinterventionen beinhalten, Effekte auf den Gesundheitszustand gebrechlicher Personen bewirken k&ouml;nnen. Weiters sollte erhoben werden, ob sich der k&ouml;rperliche Zustand der Laien &auml;ndert.</p> <h2>Design und Methode</h2> <p>Von 2013 bis 2015 wurde an der Medizinischen Universit&auml;t Wien das Projekt &bdquo;Gesund f&uuml;rs Leben&ldquo;, gef&ouml;rdert vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (LS12-039, 2012), durchgef&uuml;hrt. Das zugeh&ouml;rige Studienprotokoll wurde im &bdquo;BMC Public Health&ldquo; publiziert.<sup>8</sup> In dieser randomisierten, kontrollierten Studie wurden insgesamt 80 zu Hause lebende gebrechliche, mangelern&auml;hrte Personen von ehrenamtlichen Laien (&ge;50 Jahre), sogenannten Buddies, f&uuml;r 24 Wochen zweimal w&ouml;chentlich zu Hause besucht (Abb. 1). Diese Buddies wurden von einem interdisziplin&auml;ren Team, bestehend aus einem Mediziner, Sport- und Ern&auml;hrungswissenschaftlern, einer Di&auml;tologin und einer Physiotherapeutin an vier Abenden geschult. Gebrechlichkeit wurde mithilfe des SHARE-FI (&bdquo;Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe Frailty Instrument&ldquo;) definiert.<sup>9</sup> Mangelern&auml;hrung bzw. das Risiko f&uuml;r Mangelern&auml;hrung wurde mit dem &bdquo;Mini Nutritional Assessment Score&ldquo; erhoben.<sup>10</sup> Personen, die &uuml;ber 65 Jahre alt waren und noch zu Hause lebten, wurden in die Studie aufgenommen. Ausgeschlossen wurden Personen, die in ein Pflegeheim aufgenommen wurden, Pflegestufe 6 oder 7 bezogen oder bei denen Training kontraindiziert war. Weitere Ausschlusskriterien waren eine laufende oder geplante Chemo- und/oder Radiotherapie, ungen&uuml;gende Deutschkenntnisse, schwerste kognitive Einschr&auml;nkungen oder Krankheiten wie mit Insulin behandelter Diabetes mellitus, COPD im Stadium III oder IV oder chronische Niereninsuffizienz mit Eiwei&szlig;restriktion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1705_Weblinks_s36.jpg" alt="" width="1417" height="589" /></p> <h2>Intervention</h2> <p>Jeder gebrechlichen, mangelern&auml;hrten Person wurde ein Buddy zugeteilt. Diese Paare wurden gleicherma&szlig;en in die &bdquo;Trainings- und Ern&auml;hrungsgruppe&ldquo; (n=40) oder die &bdquo;Gruppe der sozialen Unterst&uuml;tzung&ldquo; (n=40) randomisiert. Alle Buddies wurden, bevor sie mit den Hausbesuchen starteten, an vier Abenden in Bezug auf Bewegung und Ern&auml;hrung geschult. Insgesamt besuchten die Buddies die man&shy;&shy;gelern&auml;hrten, gebrechlichen Personen f&uuml;r sechs Monate zweimal w&ouml;chentlich zu Hause. <br /> In den ersten 12 Wochen unterschieden sich die Gruppen folgenderma&szlig;en: Die Buddies der Trainings- und Ern&auml;hrungsgruppe (TE) f&uuml;hrten pro Treffen ein standardisiertes Krafttrainingsprogramm durch, bestehend aus sechs Kraft&uuml;bungen, und thematisierten ern&auml;hrungsrelevante Aspekte (z.B. energie- bzw. eiwei&szlig;reiche Ern&auml;hrung und Trinken). Diese Treffen dauerten ca. 90 Minuten. In der Gruppe der sozialen Unterst&uuml;tzung (SU) machten die Buddies in den ersten 12 Wochen ebenfalls zweimal w&ouml;chentlich Hausbesuche; es wurde aber keine Er&shy;n&auml;hrungs- und Bewegungsintervention durchgef&uuml;hrt. In den anschlie&szlig;enden 12 Wochen folgte die SU-Gruppe ebenfalls dem Programm der TE-Gruppe. F&uuml;r die Durchf&uuml;hrung der Hausbesuche erhielten die Teilnehmer ein Ern&auml;hrungshandbuch, das acht Botschaften f&uuml;r gesunde Ern&auml;hrung beinhaltet, ein Rezeptbuch, einen Bewegungskalender, der das standardisierte Bewegungsprogramm zeigt, und ein Theraband (Abb. 2). <br /> Um die Effekte der Intervention zu erfassen, wurden sowohl die gebrechlichen, mangelern&auml;hrten Personen als auch deren Buddies zur Baseline, nach 12 Wochen und nach 24 Wochen untersucht.