Infektiologische Risiken von Tattoos
Autorinnen:
Paula Hirayama
Dr. med. C. Bettina Rümmelein
Hautwerk AG
Zürich
E-Mail: klinik@hautwerk.ch
Die Anzahl der Individuen mit Tätowierungen nimmt kontinuierlich zu.1 Gleichzeitig deuten aktuelle Studien darauf hin, dass die Mehrheit der Bevölkerung unzureichend über die medizinischen Risiken von Tätowierungen informiert ist.2 Ziel ist es folglich, das öffentliche Bewusstsein sowie das von Ärzt:innen und medizinischem Personal für die infektiologischen Risiken von Tattoos zu schärfen und über Präventionsstrategien zu informieren.
Keypoints
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Trotz der hohen und zunehmenden Prävalenz von Tätowierungen ist das öffentliche Bewusstsein über die damit verbundenen Risiken gering.
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Bisherige Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei 0,5–6% der Personen nach dem Erhalt eines Tattoos eine Infektion festgestellt wird.
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Exakte Angaben zu Infektionen durch Tattoos sind jedoch nur eingeschränkt möglich.
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Impfungen und die Einhaltung von Hygienemassnahmen, wie die Verwendung von Einwegnadeln, Einweghandschuhen und nicht kontaminierter Tattootinte, sind für die Risikominderungwesentlich.
Das Wort «Tätowierung» stammt ursprünglich aus dem tahitianischen Wort «ta-tau» und bedeutet so viel wie das Stechresultat. Das Tätowieren dient als uralte Form der Körperverzierung, welche sich global als ein begehrtes Modeaccessoire und als Möglichkeit der Selbstdarstellung verankert hat.3
Zahlen und Fakten: Tattoos und infektiologische Risiken
Die Geschichte von Tattoos reicht weit zurück in die Vergangenheit und Belegen zufolge waren diese bereits im antiken Rom üblich.4 Dort dienten Tätowierungen beispielsweise dazu, römische Gladiatoren zu kennzeichnen.5 Die zunehmende Verbreitung von Tätowierungen wurde jedoch im Jahre 306 n.Chr. durch das Verbot von Kaiser Konstantin dem Grossen unterbrochen. Erst im 18. Jahrhundert wurden Tätowierungen in der westlichen Kultur wieder eingeführt. Im 19. Jahrhundert symbolisierte das Tätowieren Reichtum in höheren Gesellschaftsschichten, sodass sich später auch namhafte Persönlichkeiten, wie Winston Churchill, tätowieren liessen.3 In dieser Zeit wurden jedoch auch die mit Tattoos verbundenen Risiken entdeckt. Zum Beispiel wurde ein Zusammenhang zwischen den Tätowierungen von Seeleuten und zahlreichen Infektionen hergestellt, worauf die französische Marine mit einem Tätowierungsverbot reagierte.6
Trotz der vorhandenen medizinischen Risiken haben Tätowierungen in den vergangenen Jahren einen erheblichen Zuwachs an Popularität erfahren und sind in sämtlichen sozialen Schichten verbreitet. Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 10–20% der Menschen tätowiert.7 In einer in Österreich, Deutschland und der Schweiz durchgeführten Umfrage gaben 37,6% der Befragten an, zwei bis drei Tätowierungen zu haben.8 Erstaunlicherweise wurden kaum Unterschiede im Wissen über potenzielle Infektionsrisiken zwischen tätowierten und nicht tätowierten Personen festgestellt.2 Gemäss bisherigen Untersuchungen wird bei etwa 0,5% bis 6% der Personen nach dem Erhalt eines Tattoos eine Infektion festgestellt.1
Oft gestaltet es sich jedoch schwierig, infektiöse Komplikationen direkt mit Tätowierungen in Verbindung zu bringen. Einige Infektionen, wie beispielsweise Hepatitis, können erst Jahrzehnte nach dem Tätowieren entdeckt werden oder werden irrtümlicherweise auf ungeschütztes Sexualverhalten zurückgeführt. Folglich sind exakte Angaben zur Häufigkeit von Infektionen nach dem Erhalt eines Tattoos nur eingeschränkt möglich und sollten mit Vorsicht betrachtet werden.6
Wie entstehen Infektionen durch Tattoos?
