Eizellspende, Leihmutterschaft und Embryonenspende
Autor:
Prof. Dr. Ricardo E. Felberbaum
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
Klinikum Kempten und Klinik Immenstadt,
Klinikverbund Allgäu gGmbH
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Ohne Zweifel war die Geburt des ersten „Retortenbabys“ Louise Brown im Jahr 1978 als lebendes Ergebnis der jahrzehntelangen Vorarbeiten von Sir Robert Geoffrey Edwards ein Meilenstein in der Geschichte der Humanmedizin. Seine tief in die Gesellschaft hinein strahlende Wirkung kann vielleicht nur mit dem der ersten Herztransplantation durch Christian Barnaard ein Jahrzehnt zuvor verglichen werden. In beiden Fällen bedeutete das Ereignis auch eine Erschütterung bisher gültiger ethisch-moralischer Grundfesten, und die Reaktionen waren nicht nur positiv. In der Reproduktionsmedizin bedarf es eines ständigen interdisziplinären Dialogs, um adäquate Richtlinien und Gesetze zu entwickeln, die die Würde und die Rechte aller beteiligten Personen schützen.
Mittlerweile sind die Techniken der assistierten Reproduktion fest im Kanon der anerkannten Behandlungsmethoden der Humanmedizin verankert. Schätzungsweise 10 Millionen Menschen weltweit verdanken heutzutage ihre Existenz der Tatsache, dass sich ihre Eltern einer Behandlung durch reproduktionsmedizinische Maßnahmen unterzogen haben. Die In-vitro-Fertilisation und alle nachfolgenden Spielarten derselben sind eindeutig eine Erfolgsgeschichte.
Da die Reproduktionsmedizin aber deutlich schneller als andere Formen der Medizin ihren Weg in die privatwirtschaftliche Ausübung bis hin zu einer Form der industriellen Revolution gefunden hat, zeigten sich bald aber auch unerfreuliche Nebenerscheinungen. Die großen Gewinnmargen ließen manchen die ärztliche Kunst ausübenden Zeitgenossen die Grenzen der Gier übersehen. Der Fall des argentinischen Reproduktionsmediziners Ricardo Ash, hoch angesehener Erfinder der GIFT-Methode („gamete intrafallopian tube transfer“), mag hier als Beispiel dienen. Er wurde wegen clandestinen Handels mit Embryonen verurteilt und lebt seitdem in Mexiko im Exil.
Nun hat sich die wissenschaftliche Entwicklung seit den Meilensteinen der Einführung der IVF, der erfolgreichen Kryokonservierung von Zygoten und Embryonen, der Etablierung der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) und der Einführung der GnRH-Antagonisten in die Protokolle der kontrollierten ovariellen Hyperstimulation, die alle zu ihrer Zeit wirkliche „game changer“ waren, deutlich verlangsamt. Natürlich wird intensiv an adjuvanten Maßnahmen, die die Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung, definiert als die Geburt eines gesunden Kindes, erhöhen sollen, geforscht. Aber wenn auch diese Maßnahmen sich – wie immer in der Reproduktionsmedizin – noch vor erkennbarer valider Evidenz rasend schnell in der reproduktionsmedizinischen „scientific community“ verbreiten, so warten doch alle auf den nächsten großen Schritt vorwärts.
Global betrachtet aber haben die Eizellspende, die Leihmutterschaft und auch die Embryonenspende der Reproduktionsmedizin enorme Möglichkeiten, auch hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung, eröffnet. Aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Bedingungen in den verschiedenen Ländern sind die Techniken die hauptsächliche treibende Kraft hinter dem sich immer mehr vergrößernden Markt der im territorialen Sinn zu verstehenden grenzüberschreitenden Behandlungen (CBRC=„cross border reproductive care“). Die Motivationen für diese Form der Reproduktionsmedizin sind der Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind, die Unfähigkeit, sich auf natürlichem Wege fortzupflanzen in Verbindung mit der Bereitschaft, bedeutende finanzielle Mittel einzusetzen, um den Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind zu erfüllen, aber auch die Bereitschaft zur Flucht vor dem Gesetz, wenn die gewünschte Technik im eigenen Land verboten ist oder eine bestimmte Gruppe sich von den Möglichkeiten der Techniken der assistierten Reproduktion ausgeschlossen sieht.
Eizellspende
Für das Jahr 2014 wurden für den europäischen Kontinent 56516 Zyklen bei 776556 Behandlungszyklen (7,2%) als Behandlungen unter Verwendung gespendeter Eizellen registriert. Aus diesen resultierten 14 979 dokumentierte Schwangerschaften. Die klinische Schwangerschaftsrate lag bei 48,4% pro Embryotransfer und die Geburtenrate bei 28,2% pro Embryotransfer. Insgesamt muss eine hohe Rate an „lost for follow-up“ hinsichtlich der CBRCBehandlungen beklagt werden. Trotzdem kann gesagt werden, dass ein erhöhtes Risiko für den schwangerschaftsinduzierten Hypertonus besteht (aOR: 2,84), ebenso wie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Oligohydramnions (aOR: 12,74) oder postpartaler Blutungen (aOR: 7,11). Das ethische Hauptproblem aber liegt in der Tatsache, dass junge Frauen ohne medizinische Indikation einer kontrollierten ovariellen Stimulation unterzogen werden, um dann deren Eizellen für die Behandlung anderer ungewollt hoffnungslos kinderloser Paare zu verwenden. Es ist schwer vorstellbar, dass ein solches Unterfangen aus rein altruistischer Motivation heraus geschieht. Es überrascht nicht, dass Regelungen wie in Österreich, die die Eizellspende nur aus altruistischen Bewegründen erlauben, nicht den erwünschten Erfolg hatten. In der Regel werden daher in anderen Ländern die spendenden Frauen entlohnt. Über die Höhe der Bezahlung kann nur spekuliert werden, die Gewinnmarge für die reproduktionsmedizinischen Zentren kann aber ohne Zweifel als groß und attraktiv bezeichnet werden. Je nachdem, aus welchem Land die Spenderin stammt, kann davon ausgegangen werden, dass finanziell schlechter gestellte Frauen diesen Weg gehen, um an eine für sie interessante Entlohnung zu gelangen. Dass es immer nur die intellektuell auf Augenhöhe agierende Studentin sein soll, die sich etwas dazu verdienen und dabei noch etwas Gutes tun möchte, erscheint mir zweifelhaft.
