Die Mundschleimhaut – Paradebeispiel interdisziplinärer Zusammenarbeit
Autorinnen:
Dr.med. Dr.sc.nat. Barbara Meier-Schiesser
Dr.med.dent. Martina Schwerzmann
Universitätsspital Zürich
Korrespondierende Autorin:
Dr.med. Dr.sc.nat. Barbara Meier-Schiesser
E-Mail: barbara.meier-schiesser@usz.ch
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Erkrankungen an der Mundschleimhaut sind mannigfaltig und häufig schwierig zu therapieren. Aufgrund der Lokalisation und Gewebebeschaffenheit müssen verschiedene Aspekte beachtet werden, welche im dermatologischen Praxisalltag in der Regel keine Routine darstellen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Dermatologen mit anderen Disziplinen wie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie oder der Zahnmedizin für eine optimale Diagnostik und Therapie ist deshalb essenziell.
Keypoints
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Zahnstatus und Mundhygiene müssen in den Befund miteinbezogen werden, ebenso wie Hautstatus und Anamnese.
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Der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin muss in die Therapie involviert sein.
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Risikopatienten für Plattenepithelkarzinome sind engmaschig zu kontrollieren.
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Im Zweifelsfall sollte immer eine Biopsie durchgeführt werden.
Die orale Mukosa besteht aus spezialisiertem Epithelgewebe, das die darunterliegenden Strukturen schützt und verschiedene Funktionen wie Sprechen, Schmecken und Kauen unterstützt. Sie dient zudem als wichtige Barriere gegen schädliche Mikroorganismen und mechanische Reizungen. Morphologisch unterscheidet sie sich von der Haut durch eine fehlende oder andersartige Verhornung ihres mehrschichtigen Plattenepithels. Auch funktionell bestehen wichtige Unterschiede, beispielsweise besitzt das Stratum basale ein grösseres Regenerationsvermögen als das der Haut. Dennoch können auch im Bereich der Mundschleimhaut verschiedene Krankheiten entstehen, von entzündlichen oder autoimmunen Dermatosen bis zu benignen Gewebevermehrungen oder ausgedehnten malignen Neoplasien.1 Eine Vielzahl dieser Erkrankungen kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind daher sehr wichtig. Aufgrund der speziellen Lokalisation ist es oft nicht sinnvoll, die Diagnostik und Therapie als Dermatologe/Dermatologin unidisziplinär in die Hand zu nehmen. Umgekehrt ist es jedoch auch für andere Disziplinen wichtig, etwaige zusätzliche Hautveränderungen bei der Diagnosestellung miteinzubeziehen.
Die Mundschleimhautsprechstunde am Universitätsspital Zürich
Am Universitätsspital Zürich führen wir seit April 2022 eine interdisziplinäre Mundschleimhautsprechstunde durch. In den Räumen des Ambulatoriums der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie am Circle findet diese Sprechstunde monatlich statt. Der Fokus liegt auf der Diagnostik und Therapie entzündlich bedingter Mundschleimhauterkrankungen. Entzündungen an der Mundschleimhaut können durch Erreger, chemische oder mechanische Reize oder durch chronische Krankheiten bedingt sein.