Abb. 1: Tätowieren mit elektrisch betriebener Nadel
Die Ursachen infektiöser Komplikationen aufgrund von Tätowierungen sind vielfältig. Wichtig zu beachten ist, dass Personen mit geschwächtem Immunsystem aufgrund diverser Immunerkrankungen ein höheres Risiko für Infektionen aufweisen.6 Beim Tätowieren werden Farbpigmente mithilfe vonmeist elektrisch betriebenen Nadeln in die Epidermis und Dermis eingebracht (Abb. 1).6 Beunruhigend ist, dass bis zu ein Viertel der Tattoosunter fragwürdigen hygienischen Konditionen von nicht lizenzierten Tätowierer:innen angebracht werden.3 Während dieses Vorgangs sowie während der Wundheilung besteht das Risiko, dass Viren und Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze in den Organismus gelangen und eine Infektion auslösen.6 Unzureichende Hygienemassnahmen des Tätowierstudios oder der Tätowierer:in, wie die Verwendung von unsterilen Instrumenten, stellen hierbei eine erhebliche Gefahr für infektiöse Komplikationen dar.9
Bevor viele europäische Länder staatliche Hygienevorschriften einführten, stellten Tätowierer:innen ihre Tattootinte oftmals selbst her, was häufig zur Verwendung von toxischen Substanzen führte. In den Jahren 2003 und 2008 veranlasste der Europarat zwei Bestimmungen, in denen die Sterilität von Produkten für Tätowierungen und Permanent-Make-up (PMU) geregelt wird.1 In der Schweiz sind gesetzliche Regelungen zur Zusammensetzung von Tattootinte erst seit 2019 in Kraft getreten.10 Trotz der neuen Regulierungen bei der Herstellung von Tattootinte werden die erforderlichen Hygienevorschriften nicht immer eingehalten.1 Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Wasser zur Verdünnung der Tinte, welches mit Mikrobakterien kontaminiert ist. Bisherigen Untersuchungen zufolge sind bis zu 10% der neu hergestellten Tattootinten, trotz ihrer Kennzeichnung als steril, bakteriell kontaminiert. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Auswahl eines professionellen Tätowierstudios als präventive Massnahme zwar von hoher Bedeutung ist, jedoch nicht sämtliche Risiken ausschliesst.6
Welche infektiologischen Risiken sind mit Tattoos verbunden?
Tätowierungen sind mit einer Vielzahl infektiologischer Risiken verbunden und können beispielsweise zu bakteriellen, viralen oder Pilz-Infektionen führen. Bakterielle Infektionen treten häufiger als virale und fungale Infektionen auf. Durch das gestiegene Hygienebewusstsein werden Infektionen heutzutage vor allem von kommensalen und opportunistischen Mikroorganismen verursacht. Je nach Infektion können Erytheme, Pruritus, Ödeme oder purpurrote Makulae als Erscheinungsbild auftreten.11
Bakterielle Infektionen
Die häufigsten bakteriellen Infektionen in diesem Zusammenhang sind Infektionen mit Staphylococcus aureus, Streptococus pyogenes und Pseudomonas aeruginosa sowie Clostridien- und Tetanus-Infektionen.12 Aussergewöhnlich ist der Anstieg von Infektionen, die durch Methicillin-resistentenStaphylococcus aureus (MRSA) ausgelöst werden.3 Darüber hinaus können Bakterien nicht nur in der Epidermis zu lokalen Hautinfektionen führen, sondern auch in die Blutbahn gelangen und systemische Infektionen wie eine Sepsisauslösen.6 Dies geschieht dann, wenn die Nadel durch die Epidermis in die Dermis gelangt und in Berührung mit Lymph- und Blutgefässen gerät.
Die häufigsten Mikroorganismen, die als systemische Infektionen eine Bakteriämie, ein toxisches Schocksyndrom, Pyomyositis, Endokarditis mit der möglichen Folge einer Herzklappeninsuffizienz und einen Iliopsoasabszess auslösen können, sind Haemophilus influenzae, Streptococcus spp. und Moraxella lacunata.1 Granulomatöse und eitrige Reaktionen werden mit nichttuberkuloiden Mykobakterien in Zusammenhang gebracht. Als einer der häufigsten Erreger wird Mycobacterium chelonae genannt, das sich als klinisches Bild in der Regel durch erythematöse, juckende Knötchen, Papeln und Pusteln zeigt, die häufig in schwarzen und grauen Regionen einer Tätowierung vorkommen. Bei Auftreten der Symptome sollte eine Probe entnommen und mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden, um einer Progression entgegenzuwirken.
