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Universimed 2020
Rehabilitation nach Schlaganfall
DAM
Autor:
OA Dr. Robert Schauer
Autor:
OÄ Dr. Elke Pucks-Faes
Landeskrankenhaus Hochzirl, Abteilung für neurologische Akutnachbehandlung<br> E-Mail: elke.pucks-faes@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">In Österreich erleiden jährlich etwa 24.000 Menschen einen Schlaganfall, welcher nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Todesursache darstellt. Schlaganfall ist aber auch die häufigste Ursache für eine bleibende Behinderung im Erwachsenenalter. Somit stellen neben der Akutversorgung und Sekundärprävention die Frühmobilisation/-rehabilitation und Rehabilitation wesentliche Faktoren im modernen Management des Schlaganfalles dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, steigt mit zunehmendem Alter. Etwa 80 % der Patienten sind älter als 60 Jahre, betroffen sind jedoch auch junge Erwachsene und Kinder. Die Prognose des Schlaganfalles hat sich in den letzten Jahren durch eine Spezialisierung der Akuttherapie und Rehabilitation wesentlich verbessert. Die Behandlung des Schlaganfalls erfolgt primär an der Stroke Unit und in weiterer Folge an der neurologischen Station des Akutkrankenhauses nach dem „Comprehensive stroke unit“-Konzept. Dieses Konzept definiert das Management des Schlaganfallpatienten in der gesamten Versorgungskette. Es umfasst die Akut- und Subakuttherapie des Schlaganfalls mit Rekanalisierung (Thrombolysetherapie, neuroradiologische Intervention), das apparative Monitoring (Initialphase), die ätiologische Abklärung des Schlaganfalles sowie die individuell notwendige medizinische Therapie in Form einer koordi­nierten, multiprofessionellen und interdisziplinären Teamarbeit.</p> <p>Überlappend wird gleichzeitig die Frührehabilitation eingeleitet, die sogenannte „Phase B“ im Phasenmodell der Rehabilitation, welche einen wesentlichen Teil des „Comprehensive stroke unit“-Konzepts darstellt. Es konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass es durch dieses Konzept zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität (absolute Risikoreduktion, RR: 14 % ) sowie der Notwendigkeit einer Versorgung im Pflegeheim (absolute RR: 18 % ) kommt.</p> <h2>Frührehabilitation</h2> <p>Im Therapiekonzept der Frührehabilitation kommen bei verschiedensten neurologischen Funktionsstörungen spezielle Therapieformen zur Anwendung, wobei der Wirksamkeitsnachweis dieser Therapien in Form ausreichend großer klinischer randomisiert kontrollierter Studien (RTD) gegeben ist.</p> <p>Die Verbesserung von Bewusstseinsstörungen bzw. schweren Vigilanzstörungen ist die Voraussetzung dafür, dass Patienten rehabilitationsfähig werden. In erster Linie wird eine afferente Stimulation durch frühzeitige Vertikalisierung und vestibuläre Reizung durchgeführt, gleichzeitig ist die pharmakologische Stimulierung wesentlicher Teil des Therapiekonzepts. Die beste Wirksamkeit konnte in einer internationalen multizentrischen Studie (RCT) für Amantadin nachgewiesen werden. Zudem wird die Wirksamkeit anderer pharmakologischer Therapien, transkranieller Magnetstimulation, tiefer Hirnstimulation und Musiktherapie in offenen Studien oder Fallserien beschrieben.</p> <p>Die Patientenlagerung spielt in der Vermeidung von Kontrakturen, Dekubitus und pulmonalen Komplikationen eine wesentliche Rolle.</p> <p>Evaluierung und Therapie neurogener Dysphagien stellen insgesamt einen wesentlichen Aspekt der Frührehabilitation dar. In das interdisziplinäre Dysphagiemanagement sind das ärztliche Team, Logopäden und ein neurorehabilitativ geschultes Pflegeteam eingebunden. Die Entwöhnung von Trachealkanülen beinhaltet die bildgebende Schluckdia­gnostik sowie die intensive logopädische Therapie mit speziellem Trachealkanülenmanagement. In der Nahrungsaufnahme bestehen häufige orale Koordinationsprobleme, was zu einer starken Aspirationsgefahr mit hoher Pneumonieinzidenz führt. Durch spezielle logopädische Therapien werden symptomspezifische Kompensationstechniken systematisch erlernt und die Wiedererlangung einer normalen oralen Ernährung angestrebt.</p> <p>Bezüglich des Rehabilitationsverlaufes konnte in multizentrischen Studien nachgewiesen werden, dass in der Früh­rehabilitation immer schwerer betroffene intensivpflichtige Patienten versorgt werden. Im Langzeitverlauf dieser Patienten (Phase B) zeigte sich, dass Faktoren wie ein weiter bestehendes Tracheostoma die Überlebenswahrscheinlichkeit erwartungsgemäß verringern. Beaufsichtigungspflichtige Schluckstörungen sowie schwere Verständigungsstörungen erhöhen das Risiko für ein ungünstiges Outcome in Bezug auf die Selbstständigkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1609_Weblinks_seite24_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Neurorehabilitation der Phase C</h2> <p>Die weitere Neurorehabilitation wird durch die Schwere des Schlaganfalles und die Komplexität der neurologischen Funktionsausfälle bestimmt. Im Vordergrund stehen motorische Defizite, apraktische Störungen, eine Neglect-Symptomatik bzw. Aufmerksamkeitsstörung, Pusher-Symptomatik sowie aphatische Störungen. Die Dauer und Intensität einer Neurorehabilitation sind Prädiktoren für die funktionelle Verbesserung der Patienten, wobei die Therapieintensität mit dem Grad der Verbesserung korreliert.