Entzündliche Erkrankungen der Mundschleimhaut
Chronische Entzündungen durch entzündlich oder autoimmun bedingte Erkrankungen der Mundschleimhaut stellen nach wie vor eine grosse Herausforderung für den Mediziner dar. Zu den häufigsten immunologisch bedingten Mundschleimhauterkrankungen gehört der orale Lichen planus, weitere wichtige Diagnosen sind blasenbildende Autoimmundermatosen wie beispielsweise der Pemphigus vulgaris und das Schleimhautpemphigoid. Interessanterweise können diese Erkrankungen je nach Art und Ausprägung ähnliche Schleimhautveränderungen zeigen. Bei den bullösen Autoimmundermatosen ist zudem zu beachten, dass die Blasen im Gegensatz zur Haut kaum über längere Zeit intakt bleiben und somit die klinische Differenzierung eines Pemphigoids vom Pemphigus nicht in derselben Weise möglich ist. Eine Biopsieentnahme zur histologischen Beurteilung ist somit massgebend zur Diagnosestellung. Neben der regulären Formalinfixierung für die Paraffinhistologie sollte zudem zum Beweis oder Ausschluss einer autoimmunbullösen Dermatose eine direkte Immunfluoreszenzuntersuchung durchgeführt werden. Gemäss Leitlinie sollte die Biopsie für Histologie läsionär und für die direkte Immunfluoreszenz periläsionär (bis zu 1cm neben der Blase/Läsion) erfolgen.2 Bei unklarem Resultat trotz suggestiver Klinik sollte die direkte Immunfluoreszenz wiederholt werden. Zudem sollte zur Bestätigung einer autoimmunbullösen Dermatose eine Titerbestimmung spezifischer Antikörper im Serum erfolgen.2
Das Management dieser entzündlichen Krankheiten beinhaltet neben topischen und allenfalls systemischen Therapien auch prophylaktische Massnahmen. Es empfiehlt sich, weitere für das orale Umfeld spezifische Faktoren zu beachten: So üben beispielsweise der Zahnstatus, die Speichelmenge und Speichelzusammensetzung, aber auch dentale Werkstoffe einen Einfluss auf die Mundschleimhaut aus. Amalgam, Acrylate und Legierungen im Zahnersatz können Unverträglichkeiten oder gar Allergien hervorrufen oder beim oralen Lichen planus als Triggerfaktoren fungieren.3
Plaque, Zahnstein & Co.
Abb. 1: Schleimhautpemphigoid in Kombination mit einer chronischen Parodontitis
Häufig führt eine Entzündung in der Mundhöhle zu Schmerzen, weshalb die Mundhygiene schlechter durchgeführt wird. Dies begünstigt die Akkumulation von Plaque und Zahnstein, was wiederum die Entstehung einer Gingivitis (Zahnfleischentzündung) oder Parodontitis begünstigen kann (Abb. 1). Bei den meisten betroffenen Patienten ist eine ungenügende Mundhygiene die Hauptursache von Gingivitis und Parodontitis. In Anwesenheit von Plaque und Zahnstein entsteht an der Gingiva eine Entzündung, die typischerweise einhergeht mit erythematös veränderter Gingiva und Zahnfleischbluten. Eine Gingivitis kann in eine Parodontitis übergehen, bei der es zu einer Entzündung des gesamten Parodonts und im Verlauf zu einem Abbau des zahntragenden Knochens kommt. Sowohl eine Gingivitis als auch eine Parodontitis können parallel zu anderen Erkrankungen der Mundschleimhaut auftreten und nicht selten die Symptome und den Verlauf negativ beeinflussen (Abb. 2). Es lohnt sich deshalb vor allem bei chronischen Erkrankungen in der Mundhöhle, auch die Hauszahnärzte in die Therapie und Langzeitbetreuung miteinzubeziehen.4
Abb. 2: Interdisziplinäres Management entzündlicher Veränderungen der Mundschleimhaut
Regelmässige Kontrollen und Mundhygiene als präventative Massnahmen
Die von Zahnärzten empfohlenen jährlich oder halbjährlich durchgeführten zahnärztlichen Untersuchungen und Zahnreinigungen sind von hoher Bedeutung für den langfristigen gesunden Erhalt der Dentition und des Parodonts. Daneben können diese entscheidend bei der frühzeitigen Erkennung von Mundschleimhauterkrankungen sowie bösartigen Veränderungen wie Mundhöhlenkrebs sein. Die Mundhygiene spielt nicht nur bei entzündlichen Erkrankungen eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Prävention und Behandlung von Candida-Infektionen, von Leukoplakien sowie von Plattenepithelkarzinomen im Mundbereich. Bei Candida-Infektionen und/oder insuffizienter Mundhygiene kann es zu einem Wachstum von weiteren potenziell schädlichen Bakterien, Viren und Pilzen kommen, welches das Risiko für Plattenepithelkarzinome vergrössert. Bei der Therapie soll deshalb nebst der bekannten topischen oder systemischen Behandlung mit antimykotischen Präparaten die orale Hygiene berücksichtigt werden. Eine gute Mund- und Prothesenhygiene, einschliesslich regelmässigen Zähneputzens und Reinigens der Zunge, kann dazu beitragen, das Wachstum von Candida – insbesondere bei geschwächtem Immunsystem – zu kontrollieren.
