Osteoporose: Diagnostik und Therapie – ein Überblick
Autorin:
Dr. med. Stella Mollet
FMH Rheumatologie und Allgemeine Innere Medizin
RheumaClinic Bethanien, Zürich
E-Mail: rheumaclinic@hin.ch
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Die Inzidenz osteoporotischer Fragilitätsfrakturen in der Schweiz ist hoch: 1 von 2 Frauen und 1 von 5 Männern erleiden nach dem 50. Lebensjahr mindestens eine Fragilitätsfraktur. Gleichzeitig werden viele Patient:innen mit Osteoporose inadäquat behandelt. Dieser Artikel gibt einen Überblick, wann und wie eine Osteoporose gesucht werden sollte und welche Behandlung je nach Risikokategorie empfohlen wird.
Keypoints
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Osteoporotische Frakturen sind häufig. Daher sollte bei Risikofaktoren mittels DXA-Messung gezielt nach einer Osteoporose gesucht werden.
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Das Risiko für osteoporotische Frakturen ist nicht nur von der gemessenen Knochendichte abhängig, sondern auch vom Zeitpunkt und von der Art von vorangegangenen osteoporotischen Frakturen und allfälligen zusätzlichen Risikofaktoren wie z.B. Steroidtherapie oder hormonablativer Therapie.
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Je nach Risikokategorie und vorangegangener Fraktur sollte dann entweder ein antiresorptives oder ein osteoanaboles Medikament gewählt werden.
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Nach grossen osteoporotischen Frakturen oder bei bestimmten Risikosituationen kann eine osteoporotische Medikation auch empfohlen werden, wenn die Knochendichtewerte noch nicht im osteoporotischen Bereich liegen.
Wie soll nach Osteoporose gesucht werden?
Als Standardmethode zur Suche nach einer Osteoporose gilt weiterhin die Dual-Energy-X-Ray-Absorptiometrie(DXA)-Messung. Diese Untersuchung ist kassenpflichtig bei manifester Osteoporose, bei Knochenbruch nach inadäquatem Trauma, Langzeit-Cortisontherapie, Hypogonadismus, Malabsorptionssyndrom (v.a. M.Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie), primärem Hyperparathyreoidismus, Osteogenesis imperfecta, HIV, Therapie mit Aromatasehemmern oder Antikonvulsiva sowie zur Verlaufskontrolle maximal alle 2 Jahre. Aber auch bei anderen Risikofaktoren wie z.B. erhöhter Sturzneigung, chronischer Nieren- oder Lebererkrankung, Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoider Arthritis, axialer Spondyloarthritis oder bei Anorexie macht die Durchführung einer DXA Sinn, auch wenn die Kostenübernahme durch die Krankenkasse in diesen Fällen nicht garantiert ist.
Gemäss WHO ist das Vorliegen einer Osteoporose anhand der DXA-Messwerte klar definiert durch
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den T-Wert bei postmenopausalen Frauen und Männern >50 Jahre (Osteopenie: T-Wert –1,1 bis –2,4, Osteoporose: ≤–2,5) resp.
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den Z-Wert bei prämenopausalen Frauen bzw. Männern <50 Jahren (ein Z-Wert ≤–2,0 entspricht einer altersbezogen verminderten Knochendichte).
Der T-Wert bzw. Z-Wert widerspiegelt die Knochendichte. Zusätzlich kann bei der DXA-Messung die Knochenarchitektur, also die Homogenität der Knochentrabekel, mittels Trabecular Bone Score (TBS) ermittelt werden. Der TBS kann zum Beispiel bei Steroidtherapie bereits eine degradierte Knochenstruktur anzeigen, auch wenn die Knochendichte noch nicht relevant vermindert ist. Auch dies führt dann zu einem erhöhten Frakturrisiko. Eine moderat degradierte Knochenstruktur besteht bei einem TBS-Wert zwischen <1,31 und 1,24; eine schwer degradierte Knochenstruktur bei einem Wert ≤1,23.
