Cortisoldysbalance bei Patient:innen mit Leberzirrhose von klinischer Relevanz
Autor:
Dr. med. univ. Lukas Hartl
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: lukas.a.hartl@meduniwien.ac.at
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Mit zunehmender Krankheitsschwere kommt es bei Patient:innen mit Leberzirrhose zu einer Dysregulation der Hypophysen-Nebennierenachse. Niedriges Serumcortisol ist ein unabhängiger Prädiktor für bakterielle Infekte, hepatale Dekompensation, akut-auf-chronisches Leberversagen und leberbezogene Sterblichkeit in diesem Kollektiv.
Keypoints
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Patient:innen mit fortgeschrittener Lebererkrankung haben ein niedrigeres Gesamtserumcortisol.
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Gleichzeitig kommt es zu einer Abnahme der ACTH-Spiegel mit Progression der Lebererkrankung.
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Systemische Inflammation und Gallensäuren könnten zu dieser Dysbalance beitragen.
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Niedrigeres Gesamtserumcortisol ist ein unabhängiger Prädiktor für klinische Outcomes wie hepatale Dekompensation und leberbezogene Sterblichkeit.
Cortisoldysbalance bei Leberzirrhose
Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass es bei Patient:innen mit Leberzirrhose zu einer Störung des Cortisolmetabolismus mit Reduktion der 11β-Hydroxysteroid-dehydrogenase-Typ-2-Aktivität, verminderten Eliminationsraten von freiem Cortisol und verringerten maximalen Cortisolsekretionsraten kommt.1–4 In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass kritisch kranke oder akut dekompensierte Patient:innen mit Leberzirrhose oftmals eine relative adrenale Insuffizienz (RAI) mit konsekutiv schlechten klinischen Outcomes aufweisen.5–8 Über die Hypophysen-Nebennieren-Achse bei klinisch stabilen Patient:innen mit Leberzirrhose war bis dato jedoch nur wenig bekannt.
Studiendesign
Abb. 1: Hypophysen-Nebennieren-Achse
Diese prospektive Studie untersuchte daher Komponenten der hypophysär-adrenalen Achse (Abb. 1) bei stabilen Patient:innen in unterschiedlichen klinischen Stadien der fortgeschrittenen Lebererkrankung („advanced chronic liver disease“; ACLD)9 sowie die prognostische Wertigkeit von Gesamtcortisol in diesem Patien-t:innenkollektiv.10
Dazu wurden alle ambulanten Patient:innen mit ACLD und portaler Hypertension, die sich zwischen Juni 2018 und März 2020 einer Lebervenenkather-Untersuchung im hepatisch-hämodynamischen Labor der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien, unterzogen, eingeschlossen. Exkludiert wurden Patient:innen mit hepatozellulärem Karzinom, Pfortader-thrombose, vaskulärer Lebererkrankung, vorangegangener Lebertransplantation oder TIPS(transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt)-Implantation, Patient:innen mit aktivem Infekt zum Zeitpunkt der Lebervenenkatheruntersuchung, jene unter Therapie mit Kortikosteroiden und nichtselektiven Betablockern sowie jene mit selbstberichtetem signifikantem Alkoholkonsum11 zum Zeitpunkt der Charakterisierung.
Störung der Hypophysen-Nebennieren-Achse
Insgesamt wurden 137 Patient:innen inkludiert. Diese waren großteils männlich (67,9%) mit alkoholbezogener Lebererkrankung (47,4%) und wiesen ein medianes Alter von 58,1 Jahren auf. 62,8% der inkludierten Patient:innen waren dekompensiert, in der überwiegenden Anzahl der Fälle aufgrund von Aszites.
Mit zunehmender Schwere der Lebererkrankung waren verminderte Gesamtserumcortisollevel zu beobachten (Abb. 2). Gleichzeitig kam es jedoch auch zu einem Absinken der Serumkonzentration von Cortisol-bindendem Globulin bei Patient:innen mit dekompensierter ACLD, sodass die medianen Level von freiem Cortisol in den verschiedenen Krankheitsstadien unverändert blieben. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Anzahl an Patient:innen mit niedrigem freiem Cortisol (<4,8ng/ml) mit fortschreitendem Krankheitsstadium (21,4% der kompensierten Patient:innen mit subklinischer portaler Hypertension vs. 42,4% der Patient:innen mit ≥2 hepatalen Dekompensationsevents).
Abb. 2: Mediane Level von (A) Gesamtserumcortisol, freiem Cortisol und Cortisol-bindendem Globulin sowie von (B) adrenocorticotropem Hormon (ACTH), Interleukin-6 (IL-6) und Gallensäuren in unterschiedlichen klinischen Stadien (Stage; S) der fortgeschrittenen Lebererkrankung (ACLD); von S0: kompensierte ACLD mit subklinischer portaler Hypertension bis S5: dekompensierte ACLD mit ≥2 stattgehabten Dekompensationsevents
Mit fortschreitendem ACLD-Krankheitsstadium war zudem ein Absinken der medianen Level von adrenocorticotropem Hormon (ACTH) zu beobachten. Somit besteht eine Veränderung der Hypophysenfunktion, die zur Dysregulation der adrenalen Hormonhomöostase zumindest beiträgt.