Maligne Neoplasien früh erkennen
Abb. 3: Plattenepithelkarzinom an der Wangenschleimhaut
Wie bereits erwähnt, können sich an der Mundschleimhaut nicht nur entzündliche Erkrankungen manifestieren, sondern auch maligne Neoplasien entstehen. Der häufigste maligne Tumor in der Mundhöhle ist mit über 90% das Plattenepithelkarzinom (Abb. 3). Für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen ist die akkumulierte Tabakdosis, die auf die Mundschleimhaut eingewirkt hat, der Hauptrisikofaktor. Der kombinierte Konsum von Tabakprodukten und Alkohol erhöht das Krebsrisiko. Alkohol erhöht die Permeabilität der Mundschleimhaut und potenziert dadurch die Wirkung der kanzerogenen Stoffe, die stärker in tiefere Gewebeschichten vordringen können. Bei den Risikofaktoren soll das humane Papillomavirus nicht unerwähnt bleiben, welches insbesondere bei Plattenepithelkarzinomen im Oropharynx eine Rolle spielt.5 Maligne Neoplasien und dysplastische Veränderungen können aus den häufig beobachteten Leukoplakien entstehen. Auch der orale Lichen planus hat ein Potenzial zur malignen Transformation. Wir empfehlen deshalb, inhomogene oder schmerzhafte Läsionen, welche länger als zwei Wochen persistieren, zu biopsieren.6,7
Fazit
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen und Dermatologen ist insbesondere bei der Behandlung von komplexen Fällen von grosser Bedeutung, um eine effektive Diagnostik sowie eine umfassende und ganzheitliche Versorgung der Patienten mit Mundschleimhauterkrankungen zu gewährleisten.
Quelle:
Zürcher Dermatologische Fortbildungstage 2023, Vortrag von Dr. med. Dr. sc. nat. Barbara Meier-Schiesser und Dr. med. dent. Martina Schwerzmann, Universitätsspital Zürich
Literatur:
1 Schofer H, Hintner H: [Diseases of the oral cavity]. Hautarzt 2012; 63(9): 676-7 2 Joly P et al.: Updated S2K guidelines on the management of pemphigus vulgaris and foliaceus initiated by the european academy of dermatology and venerology (EADV). J Eur Acad Dermatol Venerol 2020; 34(9): 1900-13 3 Rahat S et al.: Can we separate oral lichen planus from allergic contact dermatitis and should we patch test? A systematic review of chronic oral lichenoid lesions. Dermatitis 2021; 32(3): 144-50 4 Sanadi RM et al.: Association of peridontal disease with oral lichen planus: A systematic review and meta analysis. J Oral Maxillofac Pathol 2023; 27(1): 173-80 5 Dhanuthai K et al.: Oral cancer: A multicenter study. Med Oral Patol Oral Cir Bucal 2018; 32(1): e23-9 6 Chamoli A et al.: Overview of oral cavity squamous cell carcinoma: Risk factors, mechanisms and diagnostics. Oral Oncol 2021; 121: 105451 7 Halbritter SAP et al.: [High risk lesions of the oral mucosa – diagnosis, therapy and follow-up in two cases]. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2007; 117(7): 730-45
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