Abschätzung des Frakturrisikos
Anhand der Messwerte in der Knochendichtemessung und gewisser Risikofaktoren kann das Frakturrisiko gemäss FRAX® ( https://frax.shef.ac.uk/FRAX/tool.aspx?lang=de ) ermittelt werden. Hier können nebst den Knochendichtewerten auch die TBS-Werte eingegeben werden. Der Score kann auch ohne Eingabe der Knochendichtewerte verwendet werden.
Für die Abschätzung des Frakturrisikos und den Therapieentscheid sind aber nicht nur das Erfüllen der Osteoporosekriterien gemäss WHO-Definition und der FRAX®-Score entscheidend. Die Schweizerische Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) hat 2020 eine neue Risikostratifizierung durchgeführt und 5 Risikokategorien definiert (Tab. 1 und Abb. 1). Hier spielen nebst Alter und FRAX®-Score vor allem auch das Auftreten einer Fraktur in der Vergangenheit sowie die Einnahme von Glukokortikoiden oder einer hormonablativen Therapie (Aromatasehemmer oder antiandrogene Therapie) eine Rolle. Das höchste Risiko (= imminentes Risiko), also ein unmittelbares Risiko für weitere osteoporotische Frakturen, haben Patient:innen mit St.n. Wirbelkörper- oder Hüftfraktur in den letzten 2 Jahren oder >65-Jährige mit St.n. grosser osteoporotischer Fraktur in den letzten 2 Jahren. Dieses Risiko besteht unabhängig von den gemessenen Knochendichtewerten.
Abb. 1: Interventionsgrenze für Osteoporosetherapie basierend auf dem 10-Jahres-Risiko für grosse osteoporotische Frakturen gemäss SVGO (adaptiert nach Ferrari S et al. 2020)1
Tab. 1: Die 5 Risikokategorien gemäss SVGO (adaptiert nach Ferrari S et al. 2020)1
Osteoporosetherapie gemäss SVGO-Risikokategorie
Die SVGO hat für jede Risikokategorie Empfehlungen für die Therapieeinleitung und das weitere Management erarbeitet (Abb. 2).1
Abb. 2: Therapieempfehlungen je nach Risikokategorie gemäss SVGO (adaptiert nach Ferrari S et al. 2020)1
Unabhängig von der Risikokategorie sollten alle Patient:innen darüber aufgeklärt werden, dass bei Osteoporose regelmässige körperliche Bewegung wichtig ist und das Frakturrisiko reduziert. Zusätzlich ist bei allen auf eine ausreichende Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr zu achten (25-OH-Vitamin-D-Zielwert: >30µg/l bzw. 75nmol/l: Kalziumzufuhr: 1000mg/d). Auch eine ausreichende Proteinzufuhr von 1g/kgKG sollte gewährleistet sein.
Für die medikamentöse Osteoporosetherapie stehen antiresorptive und osteoanabole Medikamente zur Verfügung. Welches Medikament zum Einsatz kommt, hängt von der Risikokategorie, der Art der stattgehabten Fraktur (Wirbelkörper oder andere grosse osteoporotische Fraktur) und gegebenenfalls einer früheren Osteoporosetherapie ab.
Bei moderatem Frakturrisiko soll eine antiresorptive Therapie mit einer Hormonersatztherapie, einem selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) wie Raloxifen oder peroralen Bisphosphonaten wie Alendronat oder Risedronat eingesetzt werden.1
Bei hohem Frakturrisiko werden ebenfalls antiresorptive Medikamente empfohlen. Zur Auswahl stehen intravenöse Bisphosphonate und Denosumab.1 Bei vorangegangener Hüftfraktur ist bei den intravenösen Bisphosphonaten Zoledronat gegenüber Ibandronat zu bevorzugen, da die Wirkung von Zoledronat an kortikalen Knochen wie der Hüfte besser wirkt als Ibandronat. Zudem ist Ibandronat bei Männern nicht zugelassen.
Bei St.n. Wirbelkörperfraktur wird eine osteoanabole Therapie mit Teriparatid empfohlen.1 Hierbei ist zu beachten, dass vorgängig ein Kostengutsprachegesuch bei der Krankenkasse eingereicht werden muss.
