Mehr als chronische Prurigo
Fallbericht zur Verfügung gestellt von:
Prof. DDr. med. Alexander Navarini
Chefarzt Dermatologie und Allergologie
Universitätsspital Basel
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Dass man in der Dermatologie bei Veränderungen der Haut immer ganz genau hinsehen muss, versteht sich von selbst. Ganz besonders gilt das bei chronischen Hauterkrankungen, die bei der Kontrolle von unscheinbaren, malignen Hautveränderungen ablenken können. Der Zusammenhang mit weiteren Befunden sollte unbedingt genau abgeklärt werden.
Ein Mann im Alter von 90 Jahren stellt sich mit gutem Allgemein- und Ernährungszustand und ohne wesentliche Vorerkrankungen vor. Seit rund 8 Jahren ist er von pruriginösen Veränderungen der oben Extremitäten beidseits und des Rückens betroffen. Anhand der Symptomatik wurde damals die Diagnose Prurigo nodularis gestellt (IFSI-Klasse III, Klassifizierung benannt nach dem International Forum for the Study of Itch).
Eintrittsstatus
Am linken Oberarm des Patienten zeigt sich eine längliche, ca. 6cm lange Narbe (Abb.1A), die höchstwahrscheinlich durch Kratzen entstanden ist, weiters sind kleinere Hämorrhagien zu sehen, die als Bateman-Purpura (aktinische Purpura) einzustufen sind, die vor allem bei älteren, mit Steroiden vorbehandelten bzw. sonnenexponierten Patienten auftreten.
Abb. 1 A und B: Veränderungen am linken Oberarm und am Rücken
Im lumbalen Bereich des Rückens fallen zentral mehrere ca. 1cm grosse, livide Knötchen mit Exkoriationen auf (Abb.1B). Die klinische Symptomatik spricht zunächst für eine Prurigo simplex subacuta. Da aber zusätzlich Papeln am Rücken identifiziert werden, die etwas grösser als 1cm ausfallen und nicht zu einer Prurigo-Läsion passen (Abb. 2), werden weitere Untersuchungen angeordnet. Als mögliche Differenzialdiagnosen könnte man hier eine lymphomatoide Papulose oder hypertrophen Lichen ruber in Betracht ziehen. Eine Biopsie soll Klarheit bringen.
Abb. 2: Eine der verdächtigen Papeln am Rücken
Diagnose
Abb. 3: Histologisches Präparat mit signifikanten Zellen
Im Bioptat (Abb. 3) der «verdächtigen» Papeln wird ein malignes dermales B-lymphoides Infiltrat mit deutlicher Lambda-Leichtketten-Restriktion identifiziert (CD20: >90% der Zellen positiv, CD79a: >90% der Zellen positiv). Die daraus folgende Diagnose lautet: kutanes B-Zell-Lymphom vom Typ des Marginalzonenlymphoms im Stadium IV.
Anamnestisch kann eruiert werden, dass beim Patienten bereits 2015 anhand einer CT-Untersuchung des Thorax und des Abdomens eine mediastinale, hiläre, paraaortale, iliakale und mesenteriale Lymphadenopathie auffällig gewesen ist. Damals konnte kein Hinweis auf einen Primärtumor gefunden werden, daher wurde der Befund auch aktenanamnestisch nicht weiter abgeklärt.
Weiteres Vorgehen
Das aktuelle PET-CT, das sofort nach der Lymphomdiagnose durchgeführt wird, ergibt mehrere FDG-avide kutane Befunde am Rücken, am Vertex und wahrscheinlich auch proximal am Oberarm links, die einer Manifestation des B-Zell-Lymphoms/Marginalzonenlymphoms entsprechen. Die hypermetabolen, teilweise pathologisch vergrösserten Lymphknoten mesenterial, hilomediastinal/axillär werden im Kontext als hochgradig suspekt auf weitere Lymphommanifestationen definiert. Keinen Anhalt gibt es vorläufig für Milz- oder Knochenmarksbefall.
Als Nebenbefund bestätigen sich durch die Biopsie die «prurigo nodularis-like» Läsionen der oberen Extremitäten beidseits und am Rücken (IFSI-Klasse III). Es ist davon auszugehen, dass das B-Zell-Lymphom bereits 2015 bestanden hat und mit der Prurigo nodularis kombiniert aufgetreten ist.
Therapie
Das Marginalzonenlymphom in dieser Ausprägung wird systemisch mit Rituximab-Infusionen behandelt. Der Antikörper war einer der ersten Antikörper in der Krebsimmuntherapie und gilt daher als Vorreiter der gezielten Krebstherapie, er richtet sich gegen das auf B-Zellen vorhandene Oberflächeneiweiss CD20 (Anti-CD20-Antikörper).
In diesem Fall werden dem Patienten vier Infusionen in wöchentlichem Abstand verabreicht, die Dosierung erfolgt nach Körperoberfläche. Wichtig ist, davor den Impfstatus zu überprüfen bzw. zu aktualisieren.
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