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Wie Abbildung 3 zeigt, konnte sowohl der Ern&auml;hrungszustand der TE-Gruppe (1,54 Punkte; 95 % CI: 0,51&ndash;2,56) als auch der Gebrechlichkeitszustand (&ndash;0,71 Punkte vom &bdquo;discret factor score&ldquo; des SHARE-FI, 95 % CI: &ndash;1,07 bis &ndash;0,35) &uuml;ber 12 Wochen signifikant reduziert werden.<sup>11</sup> Des Weiteren wurde die Handkraft um 2,4kg (95 % CI: 1,0&ndash;3,8) erh&ouml;ht, was 21,6 % des Ausgangswertes entspricht.<sup>2</sup> Die Sturzangst reduzierte sich um 10 % .<sup>12</sup> Da auch die SU-Gruppe die Tendenz hatte, diese Parameter zu verbessern, konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen erkannt werden.<sup>2, 11</sup> Zwischen Woche 12 und 24 verbesserten sich der Ern&auml;hrungszustand, die Gebrechlichkeit, die Handkraft und die Lebensqualit&auml;t bei den in der TE-Gruppe betreuten Personen weiterhin signifikant.<br /> Unabh&auml;ngig davon, welcher der beiden Gruppen sie zugeteilt waren, zeigte sich bei den Buddies ebenfalls ein signifikanter Anstieg der Handkraft von 32,1kg (SD 7,9) auf 33,7kg (SD 6,7) nach 12 Wochen und auf 34,4kg (SD 7,0) nach 24 Wochen. Die Beinkraft konnte von 72,5kg (SD 25,4) zur Baseline auf 78,1kg (SD 23,8) nach 12 Wochen erh&ouml;ht werden (p&lt;0,001). Bei der Anthropometrie, beim Ausma&szlig; der k&ouml;rperlichen Aktivit&auml;t und bei den Ern&auml;hrungsgewohnheiten kam es zu keinen Ver&auml;nderungen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1705_Weblinks_s36_2.jpg" alt="" width="1420" height="1930" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Ergebnisse zeigen, dass ein Buddy-System bei noch zu Hause lebenden gebrechlichen Personen durchf&uuml;hrbar und effektiv ist, um der Gebrechlichkeit und der Mangelern&auml;hrung entgegenzusteuern und die Muskelkraft zu erh&ouml;hen. Anzumerken ist, dass auch Hausbesuche lediglich mit sozialer Unterst&uuml;tzung die Tendenz haben, den Frailty-Status zu reduzieren, was die Relevanz von sozialer Unterst&uuml;tzung und Teilhabe im Alter unterstreicht. Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, dass sich das Buddy-System, zus&auml;tzlich zur Betreuung durch professionelles Gesundheits&shy;personal, zur umfassenden Versorgung von &auml;lteren Personen eignet.<br /> Die Studienergebnisse trugen dazu bei, dass das biopsychosoziale Programm f&uuml;r weitere zwei Jahre in Wien durchgef&uuml;hrt werden kann. F&uuml;r n&auml;here Informationen oder wenn Sie m&ouml;chten, dass Ihre Patienten von einem Buddy besucht werden, wenden Sie sich bitte an:<br /> Mag. Sandra Haider<br /> sandra.a.haider@meduniwien.ac.at<br /> +43/(0)1/401 60-34895</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Santos-Eggimann B et al: J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2009; 64(6): 675-81 <strong>2</strong> Haider S et al: PloS One 2017; 12(1): e0169613 <strong>3</strong> Fried LP et al: J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2004; 59(3): 255-63 <strong>4</strong> Espinoza SE et al: Clin Geriatr 2007; 15: 37-44 <strong>5</strong> Ng TP et al: Am J Med 2015; 128(11): 1225-36 e1 <strong>6</strong> Norman K et al: Clin Nutr 2011; 30(2): 135-42 <strong>7</strong> Rolland Y et al: Med Clin North Am 2011; 95(3): 427-38 <strong>8</strong> Dorner TE et al: BMC Public Health 2013; 13(1): 1232 <strong>9</strong> Romero-Ortuno R et al: BMC Geriatr 2010; 10: 57 <strong>10</strong> Kaiser MJ et al: J Nutr Health Aging 2009; 13(9): 782-8 <strong>11</strong> Luger E et al: J Am Med Dir Assoc 2016; 17(7): 671 e9- e16 <strong>12</strong> Kapan A et al: Arch Gerontol Geriatr 2017; 68: 25-32</p> </div> </p>
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