Im Falle eines sehr hohen oder imminenten Frakturrisikos und St.n. grosser osteoporotischer Fraktur kann auch die Gabe des antiresorptiv und osteoanabol wirkenden Medikamentes Romosozumab erwogen werden.1 Auch hierfür besteht eine Limitatio auf der Spezialitätenliste und es muss vorgängig eine Kostengutsprache eingeholt werden.
Zu beachten ist auch, dass gemäss Therapieempfehlung der SVGO bei hohem, sehr hohem oder imminentem Frakturrisiko eine spezifische medikamentöse Therapie empfohlen wird, auch wenn keine osteoporotischen Knochendichtewerte gemäss T-Wert in der DXA vorliegen.
Tabelle 2 zeigt eine Auswahl der gebräuchlichsten Medikamente.
Tab. 2: Auswahl der gebräuchlichsten Medikamente für die Behandlung der Osteoporose
Dauer der Therapie
Bei einer antiresorptiven oder osteoanabolen Therapie sollte nach 2 Jahren eine Verlaufs-DXA-Messung stattfinden. Die Dauer der Therapie ist dann abhängig davon, ob eine Niedrigrisiko- oder eine Hochrisikosituation vorliegt.3
Ein hohes Frakturrisiko ist definiert als:
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Frakturen der Hüfte, Wirbelsäule oder an mehreren Orten vor oder während der Therapie;
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T-Score am Schenkelhals <–2,5 bei Alter <65 Jahren; <–2,0 bei >65 Jahre und/oder häufigen Stürzen;
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fortgeführte Hormonablationstherapie;
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sekundäre Osteoporose, fortgesetzte Glukokortikoidtherapie.
Ausserdem ist die Dauer abhängig vom verwendeten Medikament. Ein Stopp oder ein Wechsel der Therapie sollten bei Bisphosphonaten aufgrund des danach steigenden Risikos für atypische Femurfrakturen oder Kieferosteonekrosen bei intravenöser Gabe nach 3–4 Jahren bzw. bei peroraler Anwendung nach 4–5 Jahren evaluiert werden.4 Bei Denosumab soll aufgrund eines Rebound-Phänomens nach Stopp der Therapie mit Absinken der Knochendichte und stark erhöhtem Risiko für Wirbelkörperfrakturen eine Anschlusstherapie mit Zoledronat (mindestens einmal 6 Monate nach der letzten Denosumab-Gabe) ergänzt werden.5 Ein Risiko für Kiefernekrosen oder atypische Femurfrakturen besteht bei Denosumab ebenfalls, sodass nach 4–6 Jahren eine Therapiereevaluation erfolgen sollte. Bei Denosumab besteht aber auch bei einer Therapie von bis zu 10 Jahren ein vertretbares Sicherheitsprofil.6
Auch nach osteoanaboler Therapie mit Teriparatid oder Romosozumab soll wegen eines gewissen Rebound-Phänomens mit Absinken der Knochendichte nach dem Stopp eine Behandlung mit einem Antiresorptivum wie einem Bisphosphonat angeschlossen werden.1
Literatur:
1 Ferrari S et al.: 2020 recommendations for osteoporosis treatment according to fracture risk from the Swiss Association against Osteoporosis (SVGO). Swiss Med Wkly 2020; 150: w20352 2 Kanis JA et al.: Characteristics of recurrent fractures. Osteoporos Int 2018; 29: 1747-57 3 Meier C et al.: Osteoporosis drug treatment: duration and management after discontinuation. A position statement from the Swiss Association against Osteoporosis [SVGO/ASCO]. Swiss Med Wkly 2017; 147: w14484 4 Khan AA et al.: Diagnosis and management of osteonecrosis of the jaw: a systematic review and international consensus. J Bone Miner Res 2015; 30: 3-23 5 Cummings SR et al.: Vertebral fractures after discontinuation of denosumab: A post hoc analysis of the randomized placebo-controlled FREEDOM trial and its extension. J Bone Miner Res 2018; 33: 190-8 6 Kendler DL et al.: Denosumab in the treatment of osteoporosis: 10 years later: A narrative review. Adv Ther 2022; 39: 58-74
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