</p> <p>Entsprechend den Leitlinien zur Rehabilitation der Mobilität nach Schlaganfall (DGNR, ZVK) sind verschiedene Zielkriterien definiert: Wiederherstellung und Verbesserung der Gehfähigkeit, Erhöhung der Gehgeschwindigkeit und Verbesserung der Balance. Voraussetzung für die Erlangung der Gehfähigkeit nicht gehfähiger Patienten sowie des funktionellen Einsatzes der oberen Extremität ist eine ausreichende Rumpfstabilität. Vertikalisierung sowie intensives Stand- und Gangtraining sind das wesentliche Therapieprinzip, dies kann durch verschiedene intensiv durchgeführte Therapiekonzepte (Bobath, PNF, Affolter etc., vorwiegend Einzeltherapien) erreicht werden. Gerade in diesem Rahmen ist der Einsatz robotikgestützter Techniken effektiv und hilfreich. Es kommen verschiedenste Systeme wie Erigo, Lokomat (Abb. 1), Gangtrainer oder Hirob zum Einsatz. Bei der Verbesserung der Gehfähigkeit und der Geschwindigkeit werden gleiche Therapiekonzepte mit intensiver Physiotherapie angewendet, im Bereich der gerätegestützten Techniken kommt vermehrt das Laufband zum Einsatz.</p> <p>In der Rehabilitation der Parese der oberen Extremität werden verschiedenste Therapiekonzepte angewendet, wobei die Entscheidung für die Therapieform von der Schwere der Parese abhängig ist. Die Förderung der bestmöglichen Armaktivität im Alltag (Greiffunktion, funktioneller Einsatz der Hand/oberen Extremität etc.) ist die wesentliche Voraussetzung, im Bereich der „activities of daily living“ (ADL) eine größtmögliche individuelle Handlungsfähigkeit zu erreichen.</p> <p>Bei schweren Lähmungen wird beim Armbasistraining (APT) die Bewegungsmöglichkeit des Armes bis an die Grenze beübt, bei leichten Paresen ist es das Ziel, den bestmöglichen funktionellen Einsatz der oberen Extremität zu erreichen. Hierbei hat das aufgabenorientierte Training einen hohen Stellenwert. Der gleichzeitige Einsatz robotikgestützter Techniken wie Armeo (Abb. 2) und Amadeo ist wesentlicher Teil der Therapie.</p> <p>Die Spiegeltherapie zielt darauf ab, bestimmte für die Motorik notwendige Hirnareale durch die Aktivierung der Spiegelneuronen in ihrer Funktion anzuregen. Bei der „constraint-induced movement therapy“ (CIMT) oder „forced use“ wird durch den erzwungenen forcierten Gebrauch des teilgelähmten Armes eine Modifizierung im Sinn eines vermehrten Einsatzes des Armes im Alltag erreicht.</p> <p>Das Neurofeedback-gestützte Bewegungsvorstellungstraining ist ein mentales Training, bei dem der Proband explizit die Aufgabe bekommt, sich Bewegungen vorzustellen und in einem zweiten Schritt auszuführen. Dadurch sollen eine Aktivierung motorischer Bewegungsschablonen und somit eine Verbesserung der Bewegungsausführungen erreicht werden. Die Therapieformen setzen bestimmte kognitive Fähigkeiten des Patienten voraus. Insgesamt sind in der Therapie der oberen Extremität verschiedenste Therapieansätze und Konzepte gegeben, die in ergänzender Form angewendet werden.</p> <p>Bei einem Drittel aller Schlaganfälle ist eine Neglect-Symptomatik gegeben. Sie manifestiert sich in der Nichtbeachtung einer Körperhälfte, einer verminderten Such- und Explorationsbewegung auf einer Raumseite, einer verminderten auditiven Aufmerksamkeit für eine Seite und führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen (Ankleiden, Rollstuhltransfer, Lesen, Schreiben etc.). Das visuelle Explorationstraining, die Aktivierung des Aufmerksamkeitssystems im geschädigten Bereich z.B. durch Bewegung des betroffenen Armes und die motorische Imagination stellen die wesentlichen Therapieansätze dar. In kleinen Fallzahlen konnte die transkortikale repetitive Magnetstimulation zu einer Verbesserung führen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1609_Weblinks_seite24_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>In der Aphasietherapie ist die hochfrequente klassische Sprachübungstherapie in ihrer Wirksamkeit durch entsprechende Studien belegt. Computerbasiertes hochfrequentes Benenntraining und die „constraint-induced aphasia ther­apy“ (CIAT) stellen neue Therapieansätze dar.</p> <p>Die pharmakologische Stimulierung hat in der neurologischen Rehabilitation einen hohen Stellenwert. Vorwiegend werden selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), L-Dopamin, Amantadin, Antidementiva und Amphetamine eingesetzt, für SSRI, Amantadin und L-Dopamin besteht eine gute Datenlage.</p> <p>Die neurologische Rehabilitation hat sich in den letzten Jahren wesentlich weiterentwickelt. Durch große multizentrische Studien konnte die Evidenz der verschiedenen neurologischen Rehabilitationsverfahren zunehmend besser dargelegt werden. Aufgrund der Komplexität des Schlaganfalles konnte hier nur ein Teilbereich der spezifischen neurologischen Rehabilitation dargestellt werden.</p></p>
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