Einfluss von systemischer Inflammation und Gallensäuren
Weiters kam es mit zunehmender Krankheitsschwere der ACLD zu einem Anstieg der Parameter systemischer Inflammation (Interleukin-6; IL-6) und der Gallensäuren im Serum. Es ist bekannt, dass Gallensäuren modifizierend auf den Cortisolhaushalt wirken, indem sie die Ausschüttung von „cortisol-releasing hormone“ (CRH) hemmen und den Cortisolmetabolismus und -katabolismus durch den Farnesoid-X-Rezeptor (FXR) beeinflussen.12,13 Zudem scheint chronische Inflammation suppressiv auf die Hypophysen-Nebennieren-Achse zu wirken.14 Diese beiden Faktoren könnten daher zur Ausprägung der zunehmenden Störung der Cortisolregulation mit zunehmender Krankheitsschwere der ACLD beitragen.
Niedrigeres Gesamtserumcortisol und klinische Outcomes
Mittels „Competing-risk regression“-Analyse konnte gezeigt werden, dass niedrigeres Gesamtserumcortisol einen unabhängigen Risikofaktor für bakterielle Infekte darstellt. Gleichzeitig war niedrigeres Gesamtserumcortisol auch ein unabhängiger Risikofaktor für hepatale Dekompensation, akut-auf-chronisches Leberversagen und leberbezogenen Tod. Das weist möglicherweise auf eine gestörte Stressantwort in einer Subgruppe von Patient:innen mit ACLD hin, welche sich negativ auf klinische Oucomes dieser Patient:innen auswirken könnte.
Mittels Youden-Index wurde ein Gesamtcortisollevel von <12µg/dl als idealer Cut-off für die Vorhersage von akut-auf-chronischem Leberversagen bei klinisch stabilen Patient:innen mit ACLD bestimmt. Patient:innen mit Gesamtserum-Cortisol <12µg/dl wiesen eine signifikant höhere kumulative Inzidenz von bakteriellen Infektionen, hepataler Dekompensation, akut-auf-chronischem Leberversagen sowie tendenziell leberbezogener Sterblichkeit auf.
Klinische Implikationen
Insbesondere bei dekompensierten Patient:innen mit ACLD kommt es zu einer zunehmenden Dysregulation der Hypophysen-Nebennieren-Achse mit Abnahme der Gesamtserumcortisolkonzentration, welche sich auch negativ auf klinische Outcomes auswirkt und mit erhöhter Sterblichkeit vergesellschaftet ist. Weitere Studien sind notwendig, um festzustellen, ob bestimmte Patient:innenpopulationen von spezifischen therapeutischen Interventionen oder engmaschigerem Monitoring profitieren könnten.
Literatur:
1 Zumoff B et al.: Cortisol metabolism in cirrhosis. J Clin Invest 1967; 46: 1735-43 2 Stewart PM et al.: 11 beta-hydroxysteroid dehydrogenase deficiency and glucocorticoid status in patients with alcoholic and non-alcoholic chronic liver disease. J Clin Endocrinol Metab 1993; 76: 748-51 3 Escher G et al.: Down-regulation of hepatic and renal 11 beta-hydroxysteroid dehydrogenase in rats with liver cirrhosis. Gastroenterol 1998; 114: 175-84 4 Lovato CM et al.: Decreased maximal cortisol secretion rate in patients with cirrhosis: Relation to disease severity. JHEP Rep 2021; 3: 100277 5 Wentworth BJ et al.: Relative adrenal insufficiency in the non-critically ill patient with cirrhosis: A systematic review and meta-analysis. Liver Int 2023; 43: 660-72 6 Piano S et al.: Including relative adrenal insufficiency in definition and classification of acute-on-chronic liver failure. Clin Gastroenterol Hepatol 2020; 18: 1188-96.e1183. 7 Nandish HK et al.: Adrenal insufficiency in decompensated cirrhotic patients without infection: prevalence, predictors and impact on mortality. J R Coll Physicians Edinb 2019; 49: 277-81 8 Jang JY et al.: Relative adrenal insufficiency in chronic liver disease: its prevalence and effects on long-term mortality. Aliment Pharmacol Ther 2014; 40: 819-26 9 D’Amico G et al.: Clinical states of cirrhosis and competing risks. J Hepatol 2018; 68: 563-76 10 Hartl L et al.: An impaired pituitary-adrenal signalling axis in stable cirrhosis is linked to worse prognosis. JHEP Rep 2023; 5: 100789 11 EASL Clinical Practice Guidelines: Management of alcohol-related liver disease. J Hepatol 2018; 69: 154-81 12 McMillin M et al.: Suppression of the HPA axis during cholestasis can be attributed to hypothalamic bile acid signaling. Mol Endocrinol 2015; 29: 1720-30 13 Theiler-Schwetz V et al.: Bile acids and glucocorticoid metabolism in health and disease. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2019; 1865: 243-51 14 Edwards C.: Sixty years after Hench – corticosteroids and chronic inflammatory disease. J Clin Endocrinol Metab 2012; 97: 1443-51
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