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Hepatozelluläres Karzinom
Autor:
Prof. Dr. med. Markus H. Heim
Chefarzt Hepatologie
Clarunis – Universitäres Bauchzentrum Basel
E-Mail: markus.heim@clarunis.ch
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Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) tritt häufig im Rahmen einer fortgeschrittenen Leberkrankheit auf. Die Prognose wird deshalb nicht nur durch das Tumorstadium, sondern auch massgeblich durch den Schweregrad der Leberkrankheit bestimmt. In den letzten Jahren sind bei der Behandlung des HCC wichtige Fortschritte erzielt worden. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen aktuellen Einblick in die Epidemiologie, Abklärung und Behandlung des HCC bieten.
Keypoints
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Patienten mit fortgeschrittener Leberkrankheit, insbesondere bei Vorliegen einer Zirrhose, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) zu entwickeln, und sollten mittels 6-monatlicher Ultraschalluntersuchungen überwacht werden.
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Die Wahl der Therapie hängt sowohl vom Tumorstadium als auch von der Leberfunktion ab.
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Bei Frühstadien des HCC kommen Therapien mit kurativer Intention zum Einsatz: chirurgische Resektion, Transplantation, perkutane Ablation und selektive interne Radiotherapie.
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Im Intermediärstadium stehen transarterielle lokoregionäre Therapien im Vordergrund.
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Bei der systemischen Therapie sind die Immuntherapien erste Wahl.
Obwohl das hepatozelluläre Karzinom in der Schweiz bei der Inzidenz nur an 14.Stelle liegt, ist es die sechsthäufigste Krebs-Todesursache.1 Die überwiegende Zahl der HCC (>90%) entstehen auf dem Boden einer chronischen Lebererkrankung, wie der chronischen HepatitisC oder der chronischen Hepatitis B, der alkoholischen Lebererkrankung und der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), die aktuell in MASLD («metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease») umbenannt wurde.2 In Westeuropa sind die chronische Hepatitis C und die alkoholische Leberkrankheit die häufigsten Ursachen.3 Die MASLD hat in den letzten Jahren aber dramatisch an Bedeutung gewonnen.4
Unabhängig von der Ätiologie der zugrunde liegenden Leberkrankheit ist die Leberzirrhose der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung eines HCC. Die jährliche HCC-Inzidenz bei Zirrhose beträgt 1–8%.
Surveillance und Diagnostik
Die Identifizierung von Patienten mit chronischen Leberkrankheiten ist weitgehend Aufgabe der medizinischen Grundversorgung. Die Bestimmung der Leberwerte im Rahmen von Check-up-Untersuchungen kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Viele Leberkrankheiten können heute geheilt werden, und damit kann die Entstehung einer Zirrhose verhindert werden. Zur Abklärung des Stadiums (Fibrose-Stadium) der Leberkrankheit können in der Allgemeinpraxis einfache Tests wie der Fibrosis-4(FIB-4)-Score, in den Alter, Aspartat-Aminotransferase [ASAT], Alanin-Aminotransferase [ALAT] und Thrombozytenzahl eingehen,5 eingesetzt werden. Genauer kann das Fibrose-Stadium mittels transienter Elastografie (Fibroscan®), Ultraschall-Elastografie, Magnetresonanz-Elastografie (MRE) und der Leberbiopsie bestimmt werden. Bei Vorliegen einer Zirrhose sollten die Betroffenen über das erhöhte Leberkrebsrisiko und die Möglichkeit einer Surveillance aufgeklärt werden. Die European Association for the Study of the Liver (EASL) und die Schweizerische Fachgesellschaft (SASL) empfehlen dazu eine Ultraschalluntersuchung der Leber alle 6 Monate.6,7 Bei Patienten mit schwierigen Ultraschall-Untersuchungsbedingungen kann die Surveillance alternativ mittels Comutertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. Werden in einer Surveillance-Untersuchung ein oder mehrere verdächtige Herde entdeckt, erfolgt die weitere Abklärung mit multiphasischen, kontrastmittelverstärkten bildgebenden Verfahren wie CT und MRT oder kontrastverstärktem Ultraschall (CEUS), wenn möglich in einem Referenzzentrum. Werden in diesen Untersuchungen genau definierte Kriterien erfüllt, kann die Diagnose eines HCC auch ohne bioptische Sicherung erfolgen.8 Die histologische Diagnosestellung mittels Tumorbiopsie bleibt aber der Goldstandard.