Leihmutterschaft
Die Idee der Leihmutterschaft ist so alt wie die Menschheit. Die greise, kinderlose Sarah führt Abraham ihre junge Magd Hagar zu, damit diese an ihrer statt empfängt und schließlich den Sohn Ismail gebärt (Genesis 16,10–1). Daher wird diese Form der Leihmutterschaft auch heute noch als traditionelle Leihmutterschaft bezeichnet. Aber auch die erste erfolgreiche Übertragung eines Embryos auf eine Frau, die nicht Spenderin der Eizelle war, ist erstaunlich früh gelungen. Bereits 1985 berichteten Utian und Sheean von der erfolgreichen Schwangerschaft nach In-vitro-Ferilisation und Embryotransfer von einer infertilen Frau auf eine Leihmutter.1
Auch diese Form der Leihmutterschaft hat sich sehr schnell in vielen Ländern etabliert. So ist die altruistische Leihmutterschaft in Belgien, Griechenland, UK, den Niederlanden, Portugal und Zypern möglich, die kommerzielle in Georgien, der Ukraine, Russland und den USA und weiteren Ländern wie Thailand und Indien. In Kambodscha wurde, um das clandestine Geschäft mit der Leihmutterschaft zu unterbinden, ein Gesetz beschlossen, das die Leihmutter verpflichtet, das ausgetragene Kind bis zur Volljährigkeit aufzuziehen.
Während, zumindest für mich, kein ethisch-moralisches Problem besteht, wenn eine Mutter für ihre Tochter, eine Schwester für ihre Schwester oder eine Freundin für eine Freundin bereit ist, für diese, weil sie z.B. ohne Uterus geboren wurde (Mayer-von-Rokitansky-Küster- Hauser-Syndrom), deren Schwangerschaft auszutragen, so ist mir die Vorstellung, eine Frau für diesen Zweck zu „mieten“ und dafür zu bezahlen, doch zutiefst fremd. Und natürlich hat es genau in diesem Sinne immer wieder Exzesse gegeben. Wohngemeinschaften, in denen Leihmütter in Thailand oder Indien die in Auftrag gegebenen Schwangerschaften austragen, haben schließlich dazu geführt, dass auch diese Länder gesetzliche Grenzen eingeführt haben.
Wissenschaftlich betrachtet besteht eine gute Studienlage hinsichtlich des „fetal outcome“ ohne höhere Risiken im Vergleich zur konventionellen In-vitro-Fertililsation. Dagegen ist die Studienlage hinsichtlich des „obstetric outcome in surrogate mothers“ und des „follow-up of surrogate mothers“ miserabel (in PubMed bei entsprechender Suche nur 3 Publikationen zu diesem Thema von 1795 Publikationen bei Suchbegriff „surrogate motherhood“).
Der letzte große Skandal fand sogar den Weg in das deutsche Wochenmagazin „Der Spiegel“. Ein schwunghaftes Geschäft mit Leihmüttern aus Moldavien auf Kreta fand mit der Verhaftung des ärztlichen Leiters ein abruptes Ende.2 Hier wurde exemplarisch diese Spielart der reproduktionsmedizinischen Prostitution durchexerziert.
Nun wird auch in Deutschland über einen Weg nachgedacht, diese Methoden der ART zu legalisieren. Eine vom Bundesgesundheitsminister eingerichtete Kommission sollte ausloten, ob Eizellspende und Leihmutterschaft zugelassen werden könnten, ohne der Kommerzialisierung menschlichen Lebens völlig Tür und Tor zu öffnen. Schwierig bleibt die Frage nach der „angemessenen“ Aufwandsentschädigung, der „angemessenen“ Entlohnung und der „angemessenen“ Beachtung der psychosozialen Faktoren. Aber was ist angemessen?
Embryonenspende
Bereits seit 1991 sieht das deutsche Embryonenschutzgesetzdie Embryonenspende als legale Möglichkeit vor. Der Verein „Netzwerk Embryonenspende“ hat es sich zum Ziel gesetzt, solche überzähligen Embryonen, für die von den genetischen Eltern keine weitere Verwendung vorgesehen ist, an ansonsten hoffnungslos kinderlose Paare ohne Therapiemöglichkeit auf rein altruistischer Basis zu vermitteln. Allerdings sieht das deutsche Embryonenschutzgesetz keine gleichartige Behandlung überzähliger imprägnierter Eizellen im Vorkernstadium vor. Von diesen lagern Hunderttausende in deutschen reproduktionsmedizinischen Zentren. Die Zulassung der Spende dieser Eizellen im Vorkernstadium wäre der vernünftigste und ethisch-moralisch am wenigsten belastende Schritt hin zu einem modernen deutschen Reproduktionsmedizingesetz.
Literatur:
1 Utian WH et al.: Successful pregnancy after in vitro fertilization and embryo transfer from an infertile woman to a surrogate. N Engl J Med 1985; 313(21): 1351-2 2 Der SPIEGEL 51/23
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