Infektionen durch Tätowierungen können auch auf die Oberfläche beschränkt sein und sich als pyogene Infektion, Abszesse, Erythem, Plaques oder Impetigo äussern. Schwere Infektionen können als Erysipel oder Weichteilinfektion wie Zellulitis auftreten, die zu Schwellungen der distalen oder gesamten Extremitäten führen können. Daher ist eine frühzeitige und effektive Behandlung der bakteriellen Infektion notwendig, idealerweise mithilfe eines Kulturnachweises nach Identifizierung des verursachenden Mikroorganismus.6
Der Schweregrad der Infektion hängt von multiplen Faktorenwie Immunsystem, pathogenen Organismen und Komorbiditäten der Patient:innen ab.1Menschen mit atopischer Dermatitis sind häufiger mit Staphylokokken besiedelt. Zusätzlich können auch atypische bakterielle Infektionen wie mit Mycobacterium tuberculosisund leprae durch Nadelpenetrationen übertragen werden.6
Virale Infektionen
Das humane Papillomavirus (HPV), der Herpes-simplex-Virus (HSV) oder verrucöse Hautveränderungen, wie zu Beispiel Mollusca contagiosa(MCV), Condylomata accuminata, Verrucae vulgares oder Verrucae planae können lokale Infektionen aufgrund von Tätowierungen verursachen. Tattoos können jedoch auch systemische Virusinfektionen, wie Hepatitis B, Hepatitis C oder das humane Immundefizienz-Virus (HIV), übertragen und sich auf den gesamten Organismus auswirken.9Interessant ist, dass HIV in wässrigen Lösungen unter Raumtemperatur bis zu 15 Tage infektiös bleiben kann. Dementsprechend ist nicht nur die Nadel, sondern auch die Tätowierpistole selbst ein Kontaminationsrisiko.13
HPV-Läsionen undMCV sind eine der häufiger vorkommenden viralen Infektionen.9 Zwischen der Inokulation und dem Auftreten der verrukösen Läsionen können häufig mehrere Jahre liegen. Jedoch kommt es bei immunkompetenten Menschen in den meisten Fällen zu einer Spontanremission.3
Zu den häufiger auftretenden Virusinfektionen, die durch Tätowierungen übertragen werden können, zählen das Hepatitis-B- und das Hepatitis-C-Virus.12Ein einziger Nadelstich bei einer infizierten Person führt bei Wiederverwendung der Nadel mit einer Wahrscheinlichkeit von 5–30 % zu einer Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektion.Die Wahrscheinlichkeit für eine Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion liegt bei 3–7%.9Bei Hepatitisviren ist im Vergleich zu HIV nur eine geringe Anzahl an Viren ausreichend, um eine andere Person zu infizieren.6 Verbesserungen der Hygienemassnahmen, wie die Verwendung von Einweghandschuhen und Einwegnadeln, spielen folglich eine wesentliche Rolle bei der Vorbeugung dieser Infektionen.6 Hepatitiden, dieauf Tätowierungen zurückzuführen sind, werden oft übersehen, und zwar deshalb, weil die Erkrankung langsam fortschreitet und dadurch viele Jahre unbemerkt bleiben kann.6
Hepatitis B gehört zu den Desoxyribonukleinsäure(DNA)-Viren, während Hepatitis C zu den Ribonukleinsäure(RNA)-Viren zählt. Sie können über Koitus oder Blutexposition übertragen werden. Sie sind weltweit führend in der Verursachung von chronischen Hepatitiden und können bis zu Leberfibrose, Steatosis hepatis, Leberzirrhose oder zu einem hepatozellulären Karzinom führen. Gegenwärtig sind mehr als 250 Millionen Menschen weltweit von einer chronischen HBV-Infektion betroffen, wobei jährlich etwa 800000 an den Folgen sterben. Um die 70 Millionen Menschen sind an einer chronischen HCV-Infektion erkrankt, wovon circa 1 Million im Jahr sterben. Trotz des bislang nur für HBV zugelassenen Impfstoffes gehört die chronische HBV-Infektion zu den 30 häufigsten Todesursachen weltweit. Erschreckend ist, dass selbst in Industriestaaten wie Deutschland wieder ein leichter Anstieg der Infektionen in den letzten Jahren beobachtet werden konnte. Klar ist, dass für diese Zahlen diverse Ursachen verantwortlich sind, unter anderem jedoch das Risiko von unsterilen Tätowierungen auch als ein potenzieller Risikofaktor betrachtet werden sollte.14
Die Ergebnisse einer umfassenden Metaanalyse zeigen, dass Menschen mit Hochrisikoverhalten die grösste Wahrscheinlichkeit aufweisen, sich nach einer Tätowierung mit dem Hepatitis-B-Virus zu infizieren. Dazu zählen Personen, die keine professionellen Tattoostudios aufsuchen, Drogenkonsument:innen, Strassenjugendliche, Gefängnisinsass:innen, Menschen im Prostitutionsgewerbeund HIV-positive Menschen.15Die Resultate weiterer Metaanalysen beweisen eine starke Verknüpfung zwischen dem Hepatitis-C-Virus und Tätowierungen. Zudem zeigen einige Studien eine Assoziation von Grösse und Anzahl der Tattoos mit dem Risiko, an einer HCV-Infektion zu erkranken.16
Konklusion
Dieser Artikel unterstreicht die hohe Bedeutung präventiver Massnahmen, um Infektionen, welche durch Tätowierungen verursacht werden, auf das Minimum zu reduzieren. Hierfür sind noch strengere Richtlinien, Hygienemassnahmen und Kontrollen von Tattoostudios erforderlich. Zudem ist es wichtig, die Aufmerksamkeitfür infektiologische Risiken im Gesundheitswesen zu erhöhen. Ärzt:innen sollen/müssen ihre Patient:innen umfassend über die infektiologischen Gefahren von Tätowierungen informieren und Impfungen empfehlen, die einen zusätzlichen Schutz bieten können.
Literatur:
1 Dieckmann R et al.: The risk of bacterial infection after tattooing. Dtsch Arztebl Int 2016; 113(40): 665-71 2 Rahimi IA et al.: Tattoos. J Clin Aesthet Dermatol 2018; 11(3): 30-5 3 Islam PS et al.: Medical complications of tattoos: A comprehensive review. Clin Rev Allergy Immunol 2016; 50(2): 273-86 4 Pesapane F et al.: A short history of tattoo. JAMA Dermatol 2014; 150(2): 145 5 Glassy CM et al.: Tattooing: medical uses and problems. Cleve Clin J Med 2012; 79(11): 761-70 6 Serup J et al.: Tattoo complaints and complications: diagnosis and clinical spectrum. Curr Probl Dermatol 2015; 48: 48-60 7 Kluger N: Epidemiology of tattoos in industrialized countries. Curr Probl Dermatol 2015; 48: 6-20 8 Karger S: Tätowierte: Anzahl der Tattoos. Statisa GmbH: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160696/umfrage/taetowierte-anzahl-der-tattoos (letzter Zugriff am 2. Juli 2024) 9 Cohen PR: Tattoo-associated viral infections: a review. Clin Cosmet Investig Dermatol 2021; 14: 1529-40 10 Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärewesen (BLV): Piercing und Tattoo. BLV 2024: https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/gebrauchsgegenstaende/kosmetika-schmuck/piercing-und-tattoo.html (letzter Zugriff am 2. Juli 2024) 11 Laux P et al.: A medical-toxicological view of tattooing. Lancet 2016; 387(10016):395-402 12 Handrick W et al.:Infections caused by piercing and tattoos–a review. Wien Med Wochenschr 2003; 153(9): 194-97 13 Gogolishvili D, Wilson M: HIV risks associated with tattooing, piercing, scarification and acupuncture. Ontario HIV Treatment Network 2012: https://www.ohtn.on.ca/rapid-response-61-hiv-risks-associated-with-tattooing-piercing-scarification-and-acupuncture (letzter Zugriff am 2. Juli 2024) 14 Glitscher M et al.: Hepatitis B and C: mechanisms of virus-induced liver pathogenesis and tumorigenesis. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2022; 65(2): 228-37 15 Jafari S et al.: Tattooing and risk of hepatitis B: a systematic review and meta-analysis. Can J Public Health 2012; 103(3): 207-12 16 Jafari S et al.: Tattooing and the risk of transmission of hepatitis C: A systematic review and meta-analysis. Int J Infect Dis 2010; 14(11): e928-40
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