Therapie
Es ist eine wichtige Eigenheit des HCC, dass die Prognose nicht nur vom Tumorstadium, sondern auch vom Stadium der zugrunde liegenden Lebererkrankung bestimmt wird. Die Abklärung und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit HCC sollten, wann immer möglich, in einem Zentrum mit breiter multidisziplinärer Kompetenz inklusive Hepatologie und Leberchirurgie erfolgen. Im Frühstadium eines HCC sollte eine Therapie mit kurativer Intention durchgeführt werden. Dazu gehören die chirurgische Resektion, die Lebertransplantation, die perkutane Ablation (Mikrowellen- oder Radiofrequenzablation) und für ausgewählte Patienten auch die externe Radiotherapie und die selektive interne Radiotherapie (SIRT) mittels SIRT-Segmentektomie.7,9 Bei intermediärem Tumorstadium wird mit transarteriellen Verfahren behandelt. Dabei wird die bewährte transarterielle Chemoembolisation (TACE) immer mehr auch durch die neuere SIRT ersetzt.10 Für das fortgeschrittene Stadium mit allerdings immer noch auf die Leber beschränktem Tumor können die SIRT oder aber systemische Therapien eingesetzt werden. Beim metastasierten HCC steht die palliative systemische Therapie im Vordergrund. Hier hat es in den letzten Jahren durch die Einführung der Immuntherapie Fortschritte gegeben.11,12 Die korrekte Allokation dieser Therapieoptionen setzt ein sorgfältiges Staging voraus. Weit verbreitet ist das «Barcelona Clinic Liver Cancer»(BCLC)-Staging-System,13 das mit wenigen Modifikationen auch im «Expert Opinion Statement» (EOS) der SASL empfohlen wird (Abb. 1).7
Abb. 1: Modifiziertes «Barcelona Clinic Liver Cancer»(BCLC)-Staging-System (adaptiert nach Goossens et al., 2020)7
Die heutigen Präferenzen bei der Wahl der palliativen Systemtherapien zeigt Abbildung 2, die auf internationalen Empfehlungen beruht.13 In der Schweiz sind als Erstlinientherapien die Kombination aus Atezolizumab (Tecentriq®) und Bevacizumab (Avastin®) und als Monosubstanzen die Multikinase-Inhibitoren Sorafenib (Nexavar®) und Lenvatinib (Lenvima®) zugelassen. Die Immuntherapie-Kombination aus Durvalumab (Infinzi®) und Tremelimumab (Imjudo®) wurde von der Swissmedic kürzlich zugelassen und wird wohl in den nächsten Monaten in der Schweiz erhältlich sein.
Ausblick
Nach jahrelangem Stillstand bei den Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten mit HCC sind in den letzten Jahren wichtige Fortschritte erzielt worden. In der Chirurgie wurden minimal invasive Verfahren entwickelt, die Operationen auch bei ausgewählten Patienten mit fortgeschrittener Leberkrankheit ermöglichen, da das Risiko für eine Dekompensation der Leberfunktion deutlich verringert wurde. In der interventionellen Radiologie wurden zusammen mit der Nuklearmedizin deutliche Fortschritte bei der selektiven internen Radiotherapie (SIRT) in prospektiven, randomisierten und kontrollierten Studien dokumentiert. Für das fortgeschrittene HCC bedeutet die Einführung der Immuntherapien einen wirklichen Paradigmenwechsel. Auf all diesen Gebieten geht die klinische Entwicklung neuer Verfahren und Medikamente mit grosser Intensität weiter. Es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zukunft auch die Mortalität des HCC endlich gesenkt werden kann.
Literatur:
1 NICER: Cancer data extracted from the Swiss national dataset managed by the Foundation National Institute for Cancer Epidemiology and Registration (NICER). http://www.nicer.org/en/statistics-atlas/cancer-incidence/ 2 Rinella ME et al.: A multisociety Delphi consensus statement on new fatty liver disease nomenclature. J Hepatol 2023; 79: 1542-56 3 Singal AG et al.: Epidemiology and surveillance for hepatocellular carcinoma: new trends. J Hepatol 2020; 72: 250-61 4 Huang DQ et al.: Global epidemiology of NAFLD-related HCC: trends, predictions, risk factors and prevention. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2021; 18: 223-38 5 Sterling RK et al.: Development of a simple noninvasive index to predict significant fibrosis in patients with HIV/HCV coinfection. Hepatol 2006; 43: 1317-25 6 EASL Clinical Practice Guidelines: management of hepatocellular carcinoma. J Hepatol 2018; 69: 182-236 7 Goossens N et al.: Management of hepatocellular carcinoma: SASL expert opinion statement. Swiss Med Wkly 2020; 150: w20296 8 Bruix J et al.: Clinical management of hepatocellular carcinoma. Conclusions of the Barcelona-2000 EASL conference. European Association for the Study of the Liver. J Hepatol 2021; 35: 421-30 9 Salem R et al.: Yttrium-90 radioembolization for the treatment of solitary, unresectable HCC: the LEGACY study. Hepatol 2021; 74: 2342-52 10 Dhondt E et al.: (90)Y radioembolization versus drug-eluting bead chemoembolization for unresectable hepatocellular carcinoma: results from the TRACE phase II randomized controlled trial. Radiol 2022; 303: 699-710 11 Finn RS et al.: Atezolizumab plus Bevacizumab in unresectable hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2020; 382: 1894-905 12 Abou-Alfa GK et al.: Tremelimumab plus Durvalumab in unresectable hepatocellular carcinoma. NEJM Evid 2022; 1: doi:10.1056/EVIDoa2100070 13 Reig M et al.: BCLC strategy for prognosis prediction and treatment recommendation: the 2022 update. J Hepatol 2022; 76: 681-93 14 Llovet JM; SHARP Investigators Study Group.: Sorafenib in advanced hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2008; 359: 378-90 15Kudo M et al.: Lenvatinib versus sorafenib in first-line treatment of patients with unresectable hepatocellular carcinoma: a randomised phase 3 non-inferiority trial. Lancet 2018; 391: 